Luci mie traditrici im Bockenheimer Depot

In der Ubahn, auf dem Weg zum Bockenheimer Depot, nur Verrückte. Frankfurt gefällt mir langsam, ich bin in meinem dritten Jahr hier, doch die eigentlich kleine Ubahn ekelt mich immer noch an. Jedenfalls nur Verrückte. Das Wetter ist auch wieder schlechter geworden.

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Vor dem Depot treffe ich C. Ich hatte nicht mehr mit seinem Kommen gerechnet. Wir gehen rein, es ist Premiere, aber nicht wirklich gut verkauft. C. erzählt, er habe noch die Einführung besucht, aber nicht richtig zugehört. Wir unterhalten uns noch ein bisschen über Monteverdi, in gewisser Weise passend, geht es doch in Luci mie traditrici um Gesualdo. Dann setzen wir uns, zufällig haben wir Plätze nebeneinander bekommen, obwohl wir die Karten unabhängig voneinander kauften.

Das Stück beginnt. Obwohl das Bockenheimer Depot es nicht vorschreibt, haben sich die Macher der Inszenierung (Bühne und Kostüme: Alexander Lintl) für eine frontale Guckkastensituation entschieden. Das Bühnenbild ist spärlich, aber trotzdem dominant: drei über die ganze Höhe des Guckkastens gehende, breite Käfige aus einfachen Holzlatten bilden den engen Raum, indem sich die vier Sänger später bewegen werden. La Malaspina (Nina Tarandek) steht während des einleitenden Le Jeune-Chansons in einem der drei Käfige. Sie singt das Chanson etwas undeutlich, mit der Stimme einer Opernsängerin. Genau wie Christian Miedl in der Rolle des Grafen, wird sie im Laufe des Abends wesentlich an der bei Sciarrino unabdingbaren rhythmischen und tonalen Präzision gewinnen. Am Anfang scheinen alle etwas nervös zu sein: auch das Museumsorchester findet erst nach einer gewissen Einspielphase wirklich zu einer überzeugenden Form. Dazu findet die Inszenierung nicht. Der Regisseur Christian Pade springt ohne erkennbares Konzept von einem illustrativen Regieeinfall zum nächsten. Wird die schönste Blume der Natur besungen, lässt er den Grafen vulgär an das Geschlecht der Gräfin greifen. Dem den Betrug bezeugenden Diener wird kurzerhand ein Messer unter die Achsel gerammt, der Torso des getöteten Gastes wird auf einem rollbaren Tisch präsentiert – dazu muss der Countertenor Roland Schneider sich auf diesen legen, die Extremitäten in Löchern verstecken und die so entstehenden „Stümpfe“ seiner Arme und Beine werden mit roter Farbe bestrichen. Während der bekannten Intermezzi, in denen das Le Jeune-Chanson immer weiter verschwindet, beginnen die drei Holzkäfige sich zu drehen. Leider geschieht dies mit einem leisen Surren, das mit der sirrenden Klangwelt des Orchesters zu konkurrieren versucht.

Hinterher stehen C. und ich noch ein bisschen im Depot, gehen dann raus und fahren zu mir nach Hause. Wir reden noch über die Aufführung, und sind uns irgendwie in allem einig. C. gefällt das Barocke am Libretto und der musikalischen Gestik. Wir blieben beide merkwürdig unberührt, vielleicht waren wir müde, vielleicht war die Aufführung aber auch unterspannt.

Dann machen wir den Computer an und gucken im Internet Eurovision Song Contest.

Gerade als wir reinschalten singt Lena. Als Aserbaidschan dran ist, sind wir auf Wikipedia, um zu gucken, wo das Land eigentlich genau liegt, nämlich noch hinter der Türkei. Bei der Punkteverteilung muss ich an die ganzen Kriege und Konflikte denken, die selbst so etwas belangloses wie den Eurovision Song Contest beeinflussen. C. sagt, wenn die Leute gewusst hätten, dass die meisten Aserbaidschaner Muslime sind, hätten ihr Beitrag nicht gewonnen.

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Eine Antwort

  1. Erik Janson sagt:

    Wenn man bei der genannten Oper schon auf den Eurovision Song Contest umschaltet, dann fällt mir dazu nur eines ein:
    Nicht Luci sondern RAVIOLI mit traditrici…

    ;-)