Wie macht man eine Oper? (Folge 4)

Oder: „Wir gratulieren!“ (Mieczysław Weinberg)

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Die männliche Hauptrolle in Mieczyslaw Weinbergs Oper „Wir gratulieren!“ ist der arme jüdische Buchhändler Reb Alter.

Im Rahmen unserer Konzerthaus-Opern-Produktion habe ich mich so intensiv wie nie mit dem Thema „Sängerprofile“ beschäftigt. Und es im Grunde wie bei Laienchören: Es gibt immer ein Tenor-Problem! Auf dem professionellen Sängermarkt ist das ebenso – zumal, wenn man einen lyrischen, aber stämmigen, witzigen Tenor braucht, der „um die 40 Jahre“ (laut Rollenbeschreibung) ist.

Eher der Mime-Typ? Oder ist das zu „kauzig“? Aber ein Schöngeist darf Reb Alter auch nicht sein. Andererseits hat er wirklich lyrische Passagen und extrem hohe Töne zu singen (unter anderem das hohe b).

Es mussten mehrere Castings her, bis wir den perfekten Reb Alter hatten: Jeff Martin – ein wunderbarer Sänger, extrem sicher, sehr lustig und sehr agil in seiner Stimme. Er kam gerade aus Moskau, hatte dort im Bolschoi-Theater den Valzacchi („Der Rosenkavalier“) gesungen. Und lieferte trotz Reisestress ein perfektes Vorsingen ab. Ein schöner Moment, wenn alle Entscheider im Raum sich anschauen und wissen: „Das ist er!“

Darf ich anmerken, dass es für mich als Produktionsleiter immer eine Herausforderung ist, wenn alle anderen Künstler um einen herum schreien: „Den müssen wir haben!“ – und man aber noch längst nicht auf der sicheren Seite ist? Schließlich muss man so jemanden auch bezahlen können. Und er muss Zeit haben. Es gibt viele Sänger auf dem Markt, die bei Gelegenheit Probe-Vorsingen machen, scheinbar nur, um zu sehen, wie ihr „Marktwert“ gerade ist.

Gott sei Dank war das bei Jeff Martin nicht der Fall.

Ich kann schon jetzt sagen, dass diese Weinberg-Oper für mich das bisher schönste Projekt in meinem grünschnäbligen Leben überhaupt ist. Noch nie habe ich mit so fähigen und netten Menschen zusammengearbeitet – und nie war ich so stolz, ein Team geschaffen zu haben, das sich so unglaublich gut versteht – und natürlich heiß auf Gastspiele, Wiederaufnahmen und so weiter ist (und das nicht aus finanziellen Gründen, sonder weil alle mit Herz bei der Sache sind und wissen, dass es gut wird. Richtig gut).

Noch vier Tage bis zur Premiere. Morgen und übermorgen Hauptprobe. Das Huhn, das in der Oper mitspielt, kommt morgen. Übermorgen kommt der Käfig (Danke dafür an Hufi!). Am Samstag bin ich im Kulturradio vom rbb (meinem alten Sender) – und berichte um 13.10 Uhr live über diese Oper. Am Freitag wird außerdem auf Deutschlandradio Kultur um ca. 10.40 Uhr ein Bericht über die Oper laufen – dazu war der wunderbare Stefan Lang gestern bei uns in der Probe.

Außerdem zeichnet Deutschlandradio Kultur die Premiere auf – und sendet die Oper am 13. Oktober um 19.05 Uhr (zusammen mit Weinbergs Einakter „Lady Magnesia“).

Weinberg hat für „Wir gratulieren!“ zwei Schlussvarianten komponiert. Die eine (ältere) hat einen ziemlich sozialistischen C-Dur-Lärm-Schluss. Wir spielen die spätere Variante, die wesentlich dissonanter, fieser aber auch tänzerischer ist. Deutschlandradio Kultur wird aber bei der Generalprobe auch die alte Schlussvariante mitschneiden und bei der Ausstrahlung am 13. Oktober diese ebenfalls senden. Was für eine gute Idee! So kann sich jeder am Radio sein eigenes Bild, äh, sein eigenes „Hör“ machen…

Konzerthaus Berlin · Werner-Otto-Saal
Sonntag, 23. September 2012
Montag, 24. September 2012
Dienstag, 25. September 2012
20.00 Uhr

Wir gratulieren!

Oper von Mieczyslaw Weinberg (op. 111)
Nach dem Theaterstück „Masel tov“ von Scholem Alejchem
Deutsche Erstaufführung
Deutsche Adaption: Ulrike Patow
Uraufführung der Kammerfassung von Henry Koch

Katia Guedes (Sopran, Madame)
Anna Gütter (Sopran, Fradl)
Olivia Saragosa (Mezzosopran, Bejlja)
Jeff Martin (Tenor, Reb Alter)
Robert Elibay-Hartog (Bariton, Chaim)
Jürgen Preller (Stummer Diener)
Kammerakademie Potsdam
Vladimir Stoupel (Musikalische Leitung)
Titus Selge (Regie)
Stefan Bleidorn (Bühnenbild und Kostüme)
Arno Lücker (Produktionsleitung und Dramaturgie)
Peer Niemann (Technische Einrichtung und Organisation)
Stephanie Hoernes (Korrepetition und Einstudierung)
Sigrid Herfurth (Mitarbeit Kostüme)
Vincent Cheng (Assistenz Musikalische Leitung)
Vanessa Hernandez (Assistenz Bühnenbild)

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.