Kommentar zum Ende auf Raten von Pathos & Schwere Reiter in München

Bevor 2017 zu Ende geht, wurde willentlich oder unwillentlich versucht, langjährige Freie-Szene-Akteure Münchens der Theaterszene auszuschalten. Es geht um das sogenannte zukünftige Kreativquartier Ecke Leonrod-/Dachauer Str. und dort um den Entzug der Proben,- Produktions,- und Büroräume des Pathos-Theaters sowie die temporäre Verunmöglichung des Neue-Musik-Ortes „Schwere Reiter“. Dem Theater wurden quasi von heute auf morgen die wichtigen Räume gekündigt, ohne die die Backstagearbeit nicht mehr möglich zu sein scheint, um den Bühnenbetrieb zu erhalten. Dem Schwere Reiter, wo sich alle Akteure der Neuen Musik Münchens immer wieder die Ehre geben, pflanzte man den Zirkus Roncalli vor die Türe, so dass feinsinnige, leise Musik nicht mehr möglich war und man z.B. in die Einstein-Katakomben im gentrifizierten Haidhausen flüchten musste.

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Ja, seit Anbeginn dieser Theater- und Musikorte weiß man, dass es sich um Provisorien handelt, wie auch die SZ berichtet. Allerdings durchbricht das inzwischen teilweise die Dauer von zwei Dekaden! Außerdem will die Stadt München, das sind zuerst das Kulturreferat und auch das Arbeits-/Wirtschaftsreferat, dort irgendwann das Kreativquartier aus dem Hut zaubern. Und da liegt schon der Widerspruch: aus Kultur- und Musikstätten werden Kreativorte. Nur sind Musik und Theater nicht zuvörderst in ihrer spartenübergreifenden Grunderscheinung das Kreativste überhaupt? Ganz so kreativ scheint allerdings die Kulturverwaltung nicht zu sein. Dort mäandert man nur: „Zwischennutzung bedeutet Zwischennutzung“.

Hey, das wissen die Betreiber der Probenorte und Spielstätten selbst. Langfristig plant die Stadt schon den teilweisen Erhalt der Hallen und den Neubau von Sälen, Ateliers und Büros. Das bot schon Hoffnung und Depression. So wird dem Schwere Reiter zwar anscheinend die Sanierung in Aussicht gestellt. Weiteren Ideen der Musikszene, innerhalb des Kreativquartiers z.B. endlich einen beständigen Probenraum für das für München so wichtige Münchener Kammerorchester zu ermöglichen, das sich seit Jahren von Provisorium zu Provisorium schleppt und teilweise nur großzügigen Privatförderern den Probenbetrieb verdankt, oder weiteren Musikakteuren der Freien Szene Büros, vielleicht auch nur temporär, zu ermöglichen, wurde eine schallende Absage-Ohrfeige von Stellen erteilt, die mal die gleiche Funktion wie die „Zwischennutzung bedeutet Zwischennutzung“ mäandernde Stelle inne hatten.

Wie gesagt: die Freie Szene weiß, was Provisorien sind. Wenn ihr allerdings angedeutet wird, dass man sie vielleicht im Kreativquartier dabei haben will und dann wieder teilweise doch nicht da weitergehend integrieren will, verliert man ein wenig den Glauben an Bekenntnisse. Wenn schon so lange geplant wird, dann könnte man auch die endgültigen Endpunkte für dekadenwährende Zwischennutzer besser planen. Ja, besser kommunizieren. Es werden reihenweise Stellen zur Beratung der Kreativberufe aus dem Boden gestampft, reihenweise Stellen zur Vernetzung der Theater- und Tanzszene installiert, mit all dem öffentlich-rechtlichen Brimborium. Wenn es dann privatrechtlich zu handeln gilt, geht es gegenüber den Freie-Szene-Akteuren ganz schnell. Wie eben wohl anscheinend beim Pathos-Theater.

Wer anderes als die Freie-Szene-Akteure machten denn diese Orte für München bekannt, füllten sie mit Leben als denn die Leute von Pathos und Schwere Reiter? Diese Tatsache scheint aber Teilen der Stadt gänzlich unbekannt zu sein, vielleicht sogar im Bereich der reihenweisen neuen Stellen: es würde ein super Werbeeffekt für’s Quartier sein, wenn dort mal der Zirkus Roncalli Station machen würde. Ja, den kennt jeder. Aber man kennt eben auch Pathos und Schwere Reiter! Nur wohl nicht in den zuständigen Verwaltungsnischen? Neue Musik ist eben nicht nur zeitgenössischer, manchmal durchaus lautstarker Jazz oder Zirkuslärm. Neue Musik schafft selbst mit dem hörbaren Verkehr der Dachauerstrasse Oasen der Stille im Schwere Reiter. Das weiß die ganze Szene. Nur die Verwaltung wusste es teilweise nicht. Und setzte das „Lalatra“ Roncallis 30, 50 Meter neben das Schwere Reiter, das darauf hin mal wieder zeigte, dass es kreativ mit Störungen im Kreativquartier zurechtkommt und kam mithilfe wissender Teile der Verwaltung im Einstein unter, siehe oben. Nun, die „Es-wäre-superduper-Zirkusposse“ hat sich jetzt Gott sei Dank erledigt.

Im Ganzen zeigt sich hier aber die Unwissenheit um die Bedürfnisse der Freien Szene. Da mäandert man neben „Zwischennutzung bedeutet Zwischennutzung“ auch immer wieder das Verständnis für die Bedürfnisse der Szene. Da will man integrieren, schließt aber aus, wenn die Szene selbst aktiv wird. Da errichtet man Stellen zur Förderung und Aktivierung, haut den Aktiven und Aktivierten aber die Türe vor der Nase zu. Da redet man von Kommunikation, kommuniziert aber nur Aktendeutsch, wenn es mal eng wird. Das kommt dann nur noch als verwalterische Arroganz herüber, ja da denkt das Lieschen Müller der Freien Szene: da macht man Karrieren in der Verwaltung, erschwert aber den KundInnen aus der Szene ihre Existenz. Wem ist hier eigentlich noch zu helfen? Baut endlich Euer Quartier, aber lasst uns in Ruhe schaffen und nehmt uns Theater-, Kunst- und Musikschaffende wirklich mit und nicht nur Euch selbst!

Nachtrag: an der Musikabteilung des Kulturreferats übt dieser Kommentar dezidiert KEINE Kritik. Da ist immer mit tatkräftiger Hilfe und größtmöglichen Verständnis zu rechnen. Die Kritik richtet sich an die planerischen und führenden Ebenen des Kulturreferats sowie an die weiteren konkret mit dem Gelände befassten Stellen der Stadt.

Komponist*in

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