Math Rock

Stets auf der Suche nach seltsamer Musik abseits der abgetretenen Pfade stieß ich vor kurzem auf eine musikalische Stilrichtung, von der ich vorher zu meiner Schande noch nie gehört hatte und die in vielerlei Hinsicht für Komponisten interessant sein könnte: „Math Rock„.

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Die Band Slint auf dem Cover der Platte "Spiderland"

Die Band Slint auf dem Cover der Platte "Spiderland"

Math Rock ist eine Abart des „Postrock“ der späten 80er Jahre – quasi hochexperimentelle Rockmusik die nichts mehr mit herkömmlicher Rockmusik zu tun hat, aber die selben Instrumente benutzt. Anders als bei der sogenannten „Postmoderne“ in der Neuen Musik ging es hier nicht um stilitischen Eklektizismus (auch dies eine Vereinfachung der Postmoderne natürlich) sondern eher um eine Radikalisierung der Mittel bei gleichzeitiger Reduktion. Postrock war in vielerlei Hinsicht prägend für die Independent-Szene und für Bands wie Nirvana (die ja mit ihrem wachsenden kommerziellen Erfolg auch ein schnelles Ende fanden), denn mit Kommerz lässt sich die Haltung des Postrock nicht vereinen. Es geht allein um die Musik, nicht um die modischen Accesoires oder den schnellen Erfolg, gerade deswegen ist diese Rockspielart auch so interessant aus einer Perspektive der Neuen Musik heraus.

Postrock ist Rockmusik reduziert auf Basics – kaum noch akkordisch spielende Gitarren, Schlagzeug, eher monotoner Gesang der oft unterhalb der Verständnisschwelle gemischt ist. Und Math Rock geht noch einen Schritt weiter, verweigert sich nämlich dem, das Rockmusik größtenteils ausmacht: einem durchgehenden Beat. Math Rock-Stücke sind stets komplexe Gebilde aus irregulären Taktarten, die meistens auf komplexe und stets wechselnde Kombinationen von 3 und 2 reduzierbar sind, in ihrer Wirkung aber bewusst sperrig und uneingängig sind. Irreguläre Taktarten kennt man natürlich auch aus dem Prog-Rock und von Zappa, dort dienen sie aber stets einer Art intellektuellen Virtuosität, die sich natürlich in gewisser Weise „über“ dem gängigen Popsong fühlt. Bei Math Rock dagegen gibt es überhaupt keine „Showattitüde“ im eigentlich Sinn, die Musik ist meistens rau und minimalistisch, nahe an „Noise“ und „Industrial“ im Klangbild. Es gibt kaum schnelle Läufe, fast keine Harmonik, und der Schlagzeuger dirigiert die Band mit unerbittlich hämmernden Rhythmen.

Rein vom Klangbild kann dieses Stück der Band „Shellac“ als prototypisch bezeichnet werden, natürlich gibt es hier auch Parallelen zum Punk in der kompletten Verweigerung von Melodie oder auch zur Schau gestelltem Können, die rhythmische Struktur geht aber weit über z.B. die „Sex Pistols“ hinaus, die bekanntermaßen nur den 4/4 Takt kannten.

„Math Rock“ war im Grunde ein ironischer Begriff, der erst als eine Art abwertender Witz über „zu komplexe“ Musik gemeint war, und dem sich im Grunde keine Band je vollkommen verbunden fühlte. Dennoch gab es eine ganze Reihe von Bands, die diese Stilrichtung prägten. Allen voran ist wahrscheinlich die außergewöhnliche Band „Slint“ zu nennen, deren Album „Spiderland“ zu den einflussreichsten Platten der 90er Jahre gezählt wird. Diese Platte ist so etwas wie die Geburt gleich mehrerer Richtungen von Rockmusik, und sie ist gerade deswegen so erstaunlich, weil diese Band außer dieser und einer weiteren Platte fast nichts zustande gebracht hat. Alle Songs dieser wirklich sehr guten und einzigartigen Platte sind auf youtube zu finden, zum Beispiel „Nosferatu Man“ oder auch der sehr merkwürdige Song „Breadcrumb Trail“. Die oben beschriebenen Charakteristiken sind hier deutlich zu hören – man bemerke auch die bewusst verstimmten Gitarren, repetitive Strukturen die an Minimal Music erinnern, dann aber in plötzliche Ausbrüche voll atonaler Gewalt münden. Dennoch entsteht bei aller vordergründiger Kälte der Musik auch eine Art kristalline Poesie, und auch der (kaum verständliche) Text geht weit über normale Rocklyrik hinaus.

Dass das Ganze auch wesentlich spielerischer und humorvoller klingen kann, beweist die Band „We Insist!“ in diesem Song. Auch Parallelen zu Heavy Metal gibt es im Math Rock, zum Beispiel in diesem Song der Band „Don Caballero“.

Komponisten dürften sich vor allem für die Band „Yowie“ interessieren, deren Song „Trina“ wirklich komplett durchgeknallt ist – es klingt wie eine dissonante Improvisation, bis man realisiert, dass Schlagzeug und Gitarren perfide und perfekt aufeinander abgestimmt sind. Auch John Zorn lässt hier sicherlich grüßen – seine von Zeichentrickfilmmusik inspirierte Klangästhetik ist hier nicht fern.

Wer sich mehr für die seltsame Welt des „Math Rock“ interessiert, dem sei dieser Blog empfohlen, in dem die Prinzipien gut erläutert werden und viele Beispiele zu finden sind. Aus diesem Blog stammt auch eine Liste von einflussreichen Bands:

Don Caballero
Thingy
Slint
The Jesus Lizard
Shellac
Minus The Bear
June of 44
Tera Melos
We Are Knives
Sleeping People
Yowie
Hella
The Dirty Projectors
Giraffes? Giraffes!
We Followed Tigers
Sharks Keep Moving
Rodan
Dazzling Killmen
Faraquet
Drive Like Jehu
Capillary Action
We Insist!

Was auch immer aus „Math Rock“ geworden ist (wenn es nach Plattenfirmen geht: eher wenig!), klar ist, dass es sich hier um eine spannende und prägende Stilrichtung handelte. Und in der interessanteren Popmusik von heute ist auch eine Art Aufbruch zu komplexeren Mitteln zu spüren, eine zunehmende Akzeptanz des „Anderen“.

Hierüber vielleicht auch mehr bald in diesem Blog…

Moritz Eggert

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13 Antworten

  1. strieder sagt:

    Lieber Moritz, ein schöner Beitrag. Mit Math Rock/Metal bin ich um das Jahr 1997 zum ersten Mal in Berührung gekommen, und höre diese Richtung seitdem sehr gerne. Das schöne ist: auf diese Musik treffen alle Vorurteile zu, die oft gegenüber der „Neuen Musik“ genannt werden – nur stört das dort keinen, im Gegenteil. Verrückt, Krank, keine Harmonik, Arhythmisch usw. usf. = Toll! Natürlich ist es nicht arhythmisch (sondern rhythmisch komplex) und auch nicht a- oder unharmonisch (sondern harmonisch komplex bzw. die Harmonik ist einfach „anders“ [bezügl. Harmonik hier kleine versteckte Kritik an deinem Beitrag ;) ]). Der Math Metal jedenfalls ist sehr lebendig, und Bands dieser Richtung werden auch immer beliebter, wenn ich das alles so richtig beobachte. Ich glaube zudem, das Liebhaber von Math Rock/Metal auch Neue Musik-Fans wären, doch woher sollten sie diese (unsere) Musik schon kennen!?

  2. Als Mathcore fun kann ich wirklich nur sagen – interessante Artikel Moritz! Allerdings klingen zum Beispiel „Mathcore“ Bands alle ganz gleich: eine Neue Modewelle. Geniessen die Musikrichtung „Mathcore“ kann man überhaupt nicht. Es ist eher Interessant…

    @John: es ist wichtig zu wissen, dass Math Rock/Metal Musiker nicht durch ausrechnen bestimmte Strukturen zu ihrer Musikrichtung kommen, sonder durch das innere Suchen nach Komplexität – also ganz unmathematisch :-) Daher bleibt es Musik, ohne irgendeinen theorie-gebilde. Sonst würde die Musik, kein Menschen interessieren…

  3. MarvinMiller sagt:

    Sehr interessenter Artikel, vielen Dank! Über Math-Rock konnte ich bisher recht wenig in Erfahrung bringen, jedoch bin ich sehr vertraut mit seinem „härteren Bruder“.
    Der Mathcore weist ähnliche Strukturen und Inhalte auf, wie der Mathrock, hat sich aber ursprünglich mehr aus dem (Post-)Hardcore entwickelt. Wie mein Vorredner bereits richtig feststellte, geht es dabei aber weniger um eine ‚mathematische Errechnung‘ der Songs, als mehr um den Willen harmonisch, melodisch und v. A. rhythmisch komplexe Musik zu schaffen; Der technische Anspruch an den Musiker steht dabei auch sehr im Vordergrund. Gekreuzt und erweitert wird der „Mathcore“ natürlich zudem noch mit sämtlichen Richtungen der härteren Gangart (gutturaler Gesang etc.).

    Dass alle Mathcore-Bands gleich klingen würden, fände ich übertrieben dargestellt. Allerdings stimme ich zu, dass viele härtere Bands sich mit dem (Mode-)Begriff „Math“ schmücken, um dadurch interessanter zu wirken.
    Ein sehr wichtiger Punkt ist allerdings der, dass Fans dieser Musik durchaus in der Lage sind ihr zu folgen, auf sie zu tanzen, sie zu genießen – trotz Komplexität.

    Ich habe mir erlaubt auch kurz einige Beispiele zur Anschauung zusammenzustellen:
    Protest the Hero
    Dillinger Escape Plan
    War From A Harlots Mouth (v.A. deutliche Jazz-Einflüsse)

  4. Willi Vogl sagt:

    @ Moritz Eggert
    Ein anregender Beitrag – eine betrachtenswerte Stilistik!

  5. strieder sagt:

    Das viele Math-Sowieso Bands ähnlich klingen kann ich teilweise bestätigen, das hat mich vor einigen Jahren auch etwas davon abgebracht. Einige Methoden wurden zu sehr zu Formeln und nutzten sich zumindest bei mir ab. Das tut dem ganzen aber keinen Abbruch. Und Pèter – woher willst Du das so genau wissen? ;) Ich habe schon Riffs gesehen, die so komplex waren, das kein Zweifel daran besteht das sie auf dem Papier ausgearbeitet wurden. Aber das macht es für mich nur um so interessanter. (Auf welche Weise soll denn der „Otto Normalverbraucher“ überhaupt den Unterschied erkennen können? ;) )

  6. eggy sagt:

    Freut mich, dass euch das gefällt!

    Hier als Bonus noch der Text zu Slints „Breadcrumb Trail“ (den man kaum versteht), wirklich sehr gut und nicht gerade der typische Songtext:

    „I stepped out onto the midway. I was looking for the pirate
    ship and saw this small, old tent at one end. It was blue,
    and had white lights hanging all around it. I decided to check
    out the tent, it seemed I could hear music coming from inside.
    As I walked toward it, I passed a crowd of people at the sideshow.
    I couldn’t figure out why they would want to wait in line. I
    pulled back the drape thing on the tent. There was a crystal
    ball at the table, and behind it, a girl wearing a hat. She
    smiled, and asked me if I wanted my fortune read. I said okay,
    and sat down. I thought about it for a minute, and asked her
    if she would rather go on the roller coaster instead.

    Creeping up into the sky. Stopping, at the top and,
    starting down. The girl grabbed my hand, I clutched it
    tight. I said good-bye to the ground.

    Far below, a soiled man. A bucket of torn tickets at his side.
    He watches as the children run by. And picks his teeth. Spinning
    ‚Round, my head begins to turn. I shouted, and searched the sky
    for a friend. I heard the fortune teller, screaming back at me.
    We stuck out our hands, and met the winds.

    The girl falters as she steps down from the platform. She
    clutches her stomach, and begins to heave. The ticket-taker
    smiles, and the last car is ready. Who told you that you
    could leave?

    The sun was setting by the time we left. We walked across
    the deserted lot, alone. We were tired, but we managed to smile.
    At the gate I said goodnight to the fortune teller. The
    carnival sign threw colored shadows on her face, but I could
    tell she was blushing.“

    Moritz Eggert

  7. @Marvin: für mich ich Dein Satz ist wie ein Schlüssel:

    „Ein sehr wichtiger Punkt ist allerdings der, dass Fans dieser Musik durchaus in der Lage sind ihr zu folgen, auf sie zu tanzen, sie zu genießen – trotz Komplexität.“

    …und ich glaube, dass ist der Punkt, wodurch diese Musik gerade seinen „fans“ findet: weil die Wille der Musiker sich nicht auf die Konstrukte selbst, sondern auf die Musik konzentriert. Da kann es noch so komplex sein, es bleibt „Musik“…

  8. Erik Janson sagt:

    @ Moritz,@ all,

    vielen Dank für die tollen Anregungen! Ja, es gibt weiß Gott vieles zu entedecken für uns jenseits der Beschäftigung mit schnöden Zahlen und Algorithmen.
    Jetzt könnte man den ganzen Tag auf Youtube weiter hören, googeln, forschen – schade dass der Tag nur 24 Std. hat…

    Zur Ergänzung noch von mir: „Progressive Rock“ der
    60er und 70er-Jahre, u.a. King Crimson oder erste Alben von Pink Floyd etc.

    Dort findet man auch schon unterschiedliches ANSÄTZE
    zu der o.g. musikalischen wie poetischen Durchgeknalltheit. Aber das mündete (hab ich den Eindruck)schnell(er) wieder im Kommerz.
    Da sind die beschriebenen Bands schon erstaunlicher,
    vor allem weil sie in einer Zeit wirkten und wirken, in denen andere ehemals „progressive“ Bands in Sound, Rhythmik etc. schon der Kommerzialisierung anheim gefallen sind.

    Und denken wir daran: Was wir mit denen tw. gemein haben:
    Freie Szene, Underground, noch frei von Markt- und Massengeschmack, teilweise am Rande der Musikkultur bzw. kaum wahrgenommen/bekannt, wenn man sich so deren (bisherige – vor Badblog…) Klickzahlen auf Youtube so ansieht…

    Aber wie erbärmlich ist dagegen jeder Songkontest und die sich selbst genügende Barbypuppen-Popindustrie!

    Also, niemals davon beeindrucken lassen, was, wer, wie oft hört und wie toll was „andere“ finden. Und: was lernen wir daraus: nicht nur uns, in unserer Szene geht es so (hier freie Szene – da Festivals und Hype…)
    Weiter machen!!! Musik/ Neues entsteht im Untergrund,
    und selbst wenn es zuerst mal nur in wenigen Köpfen passiert, unter der Schädeldecke.

  9. strieder sagt:

    Wenn man den Massenmedien glauben darf, sehnt sich das Publikum einzig nach algorithmisch-computergenerierter Musk – schaltet man das Radio oder Musikantenstadl ein, hören wir Musik am laufenden Band, die offentsichtlich Ergebnis musikalischen Würfelspiels ist.

    … So richtig mögen kann ich nur die ersten beiden Platten von Dillinger Escape Plan, aber dieser Song hier ist der Oberhammer (für mich ihr bester Song): http://www.youtube.com/watch?v=YfdmJGTcFxw *headbang*

  10. querstand sagt:

    @ erik: „Aber wie erbärmlich ist dagegen jeder Songkontest und die sich selbst genügende Barbypuppen-Popindustrie!“ Wie wahr – und wie leicht umformuliert passt dieser Satz zur Neuen Musik-Wettbwerbskultur: Aber wie erbärmlich ist dagegen jeder Kompositionswettbewerb und die sich selbst genügende Jury-Wunderknabenindustrie! Na, so düster würde ich das nicht sehen.

    @ eggy: Aber von jeder Musik-Szene sieht die andere erstmal die Klischees. So ist es wirklich fein, Moritz, diesen Math.Artikel zu lesen, samt den Links. Ich klickte mich da mal weiter durch und fand, dass die Metrumwechsel mich an Blachers Variable Metren erinnern könnten. Bleibt die sich immer stärker aufdrängende Frage, Konzerte, Festivals noch radikal offenere jenseits der je szene-eigenen Besetzungsformate zu wagen. Die letzten eineinhalb Wochen sah ich mal wieder mehr Neue Musik Konzerte denn je. Natürlich überzeugten die Stücke in den „Pierrot-lunaire“-Besetzungen oftmals auch. Nur waren es diese die leersten Abende. Am vollsten und obendrein eindrücklichsten die Konzerte mit Zither und Ensemble, mit Orchester in der musica viva und bandartig das auf Percussion, E-Gitarren, Klarinette, Trompete und E-Cello reduzierte pianopossibile. So sehr Rock, auch Mathcore, erstmal nicht meine Heimat sind, zeigt es sich, wie man spartenübergreifend mischen kann, wie da doch demnächst das meiste Potential besetzungstechnisch wie formal zu finden sein könnte. In den Zwanzigern und Dreissigern beeinflussten sich Jazz und moderne Klassik gegenseitig, in den 60ern und 70ern sollte man den Einfluss Stockhausens auf die Rockmusik nicht unterschätzen, heute tritt die eigene Volksmusik wieder stärker dazu seit Walter Zimmermann, die ganze Mixkultur verweist in alle Richtungen, selbst der Komplexismus benutzt ständig „quasi-wie-Material“ als sublimiertes Erbe der Postmoderne, frönen in der immer noch zahllose KollegInnen. Der nächste Schritt nun: Band und Orchester jenseits des soften Cross-Over, Neue Musik Ensembles als Band, Männerchöre mit PureDate, etc.

  11. Erik Janson sagt:

    @Alexander,

    Aber wie erbärmlich ist dagegen jeder Kompositionswettbewerb und die sich selbst genügende Jury-Wunderknabenindustrie! Na, so düster würde ich das nicht sehen.

    Nana Bua, so wie Du hier den Gedanken fortsetzst, hab ich das nicht geschrieben. Ich fordere Dich zum Duell beim Brückenwirt. Aber wer weiß: vielleicht IST es – zumindest zuweilen – genau SO düster in unserer „Szene“ („Szene“ nämlich: bald so verstanden, wie man die „Szene“ beim Frühstücksfernsehen versteht).

    Bzgl. des Mixings und des Sich-nspirierenlassens/des INtegrierens von bestimmten Elementen anderer Musikgenres (wir von anderen /andere von uns): Sicherlich ist das spannend, aber auch ein wenig trügerisch und immer schwerer seinen EIGENEN Weg damit zu finden und an dieser Musik Aspekte zu entdecken, sich zu eigen zu machen/ was Eigenes daraus zu machen, dass es bleibt und weiter trägt. Zumindest wenn man selbstkritisch ist. Das ist nicht so einfach, wenn man ehrlich mit sich ist. Was richtig gute Musik ist, das lässt sich nämlich nicht ohne Skrupel – finde ich – weder adaptieren noch integrieren. Nicht ohne dass das gewisse Etwas fehlt. Hab z.B. auch über Jazzeinflüsse bei Strawinsky meine Dipl.-arbeit geschrieben und fand heraus/finde auch heute: Die sogenannten (auch von ihm erklärt) vom „Jazz“ beeinflussten Werke sind bei Leibe nicht seine besten.

    Vielleicht sollten wir da also doch demütiger sein, darüber nachdenken uns bald abzuschaffen und nur noch zu Mathrock-Konzerten gehen. Oder mal denken: wenn wir, um den Kopf frei zu bekommen, Mathrock spielen/hören, dann O.K., aber bitte davon wieder abstrahieren, nichts stilistisch „einarbeiten“, nichts „klauen“ wollen etc. Zumindest mal als Gedankenspiel. Vielleicht dann doch lieber die gute alte Komponiersoftware und die Algorithmenrechner wieder aus dem Schrank holen und wieder anwerfen und alles Erfahrene, alles, was man „geil“ findet, aus Ehrfurcht davor wieder durch die pseudointellekte Mühle, den Hechsler drehen, es überschreiben? Zumindest käme man damit nach Donaueschingen. Also: weiter VORSICHT mit sogen. „Crossover“; gerade bei großen Festivals haben sich derlei Versuche am schnellsten auch abgenutzt. Man nimmt es „unsereinem“ – sicher oft – zu Recht nicht so ganz ab, ob das wirklich aus ehrlichen inneren Haltungen heraus passiert.. Das gebe ich kritisch/selbstkritisch für jeden zu bedenken.

    Es ist viel frischer, wenn TRENNENDES auch trennend bleibt.

  12. Philipp Sobecki sagt:

    Komisch, dass Meshuggah noch nicht erwähnt wurde. Es ist die wohl einflussreichste Band in diesen Genrekreisen.
    Anspieltipps: Future Breed Machine, Soul Burn, The Exquisite Machinery of Torture.

    Typisch finde ich übrigens auch die Überraschung von studierten und manchmal allwissenheitsbeanspruchenden (ich sags mal so drastisch, auch wenn das natürlich von allen dementiert wird, wenn man sie direkt darauf anspricht) Musikern/Komponisten/Musikhochschuldozenten über „neue“ Genres. Und ja, dieser Vorwurf ist nicht nur an meine Dozenten, sondern auch an die Blog-Leser gerichtet. Denn die meisten von ihnen werden wohl den Satz „es wurde schon alles gemacht“ vertreten. Dies würde aber aus keinem Munde kommen, der ahnt, welch weite Teile der ernsthaften U-musik (E-U-Musik) er nicht kennt. Was in der Musikgeschichte gemacht wurde und was nicht ist inzwischen eine fast metaphysische Frage – inkl. der Aussichtslosigkeit ihrer Beantwortung.

  13. Manu sagt:

    Folgende Band sollte hier auch erwähnt werden: And So I Watch you from Afar