Maltes monströse Mahler-Monographie

Ein später Weihnachtsgeschenkevorschlag

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Ich neige sonst eigentlich nicht zu Alliterationen. Die Überschrift beweist Gegenteiliges. Ebenso neige ich eher nicht dazu, mich für Musikerbiographien zu begeistern. Die gegenteilige Erfahrung machte ich jetzt, als ich in meinem Sonnenurlaub an karibischen Stränden Jens Malte Fischers Buch „Gustav Mahler. Der fremde Vertraute“ las. (Noch immer finden sich Sandkörner zwischen einzelnen Seiten. Und die Alliteration ist insofern okay, als dass Mahler ein unverbesserlicher Wagnerianer war.)

Ein hervorragendes Buch, das ich jedem Musikinteressierten empfehlen möchte. (Ich denke, es ist angebracht, zu erwähnen, dass ich den Autor nicht persönlich kenne. Auch finanziell habe ich durch diesen nachdrücklichen Kaufbefehl hier keine Vorteile.)

Natürlich ist dieses 2003 erschienene Buch (seit Frühjahr 2010 auch in der Paperback-Ausgabe erhältlich) nie ein Geheimtipp gewesen. Jeder kennt es. Mehr oder weniger. Ich kannte es natürlich auch, will heißen: ich wusste von seiner Existenz. Aber gelesen habe ich es erst jetzt.

Buch-Empfehlung: Jens Malte Fischer - Gustav Mahler. Der fremde Vertraute

Buch-Empfehlung: Jens Malte Fischer - Gustav Mahler. Der fremde Vertraute

Ich kann Jens Malte Fischer für sein Buch nur bewundern. Es ist fast 1000 Seiten stark und wird nie langweilig. Es ist äußerst bildungsgesättigt, aber niemals aufdringlich bildungshuberisch. Es geht dem Privatleben Mahlers detailreich auf den Grund, wird aber nie voyeuristisch oder zotig (dort, wo der Autor – mit sympathischem Widerwillen – z. B. Vermutungen über Mahlers Liebesaffären anstellen muss, gibt er das deutlich zu erkennen). Es ist sehr genau (z. B. in dem hervorragenden Kapitel „Judentum und Identität“) und liest sich dennoch nie so anstrengend wie ein Buch eines der zahlreichen Musikwissenschaftsschnarchnasen dieser Erde.

Der Aufbau des Ganzen ist einfach: die Kapitel-Grundstruktur bilden die Schaffensorte und Sinfonien Mahlers, umrankt von Exkursen, die z. B. wichtigen Personen in Mahlers Leben gewidmet sind.

Virtuos schafft es Fischer, den Leser nach den Exkursen wieder in den Biorhythmus der Grundstruktur einzustimmen („einzusummen“ möchte ich fast schreiben…). Das Gefühl eines großen Zusammenhangs bleibt immer erhalten. Herrlich, dass Fischer (Jahrgang 1943) dabei nie altväterisch wirkt – was durchaus hätte passieren können (bei so einem gebildeten älteren Herren). Auch drückt er nie einfach auf den Anekdoten-Buzzer, wenn ihm mal nichts einfällt. Aus Briefen und Erinnerungen wird wirklich nur dann zitiert, wenn es sich lohnt, wenn das Zitierte echte Antworten parat hält, wenn es etwas zur Sprache bringt, was wirklich nur dieses Zitat kann!

Eine ganz kleine Kritik: Fischer verweist immer mal wieder auf das Äußere Mahlers (allein die Seiten 11-23 sind – wunderschön – der Physiognomie Mahlers gewidmet; schon das hat mir viel Freude gemacht) und auf die existierenden Fotos, die auch im Buch enthalten sind. Leider muss man dann jedes Mal selbst in diesem dicken Buch nach dem entsprechenden Bild suchen. Ein Seitenzahlen-Hinweis an Ort und Stelle wäre eine prima Sache gewesen.

Frohe Weihnachtslektüre!

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

Eine Antwort

  1. eggy sagt:

    Ja, der Jens Malte ist der Guten einer – ich habe auch schon einige tolle Vorträge von ihm gehört, die sind immer spannend und durchdacht. Und er interessiert sich für erfreulich unterschiedliche Sachen!
    Moritz Eggert