Sounding D – Verdammt zum Erfolg (ein Gastartikel von Johannes Hildebrandt)
Vor einigen Tagen erschien in den Verbandsinformationen des DKV (Deutscher Komponistenverband) ein wie ich finde bemerkenswerter Artikel von Johannes Hildebrandt zum Thema „Sounding D“. Johannes muss ich hier nicht groß vorstellen – er ist ein sowohl in der politischen Arbeit bei der GEMA und beim DKV engagierter Komponist und einer der Organisatoren und Begründer eines der wichtigsten ostdeutschen Neue-Musik-Festivals, der Weimarer Frühjahrstage. Auch bei uns im Blog hat er sich immer wieder mal zu Wort gemeldet.
Ich fände es schon nicht unwichtig, eine aufarbeitende Diskussion über Aktivitäten wie „Netzwerk Neue Musik“ oder „Sounding D“ zu führen, denn immer wieder wird ja der Vorwurf laut, dass diese Initiativen – so gut gemeint sie sicher sind – auch problematisch sind, dass sie eine „Event“-Kultur, die jeweils einmalig mit viel Werbeaufwand betrieben wird, zum Nachteil einer kontinuierlichen Förderung von zeitgenössischer Musik befördern. Auch hier im Blog sind die Meinungen gespalten – Theo Geißler hat zum Beispiel die Sounding D – Initiative mit seinem Kamerateam begleitet und wurde von einer anfänglich sicherlich auch nicht unkritischen Haltung zu einem immer begeisterteren Anhänger der Sache. Das muss man auf jeden Fall respektieren, auch, dass es im Rahmen von Sounding D zu spannenden und musikalisch überzeugenden Projekten kam, über die man sich künstlerisch freuen kann.
Nichtsdestotrotz ist es unsere Aufgabe, auch kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die Zeilen von Johannes sind deswegen bemerkenswert, da er sehr wohl Mitwirkender des Projektes war und die Sache quasi von innen erlebt hat. Tatsache ist, dass wir wahrscheinlich so etwas wie „Sounding D“ nicht so schnell wieder erleben werden. Sicherlich ist Musikvermittlung ein brennendes Thema unserer Kunst, aber in der letzten Zeit hat man den Eindruck, dass wir Komponisten diese Verantwortung komplett an die Macher von sicherlich sehr gut gemeinten „Vermittlungsprojekten“ abgegeben haben, die nur in den seltensten Fällen selber Komponisten sind (was auch rein organisatorisch gar nicht klappen würde). Sollte Musik nicht auch ihre eigene Vermittlung bewältigen? Oder erzeugen? Oder sollten wir vielleicht verstärkt wieder an den Bedingungen mitarbeiten, unter denen unsere Musik präsentiert wird? Ich persönlich finde ja solche Projekte wie das auch von Johannes zitierte Stuttgarter „Zukunftsmusik“ durchaus positiv, andererseits würde ich mir wünschen, dass eine solche Art der Vermittlung von den Werken selber gefordert wird, nicht als sicherlich gute Idee „in Auftrag“ gegeben wird.
Das könnte auf jeden Fall eine interessante Diskussion sein, und die hier am Blog Beteiligten und Verantwortlichen sind auf jeden Fall um Ihre Meinung gebeten!
Hier aber jetzt der Artikel, damit ihn auch Leute außerhalb des DKV lesen können (Danke an Johannes für die Erlaubnis und die Bilder)…
Moritz Eggert
sounding D – verdammt zum Erfolg
von Johannes K. Hildebrandt
In Ausgabe Nr. 75 der Informationen aus dem Jahr 2008 hatte ich einen Artikel zum damals neuen Förderprojekt Netzwerk Neue Musik des Bundeskulturstiftung geschrieben. Nun, zwei Jahre später, ist Halbzeit und das Projekt fand mit „sounding D“ seinen vorläufigen Höhepunkt; – Grund genug, wieder einen Blick darauf zu werfen.
Im Jahr 2008 wurden 15 Projekte in Deutschland ausgewählt, die bis zum Jahr 2012 mit 12 Millionen Euro gefördert werden. In Augsburg, Berlin, Dresden, Essen, Freiburg, Hannover, Hamburg, Kiel, Köln, Moers, Oldenburg, Passau, Mainz, Saarbrücken und Stuttgart schlossen sich die unterschiedlichsten Partner zu regionalen Netzwerken zusammen. Über private und öffentliche Förderer wurden zusätzlich noch einmal 10 Millionen Euro an Kofinanzierungen eingeworben. Dass die ausgewählten Netzwerkprojekte sehr ungleichmäßig über das Land verteilt sind, dem wird heute von kaum jemandem mehr widersprochen. Die Mitte und fast der gesamte Osten Deutschlands gingen leider leer aus.
Sofern nicht schon vorhanden, wurden zunächst Strukturen in Form von Geschäftsstellen und Mitarbeitern geschaffen. Mit massiven Werbekampagnen, Werbeagenturen und Druckerzeugnissen in riesigem Ausmaß werden die Projekte beworben. So liegt regelmäßig in der nmz eine großformatige Beilage, die auch darüber hinaus weit verbreitet wird.
Mir scheint es, dass schon früh der Blick auf das Ende des Projektes gerichtet wurde. Schließlich genießen die einzelnen Netzwerke eine ungewohnte Finanzierungssicherheit und vor allem sind es die Personalstellen, deren Zukunft nach 2012 ungewiss ist. Man hat also etwas zu verlieren und sucht Anschlussfinanzierungen. Dazu brauchte es ein spektakuläres und werbewirksames Superevent, von dessen Erfolg die Zukunft vieler abhängt. Sounding D hieß das Projekt und es stand von vorn herein fest – es muss und wird ein Erfolg sein.
Sounding D sollte ein klingendes Bild der Neuen Musik in Deutschland werden. Zweieinhalb Wochen fuhr ein klangdesignter Sonderzug mehr als 3000 Kilometer durch Deutschland und stellte die Verbindung zwischen den 15 Netzwerkorten dar. Jeden Tag machte der Zug Station an einem Bahnhof der 15 Orte. Unterwegs wurden „Klänge gesammelt“, gebündelt und verarbeitet und konnten über die Soundmap im Zug abgerufen werden. Mit vielschichtigen Veranstaltungen wie Freiluft- und Wandelaufführungen, Installationen, Performances sowie Konzerten, von denen die meisten in und bei den Bahnhöfen, bzw. auf Straßen, Plätzen, Feld, Wald, Flüssen und Wiesen der beteiligten Städte stattfanden, wurde versucht die Menschen mit neuen, ungewohnten, aber auch vertrauten, nur selten bewusst wahrgenommenen Klängen und Geräuschen zu überraschen und aufmerksam zu machen.
So weit so gut, aber: Das „Publikum“ setzte sich wohl vor allem aus zufällig vorbeikommenden Passanten und Reisenden zusammen und bei so mancher Veranstaltung war nur schwer zu unterscheiden, wer Akteur und wer bewusster Zuhörer war. Aber das Event zählt und ein Spektakel war es allemal, dem die mediale Aufmerksamkeit gewiss sein konnte und es gar in die Nachrichten der ARD zur besten Sendezeit schaffte.
Die Reiserute des Zuges war als Spirale angelegt und fand mit dem Festival „mittenDrin“ in Eisenach – der Mitte Deutschlands – sein dreitägiges Ende. Eisenach liegt in Thüringen, einem der Bundesländer, das nicht in das Projekt Netzwerk Neue Musik integriert ist, obwohl es ein Kernland der Deutschen Kultur ist und selber über eine vielschichtige und qualitativ hochwertige Neue-Musik-Szene verfügt. Beworben hatte man sich damals, aber eben leider vergebens. Die Erinnerung daran war nicht vergessen und so konnte man Stimmen vernehmen, die zum Boykott der Eisenacher Schlussveranstaltung aufriefen.
Irgendwie war man aber doch bemüht, Thüringen in sounding D zu integrieren und so war es der hervorragende Weimarer Professor Robin Minard, den man für das Klangdesign des Zuges gewinnen konnte. Und auch das Team um ihn herum setzte sich überwiegend aus Klangkünstlern des Freistaates zusammen.
Anfang 2010 lud das Netzwerk Neue Musik nach Berlin ein und erklärte das geplante Projekt. Man war auf der Suche nach Partnern und Kontakten in Thüringen. Schließlich wurde mir sogar eröffnet, dass ein Projekt aus Thüringen integriert werden sollte. ART!stik-LABOR – eine Artistik-Performance zu zeitgenössischer Musik mit dem Weimarer Ensemble Marges und verschiedenen jungen Komponisten aus Thüringen, Sachsen und Bayern wurde eingeladen. Als das in Thüringen heraus kam, wurde mir mal die Frage gestellt, ob ich mich jetzt vom Netzwerk kaufen lassen würde.
Im April 2010 fand eine Präsentation von sounding D im Bundesrat statt. Leider hat eine „Öffentlichkeit“ davon wenig mitbekommen können, denn wer nicht eingeladen war und sich nicht angemeldet hatte, kam gar nicht rein. Begrüßt wurden die wenigen Teilnehmer der Veranstaltung im Foyer mit einer kurzen Ansprache einer stellvertretenden Vizepräsidentin des Bundesrates, die danach nicht mehr gesehen wurde. Ansonsten waren keine Politiker auszumachen. Der in sich geschlossene und bekannte Personenkreis des Netzwerks Neue Musik feierte sich vielmehr selbst an einem renommierten, hermetisch abgeriegelten Ort. Man wollte wohl unter sich bleiben. Höhepunkt war dann die Pressekonferenz im Bundesrat, auf der die Frage nach den Kosten gestellt wurde. 1,4 Millionen (1400000) Euro hat sounding D gekostet.
Die Macher des Projektes scheinen zunehmend den Kontakt zur Basis der Neuen Musik und vor allem den Respekt vor ihr verloren zu haben. 1,4 Millionen Euro werden in ein zweieinhalb Wochen dauerndes Event gesteckt, während anderswo Projekte massenhaft wegsterben, weil ein paar hundert Euro fehlen. Das ist nicht mehr vermittelbar. Mit sounding D wurde Deutschland erklärt, was Neue Musik zu sein hat. Dass Deutschland dabei eine weltweit einzigartige Infrastruktur zeitgenössischer Musik hat, die mehr und mehr zerbricht, scheint nicht beachtet zu werden. Die künstlerische Kompetenz der Programmverantwortlichen gab Rätsel auf; – im Abschlusskonzert in der Bachstadt Eisenach erklang die Uraufführung eines Kompositionsauftrags des Ensembles Modern an den Briten Mason aus dem Jahr 2006, in dem dieser Zitate aus 3 Mozart-Konzerten aneinander reiht und die Komposition „Eisenach“ nennt??
Sounding D war grundsätzlich eine tolle Idee. Der Einfall, mit einem Zug durch Deutschland zu fahren und auf Neue Musik aufmerksam zu machen, verdient Respekt. Sounding D wäre vielleicht eine gute Idee gewesen, wenn die im Lande dringend benötigten Fördergelder reichlich vorhanden,
und eben jene 1,4 Millionen in der Portokasse sich geradezu aufgedrängt hätten für die Erfindung eines „Luxus-Projekts“ der Neuen Musik. Cool durchgestylt von Agenturen wurde es vermarktet und als grandioser Erfolg präsentiert. Die mediale Begleitung des Zuges war bemerkenswert. Die nmz berichtete permanent und bei Facebook hatte sounding D am 12. September (dem letzten Veranstaltungstag) gerade mal 148 (!) Fans. Mehr denn je muss hier die Nachhaltigkeit hinterfragt werden. Zwar erstreckte sich das Projekte auf mehr als zwei Wochen, aber letztlich war es immer nur ein Tag (an manchen Orten nur Stunden), an dem Zug und Aktionen die Städte erreichten und Menschen eher zufällig und kurz damit konfrontiert wurden. Der Zug sounding D ist durch Deutschland gerast. Was wird bleiben und rechtfertigt das den Einsatz von 1,4 Millionen Euro?
Wenn es stimmt, dass Sounding D 20000 und „mittenDrin“ in Eisenach 3000 Besucher hatte (anscheinend leide ich unter einer Wahrnehmungsstörung, bzw. habe die wesentlichen Veranstaltungen in Eisenach verpasst), kann man dem Projekt gratulieren. Interessant wäre zu erfahren, ob bei den 20000 auch die gezählt wurden, die eher zufällig auf Straßen und Plätzen an den mehr als 150 Konzerten und musikalischen Aktionen partizipierten. Sicher haben einige Aktionen und Klangwanderungen den Beteiligten vor Ort Spaß gemacht. Es stellt sich nur die Frage, ob ein Straßenpassant, dem unvermittelt jemand mit Klangschuhen oder anderen sonderbaren Geräten und Klängen über den Weg läuft, hinterher eine bessere Meinung über die Neue Musik hat; überhaupt weiß, was das soll und in ein Konzert geht? Ob es dauerhaft von Vorteil ist, den Eindruck durch dieses und ähnliche Eventprojekte zu vermitteln, dass Komponieren und Neue Musik spielen ganz einfach ist und keiner besonderen Ausbildung bedarf, ist zu bezweifeln. Das Abschlusskonzert mit dem Ensemble Modern wurde leider vom Eisenacher Publikum gemieden und wieder einmal war man unter sich.
Und der Trend setzt sich fort. Neulich war folgender Aufruf eines bekannten Stuttgarter Veranstalters im Internet zu finden.
„Das Festival Zukunftsmusik entführt im Oktober 2010 sein Publikum in neue musikalische Welten. Ein Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und Gesellschaft – voller Überraschungen und Rätsel, voller Abenteuer und Spielwitz! Für das Eröffnungskonzert am 1. Oktober in Ostfildern suchen wir dringend noch Mitwirkende! Werden SIE ein Teil des Eröffnungskonzerts am 1. Oktober in Ostfildern. Der italienische Komponist Paolo Perezzani hat dafür ein Werk komponiert, welches in diesem Rahmen uraufgeführt und live vom Deutschlandradio Kultur übertragen wird. Sie müssen nicht singen und Noten lesen können. Die simple Zeichenpartitur ist leicht zu verstehen. Mitglieder verschiedener Chöre sowie musikalische Laien aus Ostfildern sind bereits dabei. Wenn Sie Spaß daran haben Neues auszuprobieren, mit Klängen und Geräuschen zu experimentieren, zögern Sie nicht, Kontakt zu uns aufzunehmen.“
Wer mit beteiligten Komponisten und Künstlern der regionalen Netzwerke spricht, hört zunehmend kritische Töne und die heimliche Sehnsucht nach dem Ende des Netzwerks Neue Musik. Da wird über schwere Verhandlungen, wenn es um künstlerische Entscheidungen und Honorare geht, aber Verschwendung bei Marketing und Publikationen berichtet. Und man hört vom Wunsch, wieder mal künstlerisch tätig zu sein und ein richtiges Konzert zu geben. Ich würde mir wünschen, dass diese Stimmen lauter und offener werden. Aber wer beißt schon in die Hand, die einen nährt? Und ich würde mir Politiker wünschen, die mal genauer hinschauen, was da so in Deutschland und mit der Neuen Musik geschieht. Aber die Veranstaltung im Bundesrat hat wieder einmal eins deutlich gemacht – wenn die Förderung einmal läuft, interessiert es dort niemanden mehr.
Komponist
Nun. In vielem kann man zustimmen, was hier vorgebracht wird. In der Tat, zu Beginn des ganzen Projektes war all dem nicht gewogen. Aber aus anderen Gründen. Weil ich eine künstliche Beatmung der Szene für falsch halte.
Bei meinen Recherchen selbst konnte ich aber auch einige sehr positive Entwicklungen ausmachen. Doch dazu muss man vor Ort gehen und vor Ort fragen. Die Situationen in Berlin und Augsburg sind denkbar unterschiedlich. Und die Ergebnisse sind es dann teilweise auch. Und so muss man gerechterweise dies mit betrachten.
Ausführen will ich das nicht groß, das Material habe ich aber gesammelt an wenigen Stellen, nicht dokumentierte Gespräche hinzu.
Ich hatte bei den Machern in Köln, Augsburg und auch Berlin stets eine souveräne Auseinandersetzung wahrnehmen können, die auch nicht beschönigend wirkte.
Dass der Zug Deutschland umkrempeln wird, das musste man nicht erwarten. Und ich habe auch vor allem ein paar sehr schöne musikalische Stunden verbracht und genug Stoff zum Denken. (Das als persönliche Anmerkung.)
Ansonsten ein Blick in das Sounding D-Blog (nicht finanziert von der Kulturstiftung des Bundes. Und leider hatten wir auch nicht so arg viele Fans. (Außer in Oldenburg!)
Die Tatsache der „künstlichen Beatmung“ (Martin Hufner) ist wohl der Hauptgrund, dass das Millionenprojekt mehr nach Intensivstation als nach lebendiger Musikszene aussah.
„Sounding D“ scheint mir ein typisches Beispiel von Subventions-, genauer: Staatskultur zu sein. Irgendie soundet es nach DDR, wie so vieles heute in D. Nur hießen solche Kampagnen damals nicht „Sounding DDR“, denn Englisch war die Sprache des Klassenfeinds, sondern „Künstler gehen in die Betriebe“ oder gleich „Bitterfelder Weg“. Mit Ulbricht- bzw. Honeckerbild im Hintergrund.
Den Ablauf darf man sich wohl ungefähr so vorstellen: Einige Neue-Musik-Lobbyisten, die wissen, wo man andocken muss, luchsen irgendwelchen Politikern, die mit ihrer Partei auch bei qualifizierten Randgruppen „Präsenz zeigen“ wollen, das Versprechen einer Gießkannen-Subvention ab, dann wird ein Geldverteilungs-Netzwerk erstellt und das Verhängnis kann seinen Lauf nehmen. Ein Pflichtbesuch mit Fototermin bei einer Bundesrats-Grüßtante (mit Wulff-Bild im Hintergrund) dient, zusammen mit einer Schlussabrechnung und einer Pressemappe, der bezuschussenden Ministerialbürokratie als Aktenbeleg, womit der Vorgang rechnungshofkompatibel abgeschlossen werden kann, und nach außen dient der Grüßtermin als Beleg für staatsoffizielle „Bedeutung“ und damit als Nachweis der Presserelevanz. Dann geht der warme Geldregen auf die üblichen Verdächtigen nieder, die die Projekte, die sie eh schon geplant haben oder bisher nicht machen konnten, weil die Mittel fehlten, damit auf den Weg bringen. Eine eigens angestellte Gruppe von Projektmitarbeitern sorgt dafür, dass alles schön dokumentiert und in die Medienkanäle eingespeist wird.
So etwas kennt man vor allem aus der Landwirtschaft, wenn die Bauernlobby wieder mal für irgendeine Sonderaktion zum vorbeugenden Schutz naturbelassener Feldwege (Verwaltungskürzel: SVSNF) oder zur technischen Aufrüstung der hofinternen Futtermittel-Zufuhrssysteme (Verwaltungskürzel: TAHFZ) in Land oder Bund einige Milliönchen locker macht. Hauptsache, der Etatposten im Ministerium ist bis Ende Jahr ausgeschöpft, damit im Folgejahr wieder gleich viel zur Verfügung steht. Und schon wieder ist eine potenzielle Wählerklientel damit ruhig gestellt. Zum abschluss des „Projekts“ zeigt dann das Fernsehen noch ein Bild mit einer glücklichen Kuh oder einem glücklichen Traktor.
Das nennt sich dann „blühende (Musik-)Landschaften“.
Ich bestreite ja nicht, dass unter den zahllosen Geldempfängern einige sein dürften, die mit den Mitteln durchaus nachhaltig umgegangen sind. Möglicherweise ist das Ba-Wü-Netzwerk „Zukunftsmusik“ so ein Projekt – die Zukunft wird’s zeigen. (Hoffentlich kommt man dann auch vom Stuttgarter Bahnhof mit der Schwäbischen Eisenbahn noch bis in die Provinz.)
Aber was ich so gehört und gesehen habe (ich muss gestehen: nur aus den Medien – doch vielleicht war das der Hauptresonanzraum…), scheint das Ganze doch eher einer Kurz-Therapie für eine ohnehin fußlahme Musikbranche geglichen zu haben als einem nützlichen Energiestoß für eine Szene, die sich aus eigener Dynamik fortbewegen kann.
Wenn trotz dieses Geldsegens von wegbleibendem Publikum die Rede ist, dann ist das ein Alarmzeichen. Es wäre interessant zu erfahren, ob die Publikumszahlen in den offiziellen Abschlussberichten zu Händen der staatlichen Stellen der Wahrheit entsprechen oder geschönt sind.
Als weithin sichtbarer Beweis für die Wirkung der Aktion bleibt vor allem der gewaltige Ausstoß an Papieren und Internetseiten im Gedächtnis. Mein Papierkorb ist in diesen Monaten gewaltig angeschwollen. So haben neben den Veranstaltern und Musikern (und vielleicht einigen Komponisten) wenigstens auch ein Papierfabrikant, eine Großdruckerei, ein paar Redaktionen und einige darbende Projektmitarbeiter und freie Journalisten von den Kamellen profitieren können, die da vom Staatswagen herunter unters Volk geworfen wurden. Es waren dann ja auch einige Alaaf-Rufe zu hören, und die kleinen Filmberichte auf NMZ Media haben gezeigt: Außer Spesen ist nicht nichts, sondern zumindest ein bisschen Spaß gewesen.
Immerhin das. Die Netzwerk-Operatoren dürfen also getrost zu den Akten geben: Mit den 1,4 Millionen (oder wieviel auch immer) wurden keine Potemkinschen Dörfer gebaut.
1.) Stellenmaschine Netzwerk Neue Musik: Wie in den letzten zwei Jahrzehnten zu beobachten, dient dieses Netzwerk wie viele Initiativen als Arbeitsplatzerhaltungsmassnahme für Bedienstete der Fachrichtung „Kulturmanagement“. An sich kann solch ein Management durchaus seine guten Seiten haben, wenn tatsächlich dem Kunstschaffenden Verwaltungsaufgaben und Mittelakquise abgenommen wird. Andererseits erzeugt diese Maschinerie eine neue Parallelkultur an Relevanznachweisen. Bislang waren es meist Urteile von geldverteilenden Juries oder Giesskannensystemen als Inputnachweis, Kritiken dienten als Outputnachweis. Jetzt sind Besucherzahlen zu belegen, Vorankündigungsbreite, Werbematerialien. Wenn es an den klassischen Mitteln mangelt, wird die Relevanz mit den Neuen belegt, überwiegt ggf. deren Bedeutung, da sie sich so unglaublich innovativ anhören. Daran sind nicht einmal nur die Geldnehmer schuld, die Publikumsrelevanz einfach aufgrund der Spezialität ihres Projekts nur schwierig erreichen können. Das sind die Geldgeber mit all ihren Antrags- und Abrechnungsformularen, wo künstlerische, statistische und finanzverwaltungstechnische Details vermengt abgefragt werden, man sich darüber in die Kunstfreiheit übermässig einmischt.
2.) Das Netzwerk Neue Musik erinnert an den unseligen Begriff von „Leuchtturmprojekten“ aus der Schröder-Ära. Anscheinend ist dies der einzige Weg für den Bund, in kulturellen Dingen sich über den Föderalismus hinwegzusetzen. Statt dessen Versäumnisse zu heilen, wird dessen unterschiedliche regionale Gewichtung von Projekten Neuer Musik verstärkt. Eigentlich sollte der Bund zuvörderst nur in den Föderalismus eingreifen, um gleichartige Ausgangsbedingungen in allen schwachen und starken Regionen Deutschlands zu unterstützen. Dazu kommt, wie o.g. der Verwaltungswahnsinn des Bundes, der oft komplizierter und eingreifender ist, als es kommunale oder bundeslandseigene Kulturförderung sich herausnimmt.
3.) Tragisch an Sounding-D, so wie es hier auch in München via Medien zu erleben war, ist, wie pseudo-brav Neue Musik z.T. dargestellt worden ist. Das erinnert an so manche Good-Feel-Werbung, die Musikschulen mit fröhlichen Kindergesichtern vornehmen: Musik macht happy, Üben ist ganz leicht, Hören erst recht. Das lässt doch gerade die Kompetenz zu Disziplin komplett aussen vor, die Musik und Kunst besonders fördern kann. Erst durch harte Arbeit, die dennoch erstaunlich Spass machen kann, gerade „im Team“ eines Ensembles oder mit einem Dozenten, ist das wunderschöne Ergebnis „Musik“ erlebbar, werden die „Softskills“ geschult, erweitert. Genauso ist es mit der Neuen Musik: gerade wenn sie erstmal hermetisch erscheint, ist der zu hebende Schatz darin um so spannender. Wenn mit harmlosen Darbietungen „die Angst“ genommen werden soll, erweist man sich eigentlich einen Bärendienst. Entertainment wird Neue Musik trotz solch gearteter Einordnung in Internetportalen niemals sein, selbst wenn sie unglaublich unterhaltend sein mag und auch mal sein soll. Man wird als Neuling trotzdem ein gewisses Mass an Eigenleistung und Verständnisbereitschaft einsetzen müssen, um Zugang zu ihr zu finden. Das gilt eigentlich für jede Art von Musik, die ernstgenommen werden will. Ja, Hürden dazu sollten natürlich leicht genommen werden können, zumal als reiner Hörer. Unter Wert muss sie sich deshalb aber nicht verkaufen und lustig durch Strassen hüpfen oder in Booten gerudert werden. Wenn sich dadurch natürlich die Wahrnehmung der Natur, der Stadt ändern lassen, dann sei’s drum. Hier erschien es irgendwie als Selbstzweck. Ich sah diese Kagelaufführung, die Stockhausenperformance in Stuttgart. Bei ersterem hätte es auch ein härteres Stück auf einen Grossstadtplatz sein können, eine Ferneyhough-Kantate im Kerzenschein im Park wäre auch nicht abschreckender gewesen. Besteht also die Gefahr, bei all den indirekten Eingriffen der Verwaltung in die Kunst, dass sich Neue Musik nur noch niedlich zeigen darf, wie eine barocke höfisch kontrollierte Kunst für die Galerie eines Theaters?
4.) Man gewinnt den Eindruck, dass es 2012 dann vorbei sein soll. Würde es tatsächlich so weitergehen, wie befürchtet, sich der Wettbewerb um die Bundesmittel als kunstverflachend erweisen, dann sollte man Sounding D und das gesamte Netzwerk nett finden, sich über den kleinen Bundesratsempfang freuen und darauf hoffen, dass der Spuk damit vorbei sei. Aber dies wäre falsch! Die Mittel sollten verdoppelt werden, die Beglückten auch, vielleicht ein einfacheres, kunstneutraleres Antrags- und Abrechnungswesen. Die lokalen Partner sollten sich noch stärker koordinieren und selbstbewusster gegenüber dem Netzwerk auftreten können. Vielleicht tatsächlich eine Art „Bundeslandquote“, grössere regionale Zusammenschlüsse, so dass z.B. ganz Schwaben und Niederbayern und nicht nur Augsburg und Passau an die Mittel gelangen. Zudem die provokante Frage, ob Berlin, Stuttgart, Teile NRW’s nicht mit weniger Mitteln auskommen könnten, da dort schon viele Initiativen tätig sind, selbst vernetzt sind. Vielleicht genügt die Bundesförderung auch in noch geringeren Umfang, als kleine Auszeichnung, die dann grössere oder mehrere Geldgeber als bisher besonders einlädt, so ähnlich vielleicht wie beim Fonds Darstellender Künste. Vielleicht hätte man sich von diesem etwas angestaubten, aber doch einigermassen funktionstüchtigen Modell einiges abschauen können, als das Rad wieder neu zu erfinden. Doch halt! Erfindet die Neue Musik sich nicht immer selbst neu? Vielleicht halten die Funktionäre und Kulturmanager das Netzwerk Neue Musik weniger für ein Fördermodell als ihre eigene Kunst? Wer weiss…
Gruss,
Alexander Strauch
Neid-Debatte
Unterschwellig war sie hier – im BadBlock – schon immer wieder durchzuspüren. Kaum gab es Staats- GEMA- oder sonstige Knete, die nicht an die selbstvermeintlich Berechtigten ausgehändigt wurde, schäumten die angeblich so freien, unabhängigen Komponisten-Mäuler – und die „Schatzmeister“ der entsprechenden Interessenvereinigungen. Schrieben Jammer- Briefe an Kulturstaats- oder sonstige –Minister. Statt sich auf ihre Kreativität zu verlassen, statt die Unabhängigkeit ihres künstlerischen Schaffens selbstbewusst zu leben und vor Ort oder international zu präsentieren hängen sie längst an den Schwarzmilch-Zitzen unserer magermilch-euternden Kapitalismus-Kuh.. Ob GEMA, GVL, Bundes-Kulturstiftung: Wer als Musikschaffender daran denkt, davon leben zu können, was Institutionen dieser Art abwerfen, der sollte Kompositionsschüler von Lothar Voigtländer werden, (einer der verbandlich bestens gespeisten, inhaltlich völlig kenntnislosen und mit Stasi-ähnlichen Mitteln gegen das Projekt geifernden) Sounding D-Kritikern. Ich möchte den Protest, gern auch ästhetisch – des Voigtländer-„Schülers“ Hildebrandt gegen die Versenkung von 50 Milliarden Euro durch sächsisch-thüringische Landesbanken .gern mal hören, bevor ich seine im Geiste rein quantitativ breit gestreuten „Doku-Fotos“ bald auch mal kommentiere,
Vorsicht: Hier kommt eine völlig unangemessene Klein-Neid-Debatte auf, die mit Musik-Zukunft allenfalls am Rande zu tun hat.
Bekannt ist, dass eine Gruppe aus Deutschem Musikrat, Deutscher Komponistenverband und Rest-Siemens-Art sich um eine jährliche Fördermillion des BKM bemüht. Eine Art Musik-Fonds für Neue Musik. Sie an diese in vieler Hinsicht völlig inkompetente, von kleinkariertem Eigennutz fern jeder Vision zusammengebankte Konfiguration auszugeben, löst in mir als sehr musikverliebtem Steuerzahler spontanen Brechreiz aus.
Theo Geißler
[Kommentar editiert wegen Verstoß gegen Nutzungsregeln, peh]
@Max Nyffeler: Fein, dass Du mal wieder in Deinem [*]Sessellift-Sitz [*] bist – mit Blick auf die Alm… [*]
meint: Theo
Nur mal als kurzen, vielleicht zu punktuellen, aber dafür plastischen Eindruck. Ich habe am 26.08. das Eröffnungskonzert der Sounding D-Reihe im Hauptbahnhof Berlin gehört.
Programmiert war „Nouvelles Aventures“ von Ligeti, ein absolutes Verlegenheitsstück, dass immer dann aus der Kiste geholt wird, wenn man nichts falsch machen möchte (oder keine Ahnung hat) – musikalischer Kartoffelsalat sozusagen. Obwohl mir das schon vorher schwante, war ich neugierig zu sehen wie so ein Stück in den öffentlichen Raum eingebunden wird, welche Synergien entstehen könnten und wie das Ganze wirkt.
Um ein sadistisches sich-an-allen-Einzelheiten-Weiden zu umgehen kurz zusammengefasst: Ich war mir mit meiner Neue Musik erfahrenen Begleiterin absolut einig, dass das was eine Vermittlung Neuer Musik sein sollte im Gegenteil Negativ-Werbung war. Die übelsten Vorurteile einer bedeutungslosen, langweiligen und peinlichen l’art-pour-l’art mussten bestätigt, ja sogar unterboten werden. Ein Mann mit zwei Hüten, der bedeutungsvoll umherläuft, dann einfriert und mit großen Augen „Ki!“ oder ähnlich Wachrüttelndes ruft. So als hätte es nie Hurz gegeben. Vergleichbar vielleicht mit dem „Taubenfilm“ aus „Praxis Dr. Hasenbein“ von Helge Schneider, aber da gab es wenigstens eine selbstreflexive Ebene. Das Ensemble wie eine Wagenburg eingefriedet in zwei extra dorthin transportierte Flügel, Beschallungsanlage, Scheinwerfer, ca. 50 Neue-Musik assoziierte Besucher und ganz am Rand einige DB-Reisende die sich mit ihren Koffern quetschend versuchten zu ihren Gleisen zu bewegen. Ich konnte nicht feststellen, dass sich irgendwer der zufälligen PassantenInnen es länger als 1 Minute ausgehalten hätte sich diesen spannungsarmen, einfallslosen, teuren Quatsch anzuschauen.
Das einzig Dynamische war der im Anschluss auftretende Moderator, der mit zackigen Hand und Kopf Bewegungen auf das Stück von Sidney Corbet um 22 Uhr hinwies. Über den mussten wir sehr lachen. Wenn es wenigstens unkritische, didaktische Wohlfühl-Vermittlung gewesen wäre – die Ausführenden schienen sich jedoch in eine Blase ohne Aussenwahrnehmung zu befinden, sonst hätten sie mitbekommen, dass keiner etwas mitbekommt.
@Querstand: „Kunstverflachend“ ja, aber auf höchstem Niveau! Es schien nicht um Musik, sondern nur um Vermittlung zu gehen…
…einfach mal raushören, rausdenken, rausfühlen aus der völlig überflüssigen eigenen Wagenburg – und zur Wartburg fahren, wo kein mediokrer Hildebrandt rumknipst, um Zu-Hörer oder Musik-Macher-Quantitäten zu „dokumentieren“ – ich bin rausgefahren…
…danke, peh, für die administrative Entfernung nutzerbedingungsgeregelter Emotionalien. Hat viel mit dem Zustand des Genres zu tun (…war da jetzt hoffentlich nix Unanständiges dabei – aber Max, im Sessel-Lift, hätte mich schon verstanden…)
@theo: am ende sind es immer und alles: vermittlungsprobleme. ;-) bist du denn inzwischen befördert worden?
Geisslers Beinahe-Rausschmiss
@ all: da geht es mal wieder rund, kaum dass man sich ins Kino bewegt und in einer Sneak-Preview anödet. Um wieviel spannender ging es hier zu gleicher Uhrzeit zu (21 Uhr!). Zum Worte „kunstverflachend“: Ich beziehe mich da auf Hildebrandts Befürchtungen, hoffe aber auf andere Befruchtungen, wie unter 4.) meines o.g. Kommentars zu lesen. Dort kriegen die leer Ausgegangenen ja eine zweite Chance bzw. erinnere ich mich auch an „sich besser koordinieren“. Das ist die eigene, lokale Netzwerkseite gegenüber dem allgemeinen Netzwerk, will heissen: vielleicht braucht es auf Dauer neben all den politischen und hinterzimmerischen Aktivitäten dennoch auch neue Ideen, die über Verbandserhaltungsmassnahmen hinausgehen. So kurzsichtig es vom Netzwerk sein könnte, ständig aufgebrochene Konzertformen zu erwarten, so gähnend könnte es auf Dauer sein, Konzerte im ewigen Verbandstrott zu belassen. So wichtig und überhaupt infrastrukturerhaltend die Aufrechterhaltung eines Konzertbetriebs sein mag, so wichtig ist es auch, ihn weiterzuentwickeln. Auch wenn mir der sich nicht namentlich äussernde Kommentator hier kryptisch erscheint: Aventures und die Nouvelles Aventures sind schöne Stücke, es gäbe aber auch Neueres. Allmählich sieht man das eigentliche Problem: Das Netzwerk Neue Musik verlangt progressive und wie auch immer innovative Ansätze, entwickelt als Eigen- und Koveranstalter zu Sounding-D aber eine merkwürdige Angst vor Zumutungen ans Publikum, derweil sich die lokalen Macher ggf. durch das Innovationsverlangen arg ins Handwerk gepfuscht fühlen, irgendwie aber im Trotze den ewig geichen Stiefel pflegen. Doch halt: es sind ja hier genau die lokalen Institutionen, die leer ausgingen.
Was soll’s – man verkeilt sich mal wieder zu sehr in einem gut gemeinten, manchmal wohl auch schönen, manchmal auch zu vorsichtigen Sounding-D. Wichtiger ist doch, was das Netzwerk Neue Musik jenseits aller Kritik dann doch zu Wege brachte, selbst nutzte es mir vor einem Jahr in Dresden, ganz unaufdringlich, einfach fördernd, wobei sich da weniger mehrheitlich selbstverwaltete Projekte sondern grosse Institutionen den Kuchen teilten. Vielleicht ist diese Selbstverwalterei doch gefährlicher, einschränkender als man es sich aus der vermeintlichen kleinen Freie-Szene-Sicht vorstellten mag. Besonders dann muss man sich tatsächlich immer neu rädern – das klingt zu morbid, also das eigene Rad, und sei es das Mausrad, neu erfinden. Das würde mir zu Geisslers Einspruch in Bezug auf Hildebrandt so einfallen. Vielleicht aber ist Theo Geissler aber auch sehr nahe, engagiert an Sounding-D dran, so dass da leicht sein Gemüt ins kochen gerät. Wobei mir Larmoyanz schon auch ziemlich auf den Sender geht, mag sie noch so berechtigt sein. Dagegen bin ich selbst nicht ganz gefeit, muss mich neu erfinden.
Fazit: soll Thüringen am Ball bleiben, hoffen wir auf eine zweite Ausgabe des Netzwerks, vielleicht weniger wahnsinnig in der Bürokratie. Aber wenn man an den synergetischen Effekt des Ganzen denkt, sollte man die „Kleinen“ vielleicht wirklich mehr ins Boot holen. Aber mehr und mehr gefällt mir die Idee, die Mittel des Netzwerks geringer als jetzt zu halten, als Belohnung für die administrative Entmüllung, als Anreiz, weit mehr als die Hälfte der Mittel vor Ort einzutreiben. So kann sich das Land Thüringen nicht noch mehr aus der Verantwortung ziehen, genauso die dortigen Kommunen nicht. Denn jetzt birgt das fifty-fifty-Prinzip genau den Teufel, der solche Projekte immer zum Einsturz bringt: zieht sich der eine zurück, folgt gleich der andere. Also das Netzwerk wirklich aus Auszeichnung, als Ansporn für die eigenen Partner, gleichzuziehen. Wenn man weniger mit dem Netzwerk kalkulieren muss oder es fatalerweise tut, um so mehr kann man sich dann über dieses freuen.
Klingt wohl selbstmörderisch – hätte aber doch was für sich, so amerikanisch das klingen mag, es würde aber dem Föderalismus und dem Zurückhaltungsgebot für den Bund in Kulturfragen gerechter, als die jetzige Überproportionierung sowieso schon trotz Sparzwängen relativ satt geförderter Initiativen. Aber so wie es der Neuen Musik an Ideen mangelt, ganz was Anderes zu wagen, so wie es im Mittleren Osten und in der westlichen Mitte an Geld mangelt, fehlt dort in Kunst wie öffentlicher Hand wahrer Innovationstrieb. Vielleicht hilft da die Zuspitzung. Und jetzt braust gleich der mediokre Sturm der Entrüstung los statt der lange Atem der Brillanz…
Hoppla, da bin ich offenbar ins Fettnäpfchen getreten.
Ganz zerknirscht möchte ich aber doch noch anmerken, dass ich seinerzeit die kleinen Filme auf NMZ Media ausdrücklich gelobt habe… („technisch gut gemacht“, „informativ“ etc.) Wenn man sich so das nichtoffizielle Echo anschaut, dann scheint es fast, als ob die zum Kreativsten gehörten, was das Netzwerk zustande brachte.
Aber Theo: Ich nehme an, das mit der Neiddebatte hast Du nicht auf mich gemünzt, denn Du weißt sicher, dass ich nie Ambition hatte, mich von Mutti Merkels „Schwarzmilch-Zitzen“ zu ernähren. (Deine virtuose Assoziation mit P.C. findet übrigens meine neidvolle Bewunderung!)
Nun bringst Du mich aber auf eine Idee für eine Koproduktion. Man könnte doch mal die alpinen Sessellifte in so ein Netzwerk einbeziehen, und zwar unter dem Titel „Bewegte Schallquellen im Raum“: Auf jedem Sitz ein Blasmusiker, der im Vorbeischweben was dudelt. Und unten drunter eine Aufnahmeapparatur, die das Ganze in Dolby Surround aufnimmt. Das ist schon der halbe „Prometeo“. Und Du machst einen Film davon!
Das Antragsformular füllen wir dann gemeinsam aus.
PS. Ich bin leider in München, da gibt’s keinen Sessellift, nur die Straßenbahn, rumpel/klingeling.
…machs Dir bitte – ausnahmsweise – bitte nochmals nicht so leicht… Der Fettnapf steht woanders.
@hildebrandt
ich musste sehr schmunzeln, als ich die zitierte einladung an potentielle mitwirkende zur zukunftsmusik in ostfildern gelesen habe. die müssen sich menschen ausgedacht haben, die eher peripher in der materie steckten, denn so einfach wie geschildert, war die angelegenheit tatsächlich nicht und hat von allen beteiligten enormen probenaufwand erfordert.
(nicht gelogen ist allerdings: dass man keine „noten lesen“ können muss. dafür musste man sich mit einer anderen komplexen notierungsweise auseinandersetzen, kein mitwirkender ohne „score“!)
möchte also als jemand, der an dem projekt beteiligt war, die verheerende wirkung solcher formulierungen gar nicht abstreiten, erlaube mir aber bedenken zu geben, dass herr hildebrandt nun, da er einen journalistischen text schreibt, einen fauxpas begeht, der sonst immer gern journalisten unterläuft: er beurteilt die dinge vom papier. und wenn es so gewesen wäre, wie diese ankündigung vermuten ließe, dann hätte wohl kaum dradio eine liveübertragung zugelassen.
im gegenteil glaube ich, dass paolo perezzani auf seine weise eine sehr glückliche verbindung von professionellen und laienmusikern gelungen ist – ohne den anspruch auf komplexität oder abstraktion aufzugeben. in mancher hinsicht salvatore sciarrinos „i suoni, i piedi…“ verwandt, erzeugt er eine sehr eigene klangwelt, in der die erfahrung der elektronischen musik aufgesogen ist und im kurzschluss mit archaischen stimmlauten und deren kompositorischer ausarbeitung in einem stimulierenden kunstereignis mündet. nachahmungstäter seien vor dem organisatorischen aufwand herzlich gewarnt. darauf darf man nicht neidisch sein…
@ peh: bei allem Mitleid, was man mit dem vom Netzwerk Neue Musik aussen vor gelassenen Thüringen haben kann, was man in Zukunft besser beachten könnte, falls es eine Neuauflage des Netzwerks geben sollte: warum regt sich Herr Hildebrandt eigentlich über das Zunkunftsmusik-Festival auf? Das verstehe ich nicht wirklich! Es hat mit Sounding-D als solches ja nicht unbedingt zu tun. Es ist eine Veranstaltung, wie sie allgemein vom Netzwerk und seinen Kooperatoren gefördert wird. Ohne jetzt selbst journalistisch zu werden, was ich gar nicht kann, muss ich nach ein wenig Internetsurfen zum Thema Thüringen und Sounding-D, speziell EInsenach feststellen: es war wohl der Versuch einer Wiedergutmachung der Nichtberücksichtigung Thüringens. Darüber wird sich auch pflichtbewusst bei Bildkommentaren kurz gefreut. Ansonsten frustet man fleissig vor sich hin, dass man nicht allgemein dabei ist. Sorry, aber das ist doch irgendwie Alles ziemlich verdreht. Da hätten Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandburg, Bremen, Frankenland, Hannover, Frankfurt, etc. doch auch Grund zum möhnen! Liebe via-nova-Menschen, da bekommt Ihr ein ganzes Festival vom Netzwerk, natürlich mit all dem Förderbürokratismen des Bundes!, Ja, Euer Bundesland kürzt fröhlich, was schon aufgelöst ist, Eure Kommunen sind auch schwach, ja, die Bundesmittel wären vollkommen gewesen. Wenn es Euch aber dann irgendwie doch anwidert, ein Entschuldigungsbonbon erhalten zu haben, wenn Ihr wisst, was für Probleme das Bundes-fifty-Lokal-fifty an Gefahren für Euch birgt, wenn mit Wegfall der Bundesmittel 2012 höchstwahrscheinlich Eure blinde Staats- und Kommunalregierung auch ihre Anteile eingestellt hätte, warum dann dieses Wehklagen über Sounding-D? Oder war das Festival in Eisenach zu klein, habt Ihr überhaupt nicht selbst programmieren können, für Substanz sorgen können? Innerhalb des Normal-Netzwerks wäre es vielleicht einfacher gewesen, das sei zugegeben, mit dem Festival hatte man den ganzen Netzwerk-Tross komplett im Nacken, ja, das könnte nerven. Aber warum nun soviel Enttäuschung um das Netzwerk? Seid doch froh, dass Ihr ihm entkommen seid, solange in Thüringen die Kulturpolitik nicht ein Bekenntnis zum eigenen Lande ist, die Politik sich höchstwahrscheinlich 2012 aus den neuen Projekten herauskatapultiert hätte! Da wäre doch eine Neuauflage, vielleicht mit geringeren Mitteln, die eher eine Auszeichnung darstellen und nicht soviel Eigenleistung vom Partner wie jetzt erwarten viel besser, Eure Politik konkreter auf Euch zu verpflichten.
Um wieviel mehr eigentlich sollte sich Schleswig-Holstein beklagen! Dort weht ein noch viel kürzungsfreudigerer Wind als in Thüringen, würde das Netzwerk aber genauso fatal nur kurz wirken, wenn am Ende die Landespartner abspringen, wirkt es fatal, wenn es relativ gut funktionierende Aktivitäten gegenüber schlechtergestellten so massiv übervorteilt. Oder gibt es z.B. in Dresden oder Stuttgart Verpflichtungserklärungen seitens der Vor-Ort-Geldgeber, zu einem gewissen Masse die neuen angestossenen Projekte weiterzuführen? Oder handelt es sich im Gegensatz zum Eisenacher Festival um nur geringfügig längerlebige Eintags- bzw. Vierjahresfliegen? Gibt es Prognosen?
Lieber Herr Hildebrandt, man kann eigentlich nur froh sein, wenn das jetzige Netzwerk an einem vorbeigegangen ist, wenn man in Ihrer Situation steckt. Aber warum hat sich Ihr Verband dann überhaupt auf das Eisenacher Event eingelassen, wenn man dabei so ein halbschariges Gefühl hatte? Warum lassen Sie sich eigentlich von Ihrer kulturkürzungsfreudigen Regierung dann noch Grussworte schreiben? Oder ist Alles nicht so schlimm? Ich schimpfte ja auf das Kulturmanagement, sah dann später, dass Sie auch Kulturmanager sind! Also schon mal Entschuldugung. Aber rufen Sie nun, falls Herr Geissler mit dem „Voigtländer“-Netz recht haben sollte, jetzt als Komponist oder als dezidierter Kulturmanager „wehe“? Wie ist das eigentlich in dieser Doppelrolle: ist es das selfmade-Gefühl all der Künstler, die keine Managementausbildung haben, fühlen Sie sich zuerst immer noch als betroffener Komponist oder überwiegt das Wissen um Mechanismen, die man als Manager anders denn als Künstler durchschaut? Ich finde die Idee der Selbstprofessionalisierung Ihrerseits durchaus gut, aber bleibt der Komponist und seine ureigene Berechtigung, als solcher sich über Benachteiligung aufzuregen, da nicht auf der Strecke? Ich denke, in all den schizophrenen Zuständen, den Kulturpolitik verursachen kann, haben Sie sich einen der heftigsten Feuerstühle ausgesucht! Einerseits Respekt, andererseits flüstert in mir ein kleines „wehe“. Ganz böse jetzt: es gibt ja auch hier im Blog Komponisten, die reine selfmade-Organisatoren sind und bei denen es anscheinend samt Vernetzung für ihre Projekte und Festivals auch so ganz gut läuft! Vielleicht sollte man Thüringen zwar lieben, dort leben, aber u.U. einen kompositorischen Massenexodus vollziehen, vielleicht mal rein symbolisch, wie das FZML? Wenn aber alles so verstrickt ist, man auf die Regierung schimpft, dennoch deren Grussworte heischt, das Netzwerk verflucht, es dennoch unbedingt will – ja, was will man nun? Rihms Dis-Kontur hat da zumindest mehr Kontur…
Gruss und das Beste für ein blühendes Musikland Thüringen,
die Made im Speck
Man wird wohl davon ausgehen können, dass die Initiatoren und Förderer des Netzwerks Neue Musik (NNM) die lautersten Absichten hatten. Ich möchte hier aber dennoch Johannes K. Hildebrandt meine Sympathie für seinen kritischen Artikel bekunden – und vorsichtshalber aber gleich hinzufügen, dass ich ein „Wessi“ bin und wirklich gänzlich neidfrei eingedenk sämtlicher vom NNM geförderten Kollegen. Allerdings bin ich der Meinung, dass man beim Kritisieren des NNM noch mehr auf den Grund der Sache gehen muss als es Hildebrandt in seinem „sounding D“-Text getan hat.
Ich stimme mit den NNM-Parteigängern darin überein, dass das Hauptproblem der Neuen Musik hierzulande ihre geringe gesellschaftliche Akzeptanz ist, dass sich also nur sehr wenige Leute für die experimentelle Moderne interessieren. Doch ist dieses – trotz jahrzehntelanger Förderung durch Rundfunkanstalten, staatliche Stellen, Stiftungen etc. – schon seit langem bestehende Problem meiner Ansicht nach nicht mit der mangelnden Vermittlung dieser Klangkunst zu erklären, sondern schlicht damit, dass sie den Hörbedürfnissen des großen Publikums nicht oder nicht ausreichend entspricht. John Adams hat das mal griffig auf den Punkt gebracht als er sagte: „Etwas ungeheuer Kraftvolles ging verloren als Komponisten sich von tonaler Harmonie und regelmäßigen Pulsen entfernten – unter anderem ging das Publikum verloren.“ Ich will hier nun nicht für die postminimalistische Kunst von Adams plädieren. Auch finde ich selbst viele experimentelle Musik durchaus spannend. Man darf nur eben nicht erwarten, dass hyperkomplexe, hochabstrakte und streng atonale Avantgarde die Massen begeistern könnte. Einschränkung: als akustische Untermalung bzw. Verstärkung von Filmszenen (z. B. in Thrillern, Splatter-Movies oder auch in anspruchsvollen Werken wie Kubriks „Odyssee im Weltraum“) erwies sie sich allerdings zumindest indirekt dennoch schon häufig als massenkompatibel. Am Beispiel des Films wird auch deutlich, dass Musik durchaus Sprachcharakter besitzt und als „Sprache der Seele“ allgemein verständlich sein kann.
Musik ist eben per se schon ein Kommunikationsmedium – oder vielmehr: sie sollte dies sein. Insofern ist das Projekt des NNM im Grunde eine – indirekte – Bankrotterklärung für die zeitgenössische Musik, die sich „Neue Musik“ nennt und dabei oft genug doch weder wirklich neu noch eigentlich noch Musik ist.
Fazit: der ganze Vermittlungszirkus des NNM lenkt also vom eigentlichen Problem der Neuen Musik und ihrer entsprechenden „Parallelgesellschaft“ ab. Dieses Problem ist hausgemacht und wird durch die NNM nicht mal im Ansatz gelöst. Es kann auch nur von den Komponisten selbst gelöst werden, wenn diese sich wieder um Verständlichkeit für weite Kreise der Bevölkerung bemühen – so wie dies schon Kurt Weill vor 80 Jahren in einer ähnlichen Situation empfohlen hat. Er legte seinen Kollegen damals nahe, „eine Musik zu schaffen, die auch das Musikbedürfnis breiterer Bevölkerungsschichten zu befriedigen vermag, ohne ihre künstlerische Substanz aufzugeben“ (Berliner Tageblatt, 31. 10. 1929). Mit seiner „Dreigroschenoper“ ist ihm selbst dies bekanntlich in bewundernswerter Weise gelungen – vielleicht ein Anreiz für junge Komponisten heute(?)
…wahrscheinlich werde ich zu Recht von den vernünftigen freien Gestaltern dieses Blogs zurückgepfiffen: West oder Ost geht mir am *.* vorbei. Die miese Art, wie gewisse *.*-Cliquen – ich nenne Namen: Voigtländer und Schüler Hildebrandt sich Pfründe in freien ästhetischen Feldern zu claimen versuchen, und das (GEMA, Komponistenverband) auch schon geschafft haben, finde ich bedenkenswert – widerlich. Lästig und nochmal: Sounding D war in meiner Wahrnehmung ein Freiraum… (für Herz und Kopf, nicht für Erbsenzähler)…
glaubt Theo
Bin eigentl. nur sauer, dass dieser Zug an Minga vorbeirauschte. Von Augsburg nach Passau: wird er da über Donauwörth – Ingolstadt – Regensburg (NMZ-City) – Passau gerauscht sein? Oder über Augsburg – München Nord (Rangierbhf.) – Landshut – Plattling? Immerhin hatten wir zuletzt sogar Neue Musik auf Flössen, danke Christoph Reiserer, hatte ich schon mal erwähnt. Höchstwahrscheinlich beruhigen mich Eure NMZ-Media-Beitrags-Intros immer so wunderbar, dass ich bei Anblick von Natur statt Konzertsaal mich esoterisch fühle – deshalb wohl ein wenig Plitsch-Platsch-Fürchtemachen bzgl. Sounding-D. Nörgelte über den Massenkagel, sah es mir nochmals an, genauso der Stocki unter Stuttgarter Nachtbäumen: war wohl doch ganz peace-making. Irgendwie gründle ich in meinen Naturtönen, sehne autosdämpfenden Schnee herbei, ich Misanthrop – kein Wunder, dass mich die Natur der NMZ-Medien in meinem Saft störte. Kaum scheint die Sonne, werde ich durch die Olds auf halbe Strecke München-Zugspitze mit Torten hinter Weilheim gemästet, ist in jenen Föntagen ein Sounding-D-Video milde Altweibersommermemorabilie. Aber wo fuhr jetzt der Zug lang? Ansonsten: wenn man so die thüringischen Aufführungsstatistiken ansieht im 2010 Frühjahrstageheft und sonstigen Publikationen des via-nova-ev., müssen Babel und Mason, der Längliche, doch mal eine Erholung neben all den Bio-Aufbausch gewesen sein. Ach, der Zoro… wann rollt er nur peitschend mal wieder ein zweites Binnen-„R“… Geissler geisselt… und vermittelt… o Ätz, dabei machte einem der Klavier-Orchester-Wettbewerb eigentlich Lust und war die Nahrung der letzten Tage. Jetzt hamm mer’s wohl ver-*.*…
@ Torp: Sie zitieren John Adams. Ich hatte vor 2 Tagen eine recht eigentümliche Begegnung mit der Musik Adams und fand sie da zum ersten Mal gut eingesetzt, vielleicht lag es an mancher Sommerstimmung der Bilder, an den Schauspielern, an der mediterranen Atmosphäre (samt Neid wegen SMS von den Sonnengestaden Floridas…), an den kulinarischen Köstlichkeiten, wohl auch an der netten Musikauswahl: Adams Musik als Filmmusik zu „I am love“ mit Tilda Swinton. Es war das, was man der Musik immer schon zuschreibt: einfach Filmmusik. Dazu taugte sie in dem Zusammenhang trefflich, und zeigte ihre wahre Seite, die sie nicht für den Konzertsaal zulässt. Filmmusik, also auch Adams Geschöpfe, kommt mir zumindest so öde, allenfalls küchentauglich vor wie Abende mit aus dem Zusammenhang gerissenen Opernarien. Nur mit dem feinen Unterschied, dass man sich nach jenen Arien um so mehr auf das Gesamtwerk freuen kann, so grässlich diese Querschnittsevents sein mögen, bei Adams Musik unbedingt Bilder benötigt, um diese, vielleicht hier sogar die besten Stellen seiner Musik, anzuhören, quasi ertragen zu können. Nach dem Film hatte ich auf jeden Fall Lust, selbst was Besseres zu komponieren, mal wieder einen Friedhof zu besuchen und v.a. mal wieder richtig fein essen zu gehen, gerne ohne Musik, v.a. ohne Adams im Hintergrund. Wie gesagt, in dem erlebten Zusammenhang war die seinige ganz amüsant…
Gruss, A. Strauch
@querstand/Strauch:
es ging mir nicht um die Musik von John Adams. Ich habe ihn vielmehr zitiert, weil sein Statement inhaltlich zutreffend – und zudem schön griffig formuliert – ist. Auch nach meiner Beobachtung waren alle modernen E-Musik-Werke der letzten Jahrzehnte, die echten Breitenerfolg beim Publikum hatten, tonal und von pulsierender Rhythmik getragen – beispielsweise die „Aria“ aus Goreckis 3. Symphonie, Pärts „Fratres“ oder diverse Kompositionen von Glass und Nyman. Beim Blick über den deutschen Tellerrand wird zudem sichtbar, dass auch Adams mit seiner tonalen und pulsierend-rhythmischen Oper „Nixon in China“ gigantischen Erfolg hatte – einen Erfolg wenigstens, von dem die Rihms und Lachenmänner dieser Welt nur träumen können. Weniger erfolgreich waren hingegen jene Werke von Adams, die ich als „atonal“ bezeichnen würde – und die es in seinem Oeuvre eben auch gibt. Ich denke da z. B. an sein Violinkonzert von 1993 oder an „Gnarly Buttons“ für Kammerensemble (1996).
Mir ist aber vollkommen klar, dass deutsche Komponisten schlecht beraten wären, wenn sie nun im Fahrwasser der genannten Erfolgskomponisten schippern würden. Sowas könnte nur in Sackgassen der Belanglosigkeit enden, wie alles Epigonentum – auch Weill zu imitieren wäre da nicht besser. Und natürlich wird auch kein wirklich guter Komponist BEIM KOMPONIEREN ans Publikum denken oder sonst wohin schielen, schon garnicht auf Erfolg. Das ist also die Krux, die es im schöpferischen Akt sozusagen dialektisch zu überspringen gilt. Und für Originaliät gibt’s ohnehin kein Rezept.
über ein halbes jahr habe ich es geschafft, ohne blog zu leben. nun bin ich mal wieder hier. zunächst mal vielen dank moritz, dass du den artikel hier rein gesetzt hast und herzlichen dank auch an die vielen menschen, die mir in den letzten wochen geschrieben haben.
ein paar kurze anmerkungen …
ich habe in weimar komposition studiert und zwar bei karl dietrich und reinhard wolschina. ich war nie schüler von lothar voigtländer.
mein artikel sollte eigentlich nicht als ost-west- oder neid-debatte zu verstehen sein. es geht vielmehr um gesamtdeutsche verteilungsmechanismen und vermittlungsansätze im allgemeinen. dass sounding d seinen abschluss in thüringen hatte, dafür kann ich nichts, auch, dass thüringen nicht im netzwerk ist.
sounding d war lange geplant und konzipiert, bevor man überhaupt anfing kontakte in thüringen zu suchen.
der „thüringer beitrag“ hatte nichts mit dem deutschen komponistenverband oder via nova zu tun, sondern wurde lediglich von mir vermittelt. die abwicklung lief über den künstlerischen leiter des projektes.
seit dem gespräch im januar und der vermittlung einiger kontakte wurden wir jedoch kistenweise mit tausenden von zeitungen, flyern usw beschenkt. dass die sache in eisenach nicht funktioniert, war mir vorher klar, aber kleine kritische nachfragen zum geplanten programm wurden ja ignoriert.
ich glaube jedoch, dass ein netzwerk es nicht verdient sich netzwerk zu nennen, wenn es nicht in der lage ist, ein projekt mit partnern vor ort grundlegend gemeinsam zu planen; eine verpasste chance – und zwar für alle seiten.
ich bitte doch darum meinen artikel genau zu lesen. ich kritisiere nicht das projekt zukunftsmusik in seiner gesamtheit, sondern weise nur auf die wachsende tendenz hin, wonach komponieren, neue musik spielen usw. als kinderleicht vermittelt wird. zur verdeutlichung dient die im internet gefundene ausschreibung. ansonsten interessiert mich doch ein projekt in der stuttgarter provinz nicht.
zum schluss noch ein paar worte zur entgleisung des herrn geissler.
lieber herr geissler, wenn sie das hier zu ende gelesen haben, sollten sie vielleicht mal etwas in sich gehen, nicht gleich wieder diese faszinierenden, vollkommen selbstverliebten aber leider sinnentleerten wortschöpfungen ausschütten und damit aufhören, menschen, mit deren biografie sie sich anscheinend noch nie ernsthaft auseinandergesetzt haben auf unerträgliche und respektlose weise zu diffamieren. der von ihnen als inhaltsleer beizeichnete komponist voigtländer hat meines wissens genug internationale anerkennungen gewonnen, vor 3 wochen erst den 1. preis im gustav-mahler-wettbewerb in wien. vielleicht sollten sie einfach ihre kenntnisse vertiefen und sich mal treffen, einen kaffee trinken, andere meinungen hören und über ihr problem reden, das sie hier deutlich zu tage treten lassen.
lieber herr geissler, ich habe zwei bitten an sie.
erstens: ich weiß nicht in welcher zeit sie leben, aber gewisse diktaturen des letzten jahrhunderts gehören der geschichte an. aber es ist gut, wenn man sich an sie erinnern kann. heute hat jeder bürger das recht seine meinung zu äußern und es steht auch jedem frei seine positionen an einen minister heranzutragen. diese meinungsfreiheit gestehen sie anscheinend nicht allen zu. wenn sie hier schon nebulös bekannt geben, dass jemand an einen minister geschrieben hat, dann verraten sie doch bitte, was genau in diesen briefen steht. andererseits stellt sich die frage, woher sie überhaupt wissen, wer da was geschrieben hat. interessant, wie weit ihre arme scheinbar reichen …
zweitens: jetzt wird’s persönlich – leider. sie schreiben hier von stasi-ähnlichen mitteln. ich habe von früher kindheit an diese „behörde“ erleben müssen und falls sie interesse daran haben, ihre kenntnislosigkeit zu beseitigen, erteile ich ihnen gerne eine lektion. ich stehe zu ihrer verfügung, wenn sie fragen haben. ich weiß nicht, ob sie sich vorstellen können, was in einem 8-jährigen vorgeht, wenn er erlebt, wie sich vor dem elterlichen haus, ein mann, den er gut kannte und mochte mit benzin übergießt und verbrennt. ich möchte sie ausdrücklich darum bitten, derartige stasi-vergleiche in bezug zu meiner person zu unterlassen.
ich wünsche einen schönen tag.
@ hildebrandt:
Sehr geehrter Herr Hildebrandt,
vielleicht sollte man die Dinge wieder auseinanderklamüsern:
1. Die Papierflut des Netzwerks wie Sounding-D ist von Anfang an überwältigend. Fast keine NMZ ohne grosse und kleine Beilagen. Dies liegt wohl am Begriff „Netzwerk“ selbst, denn Netzwerk kann nur sein, was massiv auf sich aufmerksam macht. Das ist grundsätzlich nicht schlecht, das gehört andererseits wohl auch zu den Nachweisen, die man dann meterdick den politischen Gremien und der Bundeskulturstiftung in die Hand drücken kann. Damit können selbst untergut besuchte Veranstaltungen einen „nachhaltigen“ Erfolg nachweisen, natürlich nicht im ökologischen Sinne, da hätten gemailte oder verstickte PDF’s reichen können – wer aber druckt sich das dann zusätzlich aus? Also, die Masse macht’s, damit haben Sie wohl ziemlich recht.
2. Künstlerisch ist Sounding-D je nach Region wohl qualitativ sehr unterschiedlich umgesetzt worden. Meist galt wohl das Motto, keine Angst vor Neuer Musik, positive Vermittlung um jeden Preis. Auf den NMZ-Videos kann man nette Impro-Formationen beobachten, man sieht musikalische Performances im öffentlichen Raum, man sieht Freiluft- wie Saalkonzerte. Das Problem ist wohl der Übergang zwischen Noch-Konzert und Schon-Performance/-Installation. In diesem Übergangsbereich verliert Musik immer ihre Strenge, da der Zeitfaktor zugunsten des Raumes aufgelöst wird. Anstrengung, ja Attacke und Bedrohung ergeben sich durch Musik für den Zuhörer durch enge, präzise Zeitgestaltung: ob auf einem tanztauglichen Stehplatz im Popkonzert oder auf ein weiches oder hartes Sitzmöbel gebannt, der Musiker, der Komponist, das Werk bestimmt den Zeitverlauf, kann damit dem Zuhörer die Luft zum Atmen nehmen, kann ihn total begeistern, löst entsprechende Reaktionen aus, die leider angesichts Neuer Musik meist freundlich bis desinteressiert oder gar ablehnend ausfallen können. Das hat natürlich mit skandaltauglicher Ungewohnheit des Dargebotenen zu tun, was heute, wie z.B. bei Zitherkonzerten, noch immer zu Tumulten führen kann, im normalen Betrieb ausser ein paar Buhs oder extrem leere Reihen aber zu keinen nennenswerten negativen oder positiven Bekundungen mehr führt. Dazu tritt heute leider immer noch eine spielerisch fragwürdige Umsetzung des Neuen. Das kann natürlich auf Festivals, bei entsprechend erfahrenen Ensembles und Orchestern auch ganz gegenteilig aussehen, das kann selbst ein Kleinstpublikum von mehrheitlich Fachleuten in gähnend leeren Hallen zu Begeisterung animieren, die hochsubventionierte Musik mit Riesenjubel legitimieren. Die fehlende Mehrheit hat dann zurecht was verpasst, auf Feuilleton und Aufnahme ist da zu hoffen.
Das Netzwerk Neue Musik ist wohl tatsächlich zum Erfolg verdammt, soll es nachhaltig wirken, soll es neu geschaffene Ressourcen, etc. ermöglichen und sollen diese 2012 überleben. Sounding-D ist da wohl das Goldene Kreuz auf dem Gipfel all der Anstrengungen. Diese wurden bisher mit unterschiedlichem Erfolg durchgeführt. Von vornherein vernetzte Szenen wie in Berlin, Dresden und Stuttgart werden wohl am ehesten 2012 Profiteure sein, kleinere Orte wie in NRW oder hier Augsburg und Passau laufen Gefahr des Verschwindens. Eben der von mir formulierte negative Beigeschmack: wo bereits viel existiert, wird dieses überproportional fixiert zu Orten, wo bisher wenig war bzw. die temporäre lokale Kofinanzierung 2012 wegbrechen wird, wenn der das Netzwerk, also der Bund dort nicht nochmals was Neues oder eine Verlängerung des Projekts auflegt. So ist es fast ein Segen, nicht berücksichtigt zu sein, wie Schleswig-Holstein oder eben Ihr Thüringen. So dringend das Netzwerk Mittel und neue Quellen hätte schaffen können, die Gefahr eines Rückzugs des Bundeslands und der Kommunen würde den Verlust 2012 grösser sein lassen als ohne Netzwerk. Der Kampf des Existenzerhalts ist jetzt schon gross genug, jetzt kann man die bisherigen und eigentlich verfassungsmässig kulturellen Zuständigen eigentlich stärker in die Zange nehmen, als wenn diese Zuständigen Ende 2012 achselzuckend auf den Bund verweisen, der kulturpolitisch sich hier sowieso auf problematischen Terrain bewegt, so erhofft sein Geld auch sein mag. Deshalb verweise ich ja darauf, um wieviel sinnvoller es wäre, wenn das Netzwerk nur einen Bruchteil der jetzigen oder eventuellen zukünftigen Finanzierung liefern würde, dann kann das Bundesnetzwerk tatsächlich ein Regionalnetz fördern. Soweit so gut.
Desweiteren folgt der Verdammnis zum Erfolg die Programmierung von Sounding-D, die jenseits der grandiosen Möglichkeiten Neuer Musik mit dem oben beschriebenen tristen Alltag dieser rechnet, v.a. wohl in den „Provinzen“, wie Bojan Budisavljevic z.B. Rheinland-Pfalz in einem NMZ-Video nennt. Warum rechnet allerdings ein Netzwerk, das für Exzellenz der Partner steht, überhaupt mit deren Provinzialität? Ist das Netzwerk also die eigentliche Exzellenz? Das liegt wohl an der Krux der Kernkompetenz der Bundes, die er sich hier punktuell auf einem Gebiet herausnimmt, auf dem diese bei Ländern und Gemeinden liegt. Dies wohl in bester Absicht, um „gleichwertige Verhältnisse“ herzustellen, sprich z.B. schwächere Partner im Netzwerk gegenüber stärkeren gleichzustellen. Das kann dann sogar grundgesetzkonform sein. Interessant dabei ist nun, dass die Gleichstellung zu Sounding-D hier auf das „schwächste Glied“ hinausläuft: Neue Musik darf allerorten gleich wenig weh tun, muss „Musik zum Anfassen“ sein. Das führte dann zu Laienkagel und Parkstockhausen. Interessanterweise wurde letzterer für das Eisenacher Abschlussfestival dann in Konzertform wiederholt. Also beste Absichten der Bundesseite des Netzwerks, Stückrisiken auf kleinster Ebene, Erfolg vor dessen potentiellen Eintritt schon in Papiermassen.
Nun fällt mir aus der Ferne Zusehenden trotzdem auf, dass die Qualität dieser „leichten Neuen Musk“ regional unterschiedlich ausfiel, dass die fast reinen Jazzimpros zu Anfang von Sounding-D streng genommen vollkommen Fehl am Platze waren. Was aber neben all der Gefahren von Kunstnivellierung auffiel, dass bei den Bahnhofsdarbietungen das Netzwerk das grösstmögliche Risiko einging: neben all der Werbung, vielleicht auch an normale Haushalte oder zumindest wichtige Musikpunkte vor Ort, setzte man von Anfang an auf Zufallspublikum, auf die publikumsreizenden Fähigkeiten der Musik und der Künstler. So ist wunderbar in dem Video mit dem Trompeter Ole Hübner zu beobachten, wie er hohen Einsatz zeigt, gerade dadurch das Publikum aber nicht so sehr in den Bann zieht wie risikolose pentatonische, von Semiprofis nett geschlagene Perkussion. Es kam so sehr wohl auf den regionalen Beitrag an, so klein er gewesen sein mag, in der Aussenwirkung letztlich entscheidender als alle Vorgaben des Netzwerks, auf dessen Seite erstaunlicherweise eine sehr hohe Risikobereitschaft durch die Bevorzugung zufälliger Hörerschaft statt Massen von Schülern mit Freikarten. Vielleicht ist es ja so um mehr ein Wegbrechen jener Initiativen 2012 dann gar nicht so schade, wenn sie selbst nicht für ein gesundes Mass von Quantität wie Qualität sorgen können, wenn das Neue hier besonders alst aussieht, selbst Bundesspritzen kein Anti-Aging sind. Wenn Neue Musik Lebenselixier ist, dann werden sich ein paar Wahnsinnige auch dort finden, sie weiter gedeihen zu lassen. Vielleicht braucht Neue Musik auch nicht überall den ganz grossen Rahmen, genügt sie als hobbyähnliches i-Tüpfelchen. Andernorts ist sie nicht nur Elixier, sondern sichert das Überleben ihrer Akteure. Aber sollte das nicht eher vor Ort als durch zu viel Bundeseinfluss ausgemacht werden? Ganz muss er ja nicht, soll er ja auch nicht wegfallen, aber doch weniger als „Brot für die Musik“ denn als „Hilfe zur Selbsthilfe“, das ist ja der wahre Unterschied zwischen kurzer Spende und echter Nachhaltigkeit. Die musikalische Bundespolizei ist doch viel eher in echten kulturellen Notstandsgebieten gefragt. Thüringen mag solch einer vielleicht sein, aber neben Schleswig-Holstein fiele mir da Hamburg ein, das seit dem Ende der ersten Liebermann-Ära immer mehr zu Boden sinkt, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, ja selbst ländliche Ecken des reichen Bayerns: jetzt noch nicht so sehr in der Kultur aber in der Bildung, v.a. der Universitäten wird aktuell fröhlich gekürzt, obwohl 2011 gleich zwei Abiturjahrgänge wegen Erst-G8 und Letzt-G9 die Hochschulen fluten werden. Hier befürchtet man auch gerade angesichts der dann gleichzeitig weiteren Exzellenzförderung durch den Bund massive Neidkämpfe zwischen den Leuchtturmprojekten und Studiengängen, die v.a. Grundausbildung leisten, diese aber z.T ihren Studierenden erst im letzten Bachelorsemester anbieten können. So verschärft der Bundeseinfluss hier wie in der Neuen Musik. Beim Netzwerk steht immerhin die Nachwuchsgewinnung auf den Fahnen im Gegensatz zu den Uni-Leuchttürmen. Also beste Absichten. Letztlich kommt es hier also auf die Regionalpartner an.
3. Nun endlich zu „mittendrin“, dem Abschlussfestival von Sounding-D im thüringischen Eisenach. Spannend ist dabei das von Ihnen beschriebene Zustandekommen. Das wirft natürlich tatsächlich grundlegende Fragen in Richtung der Sounding-D-Macher auf, das wirft aber auch ein merkwürdiges Licht auf die Rolle der Partner vor Ort, wohlgemerkt ja nur Partner für das Festival. Die Enttäuschung der Thüringer, Weimarer Verbände ist verständlich, nicht in das Netzwerk aufgenommen worden zu sein. Aber wie oben ausgeführt, hat das ja speziell im Falle der rückzugsfreudigen thüringischen Kulturpolitik auch sein Gutes für die unmittelbare Zukunft, können Sie die Landes- und Kommunalpolitik direkt in die Pflicht nehmen, können die sich zwar auf allgemeinen Geldmangel aber nicht auf fragwürdige Bundeszuständigkeit herausreden. Laut Ihrem Beitrag sind sie Anfang 2010 zwecks Sounding-D kontaktiert worden. Warum auch immer, ob als Wiedergutmachung der Auslassung Ihres Landes bei der Auswahl oder ob Sie doch direkt oder auch nur indirekt auf diesen Mangel hinwiesen, doch noch zum Zuge kommen wollten – wie auch immer. Besonders interessant erscheinen mir die Stimmen, die Sie wiedergeben: Stimmen die wohl einen Boykott von Sounding-D wegen des Scheiterns der Netzwerkbewerbung, Stimmen, die Ihnen Käuflichkeit vorwarfen. Das ist natürlich eine vertrackte Situation. Wenn Sie abgesagt hätten, hätte das Netzwerk mit dem Finger auf sie zeigen können, wenn sie zusagten, müssen Sie das Land hinter sich haben. Das Letzte gelingt natürlich nur, wenn letztlich das Bundesnetzwerk auf Landesebene, sprich beim Festival scheitert. Das Weimarer ART!stik-LABOR ist nach Ihrer Angabe nicht nur in Thüringen sondern auch mit Sachsen und Bayern verbunden, Länder mit Netzwerkpartnern. Die Bundesratspräsentation mag eher mau gewesen sein, das dürfte aber letztlich keinen Ausschlag für einen weiteren Erfolg des Netzwerks und Sounding-D haben. Die meiste Avantgardekultur wird trotz Nichtteilnahme von Politprominenz dennoch durchgeführt, oft ist deren Fehlen ja eher nützlich, man denke nur an Stoiber und seine Äusserungen zu Nono! Dass nun Tausende von Menschen die Freilichtaufführungen von „mittendrin“ nicht besuchten, das ergibt sich ja einerseits aus der Gefahr der Offenheit solcher Veranstaltungen mit Laufkundschaft, das macht natürlich trotzdem jede Begegnung mit dieser, auch wenn die sich gleich zurückzieht, zu einer realen, zähl- oder schätzbaren Publikumszahl. Warum waren dann die klassischen Konzerte nicht so gut besucht? Naturgemäss strömt da immer eher Fachpublikum hin, natürlich können Sie bei dem massiven Werbemitteln seitens des Netzwerks mehr Besucher erwarten. Aber hätte man da trotzdem vor Ort mit einfachen Mitteln wie Emailverteiler etc. nicht auch entsprechend Mundpropaganda machen können, da hätten selbst im kleinen Land Thüringen das Fachpublikum sich nach Eisenach begeben können. Oder war dies der unterschwellige Boykott? Ich denke wohl zurecht, dass Sie da vielleicht ob nun direkt oder indirekt zuständig als Verbandsvorsitzender doch einiges hätten bewirken können. Oder war es einfach eine unangenehme Gradwanderung, waren Sie dem Bund wie dem Land widerstrebend verpflichtet? Wenn man sich für Teilnahme an solch einem Festival entscheidet, muss man natürlich auch dazu seinen Beitrag leisten. Was die Programmauswahl betrifft, scheint wohl ein Groll ob des Ensemble Modern -und Vokalsolisten-Imports und der sächsischen wie bayerischen Künstler geherrscht zu haben, der thüringische Beitrag schien sich ja auf die Örtlichkeit und ein Konzert einzuschränken. Hätte man da nicht doch ein eigenes Benefizkonzert zu Wege bringen können, gerade um seine eigene Vernetzung und Unabhängigkeit dem Netzwerk zu beweisen, den Verlust, den es sich mit der Nichtauswahl bereitet hat? Oder ist Boykott oder halbschariges, zähneknirschendes Teilnehmen der einzige Weg? Blickt man nun in die Programme Ihres Verbandes, so führen Sie sehr wohl gerade durch die Wettbewerbe lobenswerterweise viele Gäste auf. Es fällt allerdings auch auf, dass Sie selbst mitunter der am häufigsten gespielte Komponist Neuer Musik auf Ihren Veranstaltungen sind. Selbst Jörg Evers wird auf bayerischen DKV-Veranstaltungen nicht so oft aufgeführt, selbst Moritz Eggert ist auf den ADEvantgarde-Festivals eher als Musiker denn Komponist präsent. Es ergibt sich leider ein Bild von Ihnen, dass allgemein eine gewisse Schieflage ausstrahlt. Herr Geissler übertrieb tatsächlich gewaltig, ungehörig in der Wortwahl. Dennoch sollten Sie selbst das Stasi-Pathos auch nicht zu hoch hängen, auch wenn Ihre Erlebnisse wohl traumatisch sein mögen, dass sage ich Ihnen als Wessi, der in den letzten Jahren Dresden wie Rheinsberg schätzen lernte, letzteres mit einigen Abstrichen, ja gerade das Netzwerk machte mir Dresden möglich, ermöglichte aber genauso vielen Sachsen auch Vieles, das sage ich Ihnen als jemand, der zwar als Kind aber jedes Jahr mit seinen Eltern in der DDR zu Gast war, wie die Mauer meinem Vater einen Solovertrag an der Lindenoper 1961 als Westberliner verunmöglichte, wie er dadurch allerdings immerhin in der Soldaten UA in Köln mitwirken konnte, soviel zum Ost-West-Blues. Also, wirkten Sie wie auch immer schon lange vor Sounding-D dahin, doch das Netzwerk wie auch immer nach Thüringen zu kriegen oder hätte Sie sich das einfach anders gewünscht, hätte man trotz Benachteiligung nicht erst Recht jetzt Grösse zeigen können? Das Geschehen mit Ben Mason ist natürlich sehr fragwürdig, hat er es sich zu leicht gemacht mit seinem Titel, kann man tatsächlich seine lasche Musik mit Musik aber ohne über Musik verdammen. Ich erinnere mich allerdings auch an Stücke wie dem Trompetenkonzert, wo er dann neben der leichten Kompositionsunterforderung so durch die genaue Austarierung der Türspalten im gesamten Konzerthaus beschäftigt war, damit man das ausserhalb des Konzertsaals sitzende Orchester hört oder gerade nicht hört, dass das ästhetische Erlebnis doch ein Grosses war, wenn man einfach vergass, eigentlich in einem Konzert zu sitzen. Es war so, als ob sich aus dem noch nicht erklungenen Konzert wie in anderen Sälen stattfindenden Musiken eine ganz eigene Musik ergab. Vielleicht hätte man da seitens der Thüringer mehr von ihm einfordern können, wenn man sich wie ihn mehr beteiligt hätte. So musste aber das Bundes-UFO, der West-UFO Sounding-D eine ausserirdische Veranstaltung bleiben, da wohl selbst Sachsen UFO manchmal zu sein scheinen, siehe die Reaktionen Ihrer Komponisten und Musiker zu ART!stik-LABOR…
Grüße aus dem UFO-Staat Bayern,
A. Strauch
@ Torp: Wahrlich, Sie sagen es! Ich war letzthin nach dem Kinobesuch einfach so versöhnlich gegen Adams gestimmt, fand die Auswahl zum Film passend. Das Zitat Adams ist genauso bemerkenswert, aber auch nicht neu. Ja, der Faden zum Publikum wurde durchtrennt, nur musste wohl damals durch den Verein für Privataufführungen in Wien das randalierende und pöbelnde Publikum vielleicht auch zu Recht ausgesperrt werden. Der Schock Gurrelieder-Kammersinfonie steckte wohl auch umgekehrt dem Schöpfer im Nacken, die späteren Folgen waren noch nicht abzusehen. Dabei vergisst man gerne aber auch, dass Schönberg trotzdem erfolgreich gewesen ist, dass Furtwängler ihn mit den Berliner Philharmonikern aufführte, dass Erich Kleiber sich Wozzecks annahm, dass Webern als Dirigent wie Komponist im Ausland, sprich der BBC, akzeptiert und geschätzt wurde, also zu den besten Zeiten der Leute, die mal einige Zeit das Publikum ausgeschlossen hatten, durchaus eine gewisse breite Öffentlichkeit ihre Musik mitbekam. Der Einschnitt des Dritten Reichs war wohl elementar und ist es bis heute! Im Prinzip geniesst zeitgenössische Bildende Kunst, gerade wenn sie einfach zugänglich ist, heute den gleichen Stellenwert, wie die Nazis ihre geförderte Kunst für das Volk verbreiteten. So hat es diese Sparte eigentlich in ihrer Gesamtheit als zeitgenössische Kunst unabhängig von der Richtung nicht allzu schwer gehabt. In der Musik wurde allerdings trotz UA-Verpflichtungen für Abo-Konzerte v.a. das Romantische gepflegt, war die Zeitgenossenschaft verdrängt, waren die schon nach dem 1. Weltkrieg alten Komponisten Pfitzner und Strauss auch eher Vertreter des 19. Jhds., so zeitgemäss man das im 3. Reich empfunden haben mag. Die Zeitgenossen nach dem Krieg knüpften ja auch nur kurzeitig an dem Verlust der Wiener Schule an, kamen sehr schnell zu eigenen, noch nie dagewesenen Radikalitäten. Wobei man gerne heute unterschätzt, wie Stockhausen als Komponist doch bekannt, sogar populär gewesen ist, wie Boulez als Dirigent berühmt wurde, ein Neue-Musik-Staatsinstitut initiieren konnte, wie Henze in aller Munde gewesen ist. Die grosse Unbekanntheit trifft eigentlich erst Komponisten wie Rihm, wie Ferneyhough, wie Lachenmann, der wegen seinen Geräuschen noch der Bekannteste der 3 sein dürfte. Auch sollte man das Aufkommen eben der minimal music und das Bekanntwerden Schostakowitschs nicht unterschätzen, das hat der hiesigen Neuen Musik tatsächlich von aussen nochmals die Luft genommen. Und letztendlich die ängstlichen privaten wie öffentlichen Veranstalter, die aufgrund von immer mehr gefragter Wirtschaftlichkeit das Experiment scheuen, dazu das selbstgewählte Nischendasein unserer KollegInnen, die sich so gerne in der Haut der Inneren Emigration Weberns sehen wollen, ohne natürlich das historische Risiko eingehen zu müssen. Sogesehen könnte Adams sogar ein positives Vorbild als Gegenentwurf sein, ist er ja auch schon! Ich halte es mit dem immer bekannterwerdenden Grisey, mit Steve Reich, mit Cage, mit Ives, sogar bedingt Bernstein, alles Menschen, die einem jenseits der heute hohen Technik noch Hoffnung auf breitere Fronten sein können.
Gruss,
A. Srauch
@ querstand:
Ihr letzter Kommentar enthält neben etlichen zutreffenden und nachvollziehbaren Aussagen leider auch viele fehlerhafte, halbwahre und merkwürdige. Zudem gehen Sie anscheinend von einem anderen Verständnis des Begriffs „Erfolg“ aus als ich. Mir ging es um den Erfolg in der Breite, also um die Zustimmung bis Begeisterung beim breiten Publikum. Bekanntheit ist etwas anderes. Auch die Zustimmung seitens eines – wie auch immer gearteten – Expertenpublikums darf nicht mit dem von mir thematisierten Breitenerfolg verwechselt werden. Weder Stockhausen noch Boulez waren in diesem Sinne jemals erfolgreich, schon garnicht „populär“ – und selbst Henze nicht wirklich (wenigstens würde ich kein einziges seiner vielen Werke als echtes Erfolgs- bzw. Repertoirestück bezeichnen, das man also mit Stücken wie Ravels „Bolero“, der „Carmina burana“ oder auch Werken wie Schostakowitschs Fünfter diesbezüglich auch nur annähernd vergleichen könnte).
Die Aufführung von Schönbergs Orchestervariationen 1928 in Berlin unter Furtwängler war kein Erfolg, sondern ein eklatanter Misserfolg (vgl. u. a. Schönberg-Monographie von E. Freitag, Reinbek 1973, S. 123). Schönberg hat Furtwängler anschliessend für diesen Misserfolg verantwortlich machen wollen (dabei hätte er eher Grund zu überschwänglicher Dankbarkeit gehabt). 1931 sagte Heinrich Strobel in einer Rundfunk-Diskussion über Schönberg: „Schönbergs Musik wendet sich an einen ganz kleinen Kreis. Keineswegs an die Fachleute. Die kommen meist schon nicht mehr mit. Sie wendet sich an Eingeweihte, an Menschen, die dadurch zu einer Art geheimer Gemeinschaft verbunden sind.“ (in: Arnold Schönberg, Gesammelte Schriften 1, Fischer Verlag 1976, S. 281). Breitenerfolg hatte Schönberg allenfalls mit tonalen Werken wie den „Gurreliedern“.
Auch Weberns atonale Musik wurde nie populär. Im übrigen hat er während des 3. Reichs in Briefen in gradezu ekstatischer Weise seine Bewunderung für Hitler und dessen Angriffskriege geäußert. Auch wurde er in den Jahren 1941, 1942, 1943 und 1944 vom NS-Staat mit „Künstlerdank-Spenden“ bedacht (vgl. Amaury du Closel: Erstickte Stimmen. „Entartete Musik“ im Dritten Reich, Böhlau Verlag 2010, S. 435 ff.)
Selbst Alban Bergs „Wozzeck“ war nie wirklich erfolgreich beim breiten Publikum, weder in der Zeit vor Hitler noch danach. 1963 sagte Reinhold Schubert von der Dramaturgischen Gesellschaft in einem Gespräch: „Es ist keineswegs so, daß der >Wozzeck< gemacht wird, weil das Publikum ihn sehen wollte." Ähnlich äußerte sich auch der Opern-Intendant August Everding 1977 (Quellenangaben zu Schubert und Everding, in: Martin Vogel, >Schönberg und die Folgen. Teil 2: Die Folgen<, Bonn 1997, S. 406 ff.).
@ Torp: Danke der ausführlichen, fundierten Replik! Ich meinte tatsächlich weniger „Breite“, denn grds. Bekanntheit. Diese aber als Grundlage für „Erfolg“! Jener trat zwar Ende der Zwanziger nicht ein, eher als Negativ-Erflog, mit den Verbotsfolgen nach ’33 bzw. den erheblichen Problemen für die Drei. Es ist zwar „ein was wäre wenn“ von mir, denke aber tatsächlich, dass sich die Neue Wiener Schule doch durchsetzen hätte können bzw. sich auch entspr. weiterentwickelt, vielleicht geöffnet hätte, wenn die wachsende Bekanntheit nicht unterbrochen wäre. Wir würden heute ganz anders über diese Herren sprechen können, natürlich auch „Schönberg und seine Folgen“. Wobei man Vogels auch nicht ganz Recht geben muss, er ja auch Schönbergs Zukunftsvisionen in Richtung verfeinerte Obertonmöglichkeiten konzediert im Zusammenhang mit dessen Harmonielehreexzerpten. Und 1963, wenn wundert’s, dass Wozzeck damals noch verflucht worden ist. Ich kann nur sagen, dass Wozzeck hier in München zuletzt besser besucht war als Ariadne, als Elektra!! Wenn das nicht nach bald über 70/80 Jahren was anderes zeigt, als 1963. Lulu erging es hier ähnlich. Als ich Wozzeck erstmals in den 80ern als Jugendlicher sah, hätte ich Ihnen Recht gegeben… Mit Schönberg: da kommt es immer auf das Stück an, ob tonal oder atonal! Wenn gut gespielt, finden Sie hier auch volle Säle, selbst bei den Orchesterstücken. Wenn es hier ein weniger bekannter Maestro macht, hat diese Musik auch weniger Chancen . Webern bleibt natürlich immer ein Problem! Rein persönlich sehen Sie mich sofort in den entspr. Abenden, sonst hinkt dies heute auch noch wahrlich in der Breite. Aber das liegt eben auch am schmalen Oeuvre wie an dessen Unzugänglichkeit. Nur: Gesualdoabende sind heute auch noch eher „leer“ und werden trotzdem veranstaltet, zieht dessen Werk immer wieder Kollegen an. Man muss mit der Adamsbreite nicht Alles messen, auch „alte Musik“ ist kein Garant für „voll“! Womit Sie allerdings recht haben: die Webern Rezeption und sein Verhältnis zum 3. Reich wird bisher immer noch zu eng im Sinne der „Inneren Emigration“ bewertet, ignorieren viele die Verstrickungen, die aber doch eher auf persönlichen Äusserungen gegen Steuermann, der ambivalenten Mitgliedschaft im Alpenverein, die Zuwendungen, etc. Nur: seine Musik wurde dennoch nicht gespielt. 1933/34 selbst gab es ja auch seltsame Regimeannäherungen von Hindemith und weiss ich wem. Pauschal kann man das Alles nicht bewerten, genauso wenig den alten Webern. Immerhin meinte es das Schicksal dann auch nicht nett mit ihm, starb er doch unheldenhaft, banal wegen seiner Raucherei, die ihm ein Soldat als Schmuggelzeichen auslegte! Wie brach seine Existenz zusammen, konnte er sich nicht mehr evtl. Vorwürfen stellen, die Rezeption seiner Musik ein klein wenig regeln. So fällt heute eben Vieles auf ihn zurück, genauso so seine merkwürdige Regimeanerkenntnis wie seine hermetische Musik. Mit Berg allerdings sieht es besser aus, als man glauben möchte. Zumindest hat seine Musiken in weiterer Zeit durchaus noch breiter wahrgenommen zu werden.
@ Lieber querstand,
wer soll das alles noch lesen? An Textlängen und in der Frequenz der „schnellen“ (immer online) reagierenden, immer neue Nebenthemen rein bloggenden, langen, assoziativen Spontanantworten hast Du hier nun längst alle übertrumpft. Auch wenn Du das vielleicht nicht gerne hörst und aus Richtung Hufner, Geißler, Moritz gewiss nun in ein paar Minuten wieder Deine Streicheleinheiten bekommst. Danach könnte ich jetzt schon meine Stoppuhr stellen.
Dabei wäre die erste Basis für ein „erfolgreiches“ Komponieren schon mal, weniger (und weniger wuselig,weniger postmodern würfelnd und aneinanderreihend zu bloggen; stattdessen dann lieber dies durch Komponieren auszudrücken. Denn ein musikalisches Äquivalent zu Deinem Blogstil käme heute sicher gut an
und ist Mit-Ursache der Krise in der wir uns befinden).
Unvermögen oder gezielte Kommunikationsstrategie? (ich hoffte die ganze Zeit noch, dass es Letzteres ist, bin mir da aber zunehmend unsicher…)
Kein Wunder, dass einem hier die Lust am Bloggen endgültigst vergeht, weil man dann eigentlich auf alles oder nichts Bezug nehmen kann, zitieren kann, kritisieren kann … oder auch nicht: Und schlussendlich wird wieder aus dem Hinterhalt von den üblichen Leuten geschossen und behauptet, man reiße ja Dinge „aus dem Zusammenhang“(es sind ja immer die anderen, die hier mal rein schauen, die angeblich „pauschal“, „unsachlich“, auf „troll-Niveau“ oder sonst was seien).
mit letzter Empfehlung und besten Grüßen von
Erik Janson
@ Moritz,
äh…gitt, äh gott: „Feindbild“?
Ich glaube, da übertreibst Du ein bisschen. Warum hatten wir dann privat Mailkontakt und waren (von mir aus: SIND noch) auf einem guten Weg?
Und was haben private Dinge, wie meine GI-Anfrage damals hier mit meinem oder anderer Leute Blogging zu tun?
Nochmal! Thanks for that (Dein GI-Tipp), aber es war
a) nicht für mich persönlich, sondern für Musiker für eine Tournee, wobei klar war, dass ich nicht mit fahren wollte sondern allenfalls ein Werk von mir im Programm geplant war. Also, ich hatte da für andere nachgefragt bei Dir, nicht für meinen Vorteil, falls Du Dich erinnerst. b) gehört es nicht hier her c) brachte das leider nichts, es gab keine Förderung
und d) hätte ich gewusst, dass Du das nun hier ÖFFENTLICH
so hin stellst, hätte ich Dich damals nicht gefragt.
Und, aja: „eingeschnappt“ sind immer die anderen,
Hilfreich, edel und gut seid ja NUR IHR…
Tschüs Blog,
Erik
@ to whom it may concern: 5:57 Stunden später hat tatsächlich Moritz reagiert. Das mit den Längen und Abschweifungen ist auch nichts Neues, stimmt. In meiner Erinnerung tickt ein Floh, der mir sagt, ich hätte mal weniger die Analyse als das Essay als meine Maxime des Kommentierens angegeben. Vielleicht mailte ich das auch nur jemanden, was weiß ich. Wem hier was zu lange scheint, kann ohne Weiteres dies hier wegscrollen, mache ich tatsächlich auch mal. Neulich herrschte hier wohl querstand-Spuk, ich glaube Allerdingsdaween. Das war natürlich nur mein „Alter Ego“, das ich hier schon einmal vorgestellt hatte. So verdoppelte ich mich, kam schon gar nicht mehr durch die Flügeltür meines Hauseingangs. Statt mit Hanteln trainierte ich weniger stemmfreudig die Fingerkuppen an meiner Tastatur – ich versuche ja schon lange mein Comeback als Cellist, wo ein gewisse Linke-Hand-Schlagkraft gefragt ist. Wer’s glaubt…
Richtig stolz sollte mich machen, dass ich mitunter für die Krise der Musik, der Neuen, mitverantwortlich sein soll. Wie beim Thema GEMA und Mitverantwortung aller Urheber für deren Aussenstehenden oft schwer zu verstehendes Vorgehen plädiere ich hier doch auch für eine gewisse Kollektivschuld, so betrachtet trage ich gerne Verantwortung für die Krise der Neuen Musik. Ist aber ein Herangehen an sie ohne Krise eines Komponisten überhaupt möglich, wo sie sich doch besonders aus Kritik auch an sich selbst definiert? Jedes zu schreibende Stück bringt jeden von uns Komponisten mehr oder minder in eine Krise, die man mal langsam Takt für Takt, dann mal wieder rauschhaft schnell, nach langem Zögern, was einem Entscheiden in Krisensituationen durchaus entspricht, zu lösen versucht. Ob allerdings nun mein Kommentieren hier, Blogger sind die Autoren, unbedingt meinem Schreibstil entspricht, das sei dahingestellt. Komponieren ist zwar auch Schreiben im physischen Sinne, die Zusammensetzung der musikalischen Parameter findet allerdings oft ganz anders als beim einigermassen verballogischen Formulieren statt. So ist ein Vergleich zwischen texten und komponieren doch sehr problematisch. Allerdings kann ich in mancher Augen hier wohl so oder so nur Alles falsch machen. Wenn ich abschweifend komponiere, bin ich sofort der komponierende Blogger, wenn ich streng einer Idee folge der bloggende Komponist? Nun habe ich selbst bloggen mit kommentieren vertauscht, ich bin ganz durcheinander.
Also: „Unvermögen“ in Sprache wie Kompositionen? Nun, in manchen Stücken bin ich sehr wohl aneinanderreihend, mal seriell (auch aneinanderreihend!), mal ganz frei-Schnauze, in anderen ganz stringent, es kommt auf den Zweck an. Dass der einmal aufgeht, einmal überhaupt nicht, das ist Berufsrisiko, das natürlich minimiert gehört. Oder eben gerade besonders genutzt. Wie man es dreht und wendet, man ist somit immer am Untergang der Musik mitschuldig, je nachdem, von welcher Seite man sich nähert. Ach, und Erfolg: den will man natürlich, zumindest von wohl Nahestehenden, der ist einem manchmal aber dann besonders peinlich, wenn man ein leichtes oder kräftiges Zubruchgehen des Stückverlaufs sieht, dieses Unding aber Beifall findet.
Nun denn, man kann also mein Geschreibe genauso oder andersherum betrachten. Dass es in mir dreht und kreiselt, dass ich die eine Seite wie die andere Seite einer Sache sehen will, dass ist natürlich nicht logisch-analytisch, dass macht es mir vor Euch als Ersten nicht immer einfach. So wie eine klassische Analyse aber die Sythese sucht, so bezeichne ich dies als synthezistischen Trieb. Das ist Kommunikationsstrategie, das kann auch logisches Unvermögen sein. Die Strategie ist allerdings meist nicht bewusst gewählt, ich folge da unmittelbar meinen Eindrücken, filtere die im Schreiben. Das ist egomanisch, das kann auch mal zu querstands Ürstände-Feier werden. So entstehen tatsächlich meistens auch meine Stücke, mal kürze ich es dann heraus, mal lasse ich es stehen, da mich gerade die Abschweifung erfreut, das Insistieren auf einem Nebenschauplatz, um dann zurückzukehren oder ganz wo anders hingetrieben zu sein. Mir gefällt die Idee z.B. einem Stück ein anderes einzufügen und mit nochmals einem Anderen zu enden. Aber was rechtfertige ich mich! Ja, manchen hier besonders Genervten lugte ich schon mal auf auffindbare Noten, fand daran grundsätzlich nichts Falsches. Man kann auch mich im Netz finden, dann sieht man ja, was ich so gar nicht kann und auch mal kann. Ersteres wird dem Einen eher auffallen als Letzteres, so geht es mir allerdings öfters auch mit Anderen.
Und das ich soviel hier hereinstelle: ach Kinder, 2010 brachte ich es nur auf eine dreiviertel Stunde Musik, 2009 immerhin dreieinhalb. Ob das Unvermögen ist? Qualitativ mal ja und nein, quantitativ genauso. Aber was soll dieser Unsinn… Übrigens: dem vorletzten Beitrag hier mangelt es nicht an Klammern, so nimmt es nicht Wunder, dass ich hier über Musik und Texte eiere. Ein wenig mehr syntaktische Klarheit, vom ersten Beitrag in diesem Blog hier, hätte manches Lesen und Verstehen in eine Erlebnissynthese gebracht. Ist das Unvermögen? Aber ich bin ja nur das Rind! Wer ist mir dann Jupiter? Aber bevor ich jetzt mit meinem vorgestrigen Glyptothekbesuch fortfahre, erlöse ich alle Linsen- und Brillenträger, denn ich wünsche niemand meine Rigiblick-Madonna-del-Sasso-Stationslese-Alpträume.
Gebet: Oh Maria, Schützerin Bavarias, bitte auch für unsere katholischen Rheinpreussen, insofern Du nicht nur ein Stahlklotz, 2 km von mir entfernt, bist! Ich sah Dich heute schon leuchten, jetzt wird’s hier mal wieder düster! Es herrscht querstand-Geisterstunde…
den vorvorletzten Beitrag! Da war man vor mir schneller, so das Moritz vorletzter wurde, meine aber den Anderen, oder welchen? Den mit dem Klammerchaos…