Wir fördern uns selbst – Förderprojekte des EvS-Kuratoriums mit dessen Mitgliedern

Ich bin frustriert! Überfliegt man die Förderungen der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung (EvS) für 2011 und die bisher für 2012 vergebenen Förderungen – Mitte Februar lief die Frist für weitere Förderanträge für die zweite Hälfte 2012 ab – , stellt man fest, dass fast ein Zehntel der Projekte Aufträge, Auftritte, Aufführungen, Workshops, etc. der Mitglieder des Kuratoriums beinhalten, sei es direkt oder auch nur indirekt gefördert. So entsteht für die Kuratoriumsmitglieder Wolfgang Rihm, Beat Furrer, Peter Ruzicka und Helmut Lachenmann eine Art Umwegförderung. Wie Spahlinger Professor war, sind und waren diese Komponisten selbst Professoren und fördern z.T. auch auf dem Wege der EvS-Ausschüttungen ihre Schüler, was v.a. bisher prominent 2012 in Erscheinung tritt. In den Jahren davor sieht es nicht viel anders aus. Zudem nicht zu vergessen die Veranstaltungen der Ferienkurse Darmstadt und Donaueschinger Musiktage, die generell von der EvS gefördert werden und z.B. Rihm und Furrer immer wieder Auftritte und Aufführungen dort haben. Ein wenig könnte man denken: wo bereits viel ist, ein gewisser Namen allemal, da ist dann auf diesem Wege noch schneller mehr Geld. Dies verzerrt den Wettbewerb der Neue-Musik-Projekte untereinander um so mehr, als dass die staatliche Förderung explizit an Private wie die EvS verweist im Einfordern von Stiftungsmitteln als Drittmittel für die von öffentlicher Seite bewilligten Gelder. Denn die EvS fördert ja Gott sei Dank sehr viel, aber eben auch nicht Alles, so dass die Nichtgeförderten doppelt zu kurz kommen, v.a. wenn die Komponisten im Kuratorium, die bereits genug Aufträge und Renommé besitzen, sich direkt wie indirekt selbst fördern.

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Mag die EvS eine eigene Stiftung sein, so sitzt sie doch auch unterm Dach der Münchener Siemens-Zentrale, so dass ungute Gefühle angesichts der Transparenzprobleme dieses Unternehmens die letzten Jahre herumgeisterten. Anscheinend lassen die Föderrichtlinien solch ein Gebaren des Kuratoriums zu, dennoch ist dies sehr fragwürdig, gerade eben weil die vier Herren so bedeutend sind und die Stiftung allemal. Ich selbst wurde so zwar über Projekte gefördert wie pianopossibile, Münchner Kammerorchester oder Adevantgarde – Jahre her. Mit direkt eigenen Anträgen drang ich bisher nicht durch. Und so macht mich das noch verärgerter als eigenständiger, immer wieder selbstverantwortete Projekte organisierender Komponist, wie aktuell ein Projekt im Rahmen der Münchener Biennale, das zwar bereits Produktionsgelder durch die öffentliche Hand erhielt, mir letzten Endes für ein einstündiges Musiktheater weniger als zweitausend Euro bleiben werden, also wie meine Techniker, die nicht erst monatelang Komponieren müssen, also gelebte Spahlinger-Existenz. Aber egal! Wurde über Spahlinger diskutiert, werde nun darüber geredet. Das Wirken der EvS ist grds. segensreich, aber in puncto folgender Auflistungen sollte sich was ändern. Höchstwahrscheinlich werden mich die Vier teeren und federn wollen. Aber was habe ich noch zu verlieren, wo ich nicht an ihrem Napf sauge, ich im Biennale-Heft nur Kosten für zwei Seiten verursache, sonst keinen Support bekomme?

Hier nun zum Genusse eine Aufstellung der Eigenförderung direkter wie indirekter Art des EvS-Kuratoriums 2011 und 2012:

2011: ca. 135 Projekte, 18 mit direkter und indirekter Unterstützung des Kuratoriums selbst (Wolfgang Rihm Beat Furrer, Peter Ruzicka, Helmut Lachenmann): UA-Auftrag an Rihm sowie Wiederaufführung: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/kompositionsauftraege/30-jahre-ensemble-modern

Rihm innerhalb des Programms der UA: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/kompositionsauftraege/visibleinvisible-kompositionsauftrag

Lachenmann innerhalb des Programms der UA: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/kompositionsauftraege/notturno-kompositionsauftrag-rebecca

Rihms 60. Geburtstag, Aufträge an Schüler und Freunde, u.a. Ruzicka: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/kompositionsauftraege/musik-baut-europa

Auftrag an Rihm: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/kompositionsauftraege/kompositionsauftrag-wolfgang-rihm

Benefizkonzert u.a. mit Lachenmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/konzerteveranstaltungen/benefizkonzert-fuer-das-tokyo

Aufführung und Film von/über Lachenmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/konzerteveranstaltungen/docu-concerts-serie.html

Aufführunge eines „meistgespielten“ Werks Furrers: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/konzerteveranstaltungen/adventures-sound-sechs

Konzert mit Musik von Furrer und ihm als Dirigent: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/begegnungen-konzert-mit-beat-furrer.html

Festival u.a mit Rihm und Lachenmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/mouvement-festival-fuer-neue-musik-saarbruecken

Festival mit Programmkonzept Rihms samt Aufführung von Lachenmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/ohren-auf-europa-2011.html

U.a. Aufträge an Rihm und Ruzicka: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/kompositionsauftraege-moritz-eggert-marton-illes

Aufführungen und Film von/über Ruzicka: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/spinnerei-iv-festival-fuer-zeitgenoessische

Workshop mit Furrer: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/workshops-fuer-fuenf-europaeisch

Festival mit Rihm als composer in residence: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/festivals/bruecken-2011-festival-fuer-neue-musik

Festivalleitung u.a. durch Furrer: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2010/akademienkurse/impuls-verein-zur-vermittlung

Auftrag u.a. an Furrer: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/akademienwettbewerbe/die-zeitgenoessische-klavieretuede

Workshop mit Furrer: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2011/akademienwettbewerbe/22-kompositionsworkshop-der-fondation

Ohne näheres eingehen auf Lehrer/Schülerförderungen!

Dazu Wolfgang Rihm auf den von der EVS geförderten Musiktagen Donaueschingen 2011: https://www.swr.de/swr-classic/donaueschinger-musiktage/programme/2011/programm/-/id=8023658/did=14238612/nid=8023658/1c5avud/index.html

2012: Bisher ca. 75 Projekte, weitere Aussschreibung Mitte Februar vorüber, so wohl noch weitere Projekte.

Aufführung von Rihm: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/kompositionsauftraege/der-maler-spricht

Gleich Rihm, Lachenmann, Furrer im Porträt: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/konzerteveranstaltungen/meisterwerke-von-rihm-lachenmann

Aufführung eines Werks von Rihm: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/festivals/festival-festival-aspects-des-musiques

Aufführung von Beat Furrer: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/festivals/carte-blanche-ii.html

Alle Quartette Ruzickas, Werke Rihms und seine Schülers Widmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/festivals/bruecken-2012.html

Rihm fördert Aufführungen seiner Herrenhaus-Edenkoben-Stipendiaten: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/akademienworkshops/zeitgenoessische-kammermusik.html

Rihm in Heidelberg: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/akademienworkshops/kammermusik-akademie.html

Interdisziplinäres Forum mit Lachenmann: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/symposienpublikationen/schoenheit-als-verweigerung-von

Geburtstagsbuch für Rihm: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/symposienpublikationen/die-tonkunst.html

Weiter Aufträge an ehemalige Schüler:

Rihmschüler Giorgio Netti: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/kompositionsauftraege/kompositionsauftraege-giorgio-netti

Rihmschüler Markus Hechtle: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/kompositionsauftraege/minotaurus-kompositionsauftrag

Lachenmannschüler Ginaluca Ulivelli: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/kompositionsauftraege/kompositionsauftraege-edwards-gander

Rihmschüler Widmann als Dirigent: http://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/preise/archiv/foerderprojekte/2012/akademienworkshops/conducting-composers-composing

Demnächst können noch weitere Projekte dazukommen, wenn die Februareinreichungen für die zweite Jahreshälfte 2012 kuratiert sein werden. Dazu allgemein gefördert Furrer als Komponist der Donaueschinger Musiktage 2012 und Wolfgang Rihm als visiting composer der Ferienkurse Darmstadt 2012: https://www.swr.de/swr-classic/donaueschinger-musiktage/programme/2012/programm/-/id=9888204/did=13937448/nid=9888204/17pd1lg/index.html und http://www.internationales-musikinstitut.de/images/stories/PDF-Datein/Dozenten-Team_2012.pdf

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11 Antworten

  1. Erik Janson sagt:

    Bravo Alexander für diesen aufschlussreichen Artikel,

    irgendwie weiß ich nun, warum mein Herzmuskel (wohl indirekt den Korruptionsvirus nicht mehr ertragend, der in diesem Lande um sich greift) gerade in der letzten Woche um den 15. Februar herum schlapp machte und mich ins Krankenhaus verfrachtete. Sodass ich hier unseren Düsseldorfer Antrag an besagte Stiftung gar nicht erst schreiben konnte.

    Bleibt uns wenigstens dann der Ärger erspart, wenn man mal wieder (wie letztes Jahr) nichts bekommt, weil man A) nicht über besagten klangvollen Namen verfügt ie die Jurymitglieder oder bei einem der Professoren studiert hat oder B) weil man zu besagten Juroren nicht den tollen Draht auf Du und Du hat.

    Jedenfalls, wenn man diese Vorteilsnahme-Liste so liest, dann ist das, was Wulff mit seinem Filmproduzenten und anderen Amigos da so veranstaltete, schon fast Peanuts dagegen. Schon peinlich, das alles. Warum benennt sich die Stiftung nicht um, z.B. in „RIHM-RUZICKA-LACHENMANN – Gedächtnisstiftung“ und bekennt sich in den Statuten/Ausschreibungsbedingungen offen dazu, dass diese Komponisten bevorzugt werden? Dies wäre wenigstens ehrlich.

    Buona notte, unverzagt, Erik Janson

  2. Freunde, so einfach ist das nicht. Zuerst einmal muss man konstatieren, dass – EGAL WIE DIE SIEMENS-STIFTUNG IHRE GELDER VERTEILEN WÜRDE – immer jemand etwas zu meckern hätte. Das ist einfach eine Tatsache des menschlichen Alltags.
    Zusätzlich ist noch ein anderers Phänomen zu beobachten: Habe ich 6 Stück Kuchen und muss die auf 30 Leute verteilen, so werden die vierundzwanzig nicht Beschenkten zwar nicht glücklich sein, aber sie werden schnell verstehen, dass eben nicht Kuchen für alle da ist. Habe ich aber 28 Stück Kuchen und verteile sie auf 30 Leute, so werden die zwei nicht Beschenkten extrem beleidigt sein, denn sie sind nun in der Minderheit und müssen davon ausgehen, dass es irgendeinen obskuren Grund für ihr Leerausgehen gibt. Und dieser Beleidigtheit werden sie ganz sicher auch Ausdruck verleihen! Um das zu vermeiden, müsste man eine Lotterie veranstalten, dann kann keiner beleidigt sein, weil es dann reines Glück ist. Nur gibt es dann keine Förderung von etwas Herausragendem mehr, sondern es wird nur der Durchschnitt gefördert, das kann’s auch nicht sein.

    Daraus ergibt sich: Je mehr über die Siemens-Stiftung gemeckert wird, desto gerechter und weitläufiger fördert sie also. Ich würde mal darauf tippen, dass ein Großteil der Komponisten in diesem Land auf die eine oder andere Weise von Siemens gefördert wurden und eigentlich auch zufrieden mit der Arbeit der Siemens-Stiftung sind.

    Wenn etwas herausragend ist, dann zieht es automatisch Kreise – Beispiel Rihm: bei Wolfgang Rihm handelt es sich fraglos um einen unserer weltweit bekanntesten Komponisten. Selbst wenn man ihn nicht durch Siemens fördern würde, hätte er immer noch mehr Aufführungen als die meisten anderen Komponisten im Land. Allein dieser Bekanntheitsgard verursacht, dass seine Stücke überall präsent sind – das kann man ihm nun gönnen oder nicht (ich persönlich gönne es ihm), aber es ist tatsächlich schwer, ihn aus der Förderung auszuschließen, wenn man irgend etwas fördert – irgendwo ist er oder ein Schüler von ihm (er hatte halt viele) immer dabei, einfach deswegen, weil unsere Szene so winzig klein ist!!!! Das ist reine Statistik – wie viele E-Komponisten gibt es in Deutschland? Wir denken immer, dass es viel zu viele sind, aber es sind letztlich relativ wenige, und daher kennt man dann irgendwann auch alle. Mir geht es schon seit vielen Jahren so: egal auf welches Festival ich gehe, egal welche Neue-Musik-Veranstaltung ich besuche: ich erkenne fast ALLE anwesenden Komponisten, da immer wieder die selben Gesichter auftauchen.

    Wäre ich jetzt im Siemens-Gremium und würde einen dieser mir bekannten Komponisten fördern, hieße es sogleich: ach, der wird nur gefördert weil er den Eggert kennt. Wenn ich aber stattdessen irgend jemand anders fördern, dann würde ich den höchstwahrscheinlich auch kennen, und man würde mir exakt das selbe vorwerfen! Wenn ich jetzt immer bewusst Leute auswählen würde, die ich absolut nicht kenne, so wäre einerseits die Auswahl winzig klein und ich würde auch eventuell Leute fördern, über deren Arbeit und Wirken ich quasi nichts weiß, das kann’s ja dann auch nicht sein.

    Dass jemand nicht bekannt ist, kann sehr viele Gründe haben – nicht alle Verkannten sind auch verkannte Genies, ich würde mal sagen, eher die wenigsten, rein statistisch gesehen. Und auch ein Rihm wurde nicht berühmt geboren, er hat sich seine Stellung und Anerkennung über viele, viele Jahre durch ein ständig wachsendes Werk erarbeitet. Irgendwann wurde jemand auf ihn aufmerksam, dann noch mehr, dann noch mehr. Aber am Anfang kannte er niemanden, wurde von niemandem „auserwählt“ und „protegiert“, er wurde also – und das ging mit vollkommen rechten Dingen zu – „entdeckt“.

    All das sage ich nur, weil einfach klar sein muss, dass sich diese Diskussionen IMMER im Kreis drehen werden – es wird IMMER jemanden geben, der sich ungerecht behandelt fühlt, das geht gar nicht anders. Aber – und das ist das Schöne am Leben – es gibt immer Überraschungen, späte Anerkennung nach langen Jahren des Ignorierens (bestes Beispiel: Wilhelm Killmayer), oder plötzliches Abtauchen von Leuten, die man für allmächtig hielt. Alles ist ständig im Fluss, und letztlich muss man vor allem beim Blick in den Spiegel mit der eigenen Arbeit glücklich sein, alles Andere ist nicht 100% kontrollierbar, weder der Erfolg, noch – gottseidank – der Mißerfolg.

    Die beste (konstruktive) Kritik an der Siemens-Stiftung ist also: nicht über die Sachen meckern, die gefördert werden (weil es da immer etwas zu meckern geben wird, egal wie sich alle bemühen) sondern auf die Sachen aufmerksam machen, die bisher ihrer Entdeckung harren. Das heißt auch: kollegial sein, Hilfestellung den Kollegen geben, neugierig sein, Begeisterung zeigen. Das wird auf jeden Fall wahrgenommen werden, und auch eine Wirkung zeigen.

    Aus meiner eigenen Juryerfahrung kann ich nur sagen, dass sich JEDER in einer Jury freut, wenn etwas Überzeugendes daher kommt, das man bisher noch nicht kannte, denn in einer Jury will man ja Entdecker, nicht nur Vollstrecker sein. Diese Chance gibt es meiner Ansicht nach immer, und immer wieder aufs Neue. Karrieren die nur auf ständiger externer Einflussnahme und Hilfestellung beruhen, funktionieren künstlerisch nicht, und darauf sollte es letztlich am meisten ankommen.

    Moritz Eggert

  3. Alexander Strauch sagt:

    Moritz – Eigenförderung – das ist hier das Problem!! Wenn Du in einer Jury sitzt und permanent mit einem Zehntel der Ausschüttungssummen Projekte förderst, an denen Du direkt oder eben auch indirekt beteiligt bist, kommt einem gerade in illo tempore der wulffschen Rücktritte der Vorwurf „der fördert sich v.a. selbst“ ins Hirn. Wenn dann noch ständig die eigenen Schüler in den geförderten Projekten mit drinstecken, was einfach inzwischen unsauberer Usus ist an den sich Alle gewöhnt zu haben scheinen, soll man sich nun an diese Eigenförderung arrivierter gewöhnen?

    Was mich betrifft, habe ich mich oben bereits geäussert. Wie Du Dich äusserst, geht es also nun nur um mich? Was also ist mit jener Eigenförderung der Herren!

    Ich finde es höchst bedenklich, wie sofort gegen Kritik an den jetzigen Fördermentalitäten Nebelkerzen gezündet werden. Wie gesagt – ich betone durchaus den „Segen“ der damals von Ernst von Siemens eigerichteten Stiftung. Ich verteufle aber immer mehr das jetzige System. Sobald jeder mit jedem, läuft’s wie geschmiert, sobald es um was Anderes geht, setzt es aus. Als ob besonders Komponisten Musik und Projekte nur noch nach dem Faktor des Menschenkennens aber nicht Noten- und Konzeptlesens beurteilen können. Nur wenn man den eigenen Namen im Konzept liest, dann fängt man an zu denken…

    Aber ich gebe gern den Spahlinger der Loser – so ein System gehört einfach eingestampft, bzw. neu besetzt bzw. mit häufigeren Neubesetzungen nach einer kurzen Laufzeit, wie ein Parlament!!

  4. Goljadkin sagt:

    @ Alexander Strauch:

    Während Sie neulich hier im Blog noch vehement gegen die Selbstabschaffung der Neuen Musik gewettert haben, soll’s nun also die Einstampfung eines der größten Neue-Musik-Ermöglichers in Deutschland sein. Verstehe ich nicht …
    Es ist nunmal nicht Ihr Geld oder das der Allgemeinheit, es ist das Geld der Siemens-Stiftung. Darüber kann man sich aufregen oder seine Konsequenzen ziehen. Und damit meine ich nicht solche salonkommunistisch-bieder-„kapitalismuskritischen“, wie sie Spahlinger aller Welt vor Augen führen glaubt zu müssen. Moritz Eggert hat ja wohl eindrucksvoll vorgeführt, wie schnell so ein political-correctness-Gelaber nach hinten losgehen kann.
    Mit Epiktet zu sprechen: „Wer aber frei sein will, der darf weder erstreben noch meiden, was in der Macht eines anderen steht. Sonst wird er zwangsläufig zum Sklaven.“

    Goljadkin (in erheblichem Maße Nicht-Profiteur der Siemens-Stiftung)

  5. Alexander Strauch sagt:

    Herr Goljadkin, lesen Sie genauer:

    „Das Wirken der EvS ist grds. segensreich, aber in puncto folgender Auflistungen sollte sich was ändern.“

    Es geht hier um die direkte wie indirekte Eigenförderung des Kuratoriums. Sie mögen frei sein. Wie frei der Rest der Komponistenszene ist: Herr Spahlinger kann als Pensionär sagen was er will, wir können ihm Alle mal den Buckel runterrutschen. Wie zwiespältig ich sein Verhalten sehe, mit Sympathie wie einer gewissen Abneigung, schilderte ich anderswo. Ich bin momentan auch förderfrei, was diesen Weg betrifft. Und wie man am Kommentar Moritz‘ sieht, geht es Ihnen wie ihm, zwischen den Zeilen interpretiert, eher um meine als die Verstrickung des Kuratoriums, die ja sogar frei einsehbar nachvollziehbar ist.

    Haben Sie die Links studiert: Was sagen Sie dazu: Rihm wird 60, jemand möchte ein Konzert für ihn veranstalten. Was macht dieser: Er geht zur EvS und stellt einen Förderantrag. Er bekommt Geld, um das Aufträge an die Schüler und ein Kuratoriumsmitglied der EvS zu geben, führt natürlich Werke Rihms dazu auf. Und wer sitzt im Kuratorium neben dem anderen Mitglied: Rihm.

    Oder: jemand möchte Rihm, Furrer und Lachenmann sowie Haas spielen. Antrag an die EvS! Wer findet das cool,. Auf jeden Fall Rihm, Furrer und Lachenmann! Wer entscheidet über die Mittel: Das Kuratorium mit u.a. Rihm, Furrer und Lachenmann.

    Oder: jemand möchte eine Diskussionsreihe u.a. mit Lachenmann, dort sehr prominent, machen. Lachenmann findet das cool. Antrag an die EvS. Das Kuratorium u.a. mit Lachenmann findet das sehr cool. Wer entscheidet? Das Kuratorium, im welchem auch Lachenmann sitzt. Etc.

    Schlicht: wenn es ca. 10% bzw. nicht nur Einzelfälle sondern Häufungen dieser Art von Förderung sind, könnten durchaus unabhängigere Projekte gefördert werden.

    Zumal: Nach Stiftungsrecht kontrolliert solch ein Kuratorium den Vorstand. Also, wenn der Vorstand Änderungen anmahnt, könnte das Kuratorium das erst Mal übersehen. Aber halt: wie in der Wirtschaft dürfen Vorstand und Kuratorium nicht personengleich sein. Wird also schärfer gemessen als im Vereinsrecht. Es ist „gewissenhaft und wirtschaftlich“ zu agieren. Die Arbeit im Kuratorium ist Ehrenamt. Was wiederum jegliche Art von übermäßiger Beteiligung ausschliesst.

    Man stelle sich vor, wie beim sound-icon-Antrag Rihm, Furrer und Lachenmann aus dem Raum gehen, damit die anderen „weltlichen“ Mitglieder wie der verbleibende Komponist entscheiden können. Und man entschied sich FÜR diese Art der Eigenförderung, mehrfach, nicht nur im Einzelfalle.

    In NRW bspw. ist einem Kuratorium überhaupt untersagt, so wie in all den i.g. Fällen für sich selbst zu entscheiden, legt man entspr. Mustersatzungen dahingehend aus. Die eben angeführten Kriterien sind die der Reg. v. Obb.!

    Wie gesagt: wo viel ist, ist schnell mehr. Weniger wäre aber auch schon mal mehr…

    Kleines Gegenbeispiel: Im Bereich der Münchner Theaterförderung der Stadt gibt es auch eine Jury. Bizarr genug wählt die Szene ihre eigenen Entscheider. Immerhin alle 3 Jahre aufs Neue, so dass sich die Karten neu mixen. Und seit Jahren darf ein Theatermensch, der sonst selbst Anträge an dieses Gremium richtet, nicht mehr in jener Juryzugehörigkeit auch nur annähernd in einem der geförderten Projekte beteiligt sein. Und bei der EvS?

    Möge die EvS segensreich wirken, aber ohne dass die Segnenden sich selbst segnen, es genügen schon die Bitt-, Dank- und Lobgebete der anderen zu Segnenden.

  6. Goljadkin sagt:

    @ Alexander Strauch:

    Genau gelesen hab ich’s schon, nur habe ich die ganzen „segensreich“-Einlassungen eher als Deckmäntelchen wahrgenommen (möglicherweise Ihnen zu Unrecht). Wie sicherlich viele andere Kollegen auch habe ich mich schon oft genug darüber geärgert, daß nun der oder jener Schüler von einem prominenten Lehrer diesen oder jenen Preis oder Stipendium oder Auftrag oder Förderung bekommen hat, wohlwissend, daß besagter prominenter Lehrer in der Jury vertreten war. Aber irgendwie ist bei mir in dieser Beziehung die Luft raus, mehr noch, ich will mich ganz einfach nicht mehr aufregen. Vielleicht will ich auch meine Zeit nicht damit vergeuden, stundenlang irgendwelche Beweise für die Ungerechtigkeit der Siemens’schen Geldvergabe zu recherchieren oder nachzuvollziehen. Meinetwegen sollen sie sich ihr Geld doch gegenseitig oder sich selbst zuschanzen. Oder von mir aus auch ablehnen wie Spahlinger. Das Einzige, was mich in dieser Beziehung nervt, ist eigentlich nur noch die unglaubliche Selbstgenügsamkeit, mit der hier im Blog argumentiert wird, während gleichzeitig immer vorgegeben wird, es gehe um irgendwelche Werte, die verteidigt werden müssen. Die sogenannte „Kapitalismuskritik“ eines Herrn Janson z.B. ist sowas von öde und gleichzeitig wohlfeil, weil sie aus den immer gleichen Klischee-Versatzstückchen zusammengehämmert wird, je nach Thema mal mehr oder weniger zurechtgestutzt.

    Mittlerweile geht es hier um Blog nur noch um solche „Aufreger“, seien es Stiftungsgelder, Zeitungszitate, Urheberrechte bzw. deren Verletzungen usw. usw. Ich würde mir wünschen, daß es mal wieder mehr um unsere Kunst geht, daß hier endlich auf ästhetischer Ebene die Fetzen fliegen.

    Goljadkin

    P.S. @admin: Die Bilder-Captchas nerven.

  7. Erik Janson sagt:

    @ Moritz,

    Dein letzter Beitrag hier und Antwort auf Alexanders aufschlussreichen Beitrag oben lässt mich etwas ratlos und überrascht zurück. Es geht ja, finde ich, nicht primär um das Thema, dass wenn viele Leute von Siemens oder anderen Stiftungen gefördert werden, trotzdem immer einige was zu „meckern“ hätten. Natürlich wird das immer so sein, auch wenn die Zustände transparenter, „gerechter“ etc. wären als jetzt. Irgendwer geht dann immer noch leer aus.

    @

    Die beste (konstruktive) Kritik an der Siemens-Stiftung ist also: nicht über die Sachen meckern, die gefördert werden (weil es da immer etwas zu meckern geben wird, egal wie sich alle bemühen) sondern auf die Sachen aufmerksam machen, die bisher ihrer Entdeckung harren. Das heißt auch: kollegial sein, Hilfestellung den Kollegen geben, neugierig sein, Begeisterung zeigen. Das wird auf jeden Fall wahrgenommen werden, und auch eine Wirkung zeigen.

    Da möchte ich folgendes einwenden: Es geht ja zunächst einmal darum, dass einige fragwürdige direkte oder zumindest indirekte Eigenförderungen/Begünstigungen hier zur Sprache gebracht wurden. Wer darauf erst mal hin weist (wie z.B. Alexander oben) der leistet schon mal etwas recht Positives, der ist voller Hoffnungen und Visionen, der brennt noch (für sich selbst und auch stellvertretend für andere); und das ist was Konstruktives und hat in meinen Augen erstmal nichts mit „Meckern“ zu tun. Auch wenn es von noch so vielen so wahrgenommen wird. Denn es ist doch schlichtweg so: schon EINMAL weniger Rihm oder Lachenmann (eigen)-gefördert (oder von diesen selbst verzichtet), das hieße ja – POTENTIELL zumindest – : einen Jungen, eine Überraschung, eine Neu-Entdeckung mehr fördern, oder zumindest einem anderen, Unbekannteren mal eine Chance mehr geben anstatt den x-fach selben Ausgezeichneten. Es geht also schlichtweg vor allem um die Ausbrems-Effekte, welche dem jetzigen Fördersystem und vielfachen Jury-Gebaren nun einmal inne wohnt! Gut, vielleicht mögen dann wieder manche Altmeister (im Stillen oder ganz lautstark-„pseudo“-provokant“ einwenden): die „Jungen“ bring´s eh nicht, die imitieren/bewundern uns ja eh nur im Stillen.“ Aber mit diesem Totschlagargument als Legitimation des Status Quo leben wir ja auch schon seit Jahren, weshalb auch nichts so voran geht, wie es voran gehen könnte aus dem Elfenbeinturm…

    Und @ Thema Chancen(gleichheit): Ich weiß, ich bin da ja auch „unverbesserlich“: es ist halt ein allgemeines Gesetzt (alle sagen es ja und wissen es, ich auch): Der Teufel scheisst halt immer auf den größten Haufen. Wer schon viel hat bekommt immer noch mehr. Wer wenig hat, dem wird auch das Wenige was er hat, noch genommen usw.. Das ist ein schon biblisches Gesetz.

    Aber dennoch: MUSS es immer so sein oder Überhand nehmen?
    Oder kann auch mal ein neues Denken anfangen? Ich meine: da gibt es gewisse Grenzen. Dann kann man auch sagen z.B: der Finanzkapitalismus und das ganze System ist halt so: einer wurde mal durch glückliche Umstände reich, entdeckte eine Kapitalquelle, eine Idee o.ä., erwirtschaftete/gewann dann immer mehr und hat nun halt mehr angehäuft als andere. Ich möchte hier die Debatte nicht weiter in dem Sinne fort führen, denn wir drehen uns mal wieder ein bisserl im Kreise.

    In diesem Sinne von mir an Dich, lieber Alexander, auch ein -nicht belehrendes aber aufmunterndes Epiktet-Sprüchlein [jaja Siemens-„Goldjäger“ Goljadkin, nicht nur SIE lesen Epiktet ;-)]: „An dem (..) was dir als das Beste erscheint, halte so fest, als wärest du von Gott auf diesen Posten gestellt. Bedenke: Wenn du treu bei deinen Grundsätzen bleibst, dann werden dich alle, die dich vorher immer auslachten, nachher bewundern. Weichst Du aber vor ihrem Druck, so wirst du doppelten Spott ernten.“ (Epiktet, Handbüchlein der Moral, 22).

    @ Goljadkin

    Aber irgendwie ist bei mir in dieser Beziehung die Luft raus, mehr noch, ich will mich ganz einfach nicht mehr aufregen. Vielleicht will ich auch meine Zeit nicht damit vergeuden, stundenlang irgendwelche Beweise für die Ungerechtigkeit der Siemens’schen Geldvergabe zu recherchieren oder nachzuvollziehen. Meinetwegen sollen sie sich ihr Geld doch gegenseitig oder sich selbst zuschanzen.

    Wenn ich Dazu mal bemerken darf: DAS sind für mich echte Klischees und Versatzstücke, was Sie hier liefern. Opprtunismus aus Resignation oder Frustration (nach dem Motto: sollen doch alle machen was sie wollen/ ist eh egal) ist sicherlich eine Sache, die – mehr noch als „öde“ oder „wohlfei“ – nämlich geradezu zynisch ist. Wer im Grunde selbst zugibt, dass er nur noch wenig zu sagen und angesichts der herrschenden Verhältnisse resigniert hat, der sollte doch bitte über andere hier nicht gering schätzend urteilen.

    @ Bilder Captchas/ Goljadkin: Ich finde, die Puzzles sind doch lustig. Stellen Sie sich z.B. vor, Sie dürften hier Rihm- oder Lachenmann-ICONS zusammen setzen. Das wäre doch toll, oder?

    In diesem Sinne, buona notte,
    Erik

  8. Goljadkin sagt:

    @ Erik Janson:

    Ach ja, die lieben „herrschenden Verhältnisse“… Was mir einfach nicht ins Gehirn will, ist, warum Sie denn dann unbedingt reinwollen, in diese obskuren Verhältnisse? Wenn Sie unbedingt ein Neuer-Musik-Funktionär sein wollen, bitteschön. Ich will es nicht. Wenn Sie das zynisch nennen wollen oder glauben zu müssen, dann ebenfalls bitteschön. Damit kann ich leben (siehe auch Ihr Epiktet-Zitat). Und schon haben wir uns alles hübsch zurechtrelativiert und können alle glücklich sein. Ach nein, ich vergaß die „herrschenden Verhältnisse“ … in welchem Handbuch steht denn drin, daß ich als Komponist auch noch eine Meinung zur Siemens-Stiftung haben muß? Oder daß es gar zynisch ist, im Augenblick keine ausdifferenzierte Meinung zu diesem speziellen Thema zu haben und daher erstmal wie ein guter Christenmensch den Leutchen dort ihren Spaß zu lassen. Wer weiß, wenn ich in der Jury säße, würde ich mir vielleicht auch nehmen, was ich kriegen kann. Wer von euch ohne Schuld ist, usw.
    Und weil’s so schön ist und wir grade so gemütlich beieinanderhocken, wollen wir noch einmal den guten Epiktet zu Wort kommen lassen:
    „Es ist ein einfacher Topf, an dem ich hänge.“

    Goljadkin (weder resigniert noch frustriert, höchstens mal enerviert)

    P.S. @ Bilder-Captchas: Wenn’s wenigstens Ausschnitte aus Ferneyhough-Partituren wären …

  9. Erik Janson sagt:

    Was mir einfach nicht ins Gehirn will, ist, warum Sie denn dann unbedingt reinwollen, in diese obskuren Verhältnisse? Wenn Sie unbedingt ein Neuer-Musik-Funktionär sein wollen, bitteschön.

    Goljadkin: Was Sie offenbar nicht nachvollziehen oder sich nicht vorstellen können ist, dass, wenn ich hier Missstände kritisiere, dass dies noch lange nicht heißt, ich wolle in Kreise hinein, wo diese Misstände vor kommen oder etwa ich wollte gar Neue Musik-„Funktionär“ werden. Weit gefehlt. Nichts widerstrebt mir mehr als das. Ihr Versuch scheint mir eine typische Strohmannstaktik (nachzulesen in Ratgebern über „Manipulationstechniken“) zu sein um davon abzulenken, dass Sie zur Sache argumentativ hier eigentlich nichts Fundiertes sagen/entgegnnen konnten, ja wollten.

    2. Sie behaupten nun auf einmal, sie hätten zum Thema Siemens-Stiftung „keine ausdifferenzierte Meinung“ (und das dürfe man Ihnen auch nicht zum „Vorwurf“ machen – gut, aber WER hat das denn hier gemacht?) Zudem: Das was ich von Ihnen oben zitiert habe bzw. was Sie noch vorher selbst hier schrieben, spricht eine andere Sprache. Wenn ich nochmals zitieren darf, was Sie selbst dazu schrieben:

    Vielleicht will ich auch meine Zeit nicht damit vergeuden, stundenlang irgendwelche Beweise für die Ungerechtigkeit der Siemens’schen Geldvergabe zu recherchieren oder nachzuvollziehen. Meinetwegen sollen sie sich ihr Geld doch gegenseitig oder sich selbst zuschanzen.

    Also sorry, KEINE Meinung dazu, das klänge anders.
    WAS denn nun, Herr Goljadkin?

    Nochmals zum Abschluss Epiktet zu Ihrem Verhalten, damit Sie über Ihre ewigen Epiktet-Zitate, mit denen Sie hier so „klug“ um sich werfen, vielleicht etwas mehr nachdenken:

    „Wenn du eine Rolle übernimmst, die deine Kräfte übersteigt, so gibst Du Dir nicht nur hierin eine Blöße, sondern versäumst auch die, die du hättest ausführen können.“ (Epiktet, Abschn 37, Überfordere dich nicht).

    Schönen Tag, E.J.

  10. Goljadkin sagt:

    Sehr geehrter Herr Janson,

    auf die Gefahr hin, jetzt ins allzu Kleinteilige zu verfallen, will ich noch versuchen, ein letztes Mal klarzustellen, wer hier was gesagt hat und vor allem, was ich gemeint habe:
    In Bezug auf die Vorgänge in der und um die Siemens-Stiftung bin ich in der Tat indifferent. Sie sind mir schlichtweg egal. Was mir aber nicht egal ist und wo ich eine eindeutige Meinung habe, das ist die Aufregungskultur hier im Blog, die auf Knopfdruck die immergleichen Stereotypen produziert: Dort die dumpfen Politiker, das dumpfe Publikum, die geldgierigen Erfolgreichen, die böse Contentindustrie, Abmahnkanzleien usw. usw.; hier die ausgegrenzten Nicht-Erfolgreichen, diejenigen, die die „Mißstände“ benennen, natürlich immer aus rein altruistischem Antrieb, natürlich immer zum Wohle der Allgemeinheit. Mir kommt das vor wie die ideologischen Fronten im Kalten Krieg. Wehe, wenn das Feindbild mal abhanden kommen sollte, dann weiß man ja gar nicht mehr, wohin mit sich selbst. Anscheinend brauchen Sie oder andere hier permanent das Gefühl, daß die Welt draußen im Grunde feindselig ist, daß alle nur das Schlechteste wollen. Das erzeugt nach meinem Dafürhalten eine Abhängigkeit von den Dingen, die Sie „kritisieren“, mithin eine Unfreiheit im Sinne Epiktets. Die Macht der Mächtigen (naja, wir reden ja hier von einer sehr begrenzten Form der Machtausübung) leitet sich auch und vielleicht sogar vor allem von denen ab, die sie „kritisieren“, ohne jemals zur Tat zu schreiten. Wie Moritz Eggert schon schrieb: Solange bloß genörgelt wird, muß ja bei den Verantwortlichen der Eindruck vorherrschen, sie hätten eine reelle Macht. Es ist wie bei der Kindererziehung: Wenn man ewig rumlamentiert ohne auch mal die konkreten Konsequenzen durchzuziehen, dann wird man irgendwann nicht mehr ernstgenommen.
    Ich kann und will nicht beurteilen, wie engagiert Sie in dieser Hinsicht tatsächlich sind. Dennoch: Mit dem bloßen Ausschwärzen von Pixeln auf dem Bildschirm ist es nicht nur nicht getan, sondern ich halte es in höchstem Maße für kontraproduktiv. Und so gerne Sie sich selbst als Querdenker oder „Mahner“ oder „Kritiker von Mißständen“ oder was auch immer sehen: „Kapitalismuskritik“ ist ja im Augenblick derart en vogue und mainstreamfähig, daß es mir doch viel eher mal geboten scheint, diese „Kritik“ kritisch zu hinterfragen, was denn eigentlich die angebotenen Alternativen (sofern überhaupt welche konkretisiert werden) sind und was deren Folgen wären. Geschenkt die Tatsache, daß Banken bzw. die Finanzmärkte viel zu viel Macht oder Gewicht haben, das weiß inzwischen sogar die Bildzeitung. Aber im Ernst kann man doch nicht so geschichtsvergessen argumentieren wie Spahlinger und Konsorten. Die Marx’sche Diktion dahinter hat sich im 20. Jh. selbst ad absurdum geführt. Wer das nicht sieht oder sehen kann, der ist bestenfalls blind oder schlimmstenfalls ein Heuchler.
    Ich behaupte einfach mal dreist, wir in Deutschland leben (noch) in einer der bessern möglichen (auch Neue-Musik-)Welten. Ob da Ihre Aussagen an anderer Stelle im Blog, die Gesellschaft sei insgesamt verrottet und verlogen usw. bei der Beseitung von gesellschaftlichen Mißständen hilfreich sind, wage ich mal sehr ernsthaft anzuzweifeln.
    Und des weiteren habe ich ja auch schon mal ausgesprochen, daß ich mich viel lieber (zumindest an dieser konkreten Stelle in diesem Blog) über ästhetische Differenzen austauschen würde, als jeder neuen Kürzungs-Sau armewedelnd hinterherzuhechten.

    Goljadkin

    P.S. @ Captchas: Eventuell könnte man die neuen Rechen-Captchas auf den Zahlenraum bis 10 begrenzen. Sonst muß ich womöglich noch eine Rolle übernehmen, die meine Kräfte übersteigt.

  11. Erik Janson sagt:

    @ Goljadkin,

    Von mir letztmalig zu dem Thema: Wenn Kritik an einer Sache geäußert wird, resultiert daraus noch lange nicht, dass die Kritiker den Verhältnissen, wie sie sind, „Macht“ geben würden. Dies ist allenfalls in der Vorstellung desjenigen so, der so denkt (frei nach Epiktet).

    Bzgl. Ihrer philosophischen bzw. „stoischen“ Ader: Sie scheinen Epiktet bzw. die Stoiker nur in jene bestimmte Richtung zu deuten, die Ihnen in Ihr Denk- bzw. Rechtfertigungs-Konzept passt [ein Denken, das mir auch bekannt ist, das ich ebenso im Blick habe und für mich befolge], nämlich (summa summarum) bzgl. der Botschaft: „rege dich nicht über Dinge auf, deren Lauf/Änderung nicht in Deiner Macht stehen“.

    Das sei Ihnen unbenommen. Aber das ist gewiss nicht die einzige Sichtweise/Deutungsweise dieses vielschichtigen Gedankengutes. Zum Thema (Förderstukturen/Transparenz): Es müssen/dürfen auch nun einmal Missstände benannt werden, bevor sich überhaupt erst mal Bewusstsein ändern kann und mehrere zur Tat schreiten können (oder – potentiell – bevor sich bei den Betroffenen ein Überdenken/Umdenken/Verbesserungen ein stellen).

    Und, ob es nun in Ihr Konzept passt oder nicht: Vielleicht kann es ja sein, dass diejenigen, die etwas kritisieren (wie Alexander Strauch, ich oder andere) dies hier im Blog tun, gerade WEIL sie positiv denken, optimistisch sind, die Förderer lieben, an die Vernunft und Solidarität etc. glauben und auch an unser kapitalistisches System!

    @ Was ich TUE: Glauben Sie mir, ich engagiere mich seit nunmehr 14 Jahren in Vereinen, Initiativen, bei der Organisation von Konzertprojekten und kulturpolitisch, in Arbeitskreisen etc. Darüber rede ich nur nicht in der Öffentlichkeit, weil ich es einfach mache und – bisher zumindest – Freude daran habe(aber hier muss ich wohl ausnahmsweise das mal am Rande in aller Bescheidenheit tun, weil Sie mir implizit unterstellen, ich würde nur „reden“ und nicht handeln). Ich tue, was ich kann,zusammen mit gleichgesinnten Kollegen.

    Aber bzgl. der größeren Dinge, der strukturellen Dinge, die im Argen liegen. Was kann da ein einzelner tun außer erst einmal (z.B. wie in diesem Blog, der ja die Möglichkeit dazu bietet) seine Stimme zu erheben? Es REDET sich immer leicht – gerade aus einer passiveren oder indifferenteren Haltung heraus – wenn man sagt: „diejenigen, die was sagen, sollten doch nicht „nörgeln“ sondern handeln.“ Damit ist man als Schweigender immer fein raus und kann sich immer einreden, man mache es „richtig“… Fest steht für mich aber, dass durch zu viel Schweigen oder Schönreden bzw. durch zu viel Denken „sollen doch alle machen, was sie wollen (es ändert sich sowieso nichts)“ und durch das ewige Argument „in Deutschland ist doch (noch) (in der Neuen Musik) das meiste in Ordnung“ o.ä. man gewiss nicht entscheidend weiter kommt. So bleibt alles beim Alten. Vielleicht wollen das auch immer mehr Leute so. Wäre schade, aber dieser Eindruck stellt sich bei mir immer mehr ein.

    Was Sie mir hier jedenfalls implizit unterstellen, ein grundsätzlicher „Kapitalismuskritiker“ oder gar Marxist zu sein, das ist geradezu absurd. Ebenso Ihre Unterstellungen, es würden hier im Blog von mir oder anderen „Feindbilder“ aufrecht erhalten; es sei wie im „Kalten Krieg“ oder dergleichen. Wie gesagt: Strohmannstaktik sage ich dazu nur: dem argumentativen „Gegner“ wird etwas sehr Negatives unterstellt, um vermeintlich (weil man zur SACHE, zum Inhalt des Kritisierten keine eigene Argumente oder Meinung hat, und gerade davon ablenken und den „Gegner“ ruhig stellen will) dann diese in die Welt gesetzte Strohpuppe auf Grund der unter geschobenen Dinge vermeintlich besser „attackieren“ zu können.

    Damit scheinen Sie eher – in diesem Fall zumindest -derjenige zu sein, der Feindbilder aufbauen oder „Kalten Krieg“ betreiben will – wenn Sie schon davon anfangen. Darüber sollten Sie zumindest einmal nachdenken (oder es sein lassen, das steht Ihnen auch frei). Stattdessen macht man es sich lieber EINFACH, und es scheint ja immer wieder dasselbe Strohmannstaktik-Muster zu sein in dieser Republik: Leute, die etwas kritisieren oder die Unbequemens sagen, werden entweder als Kommunisten, als „Linke“ oder als „Nazis“, als Terroristen, oder als „Revolutionäre“ oder als „Träumer“ oder dergl. diffamiert und verleumdet. Damit glauben dann diejenigen, die sich mit solchen Unterstellungen Kritik oder Diskussionen vom Hals halten möchten oder einfach „ihre Ruhe“ haben wollen, die Diskussion könne so abgewürgt werden…
    Dies ist aber nicht der Fall. Das Sachproblem, der Missstand bleibt ja, ob man will oder nicht.

    @ Reden und Handeln: Dann schreiben Sie doch mal, was Sie konkret tun, wo und wie Sie aktiv sind, außer eigene Werke zu komponieren und selbst auf die große Förderung zu hoffen… Darauf wäre ich gespannt… [Wie ist überhaupt Ihr richtiger Name, wenn ich fragen darf? Möchten Sie ihn hier nicht Preis geben? Bzw. wenn nein, warum nicht?]

    @ Ästhetische Diskussionen: Diese finden hier im Blog doch auch statt; es steht Ihnen doch frei, sich nur DAZU zu äußern, wenn Sie zu kulturpolitischen Dingen hier nichts sagen möchten. Aber deswegen hier anderen den Mund zu verbieten oder als Pseudo-Nörgler zu bezeichnen, das steht Ihnen nicht zu. Sie können das ruhig von mir oder anderen denken, die sich hier äußern, aber das bekümmert mich nicht. Und noch etwas: wer sich schon darüber aufregt, bzw. darauf reagiert, DASS sich andere (vermeintlich, nach Ihrer Meinung) „aufregen“, der ist nicht so cool und „gelassen“ oder „stoisch“, wie er nach Außen tut…

    Schönen Tag Euch allen,
    Erik Janson