Bedrohliche Nachrichten von der GEMA
Liebe Baddies,
Gerade eben erreichte mich ein Brief der GEMA, der allein an die Komponistenverbände und Verlegerverbände ging, also nicht alle E-Komponisten erreichen wird, daher möchte ich hier darüber informieren. Der Inhalt des Briefes liegt mir nur als .pdf vor, ich werde aber versuchen, ihn hier zugänglich zu machen. [Anschreiben als PDF]
Der Inhalt ist mehr oder weniger folgender:
1) Die GEMA stellt auf ein neues elektronisches Abrechnungsverfahren um, hiermit verzögert sich die Abrechnung vieler Aufführungen und 2009 wird nicht alles ausgeschüttet (Nachverrerchnung dann erst 2010)
2) Unter der Hand wird darauf hingewiesen, dass es zu einem massiven, bisher noch nie so da gewesenen Einnahmenrückgang in der Sparte E im Jahre 2008 gekommen ist, und zwar um 12,49% (Über1 Million Euro weniger als im Vorjahr). Dieser wird nicht etwa mit der Wirtschaftskrise in Zusammenhang gebracht sondern mit „Änderungen im Aufführungsverhalten der Veranstalter“, die zunehmend rechtefreies Repertoire bevorzugen. Auch einen Einfluss hat sicherlich das Freiwerden der Musik von Ravel und Gershwin, die ja stets gerne aufgeführt werden, dennoch ist hier ein neuer Trend zu beobachten, der in dieser Form noch nie so deutlich zu beobachten war.
Was bedeutet das für den Einzelnen?
Nun, der Rückgang von 12,49% wird sich auf praktisch alle E-Musikausschüttungen auswirken, außer man verzeichnet einen steigenden Trend von Aufführungen (was sicherlich nur die wenigsten von uns behaupten können). D.h. nur bei einer Handvoll E-Komponisten dürfte das Aufkommen in diesem Jahr steigen, bei allen anderen bricht es ein, und ich glaube nicht, dass das schon das Ende der Entwicklung ist.
Jeder kann sich selber einen Reim darauf machen, was das mit den anderen Themen in diesem Blog zu tun hat, ich kann nur selber sagen, dass mich diese Nachricht nicht wirklich überrascht. Wer jetzt noch glaubt, mit der Neuen Musik werde es so weiter seinen friedlichen kleinen Gang gehen, ja vielleicht sogar aufwärts, hat meiner Meinung nach eine mehr als rosa Brille.
Die Diskussion über den gesellschaftlichen Stellenwert von Neuer Musik muß also weiter gehen, jetzt noch dringender als zuvor.
Coraggio, Coraggio!
Euer
Bad Boy
Moritz Eggert
Komponist
ja und wenn dann noch die russen frei werden… gar nicht auszudenken!
Die GEMA-Abrechnungen der meisten Kommilitonen oder Kollegen dürften ohnehin kaum von finanzieller Relevanz gewesen sein. Unabhängig davon verstehe ich nicht, inwiefern der Rückgang infolge nicht stattgefundener Aufführungen solche Einnahmen betrifft, die sich aus eben doch stattgefundenen Aufführungen ergeben. Wenn Ravel jetzt „frei“ ist, mag das Folgen haben für die Erbengemeinschaft – aber für mich?
Gruß, S.
Danke, Moritz für die Infos,
ja liebe Blogger.
Was tun als Komponist. weiter schreiben oder Strick nehmen?
Dann doch lieber weiter schreiben! Trotz allem. Bleibt nichts, als sich halt bei der GEMA alle Jahre wieder bzgl. der Abrechnungen/zu späten Abrechnungen etc. beschweren und weiter um seine Verrechnungen, Nachverechnungen kämpfen und Leute in die Gremien wählen, die ein Herz für E.-Komponisten haben.
Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.
Das meine ich mit Neoliberalismus, wenn ich von der
Vermeidung von UA.s höre um „kosten“ zu sparen (so viele Kosten sind es gar nicht und es gibt für viele Veranstalter eh Rabatte und Pauchalverträge!)
Veranstalter etc. pepe scheint neueste Musik immer weniger Wert zu sein. Wo schon Aufträge(Auftragsmöglichketein massiv zurück gegangen sind. Und für allen möglichen anderen Scheiß werden mal eben Abermillionen verpulvert: Opel, Arcandor etc. pepe.-.. Jeder brüllt in der Gesellschaft nach Geld.
Nur wir braven Baddies (oder „Goddies“) nicht.
Warum kommen wir eigentlich nicht auf die Idee um
„Hilfe“ zu schrein?: „Wir wollen ein Konjunkturpaket für die Neue Musik (ob „Hab mich Lieb“ oder „widerborstige“ Musik…).
Antwort: weil wir selbst als Komponisten kaum mehr
daran glauben, dass unsere Musik für Gesellschaft und Individuum etwas WERT ist.
@Stefan Beyer (und viele andere E-Komponisten, denen dieser Zusammenhang auch nicht klar ist):
Lieber Stefan,
die Frage läßt sich leicht beantworten. Wenn das Streichquartett von Ravel in einem großen Konzertsaal vor viel Publikum aufgeführt wurde, nahm die GEMA bis 2007 wesentlich mehr Geld ein, als sie für diese Aufführung an den Komponisten (oder die Erben) ausgeschüttet hat.
Wenn ein Streichquartett von dir in einem kleinen Konzertsaal vor wenig Publikum aufgeführt wird, kriegst du dafür von der GEMA genau den gleichen Betrag ausgezahlt wie der große berühmte Ravel (Rihm, Henze, etc.), obwohl die GEMA aus der Veranstaltung viel weniger Geld eingenommen hat.
Diese Gleichbehandlung nahezu aller E-Musik-Aufführungen ohne Ansehen der Bekanntheit des Komponisten und des jeweiligen Inkassos (so heißen bei der GEMA die Einnahmen aus den Konzerten) funktioniert so, daß alles Geld quasi in einen Topf geschmissen und daraus ein Einheitswert für jedes Jahr berechnet wird, aus dem sich dann ergibt, wieviel z.B. für ein Streichquartett von 15 Minuten Dauer in Euro ausgezahlt wird.
(Das heißt übrigens, daß die „Großverdiener“ einen großen Teil der Einnahmen, die sie mit ihren Aufführungen erwirtschaften, an die „Kleine(re)n“ abgeben, und zwar meistens ohne Murren & Knurren.)
Wenn in dem Topf weniger drin ist, weil die Gershwin- und Ravel-Kohle nicht mehr gezahlt wird – für einen Gershwin-Abend muß man jetzt genauso viel/wenig an die GEMA zahlen wie für einen Mozart-Abend, nämlich 0,00 Euro – sinken also automatisch die Einnahmen aller Komponisten.
Schöne Grüße,
B.
@Stefan Beyer:
Jetzt hatte ich mir grade die Mühe gemacht, auf Stefans Frage
ausführlich zu antworten, aber scheinbar ist mein Beitrag im Nirwana des Internets verschwunden (@Admin: ich habe die Nutzungsbedingungen akzeptiert und eine valide Mailadresse angegeben, also warum das?)
Falls der Text nicht mehr auftaucht, hier nochmal kurz:
Alle GEMA-Einnahmen aus Konzerten kommen im Prinzip in einen Topf. Daraus wird dann jedes Jahr neu berechnet, wieviel die „Punkte“, die den Werken je nach Besetzung und Dauer zugeordnet sind, in Euro wert sind.
Die GEMA nimmt (bzw. nahm) aus Aufführungen von Ravel viel mehr Geld ein als aus Aufführungen von Stefan Beyer und verteilt diese Mehreinnahmen so um, daß Ravel und Beyer am Schluß für ein Stück in gleicher Besetzung und Dauer das gleiche Geld kriegen. Wenn jetzt die Ravel-Einnahmen wegfallen, wird die Geldsumme in dem Topf entsprechend kleiner, und das betrifft dann natürlich auch Stefan Beyer.
Schöne Grüße,
B.
aha,
„Your comment is awaiting moderation.“
Nagut. Nun habt ihrs doppelt.
Lieber Benjamin Schweitzer, liebe Blog-Nutzer,
wg. Missbrauchs und Gefährdung dieses Blogs musste letztes Wochenende leider eine Moderation eingeführt werde. Dadurch kommt es zu Verzögerungen bei der Bereitstellung von Kommentaren. Gegenwärtig wird es zunächst auch dabei bleiben. Allerdings ist es möglich, sich registrieren zu lassen; dann würde das Moderieren ausfallen. https://blogs.nmz.de/register sollte da erledigen.
Wen es interessiert: Ich hatte im Zusammenhang mit dem Missbrauch auch die Verwalter des einen vielfach benutzen Anonymisierungsservers informiert. Ändern können und wollen die nichts. Ich zitiere:
Aber ändern kann man daran nichts. Es ist ja auch gut, dass es solche Dienste gibt. Freilich wird ihr Nutzen konterkariert durch den Missbrauch.
Lieber Moritz,
es ist ja einleuchtend, dass die letzten massentauglichen E-Komponisten nun in den urheberrechtsfreien „Ruhestand“ nach 70 Todesjahren gehen und damit einiges Geld nicht mehr an die GEMA und somit an die noch lebenden Komponisten geht.
Aber die Behauptung, dass die Veranstalter im Bereich E-Musik GEZIELT lieber freies Repertoire spielen, gälte es noch zu untermauern. Welche Festivals für Neue Musik sind eingegangen im letzten Jahr? Welche Konzertreihen spielen neuerdings aus Geldgründen lieber Ravel statt Boulez? Ich kenne sie nicht und kann es nicht so recht glauben, dass es sie gibt.
…bei dem „Rückstand“ soll es sich um eine höhere fünfstellige Zahl von nicht abgerechneten Programmen handeln. Der Vertrag von Heker ist vom „alten“ Aufsichtsrat im Vorfeld der Wahlen bei der Mitgliederversammlung demnächst sicherheitsalber um fünf Jahre verlängert worden. Ein trefflicher Beitrag zur „System-Stabilisierung“…
Das war natürlich kein gutes „Informationsmanagement“ von der GEMA, ich hab mich auch gewundert, was da los ist.
Aber der Gerechtigkeit halber soll gesagt sein, daß die GEMA in dem Schreiben auch darauf hinweist, daß man einen Vorschuß auf die zu erwartende Nachzahlung beantragen kann. Davon habe ich vor Jahren mal Gebrauch gemacht, das geht recht rasch und unbürokratisch vonstatten.