Ad ACTA – Neues von der globalen Urheberrechtsfront
(Update, 9.2.12, 22:50) Am 11. Februar ist Anti-ACTA-Tag. Was wird da „ad acta“ gelegt? Noch nichts. Aber was hinter ACTA steckt und wie ruhig die Urheberszene dazu noch ist, das verwundert doch ein wenig. ACTA heisst lt. Wikipedia Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Übersetzt heisst dies „Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen“. Sind Anti-Anti-Counterfeiting Trade Agreement-Proteste demnach eine Ligetische Anti-Anti-Oper? Das fragt man sich als Komponist. Und eigentlich hat dieses Abkommen für jeden Urheber bzw. Autoren, also auch Komponisten, etwas schal beruhigendes. Soll dieses Abkommen doch Raubkopien und Urheberrechtsverletzungen aller Arten verhindern: Chinesische Ingenieure sollen keine deutschen Transrapids oder Autos unter dem gleichen oder einem neuen Label nachahmen dürfen. Und dies soll hierzulande Arbeitsplätze und schöpferisches Know-How schützen. Klingt sehr vernünftig, folgt man der EU-Veröffentlichung dazu! Jeder der ein Stück Musik kopiert, wird bestraft, wenn der Urheber vor Gericht zieht, da er nun direkter auf die Daten des Rechtsbrechers zugreifen können wird, als ihm dies bisher die Justiz madig machte: Er kann den Provider direkt zur Datenpreisgabe verpflichten, ihn im Sinne von Beihilfe haftbar machen. Diese werden wohl ihre AGBs verschärfen, jeglichen Datentransfer kontrollieren, um unangreifbar zu bleiben! Zensur?
Problematisch ist allerdings, wie dieses Abkommen zustande kam: 2006 starteten Japan – das doch selbst ducr Kopieren aufstieg – und die USA erste Schritte in Richtung von Verhandlungen zu diesem Abkommen. Bald sassen dazu die EU, Kanada, Schweiz, Australien, Neusseland, VAR, etc. mit im Boot. China und Indien, die grossen zeitgenössischen Kopierer hielten sich fern. Die Verhandlungen fanden bisher unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen den beteiligten Staaten und Lobbyisten der Industrienationen statt. So verlangte im März 2010 das EU-Parlament explizit, über die Wasserstände informiert zu werden, was zuvor sporadisch bis gar nicht erfolgt ist. Ende September 2011 wurde ACTA erstmals signiert, Ende Januar 2012 auch durch die EU, nachdem es durch den – man staune – Agrar- und Fischereirat der EU Mitte Dezember 2011 genehmigt worden ist. Wie man der o.g. EU-Veröffentlichung entnehmen kann, soll durch ACTA kein europäisches Gesetzt verändert werden. Man hörte ja zuletzt aus den USA, wo im Zuge von ACTA SOPA beschlossen werden sollte, was z.B. die englischesprachige Wikipedia neben zu einem Tag Abschaltungsprotest veranlasste. Bisher wurde ACTA durch die EU-Mitgliedsländer nicht ratifiziert bzw. nach Protesten in Polen und Tschechien die entsprechenden Verfahren ausgesetzt. ACTA mag wohl EU-Recht nicht ändern. Andererseits enthält ACTA strafrechtliche Tatbestände und Folgen, die anscheinend erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen. So sind z.B. die Grünen dagegen, derweil die Union ACTA begrüsst.
Neben dem geheimnisvollen Zustandekommen gibt es z.T abenteuerliche Befürchtungen, so dass selbst das Benutzen von Mini-Textschnipseln weitreichende Folgen haben kann. Was gutgläubiges Nutzen urheberrechtlich geschützter Textteile heute bereits berechtigt oder leicht überzogen auslösen kann, siehe hier im Blog die Kritikenzitierabmahnugsdiskussion . Bei voller Wirkung von ACTA: Die weitereichenden Folgen wären im Extremfall die totale Abschaltung eines Internetzugangs, egal ob der mit bösester Absicht oder mehr oder minder geringfügig Urheberrechtsverletzungen vornahm. Und dies nicht auf den in Frankreich versuchten Wege, nach drei Vergehen einfach gesetzlich den Strom abzudrehen. ACTA möchte neben einer Harmonisierung der Vermeidung von, Aufklärung über und Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen das Verhältnis Urheberrechtsgeschädigter zu den Providern der Rechtsverletzer vereinfachen. So soll der Verletzte ohne viel Aufhebens nicht mehr den Verletzer sondern bereits den Provider des Verletzters belangen können. Dies kann und wird wohl zur Folge haben, dass die Provider ihre AGBs verschärfen werden und nicht nur irgendwann gesetzlich verpflichtet Vorratsdatenspeicherung von reinen Verbindungen vornehmen müssen, sondern ihrerseits kontrollieren, was denn da herauf- und heruntergeladen wird, was an Mailanhängen versendet wird. Und dies stellt dann doch durch Private einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre dar. Die Folge wird Zensur und Selbstzensur sein bzw. Verlinkungen wie in diesem Artikel erschweren oder gar verunmöglichen, da schon ein potentieller Verstoss vermieden werden soll. Was heute auf Youtube als Kampfmittel gegen die GEMA eingesetzt wird, ist dann allerorten Realität, ohne dass ein schweres Verbrechen im Spiel wäre, wie z.B. anlässlich der vor kurzem noch verhinderten Abschaltungen von Seiten mit kinderpornographischen Inhalten. Auf einer viel unbedeutenderen Ebene wäre dann Zensur Alltag im Netz. Oder noch stärker: Dem kritikzitierenden Sänger wird einfach die Onlinepräsenz abgeschaltet!
Dies würde auch uns Künstlern die Verbreitung eigenen Materials erschweren, könnte jedes grössere gemailte eigene Musik-mp3 eines eigenen Werkes oder dessen eigener Interpretation ein Verstoss sein, das private Übermitteln von Pressespiegeln Alarmglocken zum klingen bringen. Wie gesagt, für den Urheber selbst klingt das erstmal günstig. Ist er ein Riese, auf alle Fälle. Ist er ein Zwerg, der über das Netz auf sich aufmerksam macht, wird ihm dieser freie PR-Weg verschlossen, kann er eigentlich nur im Verbund mit konventionellen Konzernen agieren. Diese sassen ja auch wohl mit am Verhandlungstisch, nicht die kleinen Urheber. Forscht man auf Seiten der GEMA nach „ACTA“, oder dem deutschen Pendant „Anti-Piraterie-Abkommen“, ja selbst auf den Seiten der NMZ, ist nichts zu finden. Gerade aber v.a. die Teilhaber der GEMA sollte dies interessieren, wo sie doch zu grösstenteils frohgemut diese im Streit gegen Youtube stützen, mit ACTA aber grosse Probleme bekommen können.
Wie gesagt, es ist durchaus zweischneidig, was hier geschieht. Urheberrechtsverletzungen im künstlerischen Bereich sollten aber nicht auf das Niveau von Kinderpornographie gehoben werden, wie es durch die privatrechtlichen Folgen möglich sein wird. Ausserdem muss jedes Urheberrecht beiden Seiten die Luft zum Atmen lassen, dem Nutzer wie dem Urheber. Doch die mächtigen Contentverwalter, die ihre Inhalte ja gar nicht herstellten, versuchen hier abartig zu bevormunden, was die Kleinen, also alle E-Musik-Komponisten z.B., immer wieder ganz bescheiden erfolgreich nutzen: die Freiheit des Netzes. Ich bin sehr wohl für ein starkes Urheberrecht, ich bin aber auch für eine grosse Durchlässigkeit! Denn wenn jede Geräuschnutzung als Spieltechnik plötzlich einen riesen Copyrighthalter auf den Plan rufen sollte… Was dann? Man denke an Ricordi: ahmt man die Musik eines dort Verlegten künstlerisch durchaus eigen als Inspirationsquelle, die wir alle benötigen, nach, klopft plötzlich Bertelsmann an und nicht Enno Poppe.
Komponist*in
Leutheusser-Schnarrenberger vom BMJ bezieht dazu Stellung. Einigermaßen klar.
Die Schnarrenbergerin – gar nicht schlecht!
ach ja die schnarri, wie immer: viel gesprochen, wenig gesagt
– und wo bleiben die KünstlerInnen-Verbände der Komponisten Bildenden Künstler, Autoren und co? — großes Schweigen – dann wenn man sie braucht ist keiner vorhanden – wozu dann noch Mitglied sein – ach ja die eigene Karriere …
– wechselstrom –