Circuit Bending – Weihnachtsgeschenke selbst gehackt

Die große Geburtstagsparty unseres berühmten Tischlerfreundes steht mal wieder vor der Tür!
Diese nehmen wir jedes Jahr aufs Neue zum Anlass, unseren Lieben mit Geschenken eine Freude zu bereiten. Dabei geht es vor allem darum, etwas möglichst Persönliches zu schenken. Worüber würde Sie oder Er sich besonders freuen? Was könnte Sie oder Er gut gebrauchen? Und was gibt es für Möglichkeiten, ressourcenschonend Materialien wiederzuverwerten? Wer noch ziemlich ratlos ist, dem sei an dieser Stelle mit der absolut nützlichsten, Universal-Freude bereitenden Super-Geschenk-Idee weitergeholfen:

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Der kleine Vogel Furby aus obigem Video klingt im handelsüblichen Original bekanntlich weniger durchgeknallt, sondern eher konventionell niedlich. Um ihm einen ganz individuellen Klangcharakter zu verleihen, bedarf es der Methode des sogenannten Circuit Bendig. Dabei handelt es sich um eine Art kreatives Kurzschließen von elektronischen Spielzeugen und Spielzeuginstrumenten, um deren Klanglichkeit zu manipulieren. Dazu muss man zunächst das gewählte Spielzeug so weit sezieren, bis man an die Platine herankommt. Hat man diese einmal freigelegt, ist es im Grunde genommen das Ziel, neue Verbindungen zwischen Schaltkreisen herzustellen, so dass Daten fehlgeleitet werden. Dabei spielt ein gewisser Random-Faktor eine wesentliche Rolle, denn man weiß vorab nie, was am Ende klanglich aus der Operation herauskommt.

Besonders gut eignen sich ältere Spielzeuge, am besten Modelle aus den 90er oder 80er Jahren. Heutzutage sind elektronische Spielzeuge in der Regel mit einem Chip ausgestattet, der zum Schutz mit einer Epoxid-Schicht überzogen ist, so dass man so gut wie gar nicht an ihn rankommt. Diese Beschichtung sollte man auch nicht versuchen zu schmelzen oder wegzulöten, denn es entstehen dabei giftige Dämpfe. Um den Chip herum sieht man meist nur einen Schaltplan und Druckfelder für die Knöpfe des Spielzeuges. Jedoch wenn man Glück hat findet man einen Widerstand auf den man zugreifen kann.

 

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Auf den Widerstand kommt es an

Besonders beliebt sind für das Circuit Bendig Spielzeug-Keyboards, -Gitarren oder Drum-Synthesizer. Ebenso aber auch sprechende Tiere oder sonstige Sprach-Synthese-Spielzeuge (wie z.B. First Talking Computer, Speak&Read, o.ä.). Hat man nun das Glück, auf dem Flohmarkt oder im Internet ein älteres, gebrauchtes Spielzeug zu ergattern, welches noch mit einer Platine mit zahlreichen Lötstellen ausgestattet ist, wird es richtig spaßig! Jedoch Vorsicht: Am besten lässt man die Finger von Geräten, die an den Strom angeschlossen werden müssen und macht sich nur an Instrumenten mit niedriger Spannung, also an batteriebetriebenen Geräten, zu schaffen.

Während das Spielzeug nun eingeschaltet ist, tastet man die Platine per Trial and Error – Methode, am besten mit einem Jumper-Kabel oder mit zwei kleinen Schraubenziehern, auf Punkte ab, die verbunden miteinander zu einer Klangveränderung führen. Am leichtesten macht man es sich, wenn man vorab von der Platine ein Foto macht und ausdruckt, so dass man sich dann auf dem Ausdruck alle Punkte, die man später miteinander verbinden möchte, markieren kann.

Was man dabei klanglich entdeckt, sind z.B. auf verschiedenste Weise zersetze Klänge, Zufalls-Wiederholungsmuster oder auch Neukombinationen von Klängen sowie Tonhöhenveränderungen. Letzteres ist besonders bei Keyboards sehr reizvoll und beliebt. Man muss hierfür den Widerstand finden, über den die Spannung geregelt wird, mit der die Tonhöhen kontrolliert werden. Hat man ihn gefunden, kann man ihn entfernen und stattdessen durch irgendeine Art von variablem Widerstand ersetzen. Dies kann beispielsweise ein Fotowiderstand sein, dessen Werte sich je nach Lichteinfall ändern. Auf diese Weise können Tonhöhen quasi durch einen Lichtsensor manipuliert werden. Alternativ kann man statt einem Fotowiderstand auch ein Potentiometer (im Volksmund auch „Poti“ oder Drehregler genannt) einsetzen.

 

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Versteckte Klänge

Oftmals kann man auf Platinen auch Schaltkreisstellen entdecken, die vom Hersteller nicht verbunden wurden. Erstellt man zwischen diesen Punkten nun neue Schaltkreise, wird man ziemlich überrascht! Es kann z.B. sein, dass ein Hersteller beispielsweise das gleiche Modell einer Platine für zwei unterschiedliche Produkte verwendet, also einerseits für ein sehr einfaches Keyboard, bei dem keine Klangfarbenänderungen gemacht werden oder zusätzliche Sounds abgespielt werden können, und andererseits noch für ein aufwendigeres Keyboard mit zusätzlichen Effekten oder Sounds. Bei der einfachen Ausführung bleiben dann bestimme Stellen unverbunden. Verbindet man diese mit angelöteten Kabeln, erweitert man das Klangspektrum seines Keyboards um neue Sounds und -Beispiel-Medleys.

Wer später zwischen Herstellerzustand und gehacktem Zustand wechseln möchte, kann an entsprechenden Stellen übrigens zusätzliche Kippschalter einbauen. Nach Belieben kann man des Weiteren auch noch die Kabelverbindungen vom Lautsprecher trennen und stattdessen ein Klinkenkabel anlöten, um das Gerät an einen Laptop oder ein Audio-Interface anzuschließen. Für den Fall, dass man ein Spielzeug der neueren Generation zur Hand hat, welches nur eingeschränkte Möglichkeiten des Hackings auf Hardware-Ebene bietet, sei auch noch die Variante des Software-basierten Sound-Hackings erwähnt. Man schließt dazu das Gerät an den Computer an, liest den Audio-Input in gewünschter Programmierumgebung, und jagt ihn nach Herzenslust durch selbstprogrammierte Effekte.

 

Kleine Geschichtskunde

Der Begriff Circuit Bendig geht zurück auf den amerikanischen Medienkünstler und Instrumentenbauer Reed Ghazala, dessen experimentelle elektronische Instrumente unter anderem im NYC Museum of Modern Art ausgestellt wurden. Ghazala prägte den Begriff Circuit Bending bereits in den 60iger Jahren, als er diese Technik nach Experimenten an einem Spielzeug – 9 Volt – Transistorverstärker entdeckte:

„The year was ’66 or ’67. I had left a toy 9-volt transistor amplifier amidst the clutter of my desk drawer, the back of its housing missing and with the power turned on. When I closed the drawer, to my amazement, there suddenly came from within my desk miniature versions of the sounds I associated with the massive synthesizers of the day. Like the $250,000 Columbia-Princeton machine. While they’re everywhere now, sound synthesizers at that time were still quite a mystery to most folks, and weren’t that easy to come by.

When I realized that the sounds I heard were the result of the toy amplifier’s electronics accidentally shorting out against something metallic it was resting on, two ideas immediately struck:
If these sounds are being created by accident, what could be done by purpose? If this can be done to an amplifier, meant to amplify a sound but to make NO SOUND itself, what would happen to SOUND-MAKING electronics when purposely shorted-out in the same way?“

(Quelle: http://www.furious.com/perfect/emi/reedghazala.html)

 

Was Karlheinz Stockhausen für die elektronische Musik ist, ist Reed Ghazala für die Circuit Bendig – Szene, die sich im Laufe der Jahrzehnte global zu einer eigenen Kunst- und Musikrichtung entwickelt hat und Ghazala als den „Vater des Circuit Bendig“ verehrt.

Zum Schluss noch ein eigener kleiner „Tribute to Ghazala“ – übrigens mit bestem Dank an die Fanbase von Eintracht Frankfurt, die bei der Aufnahme unverhofft an meinem Wohnhaus vorbeiging ;-)

 

 

Also, den Lötkolben gezückt und los geht’s mit den selbst gehackten Weihnachtsgeschenken!

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Julia Mihály. Foto: © Ela Mergels

Julia Mihály definiert sich als composer-performer, sprengt mit Freude alle Schubladen, in die man sie stecken möchte, arbeitet gelegentlich als Radioautorin und engagiert sich im Vorstand der DEGEM.