Drei Begegnungen mit Otto Sander (1941-2013)

Der Schauspieler Otto Sander ist am 12. September 2013 im Alter von 72 Jahren gestorben.

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Jedes Kind kennt Otto Sander. Aber persönliche Erinnerungen sind unersetzbar. Ich bin Otto Sander mehrere Male persönlich begegnet. Aber nur zufällig. Also nicht etwa im Rahmen eines gemeinsamens „Projektes“ oder dergleichen. Im Leben nicht würde ich mich damit brüsten. Man lief ihm in Berlin halt immer wieder über den Weg. Wie übrigens auch dem Schauspieler Wolfgang Völz, der ganz normal durch Charlottenburg lustwandelt – oder Jochen Busse, den ich mal im Bus der Linie M49 sah (vermutlich fuhr er zu den Wühlmäusen am Theodor-Heuss-Platz).

Ich erinnere mich an drei persönliche Otto-Sander-Momente.

2011 besuchte ich die Premiere von „Orpheus in der Unterwelt“ am Schiller Theater. Leider eine grauenvolle, auf „klamaukig-originell“ und „prominent besetzt“ gemachte Inszenierung, die ich als maximale Qual empfand. Jedenfalls spielte Ben Becker (das passte irgendwie gut, da er einen „Touristenführer der Hölle“ darstellte) mit, bekanntlich der Stiefsohn von Otto Sander. Und Sander war der erste am Bierzapfhahn bei der Premierenfeier. Das gab mir zu denken. Da man ja immer wusste, wie es Sander mit dem Thema „Genuß“ hält… Da dachte ich noch: Wie häufig kann ich den noch live sehen?

2009 trat Otto Sander als Rezitator bei Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ in der Philharmonie mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski auf. Wie Sander den Prolog rezitierte werde ich nie vergessen. Dieser „wissende Weltschmerz“, mit ganz viel Komik, Trost und Menschlichkeit erfüllt:

„Ach, mein Lied, ich verberge es.
Wo, wo, soll ich es verbergen?
War es jemals, war es nicht?
Aussen oder Innen?
Alte Sage, ach, was bedeutet sie,
Männer und Frauen?
Nun hört das Lied.
Ihr schaut, ich schaue euch an.“

2005 kam ich als Kontrabassist von einer Orchestermugge in der Lüneburger Heide zurück nach Berlin. Damals war noch der Zoologische Garten der Hauptbahnhof. Einen Kontrabass kann man „auf der Seite“ oder auf dem Rücken tragen. Ich trug meinen Bass auf dem Rücken. Und wer den alten Bahnhof Zoologischer Garten kennt, der weiß, dass es da so eine Zwischenebene (bevor es die letzte Rolltreppe hinuntergeht) mit ganz niedriger Decke gibt. Da musste ich mich gewaltig bücken. Ohnehin war es ein anstrengender Tag gewesen – und wahrscheinlich sah ich nicht gerade ungenervt aus. In genau diesem Moment kam Otto Sander – ohne Begleitung – eben jene Rolltreppe hoch, beäugte mich – und lächelte mich in einer Weise an, die mir vielleicht sagen sollte: „Hey, ich weiß, wie hart das Künstlerleben sein kann!“ Jedenfalls stimmt mich der Tod von Otto Sander traurig, weil ich diesen speziellen Otto-Sander-Weltleiden-Blick natürlich aus seinen Fernsehfilmen und von seinen Theaterauftritten kenne – und ihn als zutiefst menschlich, ja irgendwie „maximal menschlich“ empfand und von mir behaupten würde, ich wäre ihm (Otto Sander und seinem liebevollen Blick) einmal ganz persönlich begegnet…

Otto Sander: Ruhe in Frieden.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.