Kein Impuls-Erhaltungssatz mit Null
“Impuls-Festival Sachsen-Anhalt droht das Aus” berichtet Deutschlandfunk Kultur am 8.7.2019 und lässt die Vorwürfe rotieren, die bisweilen den Charakter des Abstrusen erreichen:
“Das Festival habe eine zu geringe nationale beziehungsweise internationale Ausstrahlung, es kämen zu wenige Auftragswerke von Komponisten aus Sachsen-Anhalt. Und es würden eher moderne als zeitgenössische Werke gespielt werden. Gründe, warum man jetzt dem Festival eine künstliche Pause verordnen beziehungsweise die Landesförderung für ein Jahr aussetzen wolle, wie hinter den Kulissen zu hören ist.”
Das hat man so nun noch nirgendwo gar nicht gehört. Ein Mangel an zeitgenössischen Werken wird da eher weniger offen bekrittelt. Wenn es so wäre (was übrigens nicht der Fall ist, wie Moritz Eggert an anderer Stelle hier im Bad Blog nachgezählt hat): Wie wäre es dann, entsprechende Aufträge zu vergeben und seitens der ministeriellen Geldgeber auch entsprechend Geld in die Hand zu nehmen.
Nö! Da will man lieber das Festival aussetzen. Logisch. Wenn Null moderne und Null zeitgenössische Werke nicht gespielt werden, ist die Balance wiederhergestellt. Kulturpolitik kann ja so einfach sein.
Moritz Eggert hat übrigens schon 2018 auf die Fehlstellung der kulturpolitischen Weichen in Sachsen-Anhalt hingewiesen.Da schrieb er: „Und sehr schnell ist dann eben auch die AfD zur Stelle, die dem Festival unterstellt, ‚linke kulturelle Experimente auf Kosten des Steuerzahlers‘ zu betreiben.“ Weht da her der Wind, den Rainer Robra zum Sturm auf das Festival anfeuert. Man will es ja nicht glauben. Jetzt ist die Karre im Dreck.
Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt und Neue Musik – Krise und Kritik
Der Deutsche Komponistenverband hat in einem offenen Brief Stellung genommen. Es schreibt der Vorstand:
„Wir fordern Sie daher auf, den Fortbestand dieses deutschlandweit einzigartigen Festivals zu sichern. Statt im Geheimen irgendwelche Entscheidungen zu treffen, deren Grundlagen nicht nachvollziehbar sind, sollte vielmehr ein offener Dialog mit allen Beteiligten die Basis sein, IMPULS und eventuell sogar mögliche Erweiterungen seines Konzeptes zu diskutieren. Ein „Pausieren“ des IMPULS Festivals, zumal im Jahre 2020 während der Initiative ‚Musikland Sachsen-Anhalt‘, oder gar eine Abwicklung des Festivals wäre in jedem Falle ein falsches Signal und ein kulturpolitischer Rückschritt.“
Auch der Landesmusikrat Sachsen-Anhalt empfindet den Streit und die öffentliche Diskussion über das Thema „schädlich“. Oder hier:
„Gerade vor dem Hintergrund, dass das kommende Jahr mit „Musikland Sachsen-Anhalt“ überschrieben werden soll, wäre es ein Armutszeugnis, wenn die größte Ambition Neuer Musik unseres Landes und das einzige Orchesterfestival Deutschlands, sein Festival IMPULS, pausierte.“
Aber nein, stattdessen fällt in Sachsen-Anhalt das Licht auf anderes. Zum Beispiel auf das 1. Internationale Jazzfestival im Kloster Jerichow. „Kultur- und Staatsminister Rainer Robra zeigt sich von den Plänen für das Festival begeistert“, liest man in der Pressemitteilung. Rainer Robra sagt da:
„In Sachsen-Anhalt kann man die ganze Vielfalt der Musik erleben: vom Mittelalter über den Frühbarock bis hin zur zeitgenössischen Musik.“
Aber bei Abwicklung des IMPULS-Festivals deutlich weniger von Letzterer.
„Jazz im Kloster Jerichow wird die Musikkultur in unserem Land bereichern. (…) Sehr gerne habe ich die Schirmherrschaft über das 1. Internationale Jazzfestival im Kloster Jerichow übernommen.“
Es kommt ja schließlich auch Till Brönner. Da regnet es Publizität.
Natürlich ist es schön, wenn in Sachsen-Anhalt auch die Jazzszene zum Blühen gebracht werden soll. Und wohl sollte man die eine Inititiative nicht gegen eine andere ausspielen. Darum geht es aber auch nicht. Wie sich die Landesregierung Sachsen-Anhalt in Person Rainer Robras aber hier als Schirmherr auch über die zeitgenössische Musik aufspielt, das wirkt durchschaubar unehrlich. Ehrlich? Da läuft man doch lieber durch den Regen. Das ist Kulturpolitik aus dem Geiste Lindnerscher FDP. getreu dem dem Motto: „Es sei besser keine Musik als falsche Musik zu spielen.“
Das kennzeichnet leider dann doch nichts anderes als (kultur-)politisches Versagen.
seit 1997 chefökonom der kritischen masse und netzbabysitter der nmz.
Die Kritik ist ja nur zu berechtigt. Aber ich kann mich nicht die Bohne daran erinnern, dass man sich bei ähnlicher Erledigung der Dinge und nun stattfindenden allmählichen aber nicht (mehr) zu übersehenden Verschiebung Richtung Pop im Rahmen einer „Verpop(p)ungsstrategie“ des aktuellen Kulturministers im Saarland auch nur ansatzweise so oder ähnlich aufgeregt hätte. Jetzt gibt es kaum mehr nennenswerte Aktivität im Bereich Gegenwartsmusik im Saarland, wo es mal das recht beachtliche Festival des Saarländischen Rundfunks „Musik im 20./21. Jahrhundert“ gab … das wird Sachsen-Anhalt ebenfalls blühen.