Kulturama: Das Feigenblatt
Liebe Leser, um den eklatanten Schwund von qualitativ hochwertigen Audioinhalten zu kompensieren, poste ich heute das Manuskript zu einer noch unproduzierten Folge der brillanten Sendereihe Kulturama: Von Rundfunkpäpsten im Radiohimmel. Um ein Gefühl für die mögliche Realisierung zu gewinnen, hier der Link zum Piloten der Serie.
Podcast
Kulturama – Spurlos
Kulturama, Folge V, Das Feigenblatt
Mitwirkende: Heimo Heimeisel, Heiko Heisenschnetz, Kniffke als Moderator in einer alten Archäologiesendung
Heimeisel Die Erschaffung der Welt – das Paradies – der Fall des Menschen – Schlange, Baum…. Hach!
Heisenschnetz, wo steht denn das jetzt noch mal mit dem Feigenblatt!?
Heisenschnetz Meinst Du das Rezept vom selbstgemachten Feigensenf, den ich Dir neulich von Frau Petrella mitgebracht…
Heimeisel fällt ihm ins Wort Jetzt hör mir doch mal auf mit Deinem ewigen Schmulchtum. Es geht mir ums Ganze. Wo steht jetzt das mit dem Feigenblatt?
Heisenschnetz Sag mir wenigstens was für ein Feigenblatt du meinst! Schreibst Du ein Sachkundereferat für Deine Tochter oder machst Du einen Beitrag über Botaniker? Warte mal, ich weiß schon, wie der dann heißt: das Rauschen im Feigenblätterwald.
Heimeisel Nein, du Schlauberger. Es geht mir um DAS Feigenblatt. Adam und Eva, Paradies, Schlange, Eva pflückt Apfel, Adam steht dumm da.
Heisenschnetz Ach das Feigenblatt: Genesis Kapitel 3, Vers 7. „Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.“
Heimeisel freut sich Haha. Genau. Sehr gut, das passt. Murmelt vor sich hin „… und sie erkannten, dass sie nackt waren.“
Heisenschnetz neugierig geworden Jetzt darf ich aber schon erfahren, wer nackt geworden ist, oder? Woran schreibst Du denn?
Heimeisel Kann ich dir nicht sagen.
Heisenschnetz Warum das nicht. Hast Du kein Vertrauen, oder was?
Heimeisel Hat doch hier keiner. Jeder, der länger als zwei Wochen hier ist, leidet unter Verfolgungswahn. Und damit’s keiner merkt, beginnt er, andere zu verfolgen und zu tyrannisieren.
Heisenschnetz Mit Alkohol kriegt man’s ganz gut in den Griff.
Heimeisel Sei bloß vorsichtig. Daran sind schon härtere Burschen als solche Turnschuhträger wie du zu Grunde gegangen.
Heisenschnetz will sich empören, doch
Heimeisel wiegelt ab. Ist ja gut. Hast Du eine Vorstellung, wie es hier aussah, als ich angefangen habe, Heiko?
Heisenschnetz versucht erfolgreich, sich einzuschleimen Kulturama ohne Heimeisel? Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Heimeisel nimmt die Schmeicheleinheit gierig entgegen Als ich angefangen habe, gab es noch in jedem Rundfunksender einen eigenen Archäologieredakteur! Sie machten Sendungen über „Die Entwicklung der Knochenflöte im Wadi Haua: Vom Teilskelett zur Ganztonskala!“ Warte mal. Legt eine alte Archäologiesendung auf. Ganz professoraler Radiostil mit rekonstruierten Steinzeitinstrumenten und so.
Heisenschnetz Ja, aber wer will denn das noch… Archäologie im Radio, ich mein…
Heimeisel Auf jeder Archäologiekonferenz und jeder Pressekonferenz, auf der nur entfernt von Archälogie die Rede ist, sitzen unsere Chefs da und schwadronieren über ihre Erfolge auf dem Gebiet der Ur- und Frühgeschichte. Gleichzeitig rasieren sie einen Etat nach dem anderen. Und was machen die Zeitungsheinis? Echauffieren sich über irgendwelche Rundfunkratschieberen und verschwenden kostbares Papier darauf, auf kleinen digitalen Spielzeugen rumzuhauen. Die dann auch noch auf den bescheuerten Namen „Äpps“ hören. Warum nicht gleich Uuups.
Heisenschnetz Die Äpps passen aber natürlich wieder zu Deiner Paradiesgeschichte. Klingt ja fast wie das englische Wort für Apfel. Was ist denn nun mit deinem Feigenblatt.
Heimeisel Manchmal und zwar immer häufiger kommt es mir so vor, als würden wir hier nur als Feigenblatt herhalten. Für all die Millionen, die in Fußball und Restrukturierungsmaßnahmen geschossen werden. Neulich wieder: 110 Millionen für 26 Fußballspiele. EM. Weißt Du, wie viel das in Orchestern ist? Oder in Radiosendern? Von Archäologiesendungen will ich jetzt gar nicht erst reden. Und wovon wird das alles bezahlt?
Heisenschnetz Von den Rundfunkgebühren?
Heimeisel Richtig! Und weißt Du, warum die Sender diese Abgabe erheben dürfen?
Heisenschnetz Weil sie einen Kulturauftrag haben?
Heimeisel Richtig! Und was machen sie mit uns Kulturredakteuren? Die ziehen uns einfach aalglatt über den Tisch! All das Gerede von Sparen und Gebühreneinbrüchen wegen Hartz IV. Erstunken und erlogen. Für jeden HARTZ IV-Empfänger zahlt der Staat die Rundfunkzeche. Die bedienen sich einer gesamtgesellschaftlichen Sparzwangs um die Kultur klein zu knüppeln. Und wart mal ab: in zehn Jahren gibt es keinen einzigen Archäologieredakteur mehr. Und dann sitzen unsere Chefs immer noch da und schwadronieren von der Bedeutung der Archäologie für den Rundfunk und des Rundfunks für die Archäologie
Heisenschnetz Aber Heimo: Was Du sagst, das wissen doch alle längst.
Heimeisel Warum spricht es denn dann keiner aus?
Heisenschnetz Weil es im Vertrag steht! Hast Du auch unterschrieben. Stillschweigen über innerbetriebliche Vorgänge etc. Wer hier würde denn SEINEN Job riskieren, um dieses Fass aufzumachen. Für 15 Archäologiestudenten, die irgendwo in der Wüste Gobi beim Buddeln Kulturama hören und ….
Heimeisel Ich hab’s befürchtet. Dir haben sie auch schon den Chip implantiert. Wenn man etwas nicht direkt aussprechen kann, dann muss man eben einen Weg finden, es indirekt auszusprechen.
Heisenschnetz Indirekt?
Heimeisel Ja. Durch ein Feigenblatt zum Beispiel.
Heisenschnetz Verstehe. Und wie geht die Sache aus?
Heimeisel Am Ende nimmt man das Feigenblatt wieder weg.
Heisenschnetz Und dann…?
Heimeisel … sieht man, dass dahinter schon gar nichts mehr war.-
Wie ging jetzt das Rezept von dem Feigensenf?
Musikjournalist, Dramaturg