Offener Brief der deutschen Musikhochschulen (RKM) an die GEMA

Offener Brief der deutschen Musikhochschulen

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an den Vorstand und den Aufsichtsrat der GEMA

zur aktuellen Diskussion um die geplante GEMA-Reform

  1. März 2025

 

Als Rektorinnen der deutschen Musikhochschulen (RKM = Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der HRK) sind wir zutiefst besorgt über die geplante GEMA-Reform, die aus unser Sicht nicht hinreichend diskutiert wirkt. Insbesondere scheinen uns dabei die möglichen Auswirkungen für Komponistinnen auf dem Weg in die Professionalität, aber auch für Verleger*innen oder anverwandte Berufsbranchen nicht wirklich im Blick zu sein.

Ein Beispiel: Wenn nur noch eine rein inkassobezogene Verteilung der GEMA-Gebühreneinnahmen vorgenommen wird, wenn das „Werk“ an sich nicht mehr gefördert wird, sondern nur noch die „Werknutzung“ über dessen Förderungswürdigkeit bestimmt, werden junge Komponist*innen bzw. Kompositionsstudierende kaum noch Chancen haben, irgendwann sog. ordentliche GEMA-Mitglieder zu werden, da deren sog. Mindest-Aufkommen aufgrund der neuen Regelungen dazu nicht mehr ausreichen würde. Dieses Schicksal würde paradoxerweise selbst einen so produktiven Komponisten wie J.S. Bach treffen, der ja fast ausschließlich für den (inkassoarmen) Bereich der Kirchenmusik komponiert hat.

Die deutschen Musikhochschulen lehnen daher die geplante Aufgabe des bisherigen Solidarprinzips zugunsten überwiegend kommerziell ausgerichteter Inkasso-Verteilungsregeln entschieden ab (man stelle sich so etwas einmal bei anderen Solidargemeinschaften, wie z.B. den Krankenkassen vor…). Wenn Nachwuchskomponistinnen nicht mehr über die GEMA und ihr bisheriges System der „Wertungen“ Punkte einsammeln können, können Komponistinnen von anspruchsvoller Neuer Musik – die oft monatelang an einem einzigen Werk arbeiten – quasi nur noch über Auftragshonorare Einnahmen generieren. Es droht dann eine ganze Kaskade von unabsehbaren Folgen für die deutsche Musikszene:

Kompositionsaufträge müssten zukünftig deutlich höher dotiert werden, würden dadurch seltener, da sie nur noch von besonders finanzstarken Festivals oder Rundfunksendern vergeben werden können. Neue Musik-Festivals würden ausbluten, es würde weniger Uraufführungen und weniger Neue Musik geben sowie weniger auf Neue Musik spezialisierte Musikerinnen und Ensembles. Kleineren Verlagen drohte die Insolvenz, Lektorinnen und Musikwissenschaftler*innen der Jobverlust.

Die an Neuer Musik bisher im internationalen Vergleich reiche Veranstaltungslandschaft in Deutschland würde massiv schrumpfen, Deutschland als Kulturland dadurch uninteressanter für ausländische Kompositionsstudierende und Musiker*innen. Das akademische Kompositionsstudium und die entsprechenden Abteilungen an den Musikhochschulen stünden zur Disposition, musikwissenschaftliche Uni-Institute würden unattraktiver.

In der Konsequenz stellt sich der den Reformprozess beobachtenden RKM die Frage, ob die angestrebte GEMA-Reform nicht ungewollt die derzeit in Deutschland noch reichhaltige Diversität von neu geschaffener Musik zugunsten eines zunehmend kommerzialisierten Mainstreams gefährdet.

Zudem sind wir Hochschulleitungen besorgt über die von der GEMA in ihrer Reform-Präsentation dargestellte Option der Reduktion des bisherigen 10%-Pauschalabzugs (auf nur noch 5% in 2030), der auch für ausländische Nutzer von GEMA-geschützter Musik gilt und dessen Ertrag bislang für soziale und kulturelle Zwecke eingesetzt wurde. Wir appellieren nachdrücklich an die GEMA, diese sinnvolle – und ja: einmalige! – sozialökonomische deutsche Besonderheit nicht aufzugeben aufgrund des Drucks ausländischer, rein kommerziell orientierter Konzerne und Verwertungsgesellschaften.

Ob ein zukünftiger neuer Verteilungsschlüssel der Mittel für soziale und kulturelle Zwecke dann noch mit dem hierzulande geltenden Verwertungsgesellschaftengesetz (insbesondere mit §32 VGG) in Einklang steht, bliebe einer Prüfung durch das Patentamt vorbehalten, das aufgrund des Monopols der GEMA in Deutschland ggf. tätig werden müsste.

So begrüßenswert es ist, die überkommene Dichotomie von E- und U-Musik aufzugeben und Nischenstile und Nachwuchsmusiker*innen auch aus dem Pop-Bereich in den Genuss der GEMA-Kulturförderung kommen zu lassen, so unklar bleiben bisher viele Punkte aus den von der GEMA bis dato (eher schleppend) offen gelegten Reformplänen:

  • Wie können der Nachteil der wesentlich zeitaufwendigeren Produktion und der dadurch geringere Output von Avantgarde-Werken ausgeglichen werden ?
  • Werden auch Musikhochschul- und Kirchenmusik-Aufführungen in den neu geplanten KUK-Tarif aufgenommen ?
  • Bleiben die bisherigen Pauschal-/Rahmenverträge oder werden sie neu ausgehandelt, wenn ja, wie und unter welchen Prämissen?
  • Wird das bisherige Unterstützungs- und Vorsorge-Prinzip, das ja gerade für noch junge Komponist*innen besonders sinnvoll ist, beibehalten oder ebenfalls abgebaut ?
  • Wie soll ein ggf. neuer Verteilungsschlüssel der Mittel für soziale und kulturelle Zwecke aussehen ?

 

Die RKM bittet daher die GEMA, die geplante Reform um mind. ein Jahr aufzuschieben und vor allem unter Einbeziehung der unmittelbar Betroffenen, also auch der im Aufsichtsrat kaum vertretenen Komponist*innen der Neuen Musik, alle möglichen Alternativvorschläge zu diskutieren. Es sind davon einige derzeit im Umlauf, die die bisherigen Regelungen und Kategorien neu zu denken versuchen. Bisher wurden diese jedoch nach unserem Eindruck kaum angemessen gewürdigt und diskutiert.

Die avisierte Reform ist für unsere Kulturlandschaft so tiefgreifend, dass unter Einbeziehung aller Berufsgruppen in der GEMA in Arbeitsgruppen Auswirkungen unterschiedlicher Reformmodelle durchdacht und reflektiert werden sollten. Es gilt das Für und Wider unterschiedlicher Reformmodelle nicht nur im Hinblick auf U- und E-Musik bzw. Songwriter und Komponist*innen abzuwägen, sondern insbesondere sich mit den gesamtkulturellen Auswirkungen zu beschäftigen – um dann Beschlüsse fassen zu können, die allen musikalisch-künstlerischen Berufsgruppen eine auskömmliche Zukunft ermöglichen.

Gut Ding will Weile haben. Die notwendige Zeit zum gründlichen Überdenken und Diskutieren wünschen wir der GEMA, ihren Gremien und Mitgliedern unbedingt.

Das sollte der GEMA die von ihr vertretene Musik wert sein.

 

Der Vorstand der Rektorenkonferenz

der deutschen Musikhochschulen (RKM)

  1. März 2025
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