Wie macht man eine Oper? (Folge 2)
Oder: „Wir gratulieren!“ (Mieczysław Weinberg)
Am 23. September 2012 (Folgevorstellungen am 24. und 25. September) steht die von mir produzierte und dramaturgisch betreute Deutsche Erstaufführung der Oper „Wir gratulieren!“ von Mieczysław Weinberg am Konzerthaus Berlin an.
Heute war die erste Probe – mit den fantastisch vorbereiteten Sängerinnen und Sängern.
Doch ich muss die Zeit etwas zurückdrehen. In Folge 1 dieser Serie hatte ich berichtet, wie ich auf die Oper gestossen bin.
Es folgte die Kontaktaufnahme zum Sikorski-Verlag, der – wie immer – fantastisch kooperierte. Das darf man nicht unterschätzen! Ein kooperierender Musikverlag ist Gold wert. Ich vermute, dass viele Projekte auf dieser Welt deswegen nicht zustande kommen, weil Emails an Verlage irgendwo verschwinden – und Partituren nicht sofort verschickt werden. (Gute) Dramaturgen sind ungeduldige Wesen voller Ideen. Sie ernähren sich von Partituren – und der Hunger ist groß und sollte immer schnellstmöglich gestillt werden.
Die Musik sah sehr gut aus. Sehr folkloristisch, sehr jüdisch, sehr humorvoll. Die Szenerie spielt ausschließlich in einer alten Küche („Odessa im Jahre 1899“ – wir fassen das Ganze aber etwas zeitloser auf; russisches Kolorit und entsprechende Küchen-Stimmung werden aber natürlich von unserem Bühnen- und Kostümbildner Stefan Bleidorn berücksichtig). Und da wir unsere Inszenierungen fast immer „inmitten des Publikums“ machen, sind innerhalb des Stückes wechselnde Bühnenbilder ein Problem. Aber die Platzierung in der Mitte des Saals eine große Chance. Es gibt keine Distanz, kein „Dort drüben ist die Bühne!“ Es gibt das Hier und Jetzt – und die unmittelbare Wirkung von Musiktheater, „am Mann“ sozusagen…
Sehr schnell hatte ich also die Kopie der handschriftlichen Partitur und den russischen Klavierauszug auf dem Tisch liegen, als mich der Pianist und Dirigent Vladimir Stoupel im Büro besuchte – und sich erinnerte, dass er die Uraufführung der Oper „Wir gratulieren!“ Anfang der 1980er Jahre an der Moskauer Kammeroper gehört hatte. Da er nicht nur ein leidenschaftlicher Musiker ist, sondern u. a. auch ein Sprach-Genie (ebenfalls Gold wert… Opern produzieren funktioniert immer irgendwie international…), engagierte ich ihn als Musikalischen Leiter des Projekts.
Da Übertitel nie besonders toll sind (gerade in unserem Saal sollen sich die Leute auf das Geschehen, auf die Aktion konzentrieren), entschlossen wir uns, die – und jetzt Obacht – auf einem jiddischen Stück in hebräischer Sprache („Mazl Tov!“ von Scholem Aleichem) basierende russische Fassung ins Deutsche zu übersetzen. Gar nicht so leicht, den subtilen (aber auch teilweise schön derben) Humor mitzutransportieren. Für die Übersetzung konnten wir Ulrike Patow, die auch schon den Text von Weinbergs Oper „Die Passagierin“ ins Deutsche übertragen hatte, gewinnen.
In der nächsten Folge: „Wie man zufällig den am besten passenden Regisseur kennen lernt.“ „Wie man die perfekten Sänger findet.“ Und: „Wie man ein Sängercasting sinnvoll organisiert (und wie nicht).“
Konzerthaus Berlin · Werner-Otto-Saal
23./24./25. September 2012 · 20.00 Uhr
Wir gratulieren!
Oper von Mieczyslaw Weinberg (op. 111)
Nach dem Theaterstück „Mazltov“ von Scholem Alejchem
Deutsche Erstaufführung
Deutsche Adaption: Ulrike Patow
Uraufführung der Kammerfassung von Henry Koch
Katia Guedes (Sopran, Madame)
Anna Gütter (Sopran, Fradl)
Olivia Saragosa (Mezzosopran, Bejlja)
Jeff Martin (Tenor, Reb Alter)
Robert Elibay-Hartog (Bariton, Chaim)
Kammerakademie Potsdam
Vladimir Stoupel (Musikalische Leitung)
Titus Selge (Regie)
Stefan Bleidorn (Bühnenbild und Kostüme)
Sigrid Herfurth (Mitarbeit Kostüme)
Arno Lücker (Produktionsleitung und Dramaturgie)
Peer Niemann (Technische Einrichtung und Organisation)
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.