Wer hatte mich in die sogenannte KREATIV-FABRIK eingeladen?

Und in welcher Form hatte ich die Einladung erhalten?

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Warum bin ich hingegangen?

 

In welchem Zimmer stand welcher Wein? Bzw. welcher war wie?

 

Gingst du im jeweiligen Raum zuerst zum Bild oder erst zum Büfett?

Zum Büfett? Ich auch.

Und gingst du dann mit der Wurst in der Hand an die Wand?

Und war da ein Bild an der Wand? Oder hing da ein Objekt von der Decke? Oder stand?

 

Wer hatte dich überhaupt eingeladen?

 

Und bissest du dann ins Wurststück und die Künstlerin äugte, scheu wie eine Kuh aus der Ecke und schluckte? Und du nipptest am Wein – und sagtest du dann nicht halblaut: ‚bei diesem hier gefallen mir aber die Farben!’?

Oder war ich es?

 

Oder hätten wir uns stattdessen zur Künstlerin beugen und sie in den Arm nehmen sollen?

Wäre das nicht aber maßlos gewesen?

Lieber in den Arm nehmen als halblaut sagen: ‚bei diesem hier gefallen mir aber die Farben!’?

Wenn schon aus Mitleid, mein ich.

 

Oder geht es gar nicht um Mitleid?

Ist es in Wirklichkeit die Wurst?

Die Wurst-Scham, das an den Fingern haftende, sich zwischen die Zähne fett und würzig setzende Wurst-Gewissen – als die nun plötzlich von Mund zu Ölbild hinübergewucherten Geschmacksknospen, die, das wissen wir, hier und heute nicht mehr blühen werden… Ist es das, was uns einander beteuern lässt, oja, der Einladung in die sogenannte KREATIV-FABRIK nachzukommen habe sich gelohnt?

 

Du, sind wir eigentlich noch drin?

 

Warum sieht es hier so aus, wie man es sich, seit man damals pädagogisch korrekt an den Kunstbegriff herangeführt wurde, vorstellt, dass es aussehen muss?

Weil das hier Kunst ist?

Wenn alles so ist wie es sein muss, dann sind wir doch richtig. Oder?

 

Nimm doch noch Wein.

Es scheint hier um deinen Geschmack zu gehen. Ja doch, das scheint mir die beste Handhabung unserer Situation zu sein – Wein trinken und dann degustieren. Hinten links vom Gang, im Raum neben dem Waschbecken ist er besser als der hier. Kenn mich eigentlich auch nicht aus, aber der Rote ist lecker. Und bei dem hier gefallen mir die Farben.

 

Ich glaube, man ist sich hier überhaupt einig. Einigermaßen. Ich glaube, es gibt gar nicht wirklich einen Ausweg. Die, die hier sind, kommen nicht mehr raus und versuchen umsichtig, einander nicht weh zu tun. Und wir fügen uns ein. Die Künstlerin äugt und widerkäut und wir loben ihre Wurst, schon wegen der Farben. Schließlich sind wir ja hingegangen, zur sogenannten KREATIV-FABRIK. Wer hatte uns eigentlich eingeladen? Und in welcher Form?

 

Sag mal, hältst du dich nicht auch für talentierter als die hier? Warum zum Beispiel gehst du dann nicht?

Ich weiß, ich bin auch zu betrunken. Die einzige Möglichkeit wäre noch das Fenster. Kannst du fliegen? Ich auch nicht.

 

Lass uns bleiben.

 

Aber jetzt schlag doch nicht das Bild so derb, ich dachte, die Farben hätten dir gefallen.

 

Mara Genschel

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4 Antworten

  1. Stefan Beyer sagt:

    Der Blog kriegt so einen privatischen Einschlag. Lese ich umso lieber. Und was für illustre Autoren. Prima!

    S.

  2. sickorski sagt:

    Und was soll uns das alles sagen?

  3. Köszeghy Pèter sagt:

    my comment:
    „he???? wat is dat denn???“
    Berlin lässt sich grüssen…….

  4. wechselstrom sagt:

    Klingt wie der Monolog einer Malerin, die gerne bei einer Nitsch-Aktion im Assistentenkreis aufgenommen werden möchte, damit sie auch einmal mit nackten Füßen über seine Bilder wandern darf.
    weitere Hörprobe unter:
    http://www.wdr3.de/literaturfeature/details/artikel/krieg-der-manifeste-1.html

    Eröffnung der nächsten Nitsch-Ausstellung: 30 Mai, Museumszentrum Mistelbach

    Sehr viel Buntes dort zu sehen!

    wechselstrom