One night in Darmstadt – Darmstadt, du Stadt der 1000 Geigen

Jetzt kündigt sich langsam (sehr langsam) die angekündigte Zerstörung von 100 Geigen an.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

29 Antworten

  1. Eberhard Klotz sagt:

    Wurden in Darmstadt 2014 wirklich 100 Geigen zerstört?
    Oder ist dieser Eintrag hier als Satire gedacht?
    Konnte auch im Internet nichts darüber finden; vielleicht
    kann mich hier jemand informieren? Danke.

  2. @Eberhard Klotz: Nach meinem Kenntnisstand stimmt die Sache mit den Geigen. Hier ein Link zum Thema: http://stefanhetzel.wordpress.com/2014/08/20/die-47-ferienkurse-im-bild/

  3. Eberhard Klotz sagt:

    Danke Stefan,

    dieses Video habe ich auch gesehen, aber wurden die Geigen wirklich zerstört und
    waren es 100? Bei:
    http://www.kulturtechno.de/?cat=3&paged=2
    werden im 2. und 3. Video Geigen zerstört, aber war das in Darmstadt?
    In der nmz kam auch ein Foto mit einem satirischen Text und ich habe einen Kommentar dazu gemacht.
    Aber ein Freund sagte mir danach, er kann das nicht glauben: nicht nur der Text, sondern auch das Foto seien reine Satire. Da wurde ich unsicher…
    Vielleicht kann hier jemand Klarheit schaffen?

  4. @Eberhard Klotz: Da hilft jetzt nur eins: Johannes Kreidler fragen – am besten öffentlich in seinem Blog http://www.kulturtechno.de Genau dafür ist ja so ein Blog auch da.

  5. Eberhard Klotz sagt:

    Möchte eigentlich nicht in einem anderen Blog schreiben. Normalerweise schreibe ich nie in Blogs. Dieser ist der einzige, da hier das Bildungsniveau sehr hoch ist. Arno Lücker, der diese Seite eröffnet hat, müsste doch auch detaillierte Informationen dazu haben (?)
    Ein informierter Kollege meinte nun, es würde stimmen, dass in Darmstadt
    100 Violinen zerstört wurden. Man weiss heute nicht mehr, was man glauben soll. Mein Kommentar dazu:
    http://www.nmz.de/artikel/das-foto

  6. Nehme an, dass dies ziemlich preiswerte Geigen waren angesichts des erwartbaren Stücketats. Genauso erwartbar Ihre Reaktion unter Ihrem o.g. Link wie „Geigen für arme Kinder“, etc. Wie auch immer, ein Moment des Kaputt-Geigen-Salats ist ja die Erinnerung an die Donaueschingenaktion Kreidlers, als er aus zwei zuvor Musikern in die Hand gegebene billige Instrumente mit den Saiten verflocht, dies laut das „Fusionsinstrument“ im Angesicht des erbleichten SWR-Intendanten nannte, weiter meinte, dass Fusionen eben bestehende Orchester nicht vereinen, sondern zerstören und dann eben dieses Fusionsinstrument zerstörte. Desweiteren könnte man weitere Vorbilder wie Nam Jun Paik, etc. nennen. Natürlich tut der Anblick dieses Geigenmassakers weh. Im Angesicht der gerade in Ost und Nahost angesagten Massakerorgien, um auf das „Geigen für Afrika“-Niveau zu kommen, sind zerstörte Geigen der beste Ausdruck, was Menschenmord und damit verbundene Kulturzerstörung, oder diese auch alleine vor die Hunde gehen lassen. Als memento mori der in den letzten 30 Jahren abgewrackten Kulturinstitutionen hierzulande ist meiner Meinung nach diese Geigenzerstörung zu betrachten.

  7. Arno sagt:

    Hallo an alle. Meinen Informationen zufolge waren 100 Geigen angekündigt. Letztlich konnten aber „nur“ ca. 65 Geigen realisiert (bzw., naja, eher „ent-realisiert“, d. h.: zerstört) werden. Immerhin werden ebenso viele Geigen für die Aufführung des Werkes in Oslo am 15. September jetzt benötigt. Inwiefern das politisch ist oder nicht – darüber mögen die Meinungen ruhig auseinander gehen (bzw. der Komponist selber gefragt) werden. Den Akt der Zerstörung mit einer Affirmation von Zerstörung selbst, Krieg, Massenvernichtung etc. gleichzusetzen: das traue ich zwar einigen Zeitgenossen in ihrer grenzenlosen Unterstellungssucht und Verkrampftheit zu, bin aber selbst völlig anderer Meinung. Die Zerstörung der Geigen erschließt sich für mich vor allem durch den Gesamtkontext von Kreidlers „Audioguide“-Abend.

    Herzliche Grüße an alle,

    Arno

  8. Da hast wohl Recht! Abgesehen von Deutung/Missdeutung ist Kontext angesagt, auf’s komplette Video warten, nach Oslo jetten. Regte mich hier v.a. über den Geigen/3. Welt-Kontext auf. Warum kommt man immer auf die Idee, billige, ja billigste Gegenstände dorthin zu spenden statt genau die Werte, die man seinen Kindern/Enkeln zum Musizieren schenken würde? Das frage ich mich. Mag einfache Ausstattung für Menschen solcher Länder in Bezug auf Herstellung einer Sicherung von Grundbedürfnissen besser sein als gar keine, z.B. bei Medizin und vergleichbarem Dingen, ist es auch da eigentlich unhaltbar, nur eine karge Klinik hinzustellen statt grds. ein richtiges Kreiskrankenhaus. Schnappte irgendwo auf, dass all diese Anschubprojekte, Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekte, dieser ganze pädagogische Erziehungsmüll dahinter z.B. von Betroffenen in Bezug auf ein Theaterprojekt durch einen der hiesigen Kultur-Hauptsponsoren scharf angegriffen wurde: die Situation in Afrika ist so, dass nur 100% wirklich wirken. Also Mittenwalder Geigen für Afrika und kein erbärmliches Erbarmenssperrholz! Ich mag’s grad platt. Oder andersrum: all die aus der 3. Welt geklauten Kunstwerke sind ja auch das Beste, was man vorfand/vorfindet. Wenn was zurückgeben als Alternative, dann eben eine Stradivari! Oder diesen ganzen Hilfsmüll, v.a. in irgendwelchen Weltrettungsvergleichen, was man mit was besser tun könnte, weglassen.

  9. Eberhard Klotz sagt:

    Zu den Kommentaren Alexander Strauchs:
    Möchte hier dennoch meinen Standpunkt zu diesen Vorgängen verteidigen und versuchen ihn verständlicher zu machen. Vorweg mein Kommentar zur Zerstörung der Geigen in der nmz hier nochmals für alle zur Diskussion: „Dennoch bleibt das Ganze für das Musikland Deutschland, dem Land von Heinrich Schütz, Bach, Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Brahms, Wagner, Richard Strauss, Hindemith etc. ein Trauerspiel. Hätte man das Geld, das für diese Violinen ausgegeben wurde, lieber für Aufführungen von Werken von jungen Komponisten verwendet oder die Violinen an arme, musikalische Kinder in Afrika oder Südamerika verteilt, die in ihrer Kindheit nur einen Traum haben: Eine eigene schöne Violine besitzen; nur einmal im Leben in einem Orchester, bei einem Stück von Mozart oder Bartok, mitspielen zu dürfen.“ Ein Kollege (Theo Bross) arbeitet als Cello-Dozent in einer der ganz wenigen Musikschulen in Sambia mit Berufsmusikern als Lehrern. Er weiss von der Not der Kinder dort, an Instrumente zu kommen. Zum Teil bauen sie ihre Violinen selbst aus billigen Materialien, nur um überhaupt üben zu können. Mein Kommentar ist also nicht als rührender grün-kommunistischer Sozialkitsch zu verstehen, wie Sie es vielleicht meinen, lieber Alexander Strauch, sondern rein pragmatischer Natur. Im Übrigen ist im Artikel der nmz nicht von Billiginstrumenten die Rede, sondern von hochwertigen Streichinstrumenten, die zerstört wurden. Vielmehr wirkt Ihre Ausführung, dass das Geigen-Massaker auf echte Menschen-Massaker aufmerksam machen soll oder auf Kulturzerstörung, etwas pubertär-kitschig, um nicht zu sagen sehr einfach; und selbst wenn dies so wäre, müsste es zumindest im Kontext der Aufführung deutlich werden und es hätten drei oder vier Violinen genügt, quasi als Symbol oder Andeutung. Für mich bleibt es ein grausamer, barbarischer Akt, der zivilisierten Welt unwürdig: Kein Musiker mit Liebe zur Musik würde so etwas tun, denn er betrachtet die Instrumente, durch die er sich ja nur ausdrücken kann, wie seine eigenen Kinder. Oder könnten Sie sich Bach oder Schumann dabei vorstellen? Mich erinnert das vielmehr an Aktionen der Nazis in den letzten Kriegsjahren: Um an das wertvolle Metall der Pfeifen zu kommen, zerstörten sie (zum Teil historische) Orgeln in den Kirchen mit dem Brechhammer.

  10. Eberhard Klotz hat völlig recht und das zynische, wahnwitzige Kommentar von Strauch ist eine Entlarvung eines völligen Unverständniss warum es sich hier handelt. Das absurde Violinenmassaker als ‚musikalischer Akt‘ in einem für die gegenwärtige Musik bestimmte Kontext bietet eine ‚Stunde Null‘ wobei die erste Nachkriegs-Nullstunde der ’neuen Musik‘ verbleicht, und zeigt wie tief die etablierte ’neue Musik‘ – nur in neuen-Musik-Kreisen etabliert – in Deutschland gesunken ist…. Es ist eine kindische Selbst-Endlösung der Avantgarde-Gedanke, und desto absurder wo ein derart barbarischer Akt von öffentlichen Hand gefördert wird. Wäre es nicht so lächerlich, wäre es mit den schaurigen Buchverbrennungen in 1933 auf dem Berliner Bebelsplatz unter den Nazis zu vergleichen. Schäme dich, Darmstadt…

  11. oops – jetzt habe ich also bereits die Instrumente geschreddert. Nein, diese Ehre dem, wem sie gebührt. Sie stürzen sich eben auf die Ausschnitte, die Ihnen in den Kram passen bzw. hat Neue Musik für Sie ja sowieso verloren bzw. wäre ich ein wenig auf Ihre Reaktionen gespannt, wenn jetzt jemand eine Darmstadtpartitur aus dem Jahre 2014 zerreissen würde. Ist dies dann Kulturzerstörung oder eine Tat, der Sie insgeheim zustimmen würden? Bevor Sie nun mich in der Luft wegen der vorigen Sätze zerreissen, noch kurz inne gehalten: Also, gesetzt den Fall, dass ein Teil der Darmstädter Violinzerstörung auch Kritik ist, Kritik daran wie eben hierzulande, gerade aktuell in Kopenhagen, Orchester aufgelöst, fusioniert, also in ihrem vorigen künstlerischen Bestand ausgelöscht werden, durch Rundfunkräte oder Gemeinderäte oder Regierungsbeschlüsse oder gar Parlamentsentscheide, würden Sie das zumindest zur Kenntnis nehmen können? Wie gesagt, da gab es ja in Darmstadt 2014 das Reenactement von Kreidlers Fusionsinstrumentaktion in Donaueschingen, mit der sehr deutlich, direkt 3 m vom verantwortlichen Intendanten entfernt, 2012 gegen die damals „nur“ geplante, heute tatsächlich beschlossene Fusion der SWR-Orchester protestiert worden ist, so dass eben das dann personell wie nominell aus Freiburg verschwunden seiende SWR Sinfonieorchester 2012 gar Kreidler dafür den Orchesterpreis der Donaueschinger Musiktage geben wollte? Wissen Sie das überhaupt? Oder beschränkt sich Ihr Wissen in diesem Falle auf die ewig gleichen Anti-Neue-Musik-Tiraden, Herr Borstlap? Oder geht es darum, gewisse schräge Aktionen, Performances, selbst x-mal weniger krass und wüst als diese Geigenzerstörung der zeitgenössischen Musik als generell irrelevant zu belächeln, wie in Ihrem Falle, verehrter Herr Klotz? Also auf den Punkt gebracht: ist eine Orchesterzerstörung nicht eher mit Untaten der Historie gleichzusetzen als eine Geigenzerstörung, die sehr wohl gegen Orchesterzerstörung protestiert, wenn man Kreidler im weiteren Kontext zu fassen versucht? Es geht nicht um Akzeptanz, aber sind Sie in ihren Kosmoi in der Lage, dies zumindest trocken mit einem wie auch immer eingeschränkten Ja zur Kenntnis zu nehmen? Oder nicht? Ich nehme letzteres an. Klar, Ensembles gründen, Instrumente spenden, Petitionen unterschreiben, Überzeugungsarbeit leisten, etc. das gehört natürlich gegen jegliche Orchesterzerstörung eingesetzt, vielleicht auch gegen rein hedonistische Instrumentenzerstörungen. Aber sind trotz all dieser Engagements eben doch bald 50 Orchester, Chöre und Ensembles in Deutschland fusioniert und geschlossen, also zu Asche und Staub geworden? Sind da nicht künstlerische Gegenmassnahmen angesagt? Nun, im Falle der SWR-Orchester haben sich wirklich massgebliche Komponisten wie noch viel massgeblichere Dirigenten zu Wort gemeldet, unzählige Petetenten und Panels fanden statt – die Politik interessierte es, nicht den allmächtigen obersten Etagen des SWR, nein, plötzlich war dies ein Eingriff in die Senderautonomie… Apropos, bevor Sie loslegen oder es bleiben lassen: Haben Sie Herr Borstlap oder Sie Herr Klotz überhaupt eine der Petitionen unterzeichnet? Nun denn Herr Borstlap, Sie sind ja ein Unterstützer der Fusion, s. hier: „In short: I wholeheartedly support the merger and hope that the orchestra which will result from it, will rebuild confidence with audiences and players alike. Hopefully no players will be fired but organized in smaller ensembles around the orchestral programming, the single good idea Pierre Boulez ever had.“ http://slippedisc.com/2013/11/fight-to-save-german-orchestra-goes-global/
    Nun denn, dann regen Sie sich mal weiter auf…

  12. Herr Strauch geht unvermindert fort unverblümt seinen Unverständniss an der Oeffentlichkeit preis zu geben…. Möge es ein Beitrag sein zur Einsicht in den Denkarten, die zur Selbst-Endlösung der neuen Musik geführt haben.

    Man kritisiert Zerstörung nicht mit noch mehr Zerstörung, da man auf dieser Weise nur an der Zerstörung beiträgt. Die Buchverbrennungen am Bebelsplatz in 1933 waren ja doch auch ‘Kritik’. Und eine Violine, das Resultat einer langen kulturellen Tradition, vernichtet man einfach nicht absichtlich, Schluss. Man kann so etwas nicht verteidigen ohne den Verdacht auf sich zu laden, ein ganz ungebildeter Hooligan zu sein, wie in 1933.

    Ich unterzeichne ALLE Petitionen, die Orchester, Ensembles, Opernhäuser, Theater, Kirchen, Paläste, Schösser, Türme, Waldreviere von der Erosion der Modernität retten sollen. Die Sache mit den SWR-Orchester war eine Ausnahme, weil gerade diese Orchester sich in der Vergangenheit sehr bemüht haben den Modernismus in die orchestrale Aufführungskultur ein zu fügen, was natürlich zur Zerstörung der fragilen Beziehungen zwischen Orchester und Publikum führen musste. Mir scheint das Verschwinden der Unterstützung in diesem Fall gerade das Resultat einer missverstandenen Modernität zu sein.

  13. Verehrter Herr Borstlap, schon einmal an das andere Ende der SWR-Fusion gedacht? Wenn das SWR-Radiosinfonieorchester Stuttgart genauso hinwegfusioniert sein wird, mit den Mitgliedern des Kollegenklangkörpers aus Freiburg und deren Schwerpunkt auf Musik des 20./21. Jahrhunderts, wird mit einem Male sich auch die „informierte historische Aufführungspraxis“ aus der Zeit Norringtons in Stuttgart in Luft auflösen, wenn man in Ihrem Sinne unterstellt, dass die Freiburg/Baden-Badener bisher vor allem am Untergang des Abendlandes mitwirkten. Wenn Sie also den speziellen, eben mehr auf eine neuartige, historisch informierte Interpretation der Musik des 18. bis frühen 20. Jahrunderts ausgerichteten Stil der Stuttgarter erhalten wollen, müssten Sie gegen die Fusion eben die Petition der Orchesterretter unterstützen. Denn es werden eben zwei Orchester in eines überführt. Und beide wirken nicht mehr solitär in ihrer Eigenart fort! Denn die Mitglieder des SWR-RSO-Stuttgart werden dann auch in Donaueschingen auftreten. Dort wird dann auch der Künstlerische Leiter wechseln, aber vollkommen anders wird die dort präsentierte Neue Musik nicht werden, abgesehen von Änderungen, die jeder Leitungswechsel mit sich bringt.

    Um Sie umzuformulieren, ich beziehe es nun nur auf Stuttgart, um Sie zu piesacken, könnte man sagen: „Und ein SWR-RSO Stuttgart, das Resultat einer langen kulturellen Tradition, vernichtet man einfach nicht absichtlich, Schluss.“ Aber was passiert eben anderes als das Ende dieser RSO-Tradition, wenn man die Stuttgarter hinfort fusioniert – oder ist es nicht wert, als Unikat die Linie von Celibidache über Marriner, Pretre, Norrington bis heute zu erhalten. Kommen die Freiburger dazu, ist das genauso passé wie deren andere, Ihnen verachtenswert erscheinende Tradition… O mei, wie armselig!

  14. “Und ein SWR-RSO Stuttgart, das Resultat einer langen kulturellen Tradition, vernichtet man einfach nicht absichtlich, Schluss.” Ja, das ist natürlich wahr, die „informierte historische Aufführungspraxis” aus der Zeit Norringtons solle man behalten können. Nötigenfalls – wenn in einem Paket – unter der Bedingung von Ertragen des Modernismus….

  15. Aha. Nichts bleibt erhalten, wenn Sie zwei unterschiedliche Ensembles zusammenschliessen. Was im besten Falle entsteht, beruht dann genau auf den Erfahrungen beider, von denen Sie die des kleineren in Abrede stellen. Es sei denn, de facto entlassen Sie doch die Mitglieder des kleineren Orchesters, was die einzige Folge Ihrer Argumentation wäre… Ach, und Herr Klotz: die „hochwertigen Instrumente“ im nmz-Artikel das Foto, extra für weitere Instrumentzerstörungen: könnte dies zufällig ein „satirisch“ gemeinter Artikel sein? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass man mit nicht einmal knapp 30 TSD Euro Musiktheater-Produktionsförderung wirklich die von Arno erwähnten 65 Geigen als ernsthaft hochwertige Instrumente kaufen könnte? Oder ist eine 1000 Euro Instrument nicht eher Alltagsware? Auf Ebay bekommen Sie Geigen für 100 Euro… Oder nehmen Sie wirklich an, dass die Menschen auf der Bühne ihre Gagen für die Instrumentzerstörung komplett opferten? Was für eine Weltferne in Kenntnis um die niedrigen Etats von Freie Szene-Produktionen selbst solch einer Ferienkurseaufführung…

  16. Eberhard Klotz sagt:

    Die Diskussion scheint nun, zu meinem eigenen Entsetzen, völlig aus dem Ruder zu laufen… Lieber Herr Strauch, ich habe schon vor Jahren im Internetforum „Kultur wozu?“,in welchem international renommierte Leute der Kulturszene, wie etwa Helmut Lachenmann, geschrieben haben, öffentlich gegen die Fusion der beiden Orchester protestiert. Ihren Namen, werter Herr Strauch, vermisse ich dort (?)
    Kritik respektive Protest gegenüber Kulturzerstörung, indem man selbst Kultur zerstört, erfordert in der Kunst hohes Gespür für die Verhältnismäßigkeit der Mittel und funktioniert eigentlich nur durch die Kunst der Andeutung. Die rohe, sinnlose Zerstörung von 100 Geigen (den soviel waren vorgesehen), zudem ohne ersichtlichen
    Kontext im Werk, für was das eigentlich getan wurde, fällt hier nicht darunter.
    Anderenfalls wirkt es ein wenig so, als würden die Taliban ihre Buddha-Statuen zerstören und nachher der Weltöffentlichkeit verkünden: aber bitte versteht uns nicht falsch, wir wollten mit der Aktion nur auf den allgemeinen moralischen Zerfall aufmerksam machen und darauf, dass historische Kunstwerke weltweit verrotten.
    Oder ich würde das Faksimile von Bachs H-Moll Messe in einem Youtube – Video verbrennen, um darauf aufmerksam zu machen, dass klassische Musik überall mit Füssen getreten wird und Orchester zerstört werden. Man könnte auch den Kölner Dom in die Luft sprengen, um dagegen zu protestieren, dass die Kirche über Jahrhunderte hinweg Menschen unterdrückt hat…
    Kreidlers Aktionen wirken eher ein wenig so, wie das, was man ab den 90 Jahren des letzten Jahrhunderts als Wohlstandsverwahrlosung bezeichnet hat: Jugendliche aus begütertem Elternhaus, die alles haben und sich langweilen, zerstören wahllos Gegenstände in der Hoffnung, dass sich endlich ein „Spiesser“ ihrer erbarmt und sich
    provoziert fühlt. Kommt von der „bösen“ Umwelt keine Reaktion oder nur ein müdes Lächeln, so müssen es beim nächsten Mal eben 200 Kontrabässe sein und darauf vielleicht 500 Tuben, die von einem Traktor überrollt werden… Wie originell!

  17. Bester Herr Klotz, Ihre Beiträge bei „Kultur wozu“, das ehrt Sie. In der Art finden Sie etliche Kolleginnen und Kollegen auf anderen Plattformen, in weiteren Aktionen, hinter anderen Initiativen, so war ich auch tätig, auf/mit/hinter. Das Internet zerfällt eben genauso in viele Bereiche, agiert/agitiert dort vieles parallel und erfindet bei aller „Viralität“ mal wieder schnell ein längst bestehendes Rad für sich neu. Um so wichtiger ist dann konkrete Realität, wie damals die Statements Lachenmanns, Rihms, Widmanns, Roths. Dann all die Briefe all der Verbandschefs, ganzer Vereine, die Petition. Die Donaueschingen-Aktion Kreidlers steht irgendwo zeitlich in der Mitte, geschah wenige Meter direkt vor dem anwesendem Intendanten, schleuderte von Angesicht zu Angesicht emotional wie auf seine für jeden verständliche Art argumentativ einiges heraus, zog recht kontroverse Reaktionen nach sich. Aber selbst diese hautnahe Erfahrung führte nicht einmal zu Kompromissen. Es führte zu den Initiativen Zenders und dem Dirigentenbrief, etc. Alles unbeeindruckt… Nun, mein Herren, die hier kommentierten, die Orchester sind wohl Buddhas oder Dome, die Violinen natürlich höchst symbolisch aufgeladen, aber eben nicht die Bücher der Verbrennung, die hier impliziert wurde – diese Implikation gehört auf jeden Schliessungs- und Fusionsbeschluss gemünzt! Und da hat Herr Borstlap noch zu lernen. Aber als holländischer Brite wird er die deutsche Szene und Befindlichkeit eben nicht bis ins letzte Jota erfassen können, wo es eben wichtig ist, überhaupt noch Dinge zu erhalten, das allein entschuldigt SEINEN Zynismus! Und wie man sah, selbst internationaler Protest zerschellt für sehr bekannte Orchester, wie schlimmer ist es da um kleinere in der Region bestellt, s. z.B. Sachsen-Anhalt, s. kleinere Häuser in NRW, etc. Übrigens, selbst der zahme P.M. Davis ließ mal in seine Mad-King-Music eine Geige zerstören…

  18. Eberhard Klotz sagt:

    Lieber Herr Strauch,

    Sie haben uns nun auf den eigentlichen Kern der Diskussion gebracht: Die Violinen haben einen Symbolwert. Unsere Debatte um den reinen Materialwert oder die Anzahl ist somit müßig.
    Die Situation ist etwa, wie wenn in einer orthodoxen Kirche eine Ikone zerstört würde, und ein Gläubiger wäre zutiefst verletzt, während ihm ein anderer sagen würde: „es war doch nur ein billiger Nachbau des Originals im Wert von 2 Euro, die ich Ihnen zurückgeben kann.“ Für den Gläubigen war die Ikone aber unendlich viel mehr, als nur der Materialwert – quasi ein Symbol für etwas. Und ich muss gestehen, dass ich beim Anblick der Violinen weinen musste – wenn man sieht, was etwa Bach in seiner Arie „Erbarme dich mein“ mit einer Violine macht.

  19. Was nutzen Tränen und Ikone, wenn die Kirche aka Orchester weg ist? Gut, stellen Sie diese ins Museum, fangen die Tränen in einer Phiole auf und kreieren daraus Wunderblut. Ich sehe eher eine Koinzidenz zwischen Ursache und Wirkung, wobei die Reaktion im Wortstamme gleich ist, dennoch nicht direkt, sd. gerundiv reagiert wird: auf Orchesterzerstörung folgt zerstörend die Kunst. Warum soll man Lieder schreiben, wo jemand maximal Tränen der Rührung vergiesst, wenn zielgenau die Grundlagen des Liederschreibens und Liedersingens aus angeblich „guten Gründen“ entsorgt werden? Glaubt denn das Kulturmanagement inzwischen durch Reduktion von Orchestern, Podien, Theatern, etc. also durch Senkung des Angebots die Nachfrage des Publikums zu erhöhen?

    Nein, es bricht noch viel eher weg, und hoffentlich auch solchen „End-Lösungs“-Zitierern wie Borstlap dann zuerst… Aber das ist die Freude nur dessen, der nicht zuerst fällt, wenn es bebt. Immer diese schadenfreudigen Pseudo-Kulturverteidiger, die darunter leiden, dass ihre Musik, die wie all die Musik vor ihm klingt, nur ebenso als „klingt-wie“ wahrgenommen wird und die Erfolge der Vorbilder des Impressionismus und der Spätromantik die millionenfach grösseren Erfolge einfuhren und noch einfahren. Dann lieber spröde, eigen Schreiben, ungehört sein, als diese restaurativen Unarten fern jeglichen echten Wiederbelebens… Und dann die Schadenfreude und das Umkehrschluss-freie Denken, meine Antwort, ganz schaden-un-froh: HA! HA!

    Aber ich bin abgeschweift! Uns bleiben ja vielleicht nicht einmal die Museen, um Ikonen aus kaputten Kirchen zu retten. Nein, es gehört Einhalt geboten. Und nachdem jeder Tatmensch unter uns aber kein Täter werden will, muss man wohl zerstörend auf Zerstörung hinweisen. Wie wir aus der Causa Rundfunkratsmitglied und Regierungsparteiangehöriger aus Bayern wissen, kann man sich bei Rettung von Kulturinstitutionen nicht einmal mehr auf altbewährte Verbündete verlassen. Oder ganz anders: wer nicht mehr als Musiker alsbald arbeiten soll, der sollte durchaus mit Mitteln des Friedens verbrannte Erde hinterlassen, kämpferisch bis zum Umfallen sein, wie eben die Leute und Freunde der SWR-Orchester. Aber auch dies nutzt nichts. Eigentlich wäre das beste, man löst sich für die oberen Etagen seines Arbeitgebers einfach in Luft auf, verschwindet einfach – z.B. nach Sambia, nach China, etc., so wie es ja bereits passiert. Keine Ahnung, warum Ihr Kollege in Sambia ist, aber mitunter auch, weil es hier aktuell kulturfeindlich ist. Nicht wegen der Reaktionen einiger unserer jüngeren Komponisten und Performer, nein, wegen des Schweigens des Gros ALLER MusikerInnen, wegen des immer mehr widerständebeseitigenden Agierens der Auslöscher! Hier wurden Vergleiche mit Bebelplatz Berlin 1933 und Taliban in Bamian gezogen: nennen Sie lieber jetzige Verantwortliche so als jetzt gegen solche Verantwortliche agitierende Künstler. Sie sind immer noch der schlafende, deutsche Michel, der am Ende gutmenschlerisch aufwacht und auf ein Opferlamm statt auf die Täter zeigt! Sie reden von Afghanistan und 1933 und agieren wie Ihre Grossväter ab 1950! Aber kein Wunder im Kiesingerländle…

  20. Ja, kann dann niemand von der Redaktion den armen Strauch helfen? Der Kerl sinkt in einem pathologischen Wutanfall… und er hat es doch so gut gemeint mit seiner Verteidigung des Violinenmassakers.

  21. Werter Herr Borstlap, um der anderen Bedeutung meines Namens gerecht zu werden: gießen kann ich mich selbst! Ob Ihrer Anti-Haltung gegenüber dem Erhalt eines der besten badischen Orchester kann ich nur nochmals mein ungläubiges Entsetzen zum Ausdruck bringen. Mögen Sie studierter, musikwissenschaftlicher als ich sein – von der hiesigen Situation haben Sie keine Ahnung! Unterstützen Sie lieber die Dezimierungen niederländischer Ensembles oder den weiteren Vollzug der britischen Kürzungen der Kulturausgaben auf der Insel, als einen weiteren Gedanken an unsere Probleme zu verschwenden. Komponieren Sie lieber eine Fuge oder ein Charakterstück als Vergleiche mit 1933 und so weiter zu versuchen bzw. dafür die richtigen Adressaten zu finden! Das habe ich Ihnen voraus. Ansonsten: Gute Nacht Europa!!

  22. Sehe gerade, werter Herr Borstlap, dass Sie auf Ihren Seiten über den NMZ-Artikel schrieben, „Das Foto“ NMZ 9/14. Die NMZ schreibt: „Zur Schaffung neuer Absatzmärkte haben sich der Verband deutscher Geigenbauer und Bogenmacher sowie der Deutsche Komponistenverband (DKV) in eine neue Allianz begeben. Die Manufakturen wollen zukünftig bei den großen Festivals der Neuen Musik in Darmstadt, Donaueschingen und Stuttgart Kompositionsaufträge vor allem an Konzeptualisten wie Johannes Kreidler und Stefan Prins vergeben, deren Schaffen explizit durch das performative Zerstören hochwertiger Streichinstrumenten geprägt ist.“ Oh heiliger Hepfer, Du wunderbarer Leim! Da sind wohl Herr Klotz wie Herr Borstlap Dir auf denselbigen gegangen, als sei der 1. September der 1. April! Haben Sie denn nicht gesehen, dass dies reinste Satire ist? Noch mehr Gelächter ;-)))))

    Auf Ihrer Seite schreiben Sie tiefernst, Link unter http://johnborstlap.com/avantgarde-grandeur/#more-1147 , mit dem Titel „Avantgarde Endlösung“, letzter Absatz: „In this context an interesting and groundbreaking initiative of the German Violin Makers Union and the German Composers Guild is also to be wholeheartedly applauded: the united violin factories will make available, for the famous Darmstadt Summer Courses and the Donaueschingen New Music Festival, commissions for new works by concept composers who specialize in the instrumental treatment as demonstrated in this video, which is expected to boost the market of new violins considerably“.

    Chapeau, Ihre unfreiwillige Komik im Missverständnis der NMZ-Satire ist noch absurder, als es Orchesterauflösungen, Proteste dagegen, Kunstaktionen und Petitionen sind. Wie gesagt, lassen Sie von deutschen Problemen und deren Verstehen lieber die Finger oder lassen Sie sich hiesigen Musikerhumor erst einmal erklären!

  23. Eberhard Klotz sagt:

    Nun mal halblang lieber Alexander Strauch…
    ich bewundere Ihre Leidenschaftlichkeit, wobei in den Wortmassen manchmal ein wenig das Inhaltliche unterzugehen droht, denn Sie wiederholen sich. Mit Ihrem Protest gegen die Orchesterfusionen und dem ganzen neu-deutschen Kulturabbau rennen Sie bei mir offene Türen ein, wie Sie es oben schon gesehen haben. (Dieser Abbau kommt übrigens von Rot-Gün oder gewissen Leuten, die sich im Piratenspielen gefallen – bei Kiesinger hatten wir noch viel mehr Musikkultur und Bildung, zumindest sagen das die älteren Leute.)
    Sie gehen immer noch davon aus, dass das Geigenmassaker als (meiner Ansicht nach nicht sehr origineller) Protest gegen Orchesterzerstörungen und dergleichen gedacht ist. Nach informierten Leuten und auch nach Arno oben, ist das aber mehr als zweifelhaft und kommt so im Werk auch gar nicht zum Ausdruck. Und selbst wenn: was nützt ein Protest, wenn ihn niemand versteht, ausser vielleicht ein paar Eingeweihte in ihrem Türmchen? Wie ich oben schon ausführte, ist nichts in der Kunst problematischer und auch künstlerisch schwieriger darzustellen, als Protest gegen Kulturzerstörung durch die Zerstörung von Kunst selbst. Die Gradwanderung ist hier enorm schwer, damit es nicht ins Peinliche umkippt. Natürlich kann jeder öffentlich politische Proteste zelebrieren und Dinge zerstören, aber ob das dann auch Kunst ist, ist wieder eine ganz andere Frage und neben dem Politischen geht es in Darmstadt meines Wissens auch noch um Musik als Kunst. (?)
    Sie haben sich wohl oben daran gestört, dass ich Bach erwähne, (von dem Schostakowitsch übrigens sagt, ich spiele jeden Tag etwas von ihm). Ich hätte oben aber auch schreiben können: Und ich muss gestehen, dass ich beim Anblick der Violinen weinen musste, wenn man sieht, was Berg in seinem Violinkonzert mit einer Violine macht.

    P.S. Mien Kollege ist übrigens in Sambia, weil ihm in Deutschland die ursprüngliche Begeisterung für die Musik beim Publikum fehlt. (Die Leute kommen hier gelangweilt in die Konzerte und haben kein Leuchten mehr in den Augen, wenn Musik erklingt, wie bei den Kindern in Afrika. Er ist meist 3 bis 5 Monate im Jahr dort.

  24. Eberhard Klotz sagt:

    Mein Kommentar gehört übrigens zu Alexander Strauch um 16.20.
    Die Ereignisse scheinen sich hier zu überstürzen…

  25. Eberhard Klotz sagt:

    Lieber Herr Strauch,

    nun muss ich aber über Sie ein wenig lachen: Mein Kommentar zu „Das Foto“ in der nmz ist dick mit “ Vielen Dank für diese Satire“ überschrieben. Können Sie lesen?

  26. Eberhard Klotz sagt:

    Mein Kommentar ist übrigens vom 8. September und ich sehe gerade, dass Herr Borstlap einige Tage später auch einen Kommentar zu dem Foto gemacht hat. Er hat also sicher gesehen, dass mein Kommentar mit „Vielen Dank für diese Satire“ überschrieben war und hat den Text wohl auch als Satire bei sich aufgenommen:
    http://www.nmz.de/artikel/das-foto

  27. Na, da haben Sie mich! Wir sollten wohl alle nicht immer Alles zu ernst nehmen… Geht an Sie zurück für Dome und Buddhas ;-)

  28. Eberhard Klotz sagt:

    Keine Sorge, bin nicht nachtragend…Hätte sogar sein können bei meiner Naivität,
    dass ich diesen Unsinn glaube.
    Unsre Welt ist so absurd, dass die Realität oft wie eine Satire wirkt…

  1. 20. September 2014

    […] Audioguide Über Kreidlers Audioguide wurde hier im Badblog, und auch hier, bereits zu Genüge gestritten. Was man aus der Ferne aufgrund der hier auch schon […]