aufhören. Anfangen

Form bedeutet die Markierung eines Anfangs und eines Endes. Dies kann überall gelten. Gerade bereitet sich die Menschheit darauf vor, Ende und Anfang zu markieren. Auf meinem inneren Kalender sehen die nächsten Tage aus wie eine Sackgasse. Am Freitag hört alles auf, was danach kommt ist unbekannt, für diese Zeit hat meine Vorstellung noch keine Bilder erfunden. Ganz anders wäre es, sähe ich, von einem gewöhnlichen Montag im Mai ausgehend, auf einen ganz gewöhnlichen kommenden Freitag, beziehungsweise Samstag eben dieser fiktiven Maiwoche. Dann wäre die Woche einfach ein Fluss, der Freitag unmarkiert, der Samstag ein Samstag wie jeder andere auch.

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Wir setzen fiktive Marken in die Zeit, um ihren Ablauf greifbar zu machen. Wir brauchen dieses Markieren, ebenso wie wir Fixpunkte brauchen, um uns zu orientieren. Trotzdem erscheint es mir absurd, eine Markierung zu feiern, wie es wohl die meisten, und auch ich, am Freitag tun werden.

Das Matte des Silvesterabends. Das Helle des Neujahrstages. Oder umgekehrt. Oder: Das Aufhören. Das Anfangen.

Einige Komponisten reden oft über die Zeit. Man hört von „Zeitfenstern“ oder „Zeitflüssen“. Oftmals bezieht sich dies auf metrisch freie Musik. Außer acht gelassen wird dabei, dass das eigentlich Interessante nicht die Zeit ist, sondern die Aussetzung der Zeit beim Hören von Musik. Wir komponieren ja nicht für die Zeit, sondern gegen sie. (Das heißt nicht: für die Geschichte.) Wenn die Zeit an sich interessant wäre, bräuchten wir keine Musik.

Mitte des Monats hatte ich die Gelegenheit, im Mousonturm in Frankfurt „For Philip Guston“ von Morton Feldman zu hören. Fast fünf Stunden dauerte die Aufführung, am Ende wünschte ich nur noch, dass es aufhören würde. Doch gerade in den ersten Stunden, in denen ich mich noch voll und ganz konzentrieren konnte, machten oben beschriebenes erstaunlich deutlich: Musik hat die Fähigkeit und Qualität, das Zeitempfinden zu manipulieren – und das, ohne das der Hörer in Trance fallen muss. Nüchtern-klares Zuhören genügt dazu völlig.

Vielleicht komponieren wir aber auch, um Markierungen in die Zeit zu setzen, das Unerträgliche und Unfassbare am unaufhörlichen Fortschreiten der Zeit zu bändigen. So, wie wir den Tagen Namen geben.
Füllen wir also die Tage mit Sinn. Auf, 2011.

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