Porno und Komposition: Jack Parton aka Dirk Caber

Kennt hier jemand Jack Parton? Dem Namen nach könnte man ihn für einen jüngeren Verwandten von Dolly Parton halten. Ist er aber nicht. Dennoch verweist diese unzulässige Assoziation auf eine Gemeinsamkeit zwischen Jack und Dolly: sex sells! Denn der US-Komponist ist zugleich unter dem Pseudonym Dirk Caber als Pornostar bekannt, ja, viel bekannter. Hatten wir hier im Frühjahr die Diskussion über das Outing eines Österreichers in New York als kinky-composer, Georg Friedrich Hass, der zum Beispiel seine Frau am Zügel über das SM-Festival Folsom Street in San Francisco führte, hat sich der homosexuelle Jack Parton aka Dirk Caber längst von allen Zwängen befreit. Derweil man in New York noch von der Werkverbindung von Musik und Ledervollmontur samt Live-Flogging träumt, wirkte der Peabody-Absolvent an seiner Alma Mater in einer experimentellen Aufführung eines Klavierwerks seines Kompositionskollegen Nathan Hill mit: in „Tame your Man“ wird der Pianist mit Bondage-Fesseltechniken immer mehr gehemmt, die Tasten niederzudrücken. Konzeptuell klingt das fast bereits nach Darmstadt 2016! Realiter klingt’s aber eher wie softe Quasi-Minimal-Music, was das auch immer sein mag.

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Dirk Caber/Jack Parton (Bild von seinem Blog dirkcaber.com)

Seine eigene Musik scheint Parton/Caber bisher nicht so erfolgreich wie sich als Pornostar verkauft zu haben. Nun outet er sich gegenüber seinen Videofans zart als Komponist zeitgenössischer, US-amerikanischer Musik. Seine Filmberühmtheit setzte er auch ein, um per Crowdfunding das Geld für seinen sehnlichst gewünschten Flügel aufzutreiben und belohnt dann seine Fans mit einer Oben-Ohne-Heimaufführung (Film ganz unten im verlinkten Text) mit kurzen Übeeinlagen von Bachscher Klaviermusik. Auch macht er auf seinem Blog aufmerksam, dass das Label TitanMen eine Klavierminiatur von ihm auf die Playlist der Sexarbeiter der Firma setzte. Und Höhepunkt des Spiels mit dem Pseudonym: Partons Werke werden auf Soundcloud zur Musik von Dirk Caber.

Aber wie wurde aus dem Normalo-Komponisten ein Pornodarsteller? Beide Berufe verbindet ja der in beiden Metiers vorherrschende Jugendwahn. Eigentlich startete es wohl als Ü40-Alterskarriere. In seiner New Yorker Zeit sei er peu a peu in die SM-Szene eingestiegen, lernte vor allem in Berlin auf Folsom Europe wichtige Leute der US-Gaypornowelt kennen und wurde irgendwann gecastet. Einen Gutteil seiner Auftritte in den Filmen hat er mit seinem Mann Jesse Jackman. So leben beide wohl auch ein Quentchen geordneten Exhibitionismus auf diesem Wege aus.

Wie gesagt, er lässt nun immer mehr auch seine musikalische Seite in sein zweites Leben eindringen, ja, labelt seine Jack Parton Musik unter Dirk Caber. Aber warum eigentlich? Seine Musik besteht mehrheitlich aus traditionellen Formmodellen: Sonaten, Suiten, Bagatellen und Etüden. Hübsch gemacht, manchmal auch witzig, geistreich, überraschend. Doch findet man an US-amerikanischen Akademien ellenlang solche Musik. Und tatsächlich wird sie durch die Assoziation, dass sie die Musik eines auch als Pornodarsteller arbeitenden Komponisten, vielleicht auch in unseren Köpfen etwas interessanter als die seiner nicht in einem solchen Zweitjob involvierten Kollegen. Dennoch bleibt an ihr etwas spiessiges haften: warum muss man das Pornopseudonym für sie benutzen? Könnte er nicht auch als Jack Parton seine Filme drehen? Immerhin weiß auch seine Familie von seinen zwei Welten. Und ein Gedanke lässt mich gerade nicht mehr los: natürlich klingt SM immer noch in Heteroohren verrucht.

Erlebt man dann aber mal all die lederverliebten homosexuellen Paare wie eben Jackman und Caber, dann sind sie mit all ihrem Nippes und Weinflaschen genauso spießig wie damit protzende Normsexuelle: zuerst mit dem neuesten BMW-Cabrio vorfahren, dann im teuersten Anzug in die Oper, hernach hochpreisige Häppchen für den Magen, vielleicht auch eines für die Gürtellinie oder eben ein TitanMen-Porno als Betthupferl. Und so bürgerlich das Filmset vor dem Vollzug des Hauptteils der Produktion aussieht, so klingt dann eben auch die Musik von Caber/Parton. Wie gesagt, was für schöne Gedanken und Vorstellungen löst sein originaler Name aus! Aber nach der Porno-Alterskarriere startet ja vielleicht mit Ü50 nicht nur kommerziell sondern auch ein wenig künstlerisch mutiger sein Komponisten-Spätwerk.

Dirk Caber/Jack Parton rechts (Bild von seinem Blog dirkcaber.com)

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Eine Antwort

  1. Was soll einem dieser Artikel eigentlich sagen?
    Die Stücke, die ich von Jack Parton vernommen habe, gefallen mir sehr gut.
    Einfallsreichtum kann Mensch dem Mann nicht absprechen.
    Zugegeben: das Lebensmodell ist ein sehr spezielles, aber warum eigentlich nicht?
    Finde ich ausgesprochen mutig.
    Das Künstler auch von etwas satt werden müssen steht außer Frage.
    Solange der gute Mann so gut aussieht, wie er eben aussieht, soll er doch dem Geschäft nachgehen dürfen. Andere Komponisten sehen unter Umständen längst nicht so gut aus und kommen daher glücklicherweise nicht auf dieselbe Idee. Da kann sich Jack Parton doch glücklich schätzen.