Was ist Kunst? Was ist Unschuld?

Das frage ich mich anlässlich des Streits um den derzeit den Islam verhöhnenden Films des in den USA lebenden Ägypters. Ohne Zweifel ist dieser Film Grund einer gerade unendlich erscheinenden Gewaltkette, die Gläubige weltweit provoziert und zu extremen Gewalttaten bis hin zu Mord veranlasst. Ohne Zweifel sind die Gläubigen dazu wiederum von Politikern und weiteren Agitatoren angestachelt worden, wie etwa nach dem Papstbesuch im Libanon der dortige Hisbollah-Chef zu weiteren Protesten gegen den Film aufrief.

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Zweifelsohne ist genauso die Absicht der rechtsradikalen Politbewegung Pro-Deutschland den Film in hierzulande kinoartig vorzuführen dazu geeignet zum Unfrieden zwischen Religionen anzustiften. Problematisch scheint das Vorgehen dagegen zu sein. In den Medien hängt man sich allgemein an der Meinungsfreiheit auf. Zielführender scheint dagegen das prognostische und Unfrieden vermeiden wollende Sicherheitsrecht zu sein, das die Kanzlerin letzthin äusserte. Zwar bezieht sich das Sicherheitsrecht in seiner Fallprüfung genauso auf den Blasphemieparagrafen des Strafgesetzbuches, der Anstiftung zum Unfrieden zwischen Religionen unter Strafe stellt. Nur kann ein Vorgehen nach diesem Paragrafen selbst oft zu nichts führen, derweil das Sicherheitsrecht auf diese Norm im Schutze der allgemeinen Rechtsgüter abzielt, aber dann eben weiterkommt als die Bezugsnorm selbst.

Mit Meinungsfreiheit und Blasphemie sieht es wohl schwierig aus. Blickt man in die USA, wo man gerade versucht den Regisseur dieses Filmes zu belangen, kriegt man ihn wegen der Filmproduktion selbst nicht hinter Gitter. Auch dort wird das Sicherheitsrecht bemüht, um ihm einen Verstoss gegen verletzte Bewährungsauflagen nachzuweisen wie die Nichtbenutzung des Internets. Also wandert er dort ggf. wegen einem älteren Vergehen hinter die eisernen Gardinen. Hierzulande wird die Meinungsfreiheit v.a. weniger in den Film selbst als in das Vorführungsvorhaben der Pro-Deutschland Bewegung projiziert. Erstaunlicherweise wenden sich selbst die Piraten gegen dieses Vorhaben und wollen dies unterbunden wissen. Da brachte Christoph Lauer im ZDF-Morgenmagazin aber genausowenig wie die Kanzlerin die Meinungsfreiheit ins Spiel als vielmehr den Vorschlag zu prüfen, ob denn Pro-Deutschl überhaupt die Aufführungsrechte besitzen könnte und damit denen ihre Ansinnen zu untersagen.

Alles scheint also darauf hinaus zu laufen, nach hiesiger Bewertung diesen Film als Kunst zu betrachten. Natürlich ist dabei klar, dass dessen Inhalt bei Aufführung zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu taugen scheint. Per se aber wird ihm auf diesem Wege der Kunstcharakter nicht abgesprochen. Ein wenig erinnert dies an Veit Harlans Jud Süss-Film. Ist doch dessen Zeigen verboten und nur unter strengen Auflagen ausnahmsweise möglich. Dem Film selbst wird aber der Kunstwerkcharakter nicht abgesprochen. Sonst könnte man ihn ja einfach zerstören, wie man missliebige Architektur z.B. abträgt.

Wenn man nun beispielsweise Kunst in unseren Breitengraden aufklärerischen Charakter unterstellt, wie es für sich die Neue Musik beansprucht, ist diesem Film jegliche aufklärerische Absicht in Abrede zu stellen, ist es moralisch dann wiederum doch kein Kunstwerk. Dass dieses Machwerk höchst dilettantisch produziert wurde, ist nicht unbedingt die Grundlage, ihm den Kunstcharakter abzusprechen. Das müsste man dann im Umkehrschluss auch all den laienhaft selbstorganisierten Aufführungen von Neuer Musik nachsagen. Wie man aber sieht, scheint es doch wichtig zu sein, heute Kunst nicht nur absolut zu betrachten, sondern immer ihren politischen Gegenwert abzulesen. Das mag viele an den Sozialismus erinnern, erschrecken. Aber das Schöne ist ja, wenn bewusst unpolitisch Kunst betrieben wird, ist dies ja doch wieder selbst politisches Handeln.

In aufgekratzten Zeiten wie den unsrigen ist aber mal wieder wichtiger denn je, künstlerisches Schaffen nicht allein dem eigenen Milieu zu schulden. Denn sonst hat es moralisch schnell den Anschein von Kunstgewerbe, wie eben das Filmbusiness und speziell seine Musik Kunstgewerbe mehrheitlich zu sein scheint. Aber Gebrauchskunst zur politischen Aufklärung zu schreiben, das scheint wieder eher Kunst zu werden als reine Kunst. Bleibt aber nur die Frage, ob dann jener Film auch Gebrauchskunst ist, so politisch wie er einschlägt? Aber aus meinem moralischen Blickwinkel kann ich leicht sagen, er ist weder das eine noch das andere. Auch wenn das Recht was Anderes anzudeuten scheint, denn in seiner unschuldigen Allüre macht er sich mehr als schuldig. Was aber heisst, dass unschuldig-naives Kunstproduzieren jetzt allmählich zu Ende gehen wird. Was bedeutet, dass man nicht nur über die inneren Massgaben eines Kunstwerks referiert, sondern bewusst sagt, dies sei nun aufgrund von besonderen Umständen gerade politisch oder erst recht anti-politisch. Wie seht Ihr dies? Ich bitte um Kommentare und Kritik!

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