Was wir verdienen. Eine Studie des MIZ.
Fleißig produziert das verlässliche MIZ (Deutsches Musikinformationszentrum) eine Studie nach der anderen zum heutigen Musikleben in Deutschland. So auch jetzt wieder:
…vor dem Hintergrund des anhaltenden Strukturwandels im Arbeitsmarkt für Musikberufe hat das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ) im Mai diesen Jahres ein umfangreiches Dossier mit Daten zur Erwerbstätigkeit in Musikberufen veröffentlicht.
Die Daten zeigen unter anderem, dass sich die freiberufliche Tätigkeit unter Musikern und Musikpädagogen mit einem Zuwachs von 40 Prozent seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt hat, bei monatlichen Einkommen, die für die 50.000 in der Künstlersozialkasse versicherten Musikerinnen und Musiker bei durchschnittlich rund 1.000 € pro Monat liegen.
(Auszug aus dem Pressetext des MIZ).
„Strukturwandel“ ist hier ein freundlicher Ausdruck für das momentane Orchestersterben und den Fusionswahn. Im Klartext heißt dies: die Anzahl von „Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ (d.h. Musiker mit Festanstellungen an zum Beispiel Orchestern oder auch Beamte, d.h. Musikhochschuldozenten etc.) fällt, die Anzahl der Freiberufler (die dann normalerweise der Künstlersozialkasse angehören) wächst.
Insgesamt gibt es 47.413 „Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ in Musikberufen, hierzu gehört übrigens auch der Musikfachhandel, Instrumentenbau und die Musikpädagogik. Musiker im eigentlichen Sinne sind davon 24575. Das Gros davon machen Instrumentalmusiker aus (18005) , dann kommen Sänger (5107), Dirigenten (969), „Sonstige“ (466) und als absolutes Schlußlicht (Trommelwirbel)….Komponisten, nämlich 28 Kollegen, vermutlich alle als Dozenten an Hochschulen tätig. Ich nehme mal an, dass ich einer von denen in der Statistik bin. Vornehmlich wird es sich um „E“-Komponisten handeln, mit einigen Filmmusikkollegen.
Demgegenüber stehen 50.083 „Freiberufler“ in den selben Sparten. Deren Einkommen kann durch die Künstlersozialkasse relativ genau durch die jährlich geforderten Angaben bestimmt werden. Obwohl es hier natürlich einen gewissen Spielraum gibt, da die Angaben ungefähr und freiwillig sind – die meisten wollen bei der KSK auf jeden Fall über das Mindesteinkommen kommen, aber auch kein zu hohes Einkommen angeben, da sonst die Beitragszahlungen höher sind. Andererseits wirken sich niedrige Einzahlungen auch auf die Renten aus, insofern ist es wirklich sehr schwer, ganz genaue Angaben zu machen, im Schnitt werden aber die meisten ehrlich sein.
In dieser Gruppe der Freiberufler gibt es wesentlich mehr Komponisten, nach der Grafik ungefähr ein 16tel der Gesamtmenge, um die 3500. Es gibt also 107 mal so viele freiberufliche Komponisten wie fest angestellte Komponisten (was nicht wirklich überrascht, da es für Komponisten außer einer Lehrtätigkeit nicht wirklich eine feste Anstellung geben kann). Diese freiberuflichen Komponisten (E und U gemischt) verdienen im Schnitt 16.000,-EUR im Jahr, also 1333,-EUR im Monat, was schon Mal nicht wirklich zum Leben reicht.
Wer verdient am meisten von den Freiberuflern? Erstaunlicherweise die (sehr kleine) Gruppe der Textdichter und Librettisten, diese sind mit im Schnitt 20.000,-EUR im Jahr quasi die Krösusse. Und wer am wenigsten? Die Chorsänger „Ernste Musik“ die ihre Festanstellung bei zum Beispiel einem Rundfunkchor verloren haben oder nie eine hatten…diese kommen gerade mal auf 666,-EUR im Schnitt im Monat, was lustigerweise auch die „Zahl des Tiers“ aus der Johannes-Offenbarung ist. Wie Tiere fühlen die sich vermutlich auch.
Interessantes Detail: der nicht fest angestellte „ernste“ Orchestermusiker verdient deutlich weniger als der freiberufliche „Jazz-und Rockmusiker“ oder „Tanz-und Popmusiker“ , nämlich 826,-EUR im Monat gegenüber z.B. 950,-EUR im Monat bei Jazz-und Rockmusikern. Fest angestellte „Jazz- und Tanzmusiker“ wiederum dürfte es nur ganz wenige in Deutschland geben.
Den dramatischsten Trend gibt es bei den Pädagogen: die Zahl der freiberuflichen Pädagogen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt (ebenso übrigens die Dirigenten). Ein Beispiel hatten wir hier auch im Blog: Martina Feldmann war vormals an der Städtischen „Hans-Werner-Henze-Musikschule“ Marzahn in Berlin angestellt, nun hat sie ihre eigene „Freie Jugendorchesterschule Berlin“. Für Berliner Eltern ist das eine tolle Sache, für Martina (und Rainer) Feldmann aber ein wesentlich höheres finanzielles Risiko.
Ebenso verdoppelt hat sich die Zahl der freiberuflichen Chorsänger und Gesangssolisten, die – was jeder Leser der Facebook-Seite „Die traurigsten und unverschämtesten Künstlergagen“ selbstverständlich weiß – auf der Lohnskala ganz, ganz unten sind.
Zusammengefasst ist das hier in dem SWR-Beitrag „Ohne Moos ist nix los“. Dort wird natürlich auch wieder die Keule gegen die Musikhochschulen geschwungen – Tenor ist: An den 24 deutschen Musikhochschulen werden zu viele Musiker ausgebildet, die dann alle keine Chance haben:
Vierhundert Absolventen verlassen mittlerweile Jahr für Jahr allein im Fach „Gesang“ die Hochschulen. Das entspricht einer Steigerung von 168 Prozent innerhalb von nur 15 Jahren. 2.200 Instrumentalmusiker legen jährlich ihre Prüfungen ab und stehen dem Arbeitsmarkt zu Verfügung.
Sie treffen auf einen Sockel von gut 6.000 Absolventen, die in den vergangenen drei Jahren bereits den gleichen Abschluss erlangt haben und noch als „Berufseinsteiger“ gelten.
Aktuell sind an den Musikhochschulen mehr als 31.000 Studierende immatrikuliert. Der überwiegende Teil wird nie im Leben eine Festanstellung erhalten, egal ob als Komponist, Dirigent, Sänger oder Musikpädagoge.
Allerdings ist das Ganze ja eher eine selbsterfüllende Prophezeiung – im Grunde haben wir ja immer das gleiche Spiel: Staat/Land/Stadt schafft Orchester ab, streicht Stellen – plötzlich gibt es weniger Stellen für die Musiker. Daraufhin schaffen die Länder mit genau dieser Argumentation die Musikhochschulen ab (so wie gerade in Baden-Württemberg), woraufhin sich dann auf die weniger gewordenen Studienplätze um so mehr Interessenten drängen. Dann wird wieder ein Orchester abgeschafft, und das Spielchen geht von vorne los….
Verursacher des Ganzen ist aber – immer! – die Politik, nicht wirklich ein fehlendes Interesse an Kultur im Allgemeinen. Je weniger Kultur es gibt desto weniger Menschen wissen davon, so einfach ist das. Man erzeugt also sein eigenes Desinteresse, was dann wieder zur Argumentation für noch mehr Kürzungen dient, die noch weiteres Desinteresse erzeugen….ein endloser Kreislauf der Dummheit und Ignoranz.
In diesem Sinne ist auch der Titel dieses Beitrags gemeint: Wir verdienen tatsächlich genau das…was wir verdienen. Denn diese Politiker haben wir gewählt. Vielleicht gab es keine Anderen?
Moritz Eggert
Und hier die Kurzfassung der Studie:
Kurzfassung_Erwerbstaetigkeit_in_Musikberufen
Komponist