Eine gruselige Kleinigkeit II
Es geht nochmals um Werner Egk, s. die ersten Buchstaben des Titels. Hier eine Auflistung einiger Stellen aus dem HJ-Film „Jungens“ aus dem Jahre 1941, heute ein Vorbehaltsfilm, wozu Werner Egk die Musik komponierte. Zur Erinnerung: nach dem 2. Weltkrieg galt er als unbelastet, mit dem Skandal um das 1948 von CSU-Kunstminister Hundhammer verhängte bayerische Verbot seines Balletts „Abraxas“ wurde aus dem für NS-Propagandafilme komponierenden Mann ein Revoltierender der frühen Nachkriegszeit, bald mit etlichen Ehrungen und Würden, wovon posthum gar Strassenbenennungen, s. Werner-Egk-Bogen in München, oder Schulen wie die Werner-Egk-Grundschule in Augsburg zeugen oder die Werner-Egk-Musikschule in Donauwörth. Wie im letzten Beitrag geschildert, geht es in „Jungens“ darum, wie in einem öden Fischerdorf durch das wirken eines HJ-Anführers und Lehrers aus den Kindern des Ortes dem NS-Staat genehme junge „Volksgenossen“ werden, ja, das ganze Dorf davon infiltriert wird. Dazu reichlich Bilder von marschierenden, feiernden und Sport treibenden HJ- und BDM-Kindern mit viel Musik, Jubel, Wehrsport, Hakenkreuzfahnen und NS-Uniformen, bevorzugt mit Varianten von Werner Egks Vertonung des „Marsches der deutschen Jugend“. Genau diese Stellen sollten das Adrenalin der Zuschauer anreizen, ihre Kinder dem Staate zur Verfügung zu stellen, mitten im Kriege wohl als Kanonenfutter. Beim letzten Punkt der Liste stellt sich die Frage, ob man Egk gar selbst dirigieren sieht, hat er doch lt. Credits einer anderen Aufstellung neben der Komposition die musikalische Leitung inne. Ganz unten ist der Film verlinkt, um dies selbst zu überprüfen. Kann man da die posthumen Ehrungen noch aufrecht erhalten, liebe Städte München, Augsburg und Donauwörth? Die Sache wird noch komplizierter, da Teile der Filmmusik von einer musikantischen Qualität sind wie Egks wichtigere Werke, also nicht einmal musikalische Unlust ist zu vernehmen, nein höchstes Vergnügen beim Komponieren, s. die BDM-Gymnastik und deren Fortsetzung im nachfolgendem Moment, wenn der Dorfwirt expressionistisch einen HJ-Jungen bedroht, alles ab 00:42:05. Hier die Liste mit markanten Stellen von Musik Egks mit Verherrlichung der HJ:
1.) Vorspann mit Ouvertürenvariante Marsches der deutschen Jugend von Werner Egk, bei 00:00:13 wird sein Name eingeblendet, schlechte Bild- und Tonqualität: 00:00:00-00:02:05
2.) Aus der Grossstadt wird der HJ-Anführer mit Dschingderassabum, Marsch der HJ, Uniformen- und Flaggenmeer mit marschierenden Minderjährigen zur HJ-Missionierung ins Dorf verabschiedet, dazu Egks Marsch, besseres Bild- und Tonmaterial: 00:11:05-00:11:48
3.) Die Dorfbuben bekommen Uniformspenden, das berühmte braune Hemd mit Hakenkreuzarmbinde, die Musik mal im Vordergrund, mal im Hintergrund, aber immer Egk präsent: 00:34:32-00:36:30
4.) Sportfest mit HJ-Wettkämpfen, dazu stimulierende Egk-Musik: 00:37:13-00:38:42
5.) BDM-Gymnastik, im weiteren Verlauf Verdüsterung der Musik und Szene, als der Dorfwirt einen „wahrheitsliebenden HJ-Jungen“ mit den Schmuggeleien seines Vaters unter Druck setzt, nichts davon zu verraten, denn die HJ ermittelt auch, dazu die propagandistischen Intentionen unterstreichende Egk-Musik: 00:42:05-00:44:09
6.) Direkt anschliessend singen HJ und das ganze Fischerdorf mit verklärten Augen „Es fährt ein Schiff auf dem Strom der Zeit“ auf einen Text von Hans Fritz Beckmann, einen der wichtigsten Liedtextautoren für Filme des 3. Reichs wie der Nachkriegszeit, der sich damit genau wie Egk in den Dienst der Kanonenfutter-HJ-Propaganda stellte, Musik des Marschs der deutschen Jugend: 00:44:10-00:45:28
7.) Die „mutige“ HJ-Jugend Räuber und Gendarm spielend auf Profi-Schmugglerjagd mit stimulierender Egk-Musik: 01:10:56-01:12:40
8.) Die Dorf-HJ fährt zum Gau-Wttkampf um einen der ihren dort anzufeuern, dazu Marschvariationen, glücklich guckende HJ und BDM-Angehörige, eine grosse Kamerafahrt in den Vordergrund zu einem die Szenenmusik spielenden Orchester, das von jemand dirigiert wird, der Egk höchstpersönlich sein könnte, wobei er anscheinend zumindest die Gesamteinspielung der Filmmusik dirigierte, s.o., und sich so doppelt in den Dienst des NS-Staates und der HJ-Kanonenfutterpropaganda stellte, nach dem heute noch Strassen und Schulen zur Bildung unserer heutigen Kinder benannt sind, der damals mit seiner Filmmusik zur regimetreuen Jugendbildung beitrug – wer da noch Ehrungen auch in Institutionen des Musiklebens aufrechterhält und Egk verteidigt, Prost, Mahlzeit, denn dieses NS-Engagement relativiert alles spätere im Leben Egks, der, s. sein Vorgehen gegen die Aufklärungsversuche Konrad Boehmers, mit allen Finten dieses NS-Engagement zu kaschieren versuchte und obendrein genau den Nachfolgern der 2. Wiener Schule im BR-Rundfunkrat das Wirken in der musica viva eindampfen ließ, deren Vorbilder im NS-Staat als entartet galten und für den Egk komponierte, da das Feld ja um diese Konkurrenz bereinigt war: 01:15:30-01:18:22
Hier der widerliche Film:
https://archive.org/embed/1941-Jungens
Hier zusammengefasst die Filmausschnitte mit Musik Egks zu NS-Symbolen aus „Jungens“ (1941), Regie: Robert A. Stemmle, Musik: Werner Egk:
Möge den Ehrungen Egks bald ein Ende bereitet werden, v.a. was Strassen und Schulen betrifft!
Komponist*in
Haha,
ich dachte erst das hier ist der Blog von NMSZ :D Und dabei ist es eine Musikzeitung die warscheinlich noch nie etwas von NMSZ und der Antilopengang gehört hat wa?
Dank für diesen Beitrag über Werner Egk.
Ein lesenswertes Standard – Werk zur Thematik:
Michael H. Kater „Die missbrauchte Muse. Musiker im Dritten Reich“
Europa Verlag, München 1998.
P.S. Zum Kommentar oben: Ja, Sie haben sich offensichtlich vertippt.
Dies ist eine Zeitung für MUSIK; Antilopen gehören, sofern ich das aus der Schule noch weiss, in den Bereich der Biologie.
@ e.k.: Ich las v.a. dies:
1.) Michael Custodis, Friedrich Geiger: „Netzwerke der Entnazifizierung Kontinuitäten im deutschen Musikleben am Beispiel von Werner Egk, Hilde und Heinrich Strobel“, Münster 2013.
2.) Jason Paul Hobratschk: „Werner Egk and Joan von Zarissa: Music As Politics And Propaganda Under National Socialism“, Florida State University 2011, Link: http://diginole.lib.fsu.edu/etd/4912/ , v.a. für Kurzbeschreibungen der z.T. Werke aus der Zeit von 1933-1945, enthält zitatweise interessante Ausschnitte aus der Autobiografie Egks „Die Zeit wartet nicht“, bspw., was seine Erinnerungen zu seiner Arbeit für den Film „Jungens“ bei der Uniformspende des BDM an die HJ enden lässt. Immerhin endete der Film auf seine im Film live komponierte Musik, was besonderes bei jeder Filmarbeit. Dass er sich nicht daran erinnert, das übliche Vergessen in Bezug auf das 3. Reich, dass er all die Minderjährigen mit Marsch, Lieder, NS-Fahnen, etc. nicht ernst nahm bzw. beschämenswert mit diesem Machwerk zum Kriegshurra, die Jugendlichen im Krieg zu verfeuern, das verwundert absolut:““Ich hatte dem Regisseur R. A. Stemmle die Musik für seinen Film „Jungens“ zugesagt. Das Filmhonorar sollte das Loch in meinem Beutel stopfen, das die empfindliche, kriegsbedingte Verringerung meiner Staatsoperngage gerissen hatte. Das Thema was harmlos „Fischerjungen von der Kurischen Nehrung jagen Schmuggler.“ Daß sie bei der Schlußapotheose für ihren Erfolg in HJ-Uniform ausgezeichnet wurden, störte mich wenig. Das war Milieu, sonst nichts. Daß sie dabei ein HJ-Lied singen sollten, freute mich nicht. Aber HJ-Lieder gab es in Massen. Ich würde keines schreiben müssen. Gegen Ende der Filmaufnahmen aber wurde die Verwendung echter Produkte der HJ-Kultur für diesen unpolitischen und weltanschaulich unwirksamen Film untersagt.““ Totales Verdrängen, Tarnen. Ein Norbert Schultze erkannte nach jetzigem Wissensstand immerhin, dass er seine Einnahmen aus NS-Propagandamusik besser nicht in seine Tasche scheffelt. Egk scheffelte dagegen weiter mit seinen Opern Zaubergeige und Peer Gynt, wo doch beide, v.a. die erste allein durch die Wahl der antisemitischen Vorlage des Grimm-Märchens „Der Jude im Dorn“, abgemildert durch Poccis Marionettentheater, dennoch eindeutig systemkonform konnotiert, damit verdient er aus sämtlichen Ehrenämtern posthum entfernt zu werden!
Ja, düster das Ganze…und traurig, dass es sich hier um fachlich hochbegabte Komponisten handelt.
Lese gerade aus der „Neuen Zeitschrift für Musik“ 110 Jahrgang, 1943.
Hier einige Zitate:
„Zum Geburtstag des Führers kam Händels Oratorium Der Feldherr zur Aufführung…Ein Triumph deutscher Musik im 4. Kriegsjahr…“
„Fritz Sporns Oratorium „Deutschland“ hatte im vergangenen Jahre bereits wieder acht erfolgreiche Aufführungen im Rheinland und im Memelland“. Johann Nepomuk David wird mit „Angst und Andacht – Menetekel für den Feind – Kampf, Sieg und Dank“ erwähnt. Und dann: „…die Uraufführung einer Mottete von David anlässlich einer Gedenkfeier im Völkerschlacht- Denkmal. David hat das Führerwort – Wer seinem Volke so die Treue hielt, der soll in Treue nie vergessen sein – für Chor und drei Posaunen vertont. Feierliche Bläserklänge und streng gefügter Chorsatz lassen eine starke Wirkung von diesem Werke ausgehen…“ Später wurde dies so ausgelegt, dass die Mottete auf Davids Betreiben hin nie zur Aufführung gelangt sei. Das Zitat von 1943 spricht aber deutlich von einer „Uraufführung“ der Mottete. Trotz dieser Nähe zur NS-Ideologie konnte David in der Nachkriegszeit ungehindert, aufgrund alter Seilschaften, eine der wichtigsten Positionen an der Stuttgarter Musikhochschule einnehmen.