Was Frau Piel von der ARD WIRKLICH sagen wollte….
Auf den Seiten der NMZ wurde ein interessantes Interview mit der neuen ARD-Vorsitzenden Monika Piel veröffentlicht. Leider haben sich ein paar Fehler in der Wiedergabe der eigentlichen Intentionen von Frau Piel eingeschlichen, deswegen veröffentlichen wir hier den originalen Wortlaut des Interviews:
dapd-Interview im Wortlaut
dapd: Frau Piel, wo sehen Sie die größten Herausforderungen ihrer Amtszeit?
Piel: Endlich den Kulturauftrag des Bundes zu erfüllen! In der Vergangenheit haben wir aus unerklärlichen Gründen immer wieder versucht, kommerzielle Formate der privaten Sender zu kopieren. Das ist gründlich in die Hose gegangen. Wir haben erkannt, dass nur ein einzigartiges Programmformat mit Anspruch, das sich deutlich von dem der privaten Sender unterscheidet, eine Chance auf Bestand hat. Die Konkurrenz um Einschaltquoten – ohnehin im Zeitalter der digitalen Downloads ein vollkommen überholtes Konzept – muss endlich ein Ende haben. Ein qualitativ hochwertiges Programm dagegen wird immer seine Zuschauer finden, da sind wir sicher.
dapd: Etliche kleinere ARD-Anstalten haben schon jetzt finanzielle Probleme.
Piel: Das ist sehr bedauerlich, hat aber natürlich mit der verfehlten Programmpolitik der vergangenen Jahre zu tun. Wir müssen wieder ein regional individuelles Programm fördern, dass den Menschen tatsächlich etwas zu erzählen hat – das wird die unterschiedlichen ARD-Anstalten stärken und ihnen ein eigenes Gepräge geben. Hierzu gehört auch die Chance, in den Regionalprogrammen Dinge zu senden, die sonst keine Chance haben. Ein Alfred Biolek entdeckte zum Beispiel fürs Regionalprogramm Monty Python, solche Entdeckungen wollen wir wieder machen!
Hierzu gehört auch ein starker Bezug auf die Künste: zeitgenössische Musik muss endlich wieder einen Platz im Programm haben. Nach dem Tode der kommerziellen Popmusik sehn wir gerade bei uns die Chance, wieder außergewöhnliche Musik zu präsentieren. Warum nicht wieder Fernsehopern von guten modernen Komponisten? Morgen zeigen wir zum Beispiel eine Liveübertragung von „For Philip Guston“ von Morton Feldman – die Zuschauer können ruhig einmal mit 4 Stunden extrem ruhiger und konzentrierter Musik gefordert werden, nachdem ihnen sonst die Ohren zugedudelt werden.
dapd: Kann die ARD unter diesen Vorzeichen überhaupt noch Programmevents wie die soeben gezeigten «Buddenbrooks» produzieren?
Piel: Ich verspreche Ihnen hiermit hoch und heilig, nie mehr unserem Publikum ein so langweiliges, dröges und biederes Spektakel wie die „Buddenbrooks“ zuzumuten. Der an sich interessante Stoff hätte eine wesentlich künstlerisch gewagte Aufbereitung verdient. Bei Thomas Mann handelt es sich ja nicht um Hedwig Courts-Mahler! Ein Ansatz eines sagen wir mal Rainer Werner Fassbinder wäre hier zum Beispiel ideal gewesen, das hätte Ecken und Kanten gehabt. Wir müssen wieder neue Künstler wie Fassbinder finden und fördern, das ist sicher!
dapd: Das Verhältnis der ARD zu den Tageszeitungs-Verlagen scheint sich wieder etwas entspannt zu haben.
Piel: Generell tut es einer Medienlandschaft gut, wenn es möglichst viel Vielfalt gibt. Monopolisierung in jeglicher Form halte ich für falsch. Daher begrüßen wir eine reichhaltige Zeitungslandschaft und wollen hiermit auch nicht in Konkurrenz treten.
dapd: Nach monatelangen Debatten ist das neue Programmschema des ARD-Fernsehens endlich beschlossen. Wie zufrieden ist die neue ARD-Chefin mit dem Modell?
Piel: Gottseidank bin ich nie zufrieden mit irgendeinem Modell, denn Repetition ist der Tod des Fernsehens. Daher arbeiten wir schon jetzt an neuen Programmkonzeptionen. Einzig das Sandmännchen und die Nachrichtensendungen wollen wir natürlich an ihren gewohnten Plätzen behalten, das sind wir unseren Zuschauern schuldig.
dapd: Wie ist ihre Prognose bzgl. der vielen ARD-Talkshows?
Piel: Talkshows von Niveau sind sicherlich ein wichtiger Bestandteil des Programms. Andererseits strahlt das ständige Gelaber auf allen Kanälen auch eine unglaubliche Redundanz aus, und die wollen wir vermeiden. So wollen wir zum Beispiel bestimmten salbadernden Dauergästen bei uns Auftrittsverbot erteilen, bis man sie wieder gerne sehen will. Auch müssen die Talkshow-Formate an sich überdacht werden, es könnte ruhig auch wieder etwas wilder und experimenteller zugehen. Wissen Sie, wir laufen Gefahr, dem sogenannten „Unterschichtenfernsehen“ – verzeihen Sie diesen Begriff – ein selbstzufriedenes „Oberschichtenfernsehen“ entgegenzusetzen, in dem man überheblich die eingebildete intellektuelle Überlegenheit feiert. Wir wollen aber Fernsehen für alle Schichten machen – das bildungsbürgerliche Gehabe ist genauso unerträglich wie die widerlichen Deppenparaden der Privaten.
dapd: Wie weit sind die Planungen für das neue Vorabendprogramm der ARD?
Piel: Es wird spannend. Wir haben jungen Filmemachern und Künstlern aus ganz Deutschland freie Hand bei der Gestaltung von neuen Sendeformaten, Filmen und Serien gegeben. Der fantastische Dominik Graf wird ein neues grandioses Projekt machen, aber auch unsere großen internationalen Filmregisseure wie Tom Tykwer werden nun bei uns endlich Bedingungen vorfinden, die sie wieder zum Fernsehen locken – nicht notwendigerweise mit viel Geld, aber endlich mit der Freiheit, frei vom Kommerz und 08/15 ihre Träume und Visionen zu realisieren. Wir wollen nicht mehr amerikanische Formate erbärmlich kopieren, sondern mit unserer eigenen Note Akzente setzen und wieder an die große deutsche Filmtradition anknüpfen. Hierzu gehören auch neue Serien im Stile von Edgar Reitz‘ „Heimat“, die wir ganz bewußt auch für ein internationales Publikum produzieren wollen. In der letzten Zeit wollte unseren Schrott keiner mehr sehen, während zum Beispiel Serien der BBC in der ganzen Welt beliebt sind, und das zu Recht. Hierzu gehört auch ein vollkommener Verzicht auf Klischees – Unsere Filmmusik muss zum Beispiel wieder einen ganz eigenen Charakter bekommen, und nicht wie die Kopie von amerikanischer Dutzendware klingen.
Ganz besonders freue ich mich auf die Wiederbelebung der großen deutschen Science-Fiction-Serie „Raumpatrouille Orion“, die Hans-Christian Schmid übernehmen wird. Es gehörte zu einer der groteskesten Fehlentscheidungen in der Geschichte des Deutschen Fernsehens, dass diese großartige Serie nach nur 7 Folgen eingestellt wurde, und zwar weil Günter Grass (damals im Programmrat) damit Probleme hatte. Hier muss Wiedergutmachung geleistet werden.
Euch allen wünscht ein Frohes Neues Jahr,
Euer
Moritz Eggert
Komponist
Dank Moritz. Schön wäre es, schön wäre es. Ich hoffe, dass es auch stimmt und dieses Interview kein Fake ist.
die nmz ist ja immer zu negativ diesbezüglich.
wer’s nicht glaubt, der lese erst einmal diese – nicht ganz offizielle – ausgabe der wdr hauspostille „print“:
http://www.freienseiten.de/images/stories/WDR_Print_2011_11_72dpi.pdf
dort finden sich erfreulicherweise bereits einige nachrichten, die in die gleiche richtung deuten.
@peh
M. Peel (Piel) – großartig, darauf wäre ich nicht gekommen :-)