Wenn der Schamane dreimal klingelt (2)

Gestern hatten wir internationalen Besuch in der Musikhochschule München: Alejandro Iglesias Rossi, international bekannter argentinischer Komponist, und Begründer des „Orchesters für Ureinwohner-Instrumente und Neue Technologien“ (indigenous instruments and new technologies orchestra), anlässlich einer Aufführung eines Werks durch unser hauseigenes „Ensemble Oktopus“ (Leitung: Konstantia Gourzi).

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Alejandro Igliesias Rossi

Alejandro Igliesias Rossi

Rossi ist ein drahtiger, durchtrainierter Mann mit schlohweißem Haar. Er hat gleich mehrere perfekt produzierte DVD’s mitgebracht, mit denen er seine Arbeit präsentiert. Sein Ansatzpunkt ist grundsätzlich sympathisch: Einer zunehmend internationalisierten „akademischen Musik“ will er eine Musik „südamerikanischer Identität“ entgegenstellen, die nicht versucht, wie „Paris“ zu klingen (Rossi hat in Paris studiert, er weiß wovon er spricht). Er übt starke Kritik am akademischen System der abendländischen Musik – sie würde die Dinge „zu gleich“ machen und ihrer Natur berauben. Noch viel schlimmer findet er aber die Scharen ausländischer Komponisten, die dieses System imitieren und in ihre Länder tragen, anstatt ihre eigenen kulturellen Identitäten zu fördern. Das ist sicherlich richtig – kurz vorher erzählte mir eine chinesische Komponistin von ihrem Studium in Hong Kong: Dort versuchten die ehrgeizigen Kompositionsstudenten ganz bewusst einen Mix aus George Crumb und Ligeti zu kreieren, der ihnen die höchsten Chancen für eine Karriere als neuer Tan Dun zu versprechen schien. In der bewussten Imitation und Kopie liegt also dort die Verheißung – ist also ein asiatischer Guttenberg-Skandal unvorstellbar? Ist Lang Lang ein Guttenberg des Klaviers?

Rossi hat in Buenos Aires einen eigenen Studiengang gegründet, der gerade erst von der argentinischen Regierung als „wissenschaftlicher“ Studiengang anerkannt wurde, worauf er sehr stolz ist. Überhaupt betont er, wie sehr seine Arbeit „Wissenschaft“ sei, weil Anthropologie und Musikwissenschaft hier zusammen kommen. Von den Studenten – aus denen sich letztlich auch sein Orchester zusammensetzt – werden ganz besondere Dinge gefordert: Sie müssen lernen, wie man alte indianische Instrumente selber baut, Kampfsport wie Kung Fu und Tai Chi beherrschen (vielleicht einer bisher unbekannten Verbindung von z.B. Azteken und Chinesen geschuldet, denkt sich da der Zweifler), schamanischen Ritualen beiwohnen und vor allem selber zu „Komponisten“ werden, d.h. auf den selbstgebauten Instrumenten eigene Musik kreieren. „Wer sich nicht darauf einlässt, der wird nicht aufgenommen“ sagt Rossi lapidar, was nicht nur autoritär klingt, sondern auch so gemeint ist.

Auf den Videos bereist das Orchester die Welt. Sie spielen in der afrikanischen Wüste, von etwas gelangweilt wirkenden Beduinen erstaunt beobachtet. In Neuseeland, wo sie bei Maoris Schreitänze lernen. In Paris, wo Musikstudenten staunend das ungewöhnliche Instrumentarium beobachten. „Talking Heads“ werden eingeblendet, die das Orchester toll und unglaublich finden. Ab und zu, aber nur sehr selten, sind echte südamerikanische Ureinwohner zu sehen. Die dürfen dann zuschauen, wie blasse Argentinier aus Buenos Aires ergriffen am Ufer des Titicaca-Sees in Muscheln blasen, um den Geist der Sonne oder etwas ähnliches anzurufen. So stellt sich der Stadtmensch das „ursprüngliche Leben“ vor. Mein Kollege Jan Müller-Wieland merkt richtig an, dass manche Musik klingt „wie dieses Lied von Simon & Garfunkel“. Aber natürlich haben die das auch von den Ureinwohnern geklaut.

„Die Neue Musik hat viele Dinge als neu erklärt, die die Eingeborenen Südamerikas schon lange erfunden hatten“. Rossi spielt hiermit auf Mikrotonalität (die die Neue Musik ganz gewiss nicht erfunden und dies auch nie behauptet hat) und Effekte wie Multiphonics an. Vor allem beklagt er den Verlust des Individuellen. „Wir werden oft gefragt, ob wir mit „klassischen“ Symphonie-Orchestern zusammenspielen können, und ich verneine stets. Es gibt einfach keine gute Energie, wenn wir alles geben, und die Geiger des Ochesters müde und lustlos im Stuhl hängen“. In den Videos wird deutlich, was er meint. Rossi wirkt als Dirigent, Musiker und Oberschamane seines Orchesters, das aus Studenten besteht die ein bisschen wirken, als ob sie aus einer der letzten Hippie-Kommunen entlaufen sind. Jeder Einsatz wird mit Kung-Fu-Sprüngen des Dirigenten vorbereitet, gibt es ein crescendo, hebt Rossi theatralisch die Hände, soll es leiser werden, senkt er dramatisch die Arme. Das ist gleichzeitig gute Show, aber auch sehr platt.

Die Musik wird auswendig gespielt (worauf Rossi stolz ist), aber sie ist nach seinen Aussagen „komponiert“. Die Klänge der Instrumente sind in der Tat beeindruckend und es gibt eine sichtbare theatralische Energie. Andererseits wird kaum klar, warum es bei der relativ simplen Machart der Musik überhaupt einen Dirigenten braucht – sind die Mitwirkenden vielleicht doch nicht Individuum genug? Keinerlei Aufbegehren oder individuelle Geste der Studenten ist zu erkennen – ganz geben sie sich dem Ritual hin, das ihnen Rossi vorgibt. Es hat schon etwas unfreiwillig komisches, wenn auch die Keyboarderin (ja, es gibt auch elektronische Instrumente, auch wenn diese hinter Federbüschen und Skulpturenflöten gut versteckt sind) mit dem Kopf und Körper wackelt, als sei sie gerade Teil eines Regenwaldindiander-Drogenrituals und dabei einen einzigen gesampelten Synthesizer-Ton spielt. Irgendwie sehne ich mich beim Zuschauen nach einem „lustlos im Stuhl hängenden“ Geiger – der wäre wenigstens er selber und würde sich dem Ritual verweigern, das hier aufgeführt wird. Und warum spielt kein einziger „Ureinwohner“ in diesem „Orchester der Ureinwohner“ mit? Die haben wahrscheinlich besseres zu tun.

Vielleicht können wir von Rossi lernen, uns mehr auf unsere eigenen kulturellen Wurzeln zu besinnen. Das würde zum Beispiel für Münchener Komponisten bedeuten, sich endlich wieder konsequent Lederhosen anzuziehen und die Musik der „bayerischen Ureinwohner“ wiederauferstehen zu lassen. Nieder mit der Musik der Saupreissn! Wir brauchen keine Notenschrift mehr, es ist ein kultureller Irrtum! Meine Studenten müssen dann ein rigides Programm für ihr Postgraduiertenstudium durchlaufen – zuerst einmal müssten sie sich einen gescheiten Bierbauch antrainieren bzw. antrinken und mit der geheimnisvollen Kampfsportart des Schuhplattelns beschäftigen. Täglich geht es in den Wald, zum Pilze suchen und Wildschweinschießen. Jeder muss sich ein eigenes Instrument aus den Hörnern von Wolpertingern schnitzen und abends übt man sich in der Gruppe im Vortragen von improvisierten Stanzerln. Unsere Musik wird dann auch nicht mehr im Konzertsaal vorgetragen, sondern muss von besoffenen Besuchern dirigiert auf der Bühne eines gigantischen Bierzeltes aufgeführt werden. „Oans, Zwoa, Drei, Gsuffa“ wird das Schlüsselmantra zum Erfahren einer ganz neuen spirituellen Dimension, wir werden eins mit den alten und weisen Ahnen der tapferen Bergvölker, die diesen Landstrich schon seit Jahrtausenden bewohnen und bewundernswert resistent gegen jede Art von gesellschaftlicher Änderung (siehe CSU) sind.

Zumindest ein Fazit gäbe es aus diesem Gedankenspiel: Es wäre weitaus authentischer als ALLES, was Rossi mit seinem Esoterikorchester veranstaltet.

Moritz Eggert

rossi

Links zu Videos mit Igliesias Rossi

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13 Antworten

  1. Max Nyffeler sagt:

    Interessanter Beitrag – ich hoffe, das gibt eine heftige Diskussion!
    Was Rossi praktiziert, ist i.m.h.o. das Schlingensief-Prinzip: Man nehme alles von allem (bzw. von alleN, besonders von denen, die sonst nichts zu sagen haben) und präpariere davon eine möglichst schrille Mischung zum Verkauf an das medial überfütterte Publikum, das seinen Erlebnishunger nie stillen kann.
    Man sollte das aber weder verdammen noch kann man es aufhalten. Es ist a) gute Geschäftspolitik, gegen die unter ökonomischen Gesichtspunkten nichts einzuwenden ist, und b) die natürliche Konsequenz aus der Vermischung der Kulturen, hervorgerufen durch die Globalisierung in Wirtschaft und Medien.
    Die Berufung auf die „unverfälschten Quellen“ (krasses Beispiel: der Koran) breitet sich quer durch die Kulturen aus. Da haben solche bunten Vögel wie Rossi, die rechtzeitig den Trend entdeckt haben, stets den Vorteil des Avantgardisten: Sie befriedigen den Wunsch der kulturinteressierten sofa potatoes nach Exotismus und „Authentizität“. Das nutzt sich spätestens in dem Moment ab, in dem ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage zustandegekommen ist und der Neuigkeitenwert sich erschöpft hat. Dann braucht es neue Reize, afrikanische Heilmethoden, den neuen Dalai Lama etc.
    Man muss Rossi aber zugute halten, dass er diese Linie seit langer Zeit verfolgt, und es ist sein gutes Recht als Künstler (und vielleicht auch ein bisschen als Sektenführer), dass er von seinen Ideen 200%ig überzeugt ist. Schon 1990, beim IGNM-Weltmusikfest in Oslo, gab es von ihm eine gigantische Kantate („The Howl of Thousand Throats“ für Solisten, Chor und Orchester, mit Texten in Quechua-Sprache über die Ermordung des letzten Inka-Kaisers Atahualpa durch die Spanier). Darin sind die Idee einer „Erkenntnis durch Ekstase“ und die damit verbundene Überwältigungsästhetik schon vollkommen ausgeprägt. Nur musste er das eben damals noch mit europäischen Musikern machen. Und beim IGNM-Festival in Amsterdam kam ein Jahr später sein Cellosolo „Crying silences“ zur Aufführung, das ebenfalls auf Quechua-Gesängen basiert. Alles hyperexpressiv, wie schon die Titel signalisieren. Einer seiner Lehrer war übrigens Sergio Ortega („El pueblo unido“).
    Heute gibt es auch in Südamerika starke Tendenzen „back to the roots“ (zu welchen auch immer) und eine entsprechende Abkehr von der europäisch/nordamerikanischen Kultur, die wieder einmal verschärft als imperialistisch wahrgenommen wird. Deshalb liegen Rossis Konzertrituale ebenso im kulturellen Trend in Lateinamerika (schon das Wort „LATEINamerika“ wird dort heute von manchen als imperialistische Anmaßung empfunden), wie die Shows der Erdölschamanen Chavez (und Gaddafi) oder der folkloristische Populismus des Indiopräsidenten Morales (Bolivien) in die internationale Politik passen.
    Das sind neue Herausforderungen für uns, und wir sind gezwungen, unsere eigenen kulturellen Ideen und Strategien kritisch zu überprüfen: Wollen bzw. können wir den für uns befremdlichen kulturellen Erscheinungen aus anderen Weltregionen etwas Eigenes entgegensetzen? Oder sollen wir uns ihnen anpassen – in einer Art dialektischem Rückzug und in der Hoffnung, dadurch unsere Diskurshoheit noch einmal über die Runden retten zu können? Ist Koexistenz möglich, d.h. kann eine Verbrüderung im Sinn von „alle Menschen sind gleich, also auch ihre Kulturen“ funktionieren, oder ist Kultur eine „Waffe im Kampf“? (bei Lenin/Eisler/Brecht war der Begriff „Kampf“ noch auf „Klassenkampf“ eingeengt.)
    Auf jeden Fall zwingen uns solche Begegnungen zur nüchternen Erkenntnis, dass Old Europe nur noch eine Stimme unter vielen ist, und schon lange nicht mehr die stärkste. Darauf antworten Institutionen wie das Goethe-Institut mit einer Strategie des „Dialogs“, die den erfolglosen eingleisigen Kulturexport abgelöst hat. Nur so kann Europa in den „abtrünnigen Provinzen“ noch „Präsenz zeigen“.
    Aber wer A sagt muss auch B sagen: Man kann keine kulturelle Öffnung und keine grenzenlose Internet-Freiheit fordern, ohne die Türen auch für die anderen zu öffnen. Man sollte sich also dem harten Wettbewerb stellen, sonst schwappt die Kolonisierung zurück und eines Tages lernen wir eben dann unter Anleitung des Kulturministers Alejandro Iglesias Rossi, wie man irgendwelche Schamanentänze tanzt (oder vor Arbeitsbeginn im Firmenkollektiv chinesische Gymnastik macht).
    Diejenigen, die das alles sehr entspannt als multikulturelle Bereicherung einstufen, mögen mir nun widersprechen.

  2. demmrink sagt:

    Gut auf den Punkt gebracht, aber nicht der Mühe zu viel?
    Das Video auf der Website des „Orchesters“ sagt ja mehr als die berühmten 1000 Worte: das sieht ja verdächtig nach einem Selbsterfahrungskurs spätgebärender Großstädter mit mit postnatalen Depressionen aus, Väterkuschelgruppe inbegriffen. So schlimm hatte ich es mir nach Lektüre des Beitrags dann doch nicht vorgestellt.
    Und irgendwie ist mir da der Verein Klöppeln & Zithern Zeitz e.V wesentlich sympathischer, ich weiß nicht, warum. …

  3. Max Nyffeler sagt:

    Erst jetzt habe ich mir das von Moritz verlinkte Video angeschaut. Sehr aussagekräftig. Die „Presentación“ kommt mir vor wie eine späte Variante von Cardews Scratch Orchestra, aber nicht britisch-unkühlt, sondern mit heißem lateinamerikanischem Temperament. Die Wirkung dieser Musik (vielleicht nicht bei uns, aber in LA) sollte man nicht unterschätzen. Sie hat einen rituellen Einschlag und ist politisch-ideologisch aufgeheizt. Rossi transportiert seine Ideen erfolgreich, weil er so stark mit Emotionen arbeitet. Die Dramaturgie (durch Schüsse bedrohte indigene Glas-Idylle mit anschließendem Aufruhr, etc.) ist perfekt, und da das Ganze einem „guten ZwecK“ dient, nämlich der Befreiung von kultureller Unterdrückung, ist es auch moralisch gerechtfertigt.

    Mit der Entfesselung der Emotionen bei den Ausführenden und dem Publikum wird der Befreiungskampf auf symbolischer Ebene ausgetragen, Befreiung u. Selbstbefreiung werden als identisch erlebt. Sowas bleibt in der Psyche kleben wie ein religiöses Erweckungserlebnis. Die Mischung Politik plus Emotion ist ziemlich brisant, weil sie zum Selbstläufer wird. Naheliegendes Anschauungsbeispiel: die durch kollektive Emotionen gesteuerte gegenwärtige deutsche Innen- und Außenpolitik.

  4. querstand sagt:

    Lieber Max Nyffeler, gerne kiebe ich mich mit Ihnen, hier muss ich Ihnen wenigstens in Teilen beipflichten…

    Bei Ansicht der Rossi-Videos wird mir nicht so übel wie beim Konsumieren einer Mass Starkbier. Der Showcharakter ist durchaus amüsant. Neben all des Ethnopalavers ist durchaus unterhaltsame Musik. Dass er Elektronik mit inidgenen Instrumenten mischt, kann man ihm auch nicht wirklich vorwerfen, nennt er sein Ensemble doch „indigenous instruments and new technologies orchestra“. Ich denke, dass es ihn simpel nach einer Musik gelüstet, die Mittel „Neuer“ oder fremder, indianischer Musik bzw. Instrumentariums benutzt, populär sein möchte, sich für Südamerika begeistert. Nachdem es kaum noch ursprüngliche indianische Musik gibt, ausgenommen die der Yanomami Brasiliens, selbst die der alten Andenvölker ist heute mit europäischen Elementen kräftig durchwachsen, benutzt er schlichtweg das Instrumentarium, leider doch sehr klischeebehaftet. So denke ich sofort an den Sound des Films „Avatar“.

    Ich denke aber auch an Harry Partch, wobei mir dieser doch spezifischer vorkommt, eigenständiger.

    Was die Ausbildung betrifft: dass Komponisten gerne mehr Rhythmik, Alexandertechnik, Gesang, Orga, Pädagogik, etc. im Studium widerfahren könnte, also eine Praxis wie sie unser singender Däne hier im Blog hat, moi aussi – sehr gut!

  5. Max Nyffeler sagt:

    Lieber Querstand, ich bin in den Fakten eigentlich auch weitgehend mit Ihnen einverstanden, außer in einem Punkt: dem Starkbier. Das mag ich nämlich, wenn auch nicht kübel- bzw. maßweise.

    Wo wir uns unterscheiden, ist bestenfalls die Einschätzung. Die Identifikationsshow von Rossi lädt natürlich zum Kichern ein, aber wie ich schon anmerkte, steckt darin ein Kern, den man, so finde ich, ernst nehmen sollte. Wir sind unbeteiligte Zuschauer, und da betrachtet man die Sache natürlich aus kritischer Distanz. Beim lateinamerikanischen Publikum könnte ich mir vorstellen, dass dieses, weil seine eigenen Ideen, Gefühle und Frustrationen hier angesprochen werden, viel affirmativer reagiert. (Es gibt sicher auch da kritische Leute, die ästhetische statt platt inhaltliche Kriterien in Anschlag bringen, aber das sind vermutlich, wie bei uns, die urbanen Intellektuellen, eine kleine Minderheit.) Insofern steckt in dieser Musik ein erhebliches gesellschaftskritisches Potenzial, dem man nicht mit formalästhetischer Kritik oder Ironie beikommt, weil vorwiegend mit nichtrationalen Mitteln gearbeitet wird. Das wollte ich eigentlich nur nochmals hervorheben.

    Die neue Musik in Lateinamerika ist – auf ihre spezifische Weise – durchgehend viel stärker politisiert als die europäische. Iglesias Rossi ist vermutlich ein Extremfall, aber seine Mentalität ist in Abstufungen weit verbreitet bei den Komponisten in LA, und das müssen wir ernsthaft zur Kenntnis nehmen. Dadurch wird die Auseinandersetzung auch erst interessant.

    Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf einen kleinen Text des Bolivianers Cergio Prudencio hinweisen. Darin sind einige Motive angesprochen, die auch für Rossis Ästhetik gelten.
    http://www.latinoamerica-musica.net/puntos/prudencio/500anos-d.html
    Prudencio hat schon 1980 ein „Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos“ gegründet hat. Es ist 1999 auch in Donaueschingen aufgetreten. Nach Europa verpflanzt, klang das musikalisch problematisch. Doch davon wäre die Rezeption im eigenen Kulturkreis zu unterscheiden (über die wir leider nicht viel wissen).

    Wer die Música popular brasileira mag, findet auch hier Beispiele für die hoch emotionalen Reaktionen, die eine Musik mit politischer Aussage hervorrufen kann, z.B.:
    http://www.youtube.com/watch?v=HRFw5u5wR4c
    Diese Aufnahme mit dem ganz jungen Chico Buarque (einem Star des Bossa Nova) stammt von 1967, aus dem dritten Jahr der brasilianischen Militärdiktatur. Ein Jahr später musste Buarque emigrieren (er ging nach Italien). Der Film ist ein außergewöhnliches Dokument, und ich muss gestehen, diese Szene ist mir viel sympathischer als die postmoderne Inszenierung des sektiererischen Rossi. Eine Menschlichkeit kommt darin bei Sängern und Zuhörern zum Ausdruck, die bei uns leider nur noch theoretisch, vielleicht auch noch in den kühnsten Träumen der Komponisten existiert. Aber hier es geht eben auch um mehr als nur um Musik.

  6. querstand sagt:

    Lieber Greizer-Zithertage als Rossi? Ich möchte mich zwischen beiden nicht entscheiden müssen… Ich würde aber beides auch nicht vergleichen! Rossi könnte man vorwerfen, dass er seiner Erfolgssucht erlegen ist, denkt man an die Show, die Lautsärke-Steigerungseffekte, das esoterische Gesumme der Schwirrhölzer. Das ist allerdings eine reine Geschmacksfrage… Ganz persönlich tut es mir sogar sein metrisch/rhythmischer Drive an, ein Element, dass „Neue Musik“ so gerne als Erstes bricht, wenn es parametrisch etwas aufzulösen gibt/gilt. Vielleicht sollte man sich Rossi einfach weniger von der Neuen-Musik-Warte aus annähern. Mit seiner Show erreicht er vielleicht mehr Menschen, als der beste Dekonstruktivist hierzulande, wenn er nicht so viel esoterische Erklärungssosse über sein Werkeln giessen würde – da erliegt er ganz besonders der eurozentrischen Erklärungswut des eigenen Tuns, ist sein „Pathos“ als Künstlerpersönlichkeit der Stolperstein.

    Eine gewisse mönchische, asketische Aura kann ja gerne dem Künstler anhaften, wenn sie nicht zur Haupterklärung seines Schaffens wird. Immerhin erspart er uns die echte, hervorgehobene Teilnahme von Ureinwohnern. Das kann natürlich auch daran liegen, dass das Europäische in Südamerika das Eigene dieser Menschen bis zur Unkenntlichkeit zerstört hat, wenn es die Personen nicht gleich selbst vernichtete. Man denkt doch gerne an die „Jesuitenreduktionen“, die doch ach soviel Schutz den Indios vor bösen Ausbeutern boten, aus ihnen brave Christleins machten und ihnen das Spiel barocker Instrumente lehrten statt ihrer Schwirrhölzer, Holzflöten und Trommeln. Ja, es war besser, als sie gänzlich zu unterjochen, hatten diese Missionen doch blühende Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten, was sie wiederum in das Auge des Neids der staatlichen Kolonialverwaltung brachte, sie auflöste, doch annähernd versklavte, Geige hin, Ave Maria her.

    Ich vereinfache natürlich – so blieben ausser ein paar Gemeinden in Brasilien, wo heute noch Indios brav Vivaldi sägen derweil andere die Bäume abholzen, andere Nachfahren nördlicher in Venezuela Herrn Dudamel zu Diensten stehen – „Sistema“ lässt grüssen. Will man sich nun ernsthaft der Musik dieser Menschen nähern, muss man in die unberührten Restgebiete wissenschaftlich neutral eindringen, wird diese dadurch auch ruinieren. So bleibt wohl nur, die gefundenen Instrumente neu zu beleben, was entweder eine Art Dauerschuldbewussteinsakt wird oder eben romantisch in Klischees rumgeistert. Die koloniale Schuldattitüde ist aber doch eher was deutsches, also lieber Klischeeklimbim, ggf. mit gewissen Studienreformen: die Einführung des Fussballs, Kooedukation bis SMV wurde ja auch erst als Teufelswerk betrachtet. Warum sollten dann Komponisten nicht ein wenig Rhythmik und Alexandertechnik pauken, was jeder Musikpädagoge muss? Vielleicht befördert es „argentinische Schule“? Wer weiss es…

    Wenn Rossi nun „Volksmusikalische“s als Grundlage für seine Musik benutzt, wäre es doch schöner, er nähme seinen ipod, nimmt alte Tango-Diseusen in der Pampa auf, unterlegt es mit ein wenig Phonographenknacksen und Voila, haben wir einen Bartok des Südens! Und da haben wir das Problem: die gesamte Rumba, Samba, etc. Folklore ist letztlich durch und durch kolonial, benutzt gewöhnliche Instrumente etwas lauter als die Klassik, ist eigentlich in der Rhythmik der Trommeln eine afrikanisch-europäische Fusion, wie eben auch der Jazz. Da steckt Potential drin, was Rossi in seinen Steigerungen und Pulsen irgendwie auch nutzt. Für ihn als doch irgendwie aus der Neuen-Musik-Kommenden dürften allerdings die Holzflöten und Schwirrhölzer in ihrer Klangoffenheit interessanter sein, so wie jedes Neue-Musik-Stück mit Flöte immer ein wenig nach Shakuhachi klingt, uns Saxofone und Trompeten dann am ehesten interessieren, wenn sie nicht nach Allgemein-Jazz sondern dem Seufzen einer Stimme eines geschundenen Baumwollsklaven klingen. Was betreiben wir doch so gerne an Effekten, um den Klang ja nicht romantisch sein zu lassen, sind uns obertonreiche Barockinstrumente noch zu wenig exotisch. Also schwelgen wir doch Alle ein wenig in Nah- wie Fernost, in den Urwäldern Afrikas und Südamerikas.

    Die Filmmusik macht es sich da noch einfacher: statt Lachenmannscher Luft- und Rauschtechniken benutzt sie eine „aijajaja“ Frauenstimme, unterlegt leicht sechsteltonverschmutzte Mollstreicher, lässt eine persische Nay, Rohrflöte, luftreich dazu blasen. Wie es eben Rossi dann doch auch unterläuft. Und das macht ihn dann so unangenehm samt seinem Esoterik-Gerede, seiner Selbsterfahrungsader, die so öde an kurzgeschorene Europäer in der Nähe des Dalai Lama denken lässt, seine altbackenen Steigerungen, und noch schlimmer: dass er zu seiner Materie keinen „authentischen“ Bezug hat.

    Um auf Partch nochmals zu kommen, dessen Beschwipst, hicks, sorry, „Bewitched“ in seiner Druiden-Hobo-Attitüde ehrlicher vorkommt, da Herr Partch doch ein wenig in der schrägen Welt der Strasse zuhause war und seine Musikinstrumente einerseits strengstens seiner Just-Intonation folgen und doch immer ein wenig nach Schrottplatzwohllauten, er esoterisch wirkt, man es ihm aber auch glaubt, er einfach weniger Eso-Unsinn und Müsli ausstrahlt, Rossi doch irgendwie an neuchinesisches Betonplatten Feng-Shui gemahnt. Wäre Rossis perfekt gemacht Show ein wenig imperfekter, weniger US-amerikanisches Dirigentengehüpfe, mehr ein James Last der Schwirrhölzer, wäre es so richtig uterhaltsam, was es beim Wegsehen durchaus partiell sein kann.

    Wie oben schon gesagt, evtl. wäre die Archivierung der aussterbenden Ur-Tangowelt spannender. Um jetzt auf das deutsche Volksmuskalische mal zu kommen! Erstaunlich ist, wie Moritz doch auch gleich wieder die Bierzeltattitüde einführt, wenn es bayerische Musik geht, das Greizer Zither-Laientreffen in einem Kommentar angeführt wird. Ich wette allerdings, dass diese beiden Beispiele, so wie im Artikel und o.g. Kommentar formuliert, einfach als kleineres Übel aussehen, also nach Möglichkeit bitte doch Vermeidung angesagt ist, ausser man macht CSU-Kritik oder denkt bei Volksmusik sofort an Volkstümliches und eine Musikantenstadlhorrormonstershow…

    Jede slawische, ungarische, lappländische, russische Volksmusik wird von meinen lieben Kollegen ernster genommen als die eigene deutsche, besonders ostsüddeutsche Volksmusik. Da reicht’s schnell mit dem Lederhosenklischee, oder man denkt maximal an Terzen wie Sexten bei Schubert und Mozart, Ländler bei Bruckner, sagt eben schnell, dass die so „schönen“ Stellen wohl ohne Landpartien dieser Wiener Grossstädter nicht möglich wären. Erstaunlich ist nur, dass die wenigsten Kollegen sich HEUTE von solchen Landpartien affizieren lassen. Heute war ich im Isartal! Just sass mir in der S-Bahn auch ein Mann gegenüber der das Zitherbundblatt „Saitenspiel“ las. Also fahrt mal öfters mit der Bayerischen Oberlandbahn oder einfach nur der Wolfratshauser S-Bahn ins Grüne. Zugegeben, das war die heutige einzige Infiltration mit Volksmusikartigen. Angesichts der Konzertprogramme der Schäftlarner Klosterkonzerte die über Mozart und Haydn kaum herausgehen kam da schon wieder Klischeeverdacht auf, wünschte man sich die jetzigen Baugerüste in der barocken Klosterkirche dort auf ewig, keine Renovierung der Deckenfresken, lieber Hasenberglgraffitis und all die properen Doppelhaushälften durch eine Loisachwelle weggespült, all den blitzenden BMW’s ein Ende des Ölzeitalters, den Bonzen daraufhin berechtigte S-Bahn-Ängste – auf jener Linie wurde ja der S-Bahn-Held Brunner zu Tode geschlagen… sollen’s auf’m Land bleiben… Dass man da bestenfalls an die Wies’n oder Wadeln in Lederhosen denkt, wenn man an das ländliche, volksmusikalische glauben soll, ohne das „-tümlich“ – einsehbar.

    Meine Lieben, so entgehen Euch allerdings
    – Maultrommeln, die sehr wohl auch ohne mongolische Attitüde hier denkbar sind,
    – Gemshörner, die feine kleine Flöten sind, ganz ohne Germanen-Touch oder Muscheltrompetencharme aus Tahiti,
    – Zithern die nicht aus China stammen,
    – Hackbretter die nicht aus Ungarn sind,
    – viel zu schräg gehaltene Geigen, die nicht aus Serbien sind,
    – Sängerinnen und Sänger die keine Noten lesen können, dennoch automatisch Dreiklänge singen und nicht aus der Bronx stammen,
    – Alphörner, die keine tibetanischen oder australischen Holztrompeten sind,
    – Tempo- und Metrumwechsel, die nicht bulgarisch sind,
    – Texte, die aus dem Stegreif kommen und nicht nur weihnachten „Dumpa, Humpa“ machen, etc.

    Ich sehe jetzt schon wieder die kompositorischen Dimpflmosers in Berlin, Stuttgart, Hamburg und sonstwo in der BRD, die verschmitzt Lächeln und mich hier in Bayern sofort wieder Verhinterwälderln. Aber verdammt nochmal: man kann durchaus auch hier sehr authentische Musik tanken, ohne sofort diese heutzutage nur wieder im Hardrock zu sehen, weit entfernten Bergklängen oder nur italienischer Volksmusik den Vorzug geben, japanische Hofmusik zum Vorbild nehmen. Ein wenig sind die deutschen Kollegen viel musikblinder als es der Student Hosokawa in Berlin war, wo der Korenaer Isang Yun ihn die japanische Volksmusik näher brachte. So gibt es bei uns für unsere Basics nur das klischeebestätigende Zitat des Heimatlichen samt sofortiger Brechung und Schuldbekenntnis des Tabubruchs oder den Rechtskonservativ- wie Popularmusikverdachtsstempel!! Wann komponieren eigentlich die alten Säcke noch auf dieser Grundlage? Bis auf Walter Zimmermann hat es kaum einer jener Generation versucht, verlieren sich die jetzigen Kollegen in einer gähnenden Rockmusiksdiskussion: Jungs, auch diese Musik dreht sich inwzischen im Kreise wie Jazz und Neue Musik! Tja, das Krautrockargument, das Alle in Bezug Neuer Musikbefruchtung via Stockhausen auf Kraftwerk, Neubauten, etc., anführen, oder der Math-Rock hier zuletzt: ohne Neue Musik täten die es tatsächlich nicht, ohne Volksmusik hätte es die Neue Musik aber auch nicht getan. Also ran an die Quellen und diese einfach verrocken, ein wenig mehr Körperlichkeit des eigenen Tuns (auch ohne Rossireform möglich) und nicht nur immer diskutieren und erstaunt sein, dass Kollegen eben auch mal gerne mehr Erfolg haben wollen als nur die Zustimmung der Müsli- und Rollkragenfraktion des niederen Neue-Musikvolks oder der Jeans und Sakkoträger samt Hornbrille oder rosa Krawatte der Förderfraktionshonoratioren. Ein wenig Rousseau hat noch niemand geschadet…

    Gruss,
    Alexander Strauch

  7. Max Nyffeler sagt:

    Komisch, ich habe am Sonntag hier einen längeren Text gepostet, jetzt ist er weg. Es war doch keine Pornografie drin.

  8. eggy sagt:

    @Max: Das ist in der Tat seltsam – da muss mal Martin Hufner ran!

  9. Das Leben ist kompliziert. Ich weiß momentan auch keine Erklärung. Ich habe jetzt die Logging-Funktion auf scharf eingestellt. Vielleicht komme ich dann den Fehlern im System auf die Spur. Das eingesetzte Programm soll ja dazu diesen, die Eingabe von Captchas etc. zu vermeiden. Aber wie das Teil im Detail arbeitet, ist schwer zu beurteilen.

    In jedem Fall gilt, wer das erste Mal was macht, kommt in die Schleife (das ist auch dann der Fall, wenn man seinen Namen anders schreibt oder die Mailadresse ändert – beides bei Max nicht der Fall, oder wenn man mehr als drei Links in den Text einbaut – auch das trifft nicht zu.

    Dazu gibt es eben andere Kriterien – aber welche? Vielleicht beruhigt es, wenn man weiß, dass auch meine Kommentare nicht immer durchkommen.

    Wahrscheinlich aber nicht ;-)

  10. Max Nyffeler sagt:

    Jetzt ist er ja wieder drin! Tja, der Schamanismus.

    Bei der Gelegenheit möchte ich nochmals mit Nachdruck auf den Link zu Youtube (Chico Buarque) verweisen. Wenn nur die neue Musik auch so mitreißend wäre… (Sorry, liebe Komponisten, ich weiß, es ist eine andere Wiese, auf der hier gegrast wird!)

  11. wechselstrom sagt:

    @ Max Nyffeler,
    das ist Argumentation mit dem Holzhammer:
    Ich sag jetzt einfach: Rossi gefällt mir auch nicht. Und Punkt.
    Das Argument wird nicht besser, wenn ich sage: dieser oder jener macht das Gleiche.
    Es hat aber den Effekt, dass ein Argument, das zunächst eine einfache Geschmacksäußerung war, durch den Vergleich in den Rang der Wissenschaftlichkeit angehoben wird.
    Guter Trick – könnte von Schopenhauer stammen.

    zu Postmoderne, Poststrukturalismus, Postpost-Irgend-Ismus:
    Diese Begriffe können auch Zeichen dafür sein, dass (wie ich persönlich glaube) wir in einer der spannendsten Umbruchszeiten leben, in der, ohne dass es allgemein zur Kenntnis genommen wird, sich weittragende Entwicklungstendenzen auftun, für die wir aber noch keine Begrifflichkeiten gefunden haben.
    (Es müssten vermutlich Begriffspaare sein)

    Insofern war Stockhausen der letzte Vertreter des spezifisch deutschen Idealismus, den es jetzt nie mehr geben wird und geben kann.

    Zurück zur Musik:
    Mozart im Bierzelt: Geht nicht
    Rossi in der Akademie – geht auch nicht.

    warum
    fragt
    – wechselstrom –

  12. Max Nyffeler sagt:

    Lieber Wechselstrom, ich weiß nicht genau, worin Sie mir widersprechen wollen. Wenn Sie mir entgegenhalten, dass sich „weittragende Entwicklungstendenzen auftun“, wiederholen Sie mit anderen Worten ja nur, was ich auch schon geschrieben habe. Auch habe nicht geschrieben, „Rossi gefällt mir nicht“, sondern ihn als sektiererisch bezeichnet, was die Videos meines Erachtens illustrieren. Doch ich habe auch seine Ambivalenz betont.
    Außerdem: Stockhausen (als Pauschalbegriff) ist nun wirklich das schlechteste Beispiel für „deutschen Idealismus“, den Sie gewiss zu Recht als begrenzt betrachten. Mit vielen Werken hat er genau das, was nun stattfindet, vorausgeahnt und aus seiner (idealistischen?) Sicht sogar formuliert, siehe z.B. die seinerzeit stark angefeindeten „Hymnen“.
    Ihre Frage „Mozart im Bierzelt“ bzw. Rossi läuft auf Kontingenz hinaus. Natürlich „geht das“. Alles „geht“. Es „geht“ auch, wenn ich neben das Klo pinkle. Aber die Frage ist, was es bringt, bzw. welchen Sinn es macht.
    Aber ich will hier keine Spitzfindigkeiten betreiben, und eine Argumentation auf der Metaebene der Formallogik halte ich in Kunstdingen für steril, auch wenn sie „geht“.
    Es grüßt Sie Max Nyffeler

  13. wechselstrom sagt:

    Lieber Max Nyffeler,

    Was Rossi praktiziert, ist i.m.h.o. das Schlingensief-Prinzip: Man nehme alles von allem (bzw. von alleN, besonders von denen, die sonst nichts zu sagen haben)…

    Das war mein Bezug

    Im weiteren Verlauf untermauern Sie ihre ästhetische Abneigung mit „Geschäftspolitik“, „Globalisierung“ „medial überfüttertes Publikum“, „kulturinteressierten sofa potatoes“ … … …

    Das aber sind keine ästhetischen Argumente, es sind gesellschaftspolitische.
    Auf dieser Ebene mag der Vergleich zwischen Rossi und Schlingensief zulässig sein, auf ästhetischer Ebene ist er es nicht.

    zurück zu Rossi:
    Sein gesellschaftspolitisches Engagement finde ich weitaus spannender, als seine Musik, letztere gefällt mir überhaupt nicht (ästhetisch argumentiert: zu banal gestrickt, ich hab´s lieber, wenn es etwas vielschichtiger daherkommt).

    Nun transportiert Rossi aber sein politisches Engagement mittels Musik, und da stoße ich an.

    Und deshalb meine ernst gemeinte Frage: Ist „Rossi in der Akademie“ das gleiche wie „Mozart im Bierzelt“
    (das Gleiche wie „neben die Schüssel pinkeln“ ist es jedenfalls nicht) – die Lösung muss nicht ausschließlich auf der Ebene der Formallogik liegen, deren Mittel außer Acht zu lassen, führt uns andererseits genau dorthin, wo wir nicht sein wollen: zu den „überfütterten sofa potatoes“.

    Beste Grüße aus dem Labor

    – wechselstrom –