Klimarettung in Sao Paulo, Teil 7: Letzte Folge des Reiseblogs!

Zum dicken Deutschen Teil 1

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Meine Freunde Toffo und Cledson wollen unbedingt, dass ich ein echtes deutsches Restaurant in Brasilien ausprobiere, um ihnen zu sagen ob es „authentisch“ ist. Wie viele „Paulistas“ (Bewohner von Sao Paulo) sind sie von Essen besessen. „Wir haben keine tollen Strände wie in Rio, und das Wetter ist auch schlechter, daher kümmern wir uns mehr um die guten Dinge des Lebens“ sagt Toffo.

Wir entscheiden uns für „Jucalemao“, eine Restaurantkette die mit einem seltsam beschnurrbarteten Cartoonmännchen in Lederhosen für sich wirbt. Das Restaurant ist eingerichtet wie man sich in Brasilien eine deutsche Kneipe vorstellet: Holzstühle mit Herzchen, karierte Tischdeckchen und an jeder Wand große Bilder aus dem Reisebüro: Heidelberg, Köln, München.

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Das Menü bietet „deutsche Spezialitäten“, aber auch brasilianische Küche. Auf der Karte sind so typisch deutsche Gerichte wie Paprikaschnitzel mit Knödeln und Eisbein mit Nudeln zu finden. Ich bestelle eine Art Elsässer Wurstplatte für uns drei, das ist wohl noch das am wenigsten Heikle.

Der Wirt ist so begeistert über den Besuch eines Deutschen in seinem Restaurant, dass er mir einen kleinen Bierkrug schenkt

Später gehen wir im Stadtpark spazieren. Dieser besteht aus einer Art Sicherheitsgürtel mit Gewächshäusern, dann arbeitet man sich in ein überfülltes Zentrum vor, dessen Höhepunkt ein See bilden soll. Dieser entpuppt sich als braune Kloake, in der ein paar traurige schwarze Schwäne schwimmen. „Die Luft hier ist die schlechteste in Sao Paulo“ sagt Toffo. Kein Wunder – der Stadtpark ist umgeben von den meist befahrensten Schnellstrassen der Stadt.

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Alle Lieben Lena

Unsere Kostümassistentin heißt Lena und ist ein pralles Mädel mit barocken Formen, das ein gewisses Sexappeal ausstrahlt. Dies liegt vor allem an ihrer ostentativ zur Schau gestellten schlechten Laune – meistens sitzt sie auf dem Sofa hinter der Bühne und liest erotische Romane, nur ungern und unter Klagen rafft sie sich dazu auf, uns in unsere Kostüme zu helfen.

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Natürlich sind viele junge Männer der Produktion sehr daran interessiert, Lena zu unseren diversen nächtlichen Besäufnissen mitzunehmen,was leichter gelingt als erst anzunehmen war. Lena spricht nämlich sehr gut Englisch, was die Kommunikation mit ihr deutlich vereinfacht.

„Welcher von den Typen bei euch ist denn der Beste?“ fragt sie Mafalda vertraulich auf portugiesisch. Mafalda schweigt diplomatisch.

Um 6 Uhr morgens sitzt ein schwindendes Häuflein von Lena-Verehrern auf dem Dach des Hotels „Golden Tower“. Die ersten Gäste sind schon auf und betreiben – für uns Nachtdurchsäufer unerträglich –   Frühsport im angrenzenden Fitnessraum. Lena hat den ganzen Abend mit einer Freundin irgendwo in Sao Paulo per Handy kommuniziert, jetzt herrscht schon längere Zeit Funkstille. Wir fragen sie warum. „Ach, die f**** gerade bestimmt irgendeinen Typen“ sagt Lena.

Etwas später, die Sonne ist schon längst aufgegangen, knallt es plötzlich, in regelmäßigen Abständen. Wir wundern uns, weil es wie Schüsse klingt. „Nein, keine Schüsse“, sagt Lena, „die klingen anders, halliger, nicht so trocken“. Wir fragen sie, woher sie das so genau weiß. „Das war Feuerwerk: 6x heißt die Polizei ist da und 8x heißt, dass die Drogenlieferung in der Favela eingetroffen ist“. Wir sind erstaunt ob dieser Sachkenntnis. „Ich war mal mit einem Drogenboss zusammen“ sagt Lena trocken.

Sie nimmt einen weiteren Zug aus ihrer Zigarette. Die Schar ihrer Verehrer ist sehr klein geworden.

Derniere

Im Theater ist es üblich, bei Dernieren kleine Scherze in die letzte Aufführung einer Produktion einzubauen.

Dies sind die Premierenscherze des Amazonasprojektes (Eine Auswahl):

–         Ich benutze den kleinen Bierkrug aus dem Jucalemao-Restaurant bei der Szene, wo Christian Kesten und ich Mafaldas Kopf von beiden Seiten streicheln müssen. Nun muss sie einen Schluck aus dem kleinen Krug nehmen und gleich wieder ausspucken, gleichzeitig sorgt das in Sao Paulo wohl bekannte Restaurantlogo auf dem Winzkrug für große Erheiterung beim Publikum

–         Das ZKM-Team hat Phil Mintons Markierungen auf der „Treppe“ dergestalt verändert, dass er sich im Dunkeln rein theoretisch in ein Möbiusschleife begeben müsste, wenn er seine Position sucht. Leider gelingt dies nur partiell, aber lustige Verwirrung gibt es auf jeden Fall

–         Ich experimentiere mit der Rolle des Schamanen – immerhin ist es vielleicht das letzte Mal, das ich diesen grandiosen und theaterhistorischen Part spielen darf. Zum Trommelanfang werden noch Schreie und Gesänge hinzugefügt und Jochen Strodthoff als Politiker wird mit weißen Socken beworfen („wir wollen eure alten Socken nicht, wir sind unverkäuflich!“). Schließlich und endlich gelingt es mir, den Schlusschor darauf einzustimmen, die sonst von mir alleine gesungene und seltsam im Raume stehende Silbe „stroyed“ (Schluß von „Destroyed“, was sich natürlich im Text von Peter Weibel auf den „Rain Forest“ bezieht) mit gereckter Faust gemeinsam zu schreien.

–         Unser lieber Lichtkünstler Manuel hat eine Plastikspinne an Mafaldas weißem Schirm befestigt, leider vertauschen wir die Schirme beim Umziehen ausversehen, sodass die Spinne bei mir landet.

Danach großer, tränenreicher Abschied. Vielleicht geht die Produktion nach Manaus, um die Leute dort aufzurütteln, vielleicht auch nicht. Vielleicht darf ich nächstes Jahr von dort berichten, vielleicht auch nicht. Wir versumpfen die Nacht in einer lustigen Bar, die unter einem Antiquitätenladen quasi illegal versteckt ist. Christiane Riedel meint, dass die Sache mit „stroyed!“ bei der nächsten Aufführung des ZKM-Teils auf jeden Fall permanent eingebaut werden sollte.

Zum dicken Deutschen Teil 2

Am Flughafen von Sao Paulo zeichnet sich ausgerechnet der internationale Abflugbereich durch Abwesenheit von sowohl einer Auswahl an Lokalen wie auch Geschäften aus. Nebenan, bei den Inlandflügen, gibt es alles, was das Herz begehrt, Souvenirs, frisch gezapftes Bier, Bücher, Spielzeug. Ein nicht ganz überzeugendes Geschäftsmodell, wie uns scheint.

Mit der tapferen Schar der wenigen Münchenheimkehrer (die anderen zieht es weiter ins Landesinnere von Brasilien oder nach Berlin, London oder Zürich) landen wir wieder in einem „echt deutschen Restaurant“ , in dem es folgende bizarre Speisen zu essen gibt: „echte“ Frankfurter Würstchen (in Wirklichkeit eine einzelne rote Bratwurst) – „Der Deutsche trinkt dazu gerne Weizenbier“ verrät die Karte – schleimige Fleischkroketten („ein typisch deutscher Snack“ verspricht das Menü) die man eher in einem holländischen Selbstbedienungslokal („Febo“) oder am Frühstücksbüffet eines Hotels in Minsk vermuten würde. Pommes Frites in einem kleinen Pappschälchen, die den Preis von gut 8 Euro pro Portion wie ein Hohn erscheinen lassen.

Ein typisch deutsches Gericht: Salat aus Cervelatwurst garniert mit kleingeschnittenen Weißbrotstückchen

Ein typisch deutsches Gericht: Salat aus Cervelatwurst garniert mit kleingeschnittenen Weißbrotstückchen

Ein typisch deutscher Apfelkuchen mit "Sahne"

Ein typisch deutscher Apfelkuchen mit "Sahne"

Doch wir sind glücklich.

Glücklich, nach Hause zu kommen.

Glücklich, den Regenwald gerettet zu haben. Oder zumindest einen Teil davon.

ENDE des USA/Neufundland/Brasilien-Reiseblogs

Euer „dicker Deutscher“, Moritz Eggert

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