Schamloses Promoten
Nein, dies ist kein anklagender Artikel gegen fragwürdige Machenschaften von Konzertagenturen, sondern genau das, was der Titel sagt:
Die von mir sehr geschätzte indisch-deutsche Sängerin Bettina Koziol ist nämlich unter dem Künstlernamen „Bettina D’Mello“ mit ihrem Video „Illusion“ für die „Bite My Music“ Global Awards nominiert worden, einer Art Video-„Oskar“ für die Independent-Musik-Szene. Ihr könnt das Video HIER finden, es ist das zweite von oben.
Bettina – die am Richard Strauss-Konservatorium in München studiert hat (als es das noch gab) ist eine überaus vielseitige Sängerin, die keine Probleme hat, sowohl anspruchsvolle zeitgenössische Musik wie auch Jazz/World/Independent/alles mögliche zu singen. Ich hatte schon mehrmals das Vergnügen, mit ihr zusammenzuarbeiten (bei den konzertanten Aufführungen meines Zyklus „wide unclasp“, dem legendären „Pop Aid“-Projekt für das Münchener ADEvantgarde-Festival und vielen anderen Gelegenheiten) und es war jedesmal eine Freude.
Ihre aktuelle Musik ist eine sehr aparte Mischung aus Hip-Hop/Trip/Jazz und was weiß ich noch was und wird von hervorragenden Münchener Musikern begleitet. Man beachte auch die Streicherarrangements am Ende des Songs. Außerdem zeigt das Video, was mit Phantasie und wenig Geld inzwischen alles an professioneller Videotechnik möglich ist, ohne dass man seine Seele an Sony verkaufen muss. Und es ist Bettina selber, die sich da leicht bekleidet zierlich räkelt, aber das soll natürlich die künstlerische Beurteilung dieses Videos in keiner Weise beeinflussen, denn uns geht es alleine um Kontrapunkt und „kritisches Komponieren“, ist doch klar.
Mir gefällt das alles sehr gut, daher mein schamloser Aufruf an euch, für dieses Video zu voten (einfach einen Kommentar auf der oben angegebenen Seite hinterlassen und Bettinas Video nennen), denn es hat es verdient! Und als nächstes singt sie ein Stück von Mathias Monrad, versprochen!
Und jetzt gehe ich in die Ecke und schäme mich…
Moritz Eggert
Komponist
Ehrlich gesagt, gestern stimmte ich mit anderen Kollegen eine Hymne auf eine Sängerin an, die sich niemals so räkeln können wird. Tatsächlich sind Intonationssicherheit, sehr guter Ausdruck, schnelles Lernen, Durchschlagskraft im Live-Kontext unüberbietbare Merkmale, die den Körper bzw. die „Figur“ des Leibes in den Hintergrund rücken.
Dennoch ist was dran, erfreuen SängerInnen mit Bühnenpräsenz durchaus. Schreibt man Musik mit szenischen, aktionistischen oder auch nur einfach extremen Ausdruckslagen, stelle ich mir eine leibhaftig singende wie agierende Person vor. Nur auf Vokalbildung getunte Gesichter fallen mir da seltenst ein. Selbst Gruberova wird einem auf 30m Distanz sympathischer, wenn sie mal dem intendierten anthropolgischen Ausdruck eine entsprechende Miene verleiht, die durchaus der perfekten Tonerzeugung widerspricht. Hier im „Illusion“-Video ein lustiger Moment: die räkelnde Sängerin und die hoch gepresst, wave-artig gespielte Trompete hätte mir noch besser gefallen, hätte man den Trompeter nicht eingespielt, zumind. ein-, zweimal nicht. So ist die Illusion schnell dahin, die solch eine lüsterne Trompete verheisst. Trompeten als Bild sind immer am tauglichsten mit besonders schönen Trompetern am Mundstück oder diese total übertrieben besetzten Fanfaren in Königs- oder Gladiatorenfilmen.
Will sagen: Abgesehen von Formfragen und ästhetischen Vorüberlegungen, kritisch oder affirmativ, wenn’s an die Sänger, das Instrumentarium geht, versuche ich sehr wohl mir vorzustellen, wie der klangerzeugende Mensch aussehen könnte. Auf der Bühne ist das wieder egal – im Film, läuft dann leider ein richtiger ab, wie zuvor beim Komponieren der Film oder zumindest die Bilder im Kopf. Oder seht Ihr Alle nur Noten, Farben vor dem inneren Auge, wenn es klingen soll? Mei, wie tanzen doch bei jedem die Synapsen anders Ringelreihen – hätte Frau Koziol doch einen schöneren Trompeter engagiert!! Wer löscht mir mein Bild?!?! Blast mich zum Himmel…
Hier übrigens der direkte Link zum Video auf yt
Gruß,
Alexander