mini-mozart nach der songkur
als vor einigen monaten die nachricht über den geplanten mini-pavillon der münchner staatsoper in der presse erschien, konnte ich mich eines milchzahnbissigen kommentars nicht enthalten. jetzt endlich – ich weiß, hab den schlingel verpasst und das, wo er gerade seine abschiedrunde dreht, was passiert eigentlich jetzt in berlin mit der joneleit-oper? – habe ich den ersten mobilen opernpavillon der welt von angesicht zu angesicht kennen gelernt. und fühle mich ganz schäbig, denn er ist toll. was für ein blick sich ergibt, vom ende des marstallplatzes schauend auf das ensemble von staatsoper, staatsopernverwaltungsgebäude mit einer so genial subtilen olafur eliasson-kunst-am-bau-installation und diesem pavillon, der aussieht, wie ein kleiner blitzender meteorit, der aus extraterrestrischen umlaufbahnen auf den platz gefallen ist. wären wir im freizeitpark wäre hier das space center. wir sind aber in der schicki-oper und das erkennt man spätestens am „roten teppich“, auf dem sich die stachelige blackbox ironisch-prächtig niedergelassen hat. (und der auch zur nachtzeit noch zum abhängen einlädt oder zum knutschen, wie die beiden da hinten, oder alles beides.)
akustisch ist der raum viel besser als erwartet, strassengeräusche dringen an diesem abend nicht herein. (und der regenschauer, der spielen offenbar unmöglich macht, bleibt glücklicherweise auch erspart.) der raum ist sicher hervorragend für elektronisch verstärkte angelegenheiten ausgelegt, für instrumentale musik ist er ein bisschen stumpf, ein bisschen schalltot. ich möchte nicht anstelle der jungen sängerinnen und sänger stehen, die heute abend eine „intrigo internazionale“ geben – basierend auf wolfgang amadeus mozarts „le nozze di figaro“. sie singen glänzend.
der berliner regisseur johannes müller, der auch das drehbuch zum gegenwärtigen russisch-amerikanischen spionage-thriller verfasst hat, schiebt mozart und da ponte eine schumutzige kleine agentenstory unter. augehend vom ohnehin turbulenten verwirr- und versteckspiel des mozartschen originals sind die protagonisten im b-movie-stil hinter einem mysteriösen koffer und seiner koreanischen besitzerin her. der graf ist der boss einer „agentur“, deren mitarbeiter sich allesamt aufs belauschen und belauern, profilen und profitieren verstehen. der abend funktioniert auf verschiedenen ebenen. für den unbeleckten mini-opernbesucher ist es ein abend mit sex and crime, gefühl und action, schmissigen popsongs, einer sportlich-sadistischen oboistin und ab und zu ein bisschen klassicher musik – aber nicht zu viel. für den opernaddict kommt noch eine spassebene hinzu: es genügen die wechselnoten vom beginn der ouvertüre – und man ist mitten drin: wunder der reduktion. man braucht nicht mehr, um die erinnerung an all die figaro-ouvertüren seiner hörbiographie zu evozieren. und so ist es mit der ganzen oper: ohne umschweife springt dieser abend in die emotionalen schlüsselmomente, es braucht nicht viel. und dann muss dieses pathos noch nicht einmal immer ironisch gebrochen werden: dass johannes müller nicht nur klassiker schreddern, sondern auch mit spielfreudigen sängern arbeiten kann, spürt man an der ausdruckstiefe, die in den arien trotz der jugend der sänger immer wieder erreicht wird.
im kleinen innenraum des pavillons hat kein großes musikensemble platz. und das braucht es auch gar nicht. denn tobias schwencke hat ein äußerst geschicktes arrangement geschrieben für tasteninstrumente – hammond-orgel und cembalo eingeschlossen -, oboe und kontrabass. die farbigkeit, die er mit dieser kleinen palette erzeugt, ist großartig. und man traut seinen ohren kaum, was er mit unserem mozart anstellt: von wem ist dieser popsong? selbst als liebhaber erkennt man seinen mozart stellenweise kaum mehr wieder nach dieser songkur. und doch ist alles „original“. damit keine missverständnisse entstehen winkt ein kleiner, etwas zaunpfahlmäßiger monolog noch einmal mit payback-karten und vorratsdatenspeicherung, damit man nicht auf die idee kommt, das wäre schon alles gewesen. vielleicht eine unnötige geste, irgendwie aber auch grundsympathisch.
so geht es also zu in der mini-oper. einige garnichtsoookleinwagen des sponsors parken vor der tür, in den nächsten tagen stellt er hier sein nächstes modell vor. irgendwie passt alles zusmamen: genauso, wie mini-fahrer behaupten würden, sie fahren ein auto, werden pavillon-besucher sagen, sie seien in der oper gewesen. auf dem programmzettel steht, es handele sich um eine „fiktion“.
Musikjournalist, Dramaturg