Friedhof der Kuschelkultur (2)

Wie ich gerade eben erst erfuhr, hat der Deutsche Musikrat eine lobenswerte große Aktion gestartet, in der 4 verschiedene Poster/Grafiken einen statistischen Überblick über das deutsche Musikleben verschaffen sollen.
Hier die offiziellen Infos:

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mit beigefügter Pressemeldung möchten wir Sie auf die neue Reihe „Poster zum Musikleben“ aufmerksam machen, die das Deutsche Musikinformationszentrum veröffentlicht hat.

Das Poster der öffentlich finanzierten Musiktheater in Deutschland, das in Kooperation mit dem Deutschen Bühnenverein erarbeitet wurde, visualisiert beispielsweise die Verteilung der Staats-, Landes- und kommunalen Theater auf die einzelnen Bundesländer und Regionen und zeigt Sitzplatzkapazitäten der jeweiligen Hauptspielstätten im Vergleich. Die Darstellung der Kulturorchester in Deutschland veranschaulicht, über wie viele Planstellen die einzelnen Klangkörper verfügen oder wo und wann Ensembles in der Vergangenheit aufgelöst oder miteinander fusioniert wurden.

Ebenfalls verfügbar sind Darstellungen der Musikschulen im VdM und der öffentlichen Musikbibliotheken. Die Poster sind im Format DIN A1 (594 x 841 mm) erschienen und ab sofort beim MIZ erhältlich. Vorabansichten der Poster sowie eine Pressemitteilung finden Sie im Anhang.

Gerne senden wir Ihnen bei Bedarf Freiexemplare der einzelnen Motive zu. …

Mit besten Grüßen

Margot Wallscheid
Projektleitung Deutsches Musikinformationszentrum
————————————–
Deutscher Musikrat
gemeinnützige Projektgesellschaft mbH
Deutsches Musikinformationszentrum (MIZ)
Weberstraße 59, D-53113 Bonn
Telefon: 49.228.2091-180
Telefax: 49.228.2091-280
E-Mail: info@miz.org
Internet: http://www.miz.org

Besonders interessant für das Thema meines vorletzten Eintrages ist natürlich das Poster zum Status der deutschen öffentlich finanzierten Orchesterlandschaft (hier klicken, um eine größere Darstellung als unten zu bekommen). Hier kann man sehr gut sehen, was sich in den letzten 22 Jahren in der deutschen Orchesterlandschaft getan hat, wo Orchester zusammengelegt, gekürzt, verkleinert, aufgelöst wurde, und wie groß die jeweiligen Ensembles sind. Wichtig ist zu begreifen, dass es hier um die öffentlich finanzierten Orchester geht, nicht um die privat finanzierten oder z.B. auch Hobbyorchester.

Neben wenig überraschenden Erkenntnissen (wie zum Beispiel dass es sich bei München – noch – um eine Art Insel der Seligen handelt, was die Orchesterförderung angeht, und dass die dramatischsten Streichungen bisher in Berlin stattfanden und noch stattfinden) fällt auf, dass die West-Ost-Achse von Aachen bis Görlitz die meisten Orchester enthält, was vor allem an den Ballungen im Ruhrgebiet und den traditionell musikalisch ausgerichteten Städten Leipzig und Dresden liegt, wogegen der Nordwesten und der Südosten des Landes am spärlichsten bestückt sind.

Sehr dramatisch ist der Blick auf den Bereich um Berlin herum – hier ist der Orchesterkahlschlag schon so weit fortgeschritten, dass eine tote Zone wie in Tarkowskijs „Stalker“ droht, eine gigantische Region ohne jegliches öffentlich gefördertes Orchester. Dies hat sicherlich einerseits mit demographischen Entwicklungen wie auch damit zu tun, dass Berlin unglaubliche Ressourcen frisst und man durch den Hauptstadtblick die umgegebende Region zunemehmend vernachlässigt, wogegen es doch eigentlich immer eine Stärke der deutschen (und übrigens auch österreichischen und schweizerischen) Kulturpolitik war, gerade die regionale Vielfalt und Eigenständigkeit zu fördern.

Als zukünftiger Krisenherd im Westen könnte sich die Ruhrregion entwickeln: hier herrscht – man sieht es leicht – eine weltweit einzigartige Dichte an Orchestern und Theatern, die in der Zukunft wahrscheinlich nicht leicht zu halten sein wird, obwohl die Region nachweislich von der jahrelangen Förderung von Hochkultur profitiert hat.

Ach ja, und wer nun das Gefühl hat, dass da etwas irgendwie fehlt, der täuscht sich nicht.

Denn neue öffentlich finanzierte Orchester sind in diesem Zeitraum tatsächlich nicht gegründet worden.

Moritz Eggert

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