100 Argumente gegen die GEMA-Reform (3)

Teil 3, Argumente 21-30
Was bisher geschah:
„U“ und „E“ sollen abgeschafft werden, verkündet die GEMA. Klingt ja erst einmal gut. Bis man versteht, dass das alles nur eine rosarote Brille ist, die man euch aufsetzt. In Wirklichkeit stehen knallharte Geschäftsinteressen dahinter, denen die bisherige Kulturförderung der GEMA ein Dorn im Auge ist. Was sie euch in ihren Werbespots verschweigen: In Zukunft sollen die Fördermittel nämlich drastisch reduziert werden, was allen – U wie E – schaden wird. Und plötzlich gibt es ein neues „E“ – das heißt dann KUK und belohnt zum Beispiel, das man in „Mundart“ singt, oder in „Kulturorten“ spielt, wo man für die „Verzahnung von Text und Musik“ Extrapunkte bekommt. Klingt erstaunlich nach Applaus von der falschen Seite, hat sich aber die GEMA ausgedacht, und ihr – Du und ich und wir alle – müssen am 14. und 15. Mai in München dagegen stimmen. Außer ihr wollt, dass euch in Zukunft Gremien aus lauter 60-jährigen sagen, was innovativ ist und was nicht.
21. Die GEMA hat immer ausgezeichnet, dass sie sich Konzerninteressen widersetzt, nun tut sie genau das Wir müssen uns klar sein, dass die als „Neuausrichtung der Kulturförderung“ getarnte Reform in Wirklichkeit ein Schritt in Richtung kaltes Konzerndenken ist. Mit Begriffen wie „Leuchtturmförderung“ soll nur kaschiert werden, dass man die ganze Kulturförderungssparte möglichst einfach unter einen Hut bekommen will um sie dann in den kommenden Jahren zunehmend abzufertigen und zu marginalisieren. Die 10% Soziokulturelle Abzüge sind NICHT gesichert, das gibt die GEMA auch selbst zu. Dieser Trend ist bei anderen Verwertungsgesellschaften die ähnliche Reformen hatten, schon jetzt zu beobachten (zum Beispiel bei der PRS/UK). Von dort flehen einen die Kollegen an „macht nicht dieselben Fehler wie wir“, und jetzt sollen wir genau dies tun, nur noch viel schlimmer als dort. Warum eigentlich? Sind wir so schwach, sind wir wirklich nur Sklaven des Systems? Oder gibt es etwas, das die GEMA auszeichnet und immer ausgezeichnet hat, was man jetzt um jeden Preis verteidigen sollte? Ganz sicher letzteres.
22. Die GEMA will den Kostensatz angeblich senken, wird ihn aber wegen der Reform erhöhen müssen, was weniger für alle bedeutet Bei allen Problemen der angeblich „zu komplizierten“ E-Abrechnung, macht die GEMA jetzt ein ganz neues Fass auf: Gremien, die darüber entscheiden, was aktuell ein „Kulturort“ ist, und was nicht (diese Listen müssten ständig aktualisiert werden). Bürokratie, die überprüft, ob ein Werk in einem „KUK“-Konzert nun auch wirklich ein „KUK“-Werk war und Punkte bekommen darf. Gremien, die über die Vergabe von „Leuchtturmförderung entscheiden“. Gremien, die darüber entscheiden, was „Innovation“ ist (im Moment ist das Durchschnittsalter in GEMA-Gremien um die 60 Jahre). Gremien, die das schon jetzt nur halb ausgearbeitete Punktesystem ständig reformieren, erneuern und verbessern, was uns in Zukunft unzählige Anträge bescheren wird. GEMA-Mitarbeiter, die sich mit tausenden von Beschwerden über eine nicht erfolgte KUK-Bewertung auseinandersetzen müssen, die sowohl von Veranstaltern wie von Künstler:innen kommen werden. Das wird kosten, kosten, kosten. Warum eigentlich tut man sich so einen Quatsch an?
23. Die Unmöglichkeit, einen „Kulturort“ zu definieren Was ist denn nun ein „Kulturort“? Die Elbphilharmonie? Dort treten alle möglichen Acts auf. Fazit: Ab nun man muss jedes einzelne Konzertprogramm überprüfen, ob es nun ein „KUK“-Konzert war oder nicht, da der Ort allein nichts darüber aussagt, ob das Konzert gefördert werden muss. Ab wann ist es KUK? 51%? 70% KUK-Anteil? Hierzu muss man jedes einzelne Stück betrachten, dazu reichen die GEMA-Daten nicht aus, es benötigt persönliche Einschätzungen und ganz neue Kriterien für die Beurteilung (momentan sind 15 Millionen Werke bei der GEMA registriert). Bürokratieaufwand pur, viel Spaß.
24. Die Begriffe „Kulturorte“ und „Kulturkonzert“ sind abwertend und verächtlich gegenüber allen anderen Was soll ein Singer-Songwriter denken, der plötzlich gesagt bekommt, das sein Konzert kein „Kulturkonzert“ ist? Ist Popmusik nicht auch Kultur? Wenn man diese neue Kategorie aufmacht, entsteht eine Abwertung von Genres, die viel schlimmer ist als die vormalige Trennung zwischen U und E, die in Wirklichkeit nie eine strenge Trennung war, weil es genügend Mitglieder gibt, die problemlos in beiden Sparten unterwegs sind.
25. In dem Moment, in dem KUK als neue Kategorie eingeführt wird, werden alle versuchen, KUK zu sein, und dabei alle möglichen Tricks und Geschäftsmodelle anwenden Veranstaltungen mit geringem Inkasso werden versuchen, irgendwie in den KUK-Tarif zu kommen, um zusätzlich abzusahnen. „Kulturorte“ werden von Agenturen überrannt werden, es wird zu Bestechungen und Manipulationen kommen. Jede Art von Kleinkunst wird gute Argumente haben, irgendwie „KUK“ zu sein, der Topf wird auf immer mehr Leute aufgeteilt bis am Ende niemand mehr irgendetwas davon hat.
26. Weitere schrecklichste Geschäftsmodelle drohen, da man dafür eine Steilvorlage gibt Faktor 2 in KUK für jungen Nachwuchs? Wunderbar, meine ganze Familie tritt der GEMA bei, auch der dreijährige Sohn und seine zweijährige Schwester. Die sind halt einfach genial, und da es ja nun egal ist, was genau sie komponieren, reicht es auch, wenn sie einfach nur in eine Trillerpfeife blasen und das bei der GEMA anmelden, den „Werk“-Begriff gibt es ja nicht mehr. Am besten geschieht dieses Trillerpfeifen natürlich an einem „Kulturort“. Bei 19 Minuten 59 bekomme ich 10 KUK-Punkte, bei 20 Minuten 1 Sekunde bekomme ich 20? Super, dann schnell noch eine Fermate einbauen, es lohnt sich! Besetzung bis 9 Musiker und darüber gibt es mehr Punkte? Mein Onkel spielt Maultrommel, der macht dann noch schnell mit, damit ich auf 10 Leute komme. Man sieht schnell, was für Probleme entstehen, wenn man ein System, dessen Fehler man in den letzten Jahrzehnten mühsam ausgemerzt hat, verlässt, und gleich wieder tausend neue Fehler schafft.
27. Alle Probleme des jetzigen Verteilungsplans hätten viel leichter gelöst werden können als mit der jetzigen Reform Warum man nicht Schritt für Schritt und mit Bedacht diese Probleme angeht und wirklich dauerhaft löst, anstelle einen riesigen Kladderadatsch an Ungewissheiten und gefährlichen Ungerechtigkeiten für alle (!) GEMA-Mitglieder zu schaffen, wird auf ewig ein Geheimnis der Reformanreger sein. Die U-Wertung müsste dringend reformiert werden und könnte problemlos besser Nachwuchs in U fördern, dasselbe wäre auch in E möglich. Sowohl U als auch E könnten von solchen individuellen Lösungen profitieren, man kann das dann auch gerne anders als U und E nennen, daran hängt niemand. Dass es aber getrennte Töpfe sind, hat sich über ein Jahrhundert lang schon als sinnvoll erwiesen. Warum will niemand in der GEMA eine spezielle Kulturförderung von U? Warum muss das mit einer vollkommen anderen Sparte vermischt werden, die nach ganz anderen Kriterien funktioniert?
28. Die GEMA hat in den vergangenen Monaten bewusst Vorschläge ignoriert, die tatsächlich mehr Gerechtigkeit geschaffen hätten Logarithmische Verteilung anstatt strenge Minutengrenzen, die nur Geschäftsmodelle und Betrug fördern? Nein Danke, sagt die GEMA. Freiwillige Teilnahme an der Sozialkasse? Nein Danke, sagt die GEMA. E-Musik anders definieren, Jazz und genreübergreifende Musik in das ehemalige E aufnehmen? Nein Danke, sagt die GEMA. All dies spricht nicht dafür, als sei jemals Mitbestimmung gewünscht gewesen, stattdessen wird alles abgekanzelt, was nicht in die Einbahnstraße der Reform führt. Das schafft kein Vertrauen, sondern vernichtet die konstruktiven Gedanken eines Vereins (!), der auf Mitbestimmung und gute Ideen angewiesen ist.
29. Warum arbeitet man nicht einfach mit Deckelungen? Wenn man eine Verteilung gerechter machen will, sind kluge und vorsichtig angesetzte Deckelungen der Großverdiener ein probates Mittel, das nicht die Gefahr von Ausnutzung und Geschäftsmodellen beinhaltet. Dies müsste allerdings vornehmlich in U geschehen, denn die Großverdiener dort haben Wertungsaufkommen, die fern von denen der Großverdiener in E sind.
30. Es wird eine ungerechte Eifersuchtsdiskussion aufgemacht, die jeglicher Faktengrundlage entbehrt In E verdienen angeblich zu wenige zu viel, gleichzeitig wurde aber E kleingehalten und im Wertungsausschuss manches unentschieden gelassen, das eigentlich nach E hätte abgerechnet werden sollen. Die Wertungsmark war insbesondere durch Corona starken Schwankungen ausgesetzt, die das Bild verzerren. Man muss daher in längerfristigen Trends denken – es wäre keinerlei Problem, E zu stärken und zu vergrößern, und das Problem, dass Tantiemen und Wertung in keinem gesunden Verhältnis stehen würde sich von selbst lösen, und das ganz ohne riskante Reform.
Fortsetzung folgt
Komponist
„Kulturort“ als Kriterium ist wirklich absurd, zumal gerade die Klassik derzeit versucht, mehr niederschwellige Angebote und mehr inklusive Musikvermittlungsprogramme zu schaffen, um mehr Menschen zu erreichen, die normalerweise nicht in „Kulturorte“ wie Konzertsäle oder Opernhäuser gehen.
Mag sein, dass bei solchen Angeboten eh eher GEMA-freie, bekannte Klassik gefragt sind als Neue Musik. Kulturort“ als Kriterium ist wirklich absurd, zumal gerade die Klassik derzeit versucht, mehr niederschwellige Angebote und mehr inklusive Musikvermittlungsprogramme zu schaffen, um mehr Menschen zu erreichen, die normalerweise nicht in „Kulturorte“ wie Konzertsäle oder Opernhäuser gehen.
Mag sein, dass bei solchen Angeboten eh eher GEMA-freie, bekannte Klassik gefragt sind als Neue Musik.
Aber es geht auch um die Botschaft, die von einer solchen Wertung ans Publikum (und vielleicht auch in die Musikszene selbst) gesendet wird.
Open Air Konzert auf dem Rathausmarkt ist keine Kultur, auch wenn ein Staatsorchester spielt?
Ein Konzert für demente Menschen ist nur dann Kultur, wenn es im Kulturzentrum passiert, aber nicht wenn es in der Seniorenresidenz stattfindet? Und was ist mit einem Stadtteilzentrum?
Experimentelle Jazz in einem Cafe ist keine Kultur?
Ist eine Galerie oder eine Bibliothek ein Kulturort im Sinne der GEMA?
Was ist mit einer Scheune beim Sommerfestival?
Aber es geht auch um die Botschaft, die von einer solchen Wertung ans Publikum (und vielleicht auch in die Musikszene selbst) gesendet wird.
Open Air Konzert auf dem Rathausmarkt ist keine Kultur, auch wenn ein Staatsorchester spielt?
Ein Konzert für demente Menschen ist nur dann Kultur, wenn es im Kulturzentrum passiert, aber nicht wenn es in der Seniorenresidenz stattfindet? Und was ist mit einem Stadtteilzentrum?
Experimentelle Jazz in einem Cafe ist keine Kultur?
Ist eine Galerie oder eine Bibliothek ein Kulturort im Sinne der GEMA?
Was ist mit einer Scheune beim Sommerfestival?