„Ich habe ja nichts gegen Streichquartette, aber…!“
Musiker, die politische Meinungen haben: Das ist in der Geschichte schon häufiger schief gegangen. Ziemlich schief. Es kann aber natürlich auch durchaus erfreulich sein. Ich selbst mag (manche) politische Kunst/Musik. Ich mag nur naiv geführte Debatten über „Was ist eigentlich politische Musik?“ nicht.
Und was ich auch nicht mag: die AfD, Fremdenhass, den Focus (zum Beispiel) – und Ostdeutsche, die noch nie einen Flüchtling gesehen haben, aber trotzdem möglichst jeden Tag Springer-Presse-Artikel gegen Flüchtlinge, Muslime und andere auf Facebook posten.
Selbstverständlich darf jeder (fast) alles auf Facebook schreiben/posten. Bis es halt gemeldet und eventuell entfernt wird. Oder auch nicht. Man kann Facebook-Kontakte auch einfach für sich löschen oder blockieren. Wobei die Lösch-Variante die mit dem besseren Gewissen ist.
Ich will gar keine große Debatte entfachen. Ich will nur einfach sagen, dass ich Fremdenfeindlichkeit und Homophobie so dermaßen unakzeptabel finde, dass ich mit Stolz sage: Unter meinen über 800 Facebook-Kontakten befindet sich niemand, der die AfD geliked hat. Das ist jetzt natürlich nicht toll von mir oder so. Da bedarf es von meiner Seite aus keiner großen Leistung. Das ist einfach nur schön, wunderwunderschön. Ich sitze milde lächelnd an meinem Schreibtisch und bin froh darüber. Wobei mir das Lächeln vergeht, wenn ich daran denke, dass es aktuell hierzulande Menschen gibt, die ihren ganzen konservativen Rechtsrotz hinausposaunen und tatsächlich glauben, sie hätten jetzt endlich mal „die Wahrheit“ gesagt. Das sind die Viele-Ausrufezeichen-Benutzer, die „Ich-habe-ja-nichts-gegen…!“-Sager, die „Endlich-bekommt-Merkel-mal-einen-Denkzettel!“-Schreiber, die „Alle-Politiker-sind-Verbrecher!“-Poster, sprich: die Idioten.
Und solche Idioten gibt es auch in der klassischen Musikszene.
Gestern sprach mich ein Freund, der selber keinen Facebook-Account hat, darauf an. Und tatsächlich postet der Cellist eines bekannten deutschen Streichquartetts fast jeden Tag Artikel gegen Flüchtlinge, über Ausländerkriminalität, gegen die „Die-sind-alle-pädophil!“-Grünen und so weiter. Selbstverständlich bin ich mit diesem Herrn nicht befreundet – und will es auch nicht sein. Nein, jeder kann – ohne ihn auf Facebook als Kontakt hinzugefügt zu haben – seine Postings lesen.
Und so „schlimm“ sind die vielleicht gar nicht. Oder halt doch. Ich meine: Ich rege mich überhaupt nicht auf, ich würde nur dieses Streichquartett, das doch endlich mal wieder positive Presse bräuchte, als Veranstalter einfach nicht mehr einladen. Einfach, weil der Cellist dieses Streichquartetts offensichtlich ein xenophobisch veranlagter Zeitgenosse ist. Wirklich: Jetzt bitte nicht aufregen oder so. Jeder soll seine eigene Meinung haben. Ich habe meine. Und ich finde es momentan entsetzlich, in Deutschland zu leben. Aber: Wir schlauen und schönen Menschen: Wir bleiben hier. Haha. Tschü-hüss für’s Erste!
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.
Ungünstig für die PR des Quartetts, das zum Teil um Solidarität für seinen ehemaligen in NYC festsitzenden Primarius bittet, was hoffentlich baldmöglichst gut ausgehen möge. Andererseits peinlich,wenn ein anderer Teil der Truppe in social media Solidarität mit Geflohenen verneinende und die Gesellschaft geistig in die Hundhammer-Adenauerzeit zurückwünschende Parteien und Verschwörungstheoretiker propagiert. Sonst wäre Dein Beitrag, Arno, nicht so wichtig. Aber wer Solidarität einfordert, sollte selbst zumindest zurückhaltend agieren. Aber z.B. das Beck-Posting ist an Peinlichkeit kaum zu toppen, eines Kulturbotschafters Deutschlands absolut unwürdig. Da exkulpiert auch der Standort “große sächsische Messestadt“ nicht. Beziehungsweise wäre mal ein Lehrgang zu Privatsphäreeinstellungen in sozialen Netzwerken angesagt…