Lars von Triers “Dogma”, angewendet auf Musik von heute (2)

Stefan Hetzel hat ja in seinem letzten Kommentar schon ein paar gute weitere Ideen entwickelt, wie sich die „Dogmen“ des „Dogma 95“ Filmmanifestes auf Musik übertragen lassen. Aber seien wir dennoch bewusst gründlich – Selbstgeißelung macht ja Spaß! – und schauen uns heute mal die Punkte 1., 3., 4. und 5. des Original-„Dogma“s an, die die „arte povera“ Charakteristik der Dogma-Filme am stärksten definieren. Ich komme dabei zu etwas anderen Schlüssen als Stefan, aber genau darüber ließe sich ja diskutieren.

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1. Als Drehorte kommen ausschließlich Originalschauplätze in Frage, Requisiten dürfen nicht herbeigeschafft werden.
3. Zur Aufnahme dürfen ausschließlich Handkameras verwendet werden.
4. Die Aufnahme erfolgt in Farbe, künstliche Beleuchtung ist nicht akzeptabel.
5. Spezialeffekte und Filter sind verboten.

All diese Forderungen stehen natürlich krass dem entgegen, was man mit Film als „Jahrmarktsmedium“ (womit er historisch begann) assoziiert: die „bells and whistles“ des Mediums, der Zauber, die Magie, die Täuschung. Einer der ersten großen Filmautoren war natürlich der hier auch schon erwähnte Georges Méliès – seine aus dem Varieté und der Zauberkunst entwickelten Spektakelfilme prägen bis heute das, was viele Menschen z.B. von einem Blockbusterfilm erwarten: ein gewisser Wunsch nach dem Staunen über unglaubliche Vorgänge auf der Leinwand ist uns allen bis heute geblieben.

Um dieses Staunen zu erzeugen verwendet das Medium Film hunderte von Tricks: hierzu gehören spektakuläre Aufbauten wie sie z.B. der legendäre Set-Designer Ken Adam für viele James Bond – Filme verwendete (meistens für die Operationsbasis des Oberschurken) (widerspricht Dogma-Regel Nummer 1), CGI-Effekte oder Masken-, Animatronic, Gore-, „Bullet-Time“ wie in „Matrix“, elektronische oder analoge Filtereffekte wie sie in heute fast allen kommerziellen Filmen an der Tagesordnung sind (widerspricht Regel Nummer 5), sowie die Verwendung von gestylten und flüssig-eleganten Kamerafahrten mit z.B. steadycam, „establishing shots“, Zoom-und andere Effekte die den Zuschauer vergessen lassen, dass er Zuschauer ist und ihn sogartig in den Film hinein ziehen (widerspricht Regel Nr. 3).

Weniger offensichtlich ist die Regel Nummer vier – wogegen das Verbot von „künstlicher Beleuchtung“ eindeutig zu obigem Themenkomplex gehört, scheint die Forderung nach einer „Aufnahme in Farbe“ fast einer Gegenlogik zu folgen. Aber nicht wirklich: Wer heutzutage einen Schwarzweißfilm dreht, verstärkt durch den bewussten Anachronismus eher die Illusion des Kinos, entweder durch Nostalgie (Woody Allen in „Manhatten“) oder durch Hommage an vergangene Formen der Unterhaltung („The Artist“, Oscarabräumer). Eigentlich fehlt hier noch – wenn man an „The Artist“ denkt – die Forderung: „Es muss sich um einen Tonfilm handeln“.

Diese Dogmen sind also eine ganz bewusste Abwendung vom magischen Potential des Kinos. Wenn der Zuschauer dem Film aus einer wackeligen Handkamera folgt, die unverfälschte Bilder liefert wie sie die eigene heimische Videokamera oder inzwischen auch das Handy liefern könnte, gibt es keine eigentliche Distanz zwischen den Machern des Films und seinen Betrachtern. Allein die künstlerische Absicht, der Schnitt (hier interessanterweise nicht erwähnt, weil für die Erstellung eines Films essentiell) sollen im Mittelpunkt stehen. Das was erzählt wird, soll den Betrachter nicht bannen oder überwältigen, sondern ihn bewusst in der Rolle des Betrachters lassen, der seine eigenen Schlüsse ziehen kann.

In der Musik könnte man hier vielleicht eine ungefähre Analogie finden, indem man die Musik von z.B. Mozart mit der von Wagner vergleicht. Bei Mozart stehen mit den Mitteln seiner Tonsprache gezeichnete lebendige, realistische und nachvollziehbare Individuen auf der Opernbühne, die sich zutiefst menschlichen Neigungen und Sehnsüchten hingeben. Auf der Bühne ist selbst bei „magischen“ Stücken wie der „Zauberflöte“ der eigentliche Fokus (und die Sympathie des Komponisten) bei den „einfachen“, unperfekten Figuren wie z.B. Papageno. Da eher die Melodie als die Harmonik im Vordergrund steht, wirkt vor allem der sprachliche Charakter der Musik, viele der Melodien kann man „nach Hause mitnehmen“, sofort nachsingen, nie fühlt man sich bedrängt oder am Kragen gepackt, es gibt kein Geheimnis außer der grenzenlosen Phantasie des Schöpfers dieser Musik, alles liegt offen.

Bei Wagner dagegen geht es vor allem um „übermenschliche“ Sehnsüchte und allegorische Riesenphantasien: auf der Bühne stehen Götter, Geisterwesen und überlebensgroße Helden. Selbst wenn es vordergründig um menschliche Regungen wie z.B. die Liebe in „Tristan“ geht, werden diese nicht ohne riesig vergrößerte Symbolik der Opferung und der überhöhten Sehnsüchte präsentiert. Die Konzentration auf komplexere Harmonik und die Übertreibung aller Handlungselemente macht vieles für den Durchschnittshörer nicht mehr übersichtlich oder geistig nachvollziehbar – dieser gibt sich willenlos und hypnotisiert den endlos modulierenden schmachtenden Akkordfolgen hin, die nie zu einem Ende kommen und daher einen Sog erzeugen. Gewollt ist Staunen und Überwältigung – nicht ohne Grund widmete sich Wagner ausführlich der Bühnentechnik und suchte für seine Zeit moderne und raffinierte Lösungen der Umsetzung seiner Großvisionen. Wenn man es genau nimmt, hätte also Lars von Trier allein schon nach seinen „Dogma“-Forderungen nie und nimmer in Bayreuth arbeiten dürfen.

Auch die „Neue Musik“ kennt „bells and whistles“, auch wenn sie vielleicht nicht so spekatakulär daher kommen wie im Film. Es gab schon immer „Spektakelstücke“, nicht erst seit der „Feuerwerksmusik“ oder der „1812-Ouvertüre“. Heute äußert sich dieses Spektakel sehr oft in Ideen, die die Musik durch Hinzufügung von außermusikalischen Elementen überhöhen sollen. So interessiert sich zum Beispiel bei einer Aufführung des „Helikopterquartetts“ eigentlich keine Sau für die tatsächlich gespielten Töne (das nudelt mehr oder weniger typisch Stockenhausensch und ohne musikalische Überraschungen vor sich hin, wenn ich das mal so sagen darf) sondern viel eher für das Drumherum: den außergewöhnlichen Spielort, die angewendete Technik, „schau mal, da fliegen jetzt die Hubschrauber, Liebes“ etc.. In der letzten Zeit ist eine Häufung solcher Spektakelstücke zu beobachten: Musik wird an ungewöhnlichen Orten aufgeführt oder mit „interessanten“ Attributen versehen: man spielt in malerischen oder abgelegenen Fabrikhallen, im Dunkeln, in Schwimmbädern unter Wasser, verwendet ungewöhnliches Instrumentarium wie Autos, Handys oder Feuerlöscher, etc.. All dies soll „Spektakel“ erzeugen, Aufmerksamkeit erregen, überwältigen.

Die weiter gehende Forderung nach „keine Spezialeffekte“ könnte man erst einmal scheinbar einfach auf Musik übertragen, indem man auf erweiterte Spieltechniken verzichtet. Aber das ist vielleicht zu kurz gedacht, ist ja z.B. schon ein simples pizzicato oder ein tremolierter Gesangston ein „Spezialeffekt“. So müde ich selber des abgefuckten Spieltechnikfetischismus in der Neuen Musik bin, es gibt durchaus Stücke (wie z.B. Lachenmanns „Pression“) in denen es überzeugend gelingt Thema und Inhalt eines Stückes zu vereinen, dies komplett zu verbieten, wäre also vielleicht zu weit gegriffen (wie schon erwähnt: Das „Dogma“ verzichtet auch nicht auf den Schnitt beim Film, den es zuerst beim Film nicht wirklich als selbstständiges künstlerisches Mittel gab und sich erst entwickeln musste).

Wenn man die ersten drei obigen „Dogma“-Regeln uminterpretiert also vor allem als Forderung versteht (und so sind sie meiner Meinung nach gemeint) auf jegliches Brimborium zu verzichten, auf alles, was von dem ablenken könnte, um was es eigentlich in der Musik geht, käme man vielleicht auf folgende, möglichst komprimierte Regeln:

1. Kompositionen dürfen ausschließlich für Orte geschrieben sein, die für den Konzertbetrieb intendiert oder geschaffen sind.
3. Die Musiker spielen auf der Bühne, frontal zum Publikum, nicht über oder unter oder neben oder mitten im Publikum.
4. Elektronisch verstärkter Klang wird durch maximal zwei Lautsprecher wiedergegeben, die sichtbar aufgestellt werden müssen, die einmal eingestellte Lautstärke darf während des Stückes nicht mehr verändert werden.
5. Die gespielte Musik muss stets live und ihre Erzeugung stets für den Zuhörer nachvollziehbar sein.

In der Praxis würde das heißen: Elektronische Musik ist durchaus erlaubt. Es wäre auch schwachsinnig, dies zu verbieten, das wäre genauso als ob man beim Film den Ton verbieten würde, der auch erst später kam, inzwischen aber essentieller, nicht mehr wegzudenkender Bestandteil ist (wie heutzutage der Einsatz elektronischer Mittel bei der Musik). Was aber nicht mehr erlaubt wäre, wäre der subkutane, überwältigende oder verborgene Einsatz dieser Mittel. Also keine 20 Surround-Lautsprecher mit schwurbelnden Klängen, die um den Hörer herumsausen, keine Musiker, die schwarz gekleidet (gähn) im Dunkeln stehen oder verborgen vom Publikum irgendwas auf ihrem Laptop anklicken, keine versteckten Effekte oder Aufmotzungen des Klanges.

In der Praxis würde das heißen, dass zum Beispiel bei der Verwendung eines Laptops dieser so aufgestellt werden muss, dass das Publikum jeden Mausklick sieht (eventuell müsste also sogar der Computerbildschirm auf eine Leinwand projiziert werden, damit nichts im Verborgenen stattfindet oder heimlich ein Sample nachträglich aufgemotzt wird). Oder ein E-Gitarrist darf kein geheimnisvolles Rack mit vorprogrammierten Effekt-Presets aufbauen, sondern muss dem Publikum klar machen, welchen Effekt er wann und wie auslöst (zum Beispiel durch Treten auf einen Fußschalter).
Vor allem aber würden sich diese Regeln gegen die von mir ehrlich gesagt nicht sehr geliebten überambitionierten „Live-Elektronik“-Kompositionen richten, in denen die hochkomplexen Klangverfremdungen für den Hörer zum großen Teil nicht mehr nachvollziehbar oder sogar hörbar sind, er also mit Klang „überwältigt“ werden soll.

Und genau diese Überwältigung sucht die neue „Dogma“-Musik nicht mehr – sie will vor allem erst einmal eines: rein musikalische Inhalte erzählen, ohne dass die verwendeten Mittel die einzige Botschaft sind, die im Vordergrund steht (frei nach McLuhan).

Moritz Eggert

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14 Antworten

  1. Hi Moritz,

    bravo bravissimo, ich fühle mich verstanden :-)

    Letztes Jahr im Oktober hab ich was zu dem Suhrkamp-Bändchen „Vorgemischte Welt. Wie handeln in der Pop-Moderne?“ gebloggt, was mir zu unserem gegenwärtigen Thema zu passen scheint.

    Klaus Sander sagt in „Vorgemischte Welt“: „Bestimmte Szenen ‚vergessen‘ einen erreichten Stand, den sie nicht mehr weiter ausbauen oder auch nur halten können, einfach gemeinsam, intuitiv oder strategisch, im Ergebnis ist das egal; entscheidend ist, dass man gegebene Standards verblassen lässt, um halt irgendwie weitermachen zu können. Das Vergessen von Standards sieht so ihrer innovativen Sprengung manchmal zum Verwechseln ähnlich.“

    Ich schrieb damals zu Sanders Äußerung:

    So „vergaßen“ die Komponisten des Klassizismus (Haydn etc.) den wenige Jahrzehnte zuvor noch höchstes Ansehen genießenden „barocken“ Kontrapunkt zugunsten einer klaren Hierarchie von „Melodie“ und „Begleitung“, was ja, rein von der Komplexität des Materials her gesehen, ein enormer Rückschritt war. Die Romantiker konnten auf diesen Schlichtheiten dann wieder ganz allmählich Komplexität aufbauen. Ähnliches geschah in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Serialismus eines Boulez, Stockhausen oder auch, weniger bekannt, Jean Barraqué, trieb komplexe Organisationsformen in der Musik zu bisher ungeahnten Höhen – dann kamen die Minimalisten um La Monte Young und setzten ihren spirituellen „Primitivismus“, der später Minimal music genannt wurde, dagegen: ein „strategischeres Vergessen von Standards“ ist kaum denkbar. Manchesmal findet das „strategische Vergessen“ auch innerhalb einer Person statt: Man denke nur an den Igor Strawinski des Le sacre du printemps (Aufruhr, Ekstase, Komplexität) und vergleiche diesen mit dem Strawinski des Apollon musagète (Ausgleich, Beherrschung, Klassizismus).

  2. Alexander Strauch sagt:

    Simple Beobachtung: Durch die vereinfachte Elektronik der Jetztzeit, also ihr Hineinpassen in ein Notebook, sieht man „Die Elektronik“ nicht nur als solche, sie ist schlichtweg ein Musiker mehr im Ensemble. Und wie die da rumschrauben, umstöpseln ist sie allemal sichtbarer, als z.B. die vor zehn Jahren übliche rein midikeyboardgesteuerte Elektronik, die ein Pianist im Ensemble, Orchester auf Einsatz tätigte, ohne genau zu wissen, was dabei eigentlich entsteht. So ist Elektronik selbst heuet näher am Musiker-Dasein als je zuvor. Ja, sie ist ein Instrument – das natürlich v.a. dazutritt, Eigenes macht, weniger ersetzt. Diese Worte sollen mein Unbehagen gegenüber der ePlayer-Theorie nicht ausräumen, bestätigen sie natürlich durchaus.

    Ehrlich gesagt, wäre sichtbare Elektronik ein Dogma für mich. Zugegeben, letzthin, gar die von Moritz ungeliebte Live-Elektronik einsetzend, waren sie nur schemenhaft gespielt hinter Plastikplanen erahnbar, die Musiker allerdings genauso, womit ich mein Dogma, Musiker und Elektronik bzw. deren Entstehung gemeinsam zu verorten, einlöste.

    Letztlich sind aber Dogmen dahingehend einfach Geschmackssache. Was allerdings bei Unsichtbarkeit der Technik musikformal, im Entwicklungsbogen wunderbar wäre: Wie man z.B. Sol Lewitts Kunstwerke vom ersten Strich und Punkt, den ersten Möglichkeiten einfacher Kombination anfänglich verfolgen kann, bis es unübersichtlich wird, so macht es unbedingt mehr Spass, wenn Elektronik genauso ihre Präsenz anfänglich schematisch vorstellt, bevor sie beginnt abzuheben. Also doch wieder ein Dogma…

    Die Frage ist generell, ob man mit akzidentiellen Dogmen weiterkommt als eher mit strukturellen, die eher ergiebig wären. Lars von Triers Dogmen wirken deshalb so einfach, so verstehbar, da jeder heute mal eine Kamera in der Hand hatte, genau diese Anforderungen laienmässigen Alltagsgebrauch entsprechen, das Setting eines Filmdrehs eher Allgemeinplatz als die Entstehungs- und Aufführungsbedingungen eines Musikwerkes durch mehr oder weniger hochschulmäßig ausgebildete Künstler ist. So sagen Moritz „Dogmen“ mehr über das konzertant sichtbare Endergebnis aus als über die Vorbedingungen des Schöpfungs- und Interpretationsprozesses. Lars von Trier beschreibt ja eher die Situation am Set als im Kino. So müsste man neue Dogmen eher für den Schreibtisch als für den Konzertsaal entwickeln.

    Ich verstehe den Ansatz von Moritz sehr wohl, denn diese visuellen Theoreme können sehr wohl auf den Schreibtisch Auswirkungen haben. Momentan stehen sie Lars von Trier bzw. dem Klischee von Lars vor Trier in der öffentlichen Wahrnehmung aber näher als dem eigentlichen Komponieren selbst.

    Hier nochmals die von Moritz eingangs aufgelisteten Ansichten der Dogma-Theorie von Triers:

    1. Als Drehorte kommen ausschließlich Originalschauplätze in Frage, Requisiten dürfen nicht herbeigeschafft werden.
    3. Zur Aufnahme dürfen ausschließlich Handkameras verwendet werden.
    4. Die Aufnahme erfolgt in Farbe, künstliche Beleuchtung ist nicht akzeptabel.
    5. Spezialeffekte und Filter sind verboten.

    Für den Komponisten umformuliert könnte dies dann wie folgt aussehen, wenn auch noch etwas holprig:

    1. Als Ausgangsmaterial dienen musikalische Erscheinung auf dem Minimum eines einzelnen, vollständig unverfremdet Tones, so dass man gerade noch von einem „Motiv“ sprechen könnte. Es ist aber auch erlaubt ganze Strukturkomplexe in Noten- oder Sampelform als Ausgangsmaterial zu verwenden.
    3. Es darf nur mit Stift und Papier oder einem (da machte Stefan Hetzel die Steilvorlage!) handelsüblichen Computerschreibprogramm geschrieben werden. Pro Stimme sollten max. fünf Notenlinien zum Einsatz kommen.
    4. Das Komponierte muss den Abspielmöglichkeiten des ggf. eingesetzten Computerschreibprogramms zum Trotze zuvor strukturell, klanglich wie visuell im Hirn des Schreibenden durchdacht worden sein. Vorgänge am Papier oder dem Rechner sind nur Korrekturen, aber kein originäres Materialzusammenstellen.
    5. Wie in 1. ein Mindestmass an Materialhöhe eingehalten werden soll, muss das Material eine eigenschöpferische Auktorialität haben: Allusionen sind erlaubt, Zitate nur erlaubt, wenn Allusionen nicht möglich sind oder nicht die gewünschte Materialhöhe garantieren.

    Wem fällt was Eleganteres ein, allerdings „Materialhöhe“ wäre der Schreib- und nicht der Spielprozess, der allerdings durchaus bewusst mitgedacht sein sollte. Dies wäre dann mein Punkt 6.

    Gruß,
    Alexander Strauch

  3. Goljadkin sagt:

    Eigentlich hat Lars von Trier das Nötige zu seinem eigenen Dogma schon gesagt, indem er gerade mal einen Film halbwegs nach diesen Regeln gedreht hat. Die letzten Filme sind ja geradezu antidogmatisch hinsichtlich des Aufwands, der beispielsweise auf akustischer oder bildlicher Ebene getrieben wird.
    Will heißen: Dogmen sind doof, und wer sich einem Dogma verpflichtet fühlt, hat schon verloren.
    Ich sehe ja gar nicht ein, warum es nicht Stücke geben soll, wo man nicht sieht, wie der Klang erzeugt wird, oder wo man aus einer Surround-Anlage beschallt wird. Es ist immer der gleiche Irrglaube zu meinen, man müßte nur die „richtigen“ Mittel aussuchen und der Rest ergibt sich dann von alleine. Das Problem ist doch viel eher, daß die Mittel mit dem Inhalt korrespondieren müssen. Erfordert es mein ganz spezielles Stück tatsächlich, daß man die Klangerzeugung nicht sieht, oder brauche ich tatsächlich für meine elektronische Zuspielung Surround-Sound, oder, oder, oder … Im Grunde verliere ich zu viele Worte über eine abermals vollkommen überflüssige bzw. weit am Problem vorbeigehende Diskussion.

    Goljadkin

  4. @Alexander Strauch:

    Letztlich sind aber Dogmen dahingehend einfach Geschmackssache.

    Eben nicht! Nimmt man Moritz‘ Vorschlag ernst (wie ich es tue), geht es doch gerade darum, persönliche Vorlieben zugunsten einer freiwilligen Selbstbeschränkung zurückzustellen.

    […] das Setting eines Filmdrehs eher Allgemeinplatz als die Entstehungs- und Aufführungsbedingungen eines Musikwerkes durch mehr oder weniger hochschulmäßig ausgebildete Künstler ist.

    Das war vielleicht noch vor 10 Jahren so, lieber Alexander, beginnt sich aber durch den technischen Fortschritt (vgl. Lehmann/Kreidler-Debatte) allmählich zu ändern – wie du ja längst weißt.

    So müsste man neue Dogmen eher für den Schreibtisch als für den Konzertsaal entwickeln.

    …wie ich das, in aller Bescheidenheit und Vorläufigkeit, in meinem Kommentar versucht habe.

    @Goljadkin:

    Dogmen sind doof, und wer sich einem Dogma verpflichtet fühlt, hat schon verloren.

    Wer unfähig ist, für die eigene Kreativität Regeln zu erfinden, die ebenfalls kreativ sind, bleibt im ewiggleichen „authentischen“ Ausdruck stecken.

    Es ist immer der gleiche Irrglaube zu meinen, man müßte nur die “richtigen” Mittel aussuchen und der Rest ergibt sich dann von alleine.

    Aber das hat doch niemand hier behauptet! Es geht doch, so interpretiere ich jedenfalls Moritz‘ Idee, um das strategische Vergessen von Standards, um durch freiwillige Beschränkung der Mittel die schöpferische Fantasie anzuregen. Ungefähr so wie ein Maler, der bisher nur schwarze Bilder gemalt hat und es jetzt mal mit Rot probiert. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? – Fast habe ich den Eindruck, sie warten auf das „nächste große Ding“, an das sie sich dranhängen können – aber: die Zeiten sind nun mal vorbei! Wir sind zum Spielen verurteilt.

    Im Grunde verliere ich zu viele Worte über eine abermals vollkommen überflüssige bzw. weit am Problem vorbeigehende Diskussion.

    Die ästhetischen Diskussionen hier habe ich niemals als überflüssig empfunden. Wenn sie sich nur einmal die Mühe machten, Ihr Problem zu formulieren, kämen wir ja evtl. weiter…

  5. Alexander Strauch sagt:

    Bester Stefan Hetzel – ohne zu nahe treten zu wollen, wirken Deine Aufstellungen aus Dogma 1 auf mich wie Bedingungen eines Kompositionswettbewerbs, sprich technische Vorgaben denn als einen dogmatischen Aufruf, so spassig das gemeint sein mag. Bis auf „das handelsübliche Notensatzprogramm“ geht es um die Aufführungs- und nicht die Komponiersituation. Wie gesagt, ich unterstelle durchaus, dass die geplante Aufführung sehr wohl eine Rolle für die Planung eines Werkes spielt. Was dann aber genau erklingt, wird so nicht erfasst, es ist nur das wie des Erklingens angerissen.

    Nur um ein mächtiges Dogma anzuführen und zu untermauern, wie verschieden es dann klingen mag: Die gute, alte durch Schönberg aufgestellte Methode der Komposition mit zwölf Tönen! In Anwendung der 1950er Jahre angewandt klingt die wie „Neue Musik“. In Anwendung der 2. Wiener Schule klingt sie beinahe tonal wie bei Berg oder Krenek und z.T. selbst bei Schönberg z.B. in Ode an Napoleon oder den letzten 50er Opuszahlen. Keine Spur von „Neuer Musik“, wie in Darmstadt der 50/60er Jahre geprägt, obwohl beide von der Dodekaphonie ausgehen.

    Ein richtiges Dogma in der Kunstmusik muss sich für mich also ähnlich der Zwölftontechnik verhalten. Auch wenn ich jetzt das weite Feld der Neuen Musik nicht verlasse, komme ich dennoch an deren sehr wohlklingende Ränder: Unsere Freunde besonders komplexer Musik wissen ja selbst, dass komplexistisches Komponieren nicht gleich komplexistisches Komponieren ist! In Bezug auf das Material firmiert diese Ausformung ja als Fortsetzung des Serialismus. Dennoch gibt sich der Komplexismus auch mal weicher als man meint, wenn er nicht Serielles Quart-Tritonus- o. Klein-Terz-Septim-Material verwendet, sd. sich „spektral“ wie jene andere Ausformung oder „modal“ z.B. im Ligetischen Sinne gibt. D.h., auch Dein 8. wackelt mal mehr, mal weniger, je nach Standpunkt! Einzig „der bewusste Bezug auf oder das ironische Zitieren von historischen Musikstilen ist unzulässig“ kann ich mehr als deklaratorische Kraft abgewinnen. Dies geht aber auch wieder mehr in Richtung „Aufführungssituation“. Jedes Kind Neuer Musik sollte eigentlich wissen, wie statistisch verändert und dann tatsächlich von Grund auf anders als das Ausgangsmaterial klingend historische Musikstile sublimiert werden können, so dass man deren Ursächlichkeit schnell vergisst, sogar gar nicht erst eingangs vernimmt.

    Zur ePlayer®-Diskussion kann ich nur sagen: Das soll Fortschritt sein? Der Ersatz konventioneller Instrumente? Das ist eher Angleichung an die traurigen Produktionschancen für heute neukomponierte Musik bzw. die intellektuelle Verbrämung von den kostensparenden Arbeitsweisen der Gnadenlosigkeit alltäglicher Filmmusik, damit man diese Arbeitsweise ohne den Hautgout „Gebrauchsmusik“ nutzbar machen kann. Es ist nichts weiter als eine Zustandsbeschreibung! Mit der Situation sich zu arrangieren, gebe ich ja zu – s. meine diversen Ausführungen. Ich sehe darin aber keinen Fortschritt a la Bach-Beethoven-Wagner-Schönberg-Stockhausen. Falls z.B. jene Linie überhaupt ein Fortschritt ist. Ob man nun gebändigten Orchester-Konzertsaaltechno – wobei Techno hier unpassend ist – wie Asyla schreibt, oder für kleines Ensemble mit Liveelektronik hinlangen lässt wie Alexander Schubert, ist nicht unbedingt die Entscheidung der Besetzung, es ist eine Folge vorausgehender ästhetischer Weichenstellungen, Stückregeln, Geschmacksentscheidungen, eigener oder übernommener Dogmen. Wenn ich wie eine Band klingen will, dann schreibe ich für eine ähnliche Besetzung, will ich wie eine Mischung aus Band und klassischen Instrumenten klingen, schreibe ich dafür. Dies sind meist die Vorgaben der Ensembles oder Festivals, da für Grösseres das Geld fehlt!

    Ist Euch eigentlich noch nicht die Doppelmoral von Donaueschingen und musica viva aufgefallen?! Die Musik Mogouillansky, Schüttlers, etc. gab es in der technikfreudigen Erweiterung des ensemble mosaik im Winter 2012 nur, weil Enno Poppe auch als Dirigent geladen war. Und die kleine Besetzung war nichts Anderes, als die Jungs erstmal auszutesten, bevor sie irgendwann mal ans Orchester dürfen. Das mag weise sein, hat aber kaum was mit der Ästhetik der Jungs zu tun, wobei ich eine grds. Vorliebe des musica-viva Leiters durchaus für diese erkennen kann. In Donaueschingen ist es dieses Jahr letztlich dasselbe: Nadar spielt, um überhaupt die Tauglichkeit der Kandidaten für grössere Besetzungen auszutesten. Dies scheint sogar ein Dogma Herrn Köhlers zu sein. Da ist das Abgrasen der zeitgemässen Besetzungen und Formen willkommenes Beiwerk. Ein Blick in die Vergangenheit: Stockhausen durfte mit 30 Gruppen uraufführen lassen, Johannes Kreidler darf mit ca. 32 endlich in Donaueschingen ein Ensemblestück schreiben. Die Rechnung mit Klaus Schedl spare ich mir jetzt lieber, denn wird es richtig traurig!

    Natürlich gibt es Kollegen, die jünger ran an den Orchesterspeck durften, die wollten es sogar schon seit ihren ersten Noten. Johannes und Klaus wollen es vielleicht wirklich nicht so sehr, haben eben eine andere Musik im Kopf. Für die Institutionen ist das aber nur der willkommene Mitnahmeeffekt: Die heissesten heutigen Ideologen schreiben für ihre ihnen vertrauten Musiker, sagen dem Orchester temporär Ade. Das passt wie die Faust auf’s Auge zur Vorsichtsstrategie Donaueschingens. Da muss die Institution gar nicht erst komponieren, nein, sie findet so junge und junggebliebene Komponisten, die zwar gegen die Institutionen wettern, sich da aber wunderbar in deren Bild fügen. Komponisten-Dogma stösst auf Rundfunk-Sparkurs!

    Lieber Stefan, wie gesagt, Dogmen bleiben also eine Geschmackssache. Jeder baut sich sein eigenes Dogma. Und versucht manchmal, dahinter Menschen zu sammeln oder die sammeln sich selbst, wie Du Lehmann. Es interessiert aber doch vielmehr die Haltung, die Kraft des Einzelnen als die Erfüllung seiner Ansichten. So schätze ich den Komponisten Kreidler, teile aber keinenfalls alle seine Dogmen.

    Und ehrlich gesagt: Irgendwie scheint es mir, als hättest Du den Unterschied zwischen Filmdreh und Filmaufführung nicht ganz durchleuchtet, wenn Du Musikschreiben und Musikaufführen dem gegenüber zu stellen versuchst. Du hast Ansätze, über Deklaratorisches kommen die aber nicht hinaus! Es muss so formuliert sein, dass man am Tisch nicht nur an Besetzung und Stilverbote denkt. Nein, wirklich fantastisch wäre ein Dogma für das Zusammenstellen der kleinsten Notenwerte, eben eine dogmatische Technik. Und die stellt sich jeder heute selbst zusammen.

    Ich denke, wir kommen so nicht wirklich weiter. Es ist eher eine Frage der Haltung, eine Sache der Selbst-Ehrlichkeit, ein Ding der Aufgabe der eigenen Haltung wiederum im richtigen Moment eines Stückes, wenn es z.B. anzuöden beginnt. Man sieht ja auch sehr wohl, wie von Trier seine Dogmen nutzt und virtuos nicht nutzt! Man denke nur an die Slow-Motions der letzten Filme, der bescheidenen special-effects von sprechenden Füchsen und auf die Erde zufliegender stellarer Objekte.

    Effektiver wäre letztlich, alle Blogleser listen mal ihre tatsächlichen Schreibhaltungen auf als dass wir spielerisch Dogmafilmtheorie umformulieren. Im Prinzip geht es Moritz wohl um einen Purismus. Die Frage ist aber, warum?! Ist es einfach Desinteresse an klebrigen Neue-Musik-Blabla? Oder ist es ein gewisser Klassizismus? Letzterer wäre ja gar nicht so schlecht, wenn man bspw. sagt, mich interessiert Eisler mehr als Boulez. So hat Boulez garantiert im Besten Sinne aufklärerisch handeln wollen, kulturpolitisch agiert. Eisler war dagegen ganz klar der reine Polit-Agitator und schuf dabei glänzende Werke. Vielleicht würde eine politische Diskussion mehr bringen als eine rein ästhetische. Letztere gebiert immer nur das gleiche Rad an Vorlieben. Politisches würde zu ganz anderen Lösungen führen. Wie gesagt, wie Thomas N. Krüger mal anmerkte: Es wäre sinnvoller, man würde seine kompositorischen Haltungen eher auf einer GEMA-Keilerei zeigen als sich mit äthergesättigten Wattebäuschchen am Oberrhein und Donausicker zu bewerfen…

    Gruß,
    A. S.

  6. Goljadkin sagt:

    @ Stefan Hetzel:

    Meine „Stellungnahmne“ bezog sich v.a. auf Moritz Eggerts Versuch, die Filmdogmen als Musikdogmen umzuformulieren, was meiner bescheidenen Meinung nach irgendwie in Quatsch gemündet ist. Wie ich bereits schrieb halte ich es nicht von vornherein für „Brimborium“ (im Übrigen bin auch gar nicht von vorneherein gegen irgendwelches Brimborium, sofern es eine wie auch immer geartete Berechtigung hat), wenn ein live-elektronischer Part aufwändig produziert und auch wiedergegeben wird. Möglicherweise ist es auch absolut notwendig, dass die Musiker bei der Aufführung nebenan im Burger King sitzen, während sie ihre avancierten Spieltechniken runternudeln. Kann alles sein. Kann alles wunderbare Stücke geben. Dürfte aber laut Dogma 2012 (Sektion Komposition) gar nicht sein. Was Sie verwechseln, lieber Herr Hetzel, sind eigene kompositorische Strategien, Begrenzungen, Reglementierungen, die aber nie und nimmer verallgemeinerbar sind, weder von Stück zu Stück, noch gar von Tonsetzer zu Tonsetzer. In dem Bestreben, irgendwelchen vermeintlichen oder auch tatsächlichen Dogmen zu entkommen gleich wieder in eigene Dogmen zu flüchten scheint mir doch irgendwie sinnlos zu sein. Gegen Dogmen hilft nur Dogmenfreiheit, kein Antidogma.

    Goljadkin

  7. @Alexander Strauch:

    wirken Deine Aufstellungen aus Dogma 1 auf mich wie Bedingungen eines Kompositionswettbewerbs, sprich technische Vorgaben denn als einen dogmatischen Aufruf

    …aber, Alexander, das ist ja gerade der Trick an der Sache: Aus der postmodernen Einsicht heraus, dass man sich auf inhaltliche Dogmata sowieso nicht einigen kann und will, nimmt man stattdessen formale Regeln und stellt so „künstlich“ ein Framework her, innerhalb dessen wieder so etwas wie Vergleichbarkeit von Werken möglich ist. Ich behaupte nun keineswegs, dass die von mir vorgeschlagenen Dogmata die einzig möglichen, gar die (hallo, Goljadkin!) „problemlösenden“ sind – auch komplett andere wären möglich. Statt „Erweiterte Spieltechniken sind untersagt“ könnte es bsp.weise heißen „Konventionelle Spieltechniken sind untersagt“. Variante 1 erschien mir aber witziger, da ich ganz gerne mal „Neue Musik“ ohne „Hurz!“ hören wollen würde …

    Ein richtiges Dogma in der Kunstmusik muss sich für mich also ähnlich der Zwölftontechnik verhalten.

    Also wartest du auch auf das „nächste große Ding“? Sorry, da kommt eher der Messias.

    Irgendwie scheint es mir, als hättest Du den Unterschied zwischen Filmdreh und Filmaufführung nicht ganz durchleuchtet, wenn Du Musikschreiben und Musikaufführen dem gegenüber zu stellen versuchst.

    Vielleicht liegt das daran, dass ich aus der Improvisierten Musik komme und für mich „Schreiben“ und „Aufführen“ damit oft identisch sind.

    Effektiver wäre letztlich, alle Blogleser listen mal ihre tatsächlichen Schreibhaltungen auf als dass wir spielerisch Dogmafilmtheorie umformulieren.

    Aber das machen doch schon alle vier ;-)

    Vielleicht würde eine politische Diskussion mehr bringen als eine rein ästhetische.

    Sowohl die Original-Dogmata aus Dänemark als auch meine tentativen Umformulierungen sind politisch. Es geht um Selbst-Ermächtigung zum Kunst-Machen durch Ausschluss von Produktionsmitteln, die nur von den üblichen Institutionen zur Verfügung gestellt werden können (Handkamera statt Kamerakran, ePlayer statt Sinfonieorchester). Weiterhin geht es um eine Hinwendung zur Gegenwart und deren Problemen, die einer ästhetischen Bearbeitung zugeführt werden müssen (so wie das bsp.weise der Schriftsteller Rainald Goetz versucht), deswegen auch mein dogmatisches Verbot historischer Stoffe (Eskapismusgefahr, vgl. die Popularität von „Mittelalter-Spektakeln“ oder auch Computerspielen, die in einer „Parallelwelt“ spielen – alles Methoden, der Gegenwart zu entfliehen). Drittens geht es um das Verbot eines diffusen Kulturpessimismus‘, der ca. 75% aller Werke der Neuen Musik in der einen oder anderen Form dominiert (à la „Das Humane ist ja eigentlich schon ausgerottet vom Kommerziellen, aber wir, in der Neuen Musik, errichten noch ein letztes Mal eine Trutzburg, ein Residuum des Humanen in einem Meer von Banalität“ etc.). Letzter Punkt: Langweilige Musik wird dadurch nicht besser, dass sich der Komponist vorher „brillante Gedanken“ über sie gemacht hat – es ist ein Spezifikum der Neue-Musik-Szene, dass Werkkommentare einer Komponistin als mindestens genau so wichtig angesehen werden wie die resultierende Musik (kein Wunder, das Außenstehende sich über so was lustig machen). Es ist nicht die Aufgabe eines Künstlers, seine eigenen Werke zu erklären – deswegen habe ich auch dies als Dogma in meine Liste aufgenommen.

  8. Goljadkin sagt:

    @ Stefan Hetzel:

    Es gibt kein Dogma, nirgends, von niemandem, das „problemlösend“ wäre, das versuche ich ja die ganze Zeit zu sagen. Die Diskussion ist absurd. Glauben Sie denn im Ernst, jemand würde sich Ihre Dogmen fein säuberlich ausdrucken, über den Schreibtisch hängen und bei jedem Gedanken erstmal aufsehen und zu ergründen versuchen, ob der jeweilige Gedanke („am Mittwoch war der Gedanke immer noch nicht da“) nun irgendeines der Dogmen verletzt. Selbst wenn Sie Ihre Dogmen bloß als ästhetischen Denkanstoß verstehen, so muß ich leider sagen, daß sie dazu nun gar nicht taugen, weil sie schlicht die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte negieren. Nur weil es viele schlechte Stücke mit live-Elektronik, mit Performance, mit Video-Zuspiel, mit erweiterten Spieltechniken usw. usw. gibt, heißt das doch noch lange nicht, daß es nicht auch gute Stücke mit diesen Mitteln gibt. Mir scheint da eher ein gewisses Ressentiment Ihrerseits aus diesen Dogmen zu sprechen. Und was das mit dem ePlayer soll, weiß ich überhaupt nicht, gesampelte Instrumente zu verwenden, weil man keine realen zur Hand hat, ist irgendwie ganz schön unkünstlerisch, finde ich.

    Ansonsten mein Vorschlag:

    1. Es ist untersagt, irgendeinem Dogma zu folgen.
    2. Wenn man einem Dogma folgt, so muß man sich im Klaren darüber sein, warum man es macht.
    3. Diese Auflistung ist zu ignorieren.

    Goljadkin

  9. Franz Kaern sagt:

    Hallo, ich lese hier oft interessiert mit, schreibe selten einen Kommentar, weil ich immer wieder das Gefühl habe, dass die Diskussionen hier häufig schnell sehr dogmatisch werden, was nach meiner Wahrnehmung dazu führt, dass die Bereitschaft, einander beherzt und vorsätzlich misszuverstehen, um dann aufeinander (nicht immer konstruktiv) loszugehen, dadurch recht hoch ist und einen das Mitdiskutieren sofort sehr verletzungsanfällig macht.
    Wobei wir schon beim Thema wären: Dogmen!
    Ich kann die Haltung von Goljadkin in dieser Diskussion sehr nachvollziehen, da ich sehr wohl ein Freund eigener künstlerischer Selbstbeschränkungen, aus denen Inspiration und Sinn resultieren, bin, und da ich nicht im geringsten daran glaube, dass etwas, was für den einen richtig und wahrhaftig und sinnvoll sein kann, für jemand anderen genauso richtig, wahrhaftig und sinnvoll sein muss, so dass mir Formulierungen zu einem allgemeingültigen kompositorischen Ethos unmöglich erscheinen.
    Moritz Eggert unternahm den – wie ich finde: gelungenen – Versuch, die ethische Haltung des Dogma-Films als Abkehr von Überwältigungsstrategien und Hinwendung dazu, dem Zuschauer mehr eigenständige, ungelenkte Teilhabe beim Zuschauen zu gewähren, zu erklären.
    Als Antipoden in musikalischer Hinsicht erwähnt er Mozart und Wagner. Ich muss unwillkürlich an einen Aufsatz denken, den ich im Musiktheoriestudium schrieb, in welchem es darum geht, weshalb sich Debussy wohl als nahen Verwandten Mozarts sah und im Gegenzug Beethoven und Wagner seine erklärten musikalischen Intimfeinde waren.
    Auch hier ging es um die bewusste Ablehnung von kompositorischen Überwältigungsstrategien, die Debussy in der Musik Beethovens und Wagners, in deren Technik des teleologischen dialektischen Komponierens sah, und die in seinen Augen einer Vergewaltigung der Zuhörer gleichkommen.
    Dass sich Debussy und Mozart hinsichtlich ihrer kompositorischen Strategien und ihres künstlerischen Ethos näher sind, sich als Vertreter eines ähnlichen Typs von Geisteshaltung und Weltsicht zeigen, dass Beethoven und Wagner offensichtlich einem anderen Typ von Geisteshaltung und Weltsicht angehören, kann man mit einigen Jahren des Abstands ganz wertfrei konstatieren und sagen: Dennoch hat sowohl die Musik von Mozart und Debussy auf der einen Seite als auch diejenige von Beethoven und Wagner auf der anderen ihre Berechtigung, je eigene Wahrhaftigkeit und Authentizität. Wer wollte heute darüber rechten, dass die eine oder die andere Geisteshaltung falsch sei und die daraus entstandenen Kunstwerke unaufrichtig, schädlich, kunst- und lebensfern? Natürlich darf man sich fragen, welcher Geisteshaltung man sich näher fühlt. Aber daraus zu folgern, dass andere die selbige anzunehmen hätten, das sollte doch mittlerweile als Unmöglichkeit allgemein bekannt sein.
    Verschiedene Menschen „ticken“ unterschiedlich, haben unterschiedliche Interessen, wollen unterschiedliches ausdrücken und erreichen. Jedem steht frei, sich zu dieser wunderbaren Vielfalt zu positionieren, zu sehen, was ihm mehr gibt, ihn weiterbringt, ohne verlangen zu müssen, dass andere das in derselben Weise zu empfinden hätten.
    Was man – in der Kunst wie im Leben (wenn die Kunst nicht sogar unmittelbar Leben ist) – anstreben darf und nach Möglichkeit sogar sollte, ist Authentizität, das Erkennen dessen, was für einen selbst richtig und wahrhaftig ist, das Verfolgen und Verfeinern dessen, damit man, wenn man der Welt etwas zu sagen hat, dies ehrlich und dadurch glaubwürdig tut. Dogmen zu folgen, die nicht die eigenen sind, um irgendwo dazuzugehören, dürfte schnell dazu führen, dass man „entlarvt“, d.h. dass man als maskiert wahrgenommen wird und herausfordert, dass diese Maske einem runtergerissen wird. Wer authentisch ist, wird auch immer wieder angegriffen werden, weil jemand anderes anders empfindet und sich vor den Kopf gestoßen fühlt. Aber man bietet keinen Ansatzpunkt, demaskiert zu werden. Beethoven und Wagner waren in ihrem Komponieren authentisch. Debussy und Mozart waren es in ihrem Schaffen. Beides passt vielleicht nicht zusammen, erscheint diametral entgegengesetzt. Und es ist durchaus legitim zu sagen, die Musik Mozarts und Debussys liege einem mehr oder weniger als diejenige Beethovens und Wagners.
    Ich wünschte mir aber, dass in den Diskussionen über heutige Musik viel mehr akzeptiert werden würde, dass nicht alle das Gleiche sagen und erreichen wollen, dass es unterschiedliche Denkansätze, Weltsichten, Wahrnehmungen gibt, die alle nebeneinander und sich gegenseitig ergänzend die Gesamtheit der Wirklichkeiten unserer Welt ausmachen.
    Deswegen ist eine Diskussion wie diese hier nicht überflüssig, ist es nicht verkehrt, sich die Leitsätze von Lars von Triers Dogma hervorzunehmen und zu versuchen, sie auf die kompositorische Arbeit zu übertragen. Das kann sicher für so manchen anregend und befruchtend sein. Jeder wird sich hieraus andere Schlüsse ziehen, wie es ja in den obigen Kommentaren bereits geschieht. Der nächste Schritt wäre, nicht nur zu akzeptieren, sondern sich auch daran zu erfreuen, dass unterschiedliche Leute aus diesen Überlegungen unterschiedliche Impulse erhalten und unterschiedliche Konsequenzen ziehen.
    Das ist kein Statement pro postmoderne Beliebigkeit! Für die Gesamtheit künstlerischen Schaffens auf dieser Welt mag durchaus „anything goes“ gelten – kein wie auch immer geartetes Mittel der kompositorischen Äußerung, kein Material braucht verteufelt oder verboten zu werden, all dies gewinnt seinen Sinn aus der jeweiligen Persönlichkeit, die sich und ihre Weltsicht in einer bestimmten Weise ausdrückt! – aber der einzelne, individuelle Komponist wird wohl kaum auf „anything goes“ zurückgreifen können, da jeder von der Natur seiner Weltsicht, persönlichen Philosophie, eigenen Grenzen aus von vornherein zur Wahl bestimmter Mittel greift, die ihm liegen, mit denen er sich er selbst fühlt. Ich wähle keine Mittel aus, die mir nicht liegen, die mir nicht eigen sind (ich spreche ja auch nicht einfach koreanisch), ich versuche vielleicht, mich zu erweitern, aber wenn ich merke, dass die Ergebnisse hohl und unauthentisch sind, dann lasse ich die Finger von Techniken, die ich bei anderen durchaus schätzen kann, weil diese sie mit Authentizität zu füllen vermögen.

  10. Franz Kaern sagt:

    … ich sehe gerade, dass der Link zu meinem Mozart/Debussy-Aufsatz oben in meinem Kommentar nicht funktioniert. Deshalb hier für diejenigen, die’s eventuell interessiert, der URL dorthin:
    http://www.franzkaern.de/Aufsaetze/Aufsatz_MozartDebussy.pdf

  11. Alexander Strauch sagt:

    Lieber Stefan Hetzel,
    so richtig werden wir einfach nicht zusammenkommen! Wie gesagt, ich halte die ePlayer-Debatte für mich nicht weiter zielführend, ausser dass ich in Lehmanns Aufstellungen eine Zustandsbeschreibung sehe, aber keine primären Schlussfolgerungen für mein Schaffen daraus ziehen kann. Ich sehe Elektronik als zusätzliches Instrumentarium, welches je nach Zweck und Inhalt benutzt oder eben nicht benutzt wird. Auch wenn es nicht weiter interessiert: Mein bisheriger Einsatz von Elektronik versuchte diese immer in das instrumentale Umfeld einzugliedern. So „stimmt“ sich die Abspielanlage bspw. genauso ein wie die anderen Instrumente (Der Nachhauseweg), sie zählt ein wie die Musiker weiters zählen (Servas Arnold), sie wird als künstliche Meta-Gesangsstimme von den Instrumenten begleitet (MenschenSchneiden), wird Live-Elektronik so vorgeführt, dass sie erst auch Worte reagiert, diese dann musikalisiert (Neda). Etc. Ein Fremdkörper wird integrativ ins Stückganze transplantiert. Das mache ich aus ästhetischen, eigenen Erfahrungen, Vorlieben heraus. Dazu brauche ich Lehmann nicht als Vorbild, er genügt mir in Teilen als Affirmation.

    Wie Du aus der Improvisierten Musik kommst, so komme ich vom Schreibtisch. Für den halte ich natürlich meine eigenen Regeln vor. Und für diesen erwarte ich eben dann auch Denkanstösse von Aussen, die sich adäquat mal mit dieser Problematik befassen und nicht immer nur vom „Hörer“, der Aufführungssituation ausgehen, so sehr diese natürlich da hinein spielt. Genau diese Auseinandersetzung vermisse ich hier übrigens zusehends. Anstelle dessen gibt man sich mit Punkten zufrieden, die zu sehr auf das Allgemeinverständliche abzielen. Man könnte meinen, dass die konkrete Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Komponieren nur im Kompositionsunterricht stattfindet. Und sobald das intime Schüler-Lehrer-Verhältnis aufgehoben ist, beschreibt man die Aufführung, nicht den Entstehungsprozess. Das drückt meine Enttäuschung mit den eher laschen Dogma-Versuchen aus, ich schliesse da meine eigene kleine Umformulierung ausdrücklich mit ein!

    Zudem denke ich, und da werde ich wieder allgemeiner, konsumerabler auch für den Nicht-Komponisten, dass man nochmals einen Schritt zurückgehen sollte und „Dogma“ als Begriff infrage stellen sollte. Dogma meint in erster Linie eine unumstössliche Lehrmeinung. Dies ist für heutiges Denken in einer pluralen Welt viel zu eng! Es kann nicht darum gehen, einen allgemeinverbindlichen Glaubensgrundsatz zu verkünden, aufzustellen. Dogma ist eine maximale Anforderung! Wer dem nicht gerecht wird, hatte Anno dazumal sogar seine Existenz verwirkt. Heute kann es nur noch um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Das Rechtsverständnis ist ebenso auf ein Minimum gerichtet wie das Kunstverständnis: Handle so, dass Du Deine Freiheit ausübst, aber keinen in seinen Rechten einschränkst, ausser Du bist dazu durch den Volkssouverän ermächtigt und unter Berücksichtigung aller Verhältnismässigkeit eine Beschränkung des Anderen Freiheit unbedingt nötig erscheint.

    Um nochmals auf die Zwölftonmethode zu rekurrieren: Genau diese wurde zwar deutlich formuliert, erlaubte aber mehr Freiheiten als vielleicht sogar gemeint. In Schönbergs Werk gibt es ja das Unikum, dass atonal und dodekaphon in einem der strengeren Werke unmittelbar aufeinander prallen, die Variationen für Orchester: Die Einleitung ist im freien Tonsatz gehalten, mutet eher impressionistisch an, bevor dann mit Thema und Variationen zwölftönig verfahren wird. „Dogma“ spielt erst nach 1950 für kurze Zeit eine Rolle. Atonales, zwölftönig und serielles Schaffen wurde als einzige Alternative zeitgemäßen Komponierens apostrophiert. So hart wurde im 20. Jahrhundert selten von der Warte der Neuen Musik aus eine unumstößliche Lehrmeinung ex cathedra verkündet. Die „Gegenseite“, der Neue Musik verbietende NS-Staat, verfuhr zuvor ab 1933 in Deutschland zwar noch drastischer, doch traf es auch Musik, die man von 1950 zurück betrachtet nicht unbedingt als Neue Musik bezeichnet hätte. Sie wurde nur nachgeholt, um dann eigentlich verdrängt zu werden, was aber bekanntermaßen auch nicht geschah. Seit Cage und den romantisierenden Wiedergängern der 1970er, seit der Postmoderne ist das absolut hermetische Dogma hinfällig. Der Fall Lars von Trier zeigt auch das Überwinden der selbst verordneten Strenge, ist „Dogma“ ein modischer Begriff, der eben höhere Aufmerksamkeit garantierte als „Strenge“.

    Es wäre also besser vom Diktum und Verdikt zu sprechen, geht es dabei doch um Verhandelbares im Gegensatz zur Unumstößlichkeit eines Dogmas. Wenn überhaupt Dogma als Begriff taugt, dann als eigenes Regelwerk des Autors oder der Autorin. Wie im grossen und ganzen religiöser Glauben im christlichen Sinne zur Privatsache wurde, sind künstlerische Dogmen genauso eine Frage der Haltung des einzelnen geworden. So gesehen gibt es sehr wohl noch Dogmen als „my private favourite dogma“, wie eben der eine einen Dackel, die andere einen Pudel hält und dem verstorbenen Haustier ein nächstes der gleichen Unterart folgt. Es finden sich Künstler zusammen, vergleichen ihre Haltungen, unterhalten sich über ihre Unterschiede wie Hundebesitzer sich beim Gassi gehen über ihre Lieblinge austauschen.

    Allerdings ist der Anspruch an die eigene Kunst für gemein höher angesetzt als die Liebhaberei der Tierfreunde, abgesehen vielleicht von Züchtern. Manchmal erscheint einem darin sogar ein gewisser Selbsthass des Künstlers dem eigenen Tun gegenüber…

    Um nochmals auf die „gehaltsästhetische Wende“ zu kommen, auch wenn dieser Begriff mir erscheint, als ginge es um ultimative Honorarschönheit nach einer kargen Finanzknappheit. Sie beansprucht die künstlerische Führung, ruft nach mehr Inhaltlichkeit und beschreibt sogar die künstlerischen Mittel. Das macht sie zu einem Diktum! Was ich mit ihr teile, ist die Anerkenntnis gewisser Faktizitäten wie all der Produktionsbedingungen, die zu kleinen Besetzungen führen. Ich für mich beanspruche aber immer die Wahlfreiheit, wie ich das sehe. Ich betrachte es als ein „hinzu“, nicht als einen Ersatz. Ich sehe Elektronik als mehr denn je einfacher einsetzbares Instrument, dass aber nicht verdrängt, sondern ergänzt oder eben ein eigenes Instrument darstellt. Der Simulationsaspekt ist aber unerheblich. Er wirkt eigentlich nur dann, wenn er auch anders klingt als ein konventionelles analoges Instrumentarium. Was ich unterschreibe, ist der stärkere Einbezug von „Realität“. Das betreibe ich aber schon immer mit meinem Geldverdienen im Sozialbereich! Das ist näher am Leben dran als all die hübschen Einforderungen dessen. Und das führt mich sehr wohl zum nächsten Widerstand: Ich möchte Geschichten, Umstände eben nicht rein distanziert vermitteln, wenn ich jetzt von engagierter Musik oder Musiktheater rede. Das soll die textliche Ebene machen, die schlaglichtartig konträre Sichtweisen eines aktuellen Vorganges beleuchtet. Die Musik selbst beginnt neutral, aber irgendwann ergreift sie Partei, versucht Solidarität zwischen Hörer und dem Schaden erleidenden Individuum des Plots herzustellen. Das kann Form erzeugen, das kann auch in plötzlich aller Konstruktivität beraubter klanglicher, melodischer, rhapsodischer Einfachheit passieren. Und das umfasst aktuelle Ereignisse wie aber auch, näher an der Musikgeschichte selbst dran, Vergangenes, sofern es mir erzählenswert oder zumindest als Ausgangspunkt tauglich erscheint. Wenn Dringlichkeit geschaffen wird, dann erübrigt sich letztlich auch die Frage des Genres. Am liebsten stecke ich dann zwischen einige Genres und bleibe gerne unverortet, mein berühmtes „sowohl als auch“, was ich als Diktum meines Schaffens wie auch als existentielle Haltung begreife.

  12. @Goljadkin:

    Mir scheint da eher ein gewisses Ressentiment Ihrerseits aus diesen Dogmen zu sprechen.

    Wieso „gewisses“? Mein zweiter Vorname ist Ressentiment! Ich habe niemals einen Hehl daraus gemacht, dass mich ein Großteil der „handelsüblichen“ Neuen Musik anödet. Aus exakt den Gründen, die Moritz Eggert in seinen diesen Disput auslösenden Artikeln ausgeführt hat übrigens.

    gesampelte Instrumente zu verwenden, weil man keine realen zur Hand hat, ist irgendwie ganz schön unkünstlerisch, finde ich.

    Verstehe ich nicht.

    @Franz Kaern: Willkommen im Bad Blog und danke für Ihren wirklich sehr schönen und auch offenen Beitrag! Dass der Ton hier mitunter etwas rau ist, empfand und empfinde ich allerdings immer als eher erfrischend und stimulierend. Aber, bitte, lassen Sie sich doch speziell von meinen kalkulierten Dreistigkeiten nicht vom Kommentieren abhalten! Vielleicht kucken Sie ja einfach mal auf meine Homepage, um zu erfahren, was für ein Würmchen ich jenseits des Virtuellen bin ;-)

    Ich wünschte mir aber, dass in den Diskussionen über heutige Musik viel mehr akzeptiert werden würde, dass nicht alle das Gleiche sagen und erreichen wollen …

    Genau!

    @Alexander Strauch:

    so richtig werden wir einfach nicht zusammenkommen!

    Macht nix.

    Auf eine Auseinandersetzung über das „Komponieren an sich“ („How do you get your notes, dude?“) wäre ich jedenfalls auch neugierig. Warum nicht? Hat einer Schiss, sich zu blamieren?

    So gesehen gibt es sehr wohl noch Dogmen als “my private favourite dogma”, wie eben der eine einen Dackel, die andere einen Pudel hält und dem verstorbenen Haustier ein nächstes der gleichen Unterart folgt.

    Na na, was soll denn diese unnötige Selbst-Entwertung?

  13. Goljadkin sagt:

    @ Stefan Hetzel:

    Komisch, ich dachte immer, Kunst hat was damit zu tun, die eigenen Ressentiments in Frage zu stellen. Jedenfalls schien mir das Teil der Jobbeschreibung zu sein, als ich angefangen habe zu komponieren. Und während ich als Jüngling sehr zu Ressentiments geneigt habe und mir das eigene Komponieren mit jeder Menge Dogmen umstellt hatte, habe ich mittlerweile überhaupt keine Berührungsängste mehr. Und das gilt vor allem im Hinblick auf die Wahl der Mittel. Ein hinter dem Steg gekratzter Ton wäre mir früher nicht mal in den Vorgarten geschweige denn ins Haus gekommen, mittlerweile jedoch steht der gekratzte Ton da im Windfang neben Dur- und Mollakkorden und Jazzakkorden und obertonreihenabgeleitetem Firlefanz und zufallsgenerierten Tonfolgen und all dem anderen Brimborium und wartet nur drauf, endlich reinzudürfen. Bei der letztendlichen Wahl der Mittel muss man zimperlich sein, keine Frage, aber von vorneherein dieses und jenes einfach auszusperren, das kommt ja schon einer Selbstkastration nahe.

    gesampelte Instrumente zu verwenden, weil man keine realen zur Hand hat, ist irgendwie ganz schön unkünstlerisch, finde ich.

    Verstehe ich nicht.

    Eben.

    Goljadkin

  1. 19. September 2012

    […] der Freiheit! Von Alexander Strauch, 19.09.2012 Wer im Badblog die letzte Zeit Moritz’ DOGMA-Diskussion oder Johannes Kreidlers Genre-Gedanken dazu verfolgte, konnte in den Kommentaren sehen, wie sich […]