Wie korrekt ist Matthias Spahlingers Ablehnung eines durch die Ernst-von-Siemens-Stiftung geförderten Kompositionsauftrags?
Gestern vermeldete NMZ-Online, dass Matthias Spahlinger einen durch die Ernst von Siemens Stiftung (EVS) ermöglichten Kompositionsauftrag des schweizerischen Festivals „usinesonore“ seines Werks „off“ ablehne, da dieser Förderer sinngemäß zu stark in seine künstlerische Autonomie eingreife. Im einzelnen will er sich u.a. nicht damit abfinden, dass (Zitate aus dem offenen Brief)
a) in seiner „partitur stehen soll ‚kompositionsauftrag von usinesonore‘ (was den tatsachen entspricht und mir eine ehre ist) und ‚finanziert von der ernst von siemens musikstiftung‘ “ und somit seine Generalkritik am „Sponsorenunwesen“ unglaubwürdig würde,
b) „des weiteren verlangt die siemens-stiftung, dass der vermerk im programmheft abgedruckt wird ‚mit freundlicher unterstützung von‘, gefolgt vom logo der stiftung und dass beides deutlich mit meinem stück verbunden sein muss“ und nach den Förderrichtlinien, wie er sei kennt, die EVS vor Auszahlung des Geldes entsprechende Programmheftentwürfe zur Ansicht einfordern würde,
c) die Verstrickungen des Siemens-Vorstandes am Ende des Dritten Reichs, währenddessen auch der Stifter Ernst von Siemens Vorstandsmitglied war, samt einer entsprechenden Kapitalismus-Kritik seine ablehnende Haltung weiterhin und tiefer untermauern würden.
Die NMZ berichtet im Text vor dem zitierten offenen Brief, dass nach Anfrage die EVS mitteilte, die strenge Umsetzung ihrer Richtlinien nicht so eng sähe. Weiterhin stellt die NMZ fest, dass Spahlinger z.B. durch die Gesamtunterstützung der EVS der „Donaueschinger Musiktage 2009“ mit seinem damaligen Auftrag „doppelt bejaht“ Nutznießer des EVS-Geldsegens war. Spahlinger stellt generell die Förderung durch Privatstiftungen infrage: „es dürfte herausgekommen sein, dass ich den standpunkt vertrete, die macht der ökonomie muss demokratisch kontrolliert werden, dass ich der meinung bin, die siemens-stiftung und vergleichbare organisationen nutzen ihre vormachtstellung im kulturbetrieb schamlos aus zu eigenen werbe- und imagezwecken, zum schaden der kulturarbeit der politisch zuständigen und des öffentlich-rechtlichen rundfunks, und dass sie das erreicht, indem sie geld verteilt, das ihr nicht gehört.“
Denken wir besonders an den SWR, der aktuell sein Stuttgarter und Baden-Badener/Freiburger Sinfonieorchester fusionieren möchte und vor einigen Jahren (1996) die Donaueschinger Musiktage nur noch im Zweijahresrhythmus durchführen wollte. Spätestens seit diesem verhinderten Einschnitt ist die EVS dort einer der Hauptfinanciers zusammen z.B. mit der Bundeskulturstiftung. Weiterhin ist uns Allen bekannt, wie viele Veranstalter, Ensembles und Festivals jährlich durch die EVS gefördert werden, so dass unterstellt eine Mehrzahl von auftragsnehmenden Komponisten direkt oder indirekt in den Genuss von EVS-Förderungen gekommen sein dürfte, auch so durchaus kapitalismuskritische Komponisten wie Helmut Lachenmann oder auch alle KollegInnen unter 50, die in den letzten Jahren beispielsweise in Donaueschingen, Darmstadt, auf dem Stuttgarter eclat-Festival, ultraschall Berlin oder bis 2009 auch ADEvantgarde in München und vielerorten mehr. Ist das vollkommen inakzeptabel? Was die Detailfragen nach Logos und Stifternennung selbst in Partituren betrifft, gerieren sich die meisten privaten Stiftungen ähnlich, verlangt dies enger oder weiter auch die öffentliche Hand, wie die Bundeskulturstiftung mit all ihren Unterabteilungen. Dazu tritt, dass je nach Bundesland Kulturförderung kein oder doch Verfassungsziel ist, bei Bund und Kommunen als freiwillige Aufgabe gilt – auch wenn sich der Staat in all seinen Gliederungen nicht so einfach da aus der Verantwortung ziehen darf. Im Sinne von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gründet die öffentliche Hand selbst Privatunternehmen, um Steuerausgaben zu sparen. Dies natürlich mit allen Konsequenzen, dass Menschen plötzlich unterbezahlt staatliche Aufgaben ausführen oder diese verschlankten Betriebe künstlich die Gewerbesteuereinnahmen beeinflussen. Das Hauptziel dabei ist Geldverschwendung zu minimieren.
Es gibt sogar gesetzlich verankert den Grundsatz, dass nicht-staatliche Träger dort einspringen müssen, wo sie es besser als der Staat können. Das ist massiv im Sozialwesen zu beobachten. Im Kulturbereich sieht man wiederum, wie in Antragskalkulationen für öffentliche Mittel Drittmittel verlangt sind, die besonders aus der privaten Hand stammen sollen. Obendrein die selbstausbeuterischen Eigenmittel! Dazu tritt der Ausschluss von weiterer öffentlicher Förderung, wenn man dort bestimmte Töpfe bereits gewinnen konnte. So bleibt erst Recht der Weg zu den Privatstiftungen und weiteren Mäzenen.
Ein wenig fragt man sich als immer wieder Projekte Durchführender, ob so ein Komponist wie Spahlinger jemals sich persönlich diesen Antragsbedingungen stellen musste. Oder konnte er sich mal erfolgreicher, mal erfolgloser hinter rein öffentlicher Förderung verstecken, die er als einzig demokratisch legitimiert annehmen konnte – sozusagen, um beim kapitalistischen Staat zu bleiben, Sozialhilfe auf höchstem Niveau? Das sind zugegeben die Gedanken, die mir dabei auf der einen Seite in den Sinn kommen. Bitte noch nicht ärgern! Weiterlesen:
Oder zeigt dies nicht ein ganz anderes Grundproblem auf? Nur wenige Neue Musik-Komponisten wie Spahlinger leben heute zu einem wirklich von ihren Kompositionen. Meist gibt es doch noch weitere künstlerische, wissenschaftliche Tätigkeiten oder handfeste Brotjobs, die langfristig über die Jahrzehnte hinweg das Einkommen absichern, auch wenn es immer wieder Phasen reiner Auftragseinkommen geben mag. So richtig kapitalistisch wird es dann bei der Zweit-, Drittverwertung der Urheberrechte – das Dauerthema! Letztlich geht eines immer dabei baden – ernsthaft komponierte Musik, kompromisslos und unabhängig. Wie einfach wäre es manchmal, wenn man für sein Schaffen genauso regelmässig entlohnt würde, wie jeder Arbeitnehmer, wie würdevoll, ungeachtet der Finanzierbarkeit, wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber würde sich dann jeder wirklich die nötige Zeit nehmen und hart komponieren? Würden dann anstelle von Lohndumping nicht noch andere Kriterien der Ausbeutung treten, wie z.B. die Bemessung von Zeit? Wer schneller arbeitet, bekommt eher den Auftrag oder schlichtweg ganz unabsichtlich mehr Aufträge, es sei denn, man bremste ihn aus, gängele den Fleissigen oder besonders Ausdrucksbedürftigen.
Als Ausgleich zwischen diesen Schaffensmodellen gibt es ja die Stipendien, welche eine Zeit lang solche Zustände wie Mitte des letzten Absatzes schaffen. Zusätzlich würde es zudem vollkommen ausreichen, wenn die meisten Aufträge überhaupt einmal realistisch honoriert würden, so dass man nicht zu 5 Euro Stundenlohn komponiert. Und dass man bei all den Stimmmaterial-, Tantiemen- und weiteren Kostenverhandlungen nicht immer über den Tisch gezogen wird, Professionalität sich v.a. darin denn im Werk zeigen soll. Aber wie wir wissen, wird Musik heute immer nach dem Geld und nicht nach ihr selbst bemessen, selbst wenn der Auftrag erteilt wurde. Das öffnet nun einen weiteren Pfad zur Kritik an Stiftungen: Sie mögen fördern, Löcher stopfen, ermöglichen, wo sonst nichts mehr sein würde. Nur tagt da ein Kuratorium, das wiederum all die nicht fördert, denen sie ihre Mittel versagt und somit das Ungleichgewicht zwischen schon zuvor Bessergestellten im Vergleich zu Schlechtergestellten verschärft. Das ist so ähnlich, wie die Geschwindigkeitsausbeutung beim bedingungslosen Grundeinkommen. Und das miese Nachtarocken wird dadurch auch nicht besser: die Stiftung spendet zwar honorig das Honorar, damit sollen für den Veranstalter alle Auftragskosten erledigt sein, entledigt er sich seiner weiteren Pflichten, auch das Zustandekommen des Stimmmaterials, Reisekosten, etc. ausreichend zu tragen. So schrumpft das mächtige Honorar tatsächlich wieder schnell zusammen.
Eine verflixte Situation! Aber realistisch betrachtet kommt man um Stiftungen wie öffentliche Hand heute nicht mehr herum. Man kann aus politischen Gründen die eine oder andere Förderung erst gar nicht beantragen, durchaus die Vergangenheitsbewältigung oder Ökobilanz der Stifter zum Kriterium machen. Wann fördert übrigens endlich die Solar- und Windenergeindustrie oder sonstiger Fairtrade die hiesige Kultur? Betrachtet man allerdings summarisch die bekanntesten Privatstiftungen (Siemens, Deutsche Bank, Allianzstiftung, Sparkassen, etc.) oder die öffentliche Hand, dann haben Alle diese sich der Vergangenheitsbewältigung gestellt, mit den bekannten lau-laxen Ergebnissen. So lohnt sich der Blick auf die Gegenwart. Nur verweist uns da der Staat vermehrt an die Privaten, sorgen beide für Lohndumping und unterbezahlten zweiten Arbeitsmarkt. So betrachtet dürfte ich bei keinem der beiden Hände Geld beantragen! Vielleicht sollte man jenseits all der verteufelten, vorteilsnehmenden Antragsschläue weniger einen Kompositionsauftrag als das Antragstellen zum Erstellen eines Werks zum Kunstwerk werden lassen. Einige Beispiele gibt es ja schon, weitere sollte/könnte man folgen lassen. Allerdings verengt dies wieder das Schaffen für weitere Dringlichkeiten selbst aktuellster unter den Fingern brennender Themen, wäre dies auch wieder nur Nabelschau. Wer wagt die Synthese oder kann hier jemand Beispiele für gleichermassen Antrags- wie Weltkunst nennen?
So bleibt die Antwort offen, ob Spahlinger korrekt handelt. In seinem Kosmos, bösartig Elfenbeinturm genannt, garantiert. Im komplexen Antragszirkus schwieriger zu beantworten. Allemal weist er aber auf allzu lieb gewordene Verlässlichkeiten seitens der Privatstiftungen hin, auf den schleichenden Rückzug der demokratisch legitimierten öffentlichen Hand, weitere Ungleichgewichte. Er hat meine grundlegende Sympathie, dennoch ärgert mich die dahinter versteckte Blindheitspompadour gegen geldbeschaffenden Alltag, da es ein Problem korrekt benennt, aber keine Lösungsansätze aufzeigt. Immerhin hat er mich dahingehend auf den Weg gebracht.
Komponist*in
Na ja, es ist relativ klar, was Spahlinger als Alternative will, nämlich ein Förderungsmodell wie es in der DDR üblich war: Komponisten kündigen an, jetzt einen Streichquartettzyklus schreiben zu willen, und der Staat kommt einerseits dafür auf und besorgt andererseits die Aufführungen. Der Haken dabei: man musste mit dem System gut können.
In Spahlingers Vorstellung wäre das dann wahrscheinlich keine DDR-Diktatur, sondern ein freiheitlicher und menschenfreundlich handelnder marxistischer Staat (den es in dieser Form wohl noch nicht gab).
Oder wie in Holland (bis vor kurzem) – Komponisten beantragen beim staatlichen Komponistenverband, dass ihre Werke gefördert, die Aufführungen ermöglicht werden. Das klappte in der Vergangenheit ganz gut, aber auch dort hatte man es als Außenseiter oder ohne die richtige kollegiale Vernetzung sehr schwer. Und das so ein System auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist, zeigt sich jetzt.
Man muss auch noch viel weiter denken – Spahlinger war lange Professor in Freiburg. Wer zahlte ihm das? Vater Staat. Und was benutzt Vater Staat dafür? Steuereinnahmen – unter anderem von den Rüstungskonzernen, die Deutschland zu einem der führenden Waffenexporteure weltweit macht. Absolut alles (!) Geld, das der Staat ausgibt, und zwar für Kindergärten, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, wohltätige Einrichtungen etc. ist irgendwie „kapitalistisch verschmutzt“ (wie Spahlinger es ausdrücken würde), Konsequenz von wirtschaftlichen Einnahmen und vielleicht auch kapitalistischer Ausbeutung wenn man so will, man kann es gar nicht davon trennen. In letzter Konsequenz muss man also komplett aus dem System aussteigen und in einem Baumhaus im Wald leben, will man wirklich vermeiden, sich die Finger an problematischem Geld schmutzig zu machen. Da dies nur sehr schwer möglich ist und man nicht alleine die Welt vom Übel des Geldes befreien kann (und die Gier nach Geld ist – da wäre ich mit Spahlinger vollkommen d’accord – sicherlich ein großes Übel), muss man versuchen, größtmögliche Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen, und vor allem zu bewirken, dass das Geld auch zu sinnvollen Zwecken eingesetzt wird. Deswegen erlaubt der Staat Mäzenen Spendenquittungen und Steuererleichterungen, aber nie in dem Maße, dass sie dadurch Gewinne erzeugen. Mäzenatentum ist auch für die Mäzene mit Verantwortung und Arbeit verbunden, die Steuererleichterung allein würde das nicht aufwiegen, entweder spielt Eitelkeit eine Rolle oder – öfter als man meint- ehrliches Interesse, in irgendeiner würdigen Sache mit Geld helfen zu können.
Die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung hat – wie Spahlinger auch in seinem Schreiben anmerkt – nichts mehr mit den Geschäften der Firma Siemens zu tun. Die Förderung Neuer Musik – Projekte wird jetzt auch nicht entscheidend dazu beitragen, den Namen Siemens in alle Welt zu tragen.
Der Stiftungsgründer war ein Musikfreund und wollte die Neue Musik nicht nur in Deutschland sondern auch im Ausland dauerhaft fördern. Hätte er die Stiftung nicht gegründet, dann wäre sein Geld nicht unters Volk gekommen, sondern auf Schweizer Konten versauert. Wäre das besser gewesen? Dass die Reichen ihr Geld behalten und es alleine verprassen?
Auch die Entscheidung Vegetarier zu werden, macht nicht tote Tiere wieder lebendig – und genauso ist es hier. Sich gegen Vereinnahmung zu wehren, ist jedermanns gutes Recht, aber die Siemens-Musikstiftung ist sicherlich nicht bekannt dafür, Druck auf Künstler auszuüben, eher nerven sie (zu Recht) die geförderten Festivals damit, dass das Geld auch wirklich bei den Komponisten und Künstlern landet und nicht in der Bürokratie versandet.
Man kann und darf problematisches Mäzenatentum anprangern, aber gäbe es die Siemensmusikstiftung nicht, wer weiß ob in den letzten Jahren ein Großteil der Neue-Musik-Festivals stattgefunden hätte, darunter auch viele, viele Aufführungen von Spahlinger.
Mein Vorschlag: Spahlinger den Siemenspreis geben um damit sein moralisches Gewissen bis in letzte Konsequenz zu testen, dann gibt er das Geld zurück und man hat ganz viele Förderpreise für Komponisten, die bisher noch nicht in den Genuss kamen. Wäre doch toll, oder?
Moritz Eggert
Hallo Moritz! Ehrlich gesagt: soll er doch sein kleines Honorar für ein im letzten Jahrhundert begonnenes Stück – was soll sonst die Angabe 1993/2011 – nehmen und einfach an andere durchreichen, die es nötiger hätten. Die EVS genug oft der Notnagel für diverse Projekte gewesen, so dass sie heute wirklich zu den breitest fördernden Privaten gehört, jeder E-Komponist ihr mal begegnet, JEDER! Über diverse mögliche Verzerrungseffekte habe ich mich oben ausgebreitet, was letztlich zurück auf das Konto des Staates und sein aus der Verantwortung schleichen geht, wenn man einen bösen dafür sucht. Die weiteren Nennungs-Forderungen von Förderern, da sind Staat wie Private ähnlich. Vergangenheitsbewältigung – auch durch. Wirklich kritisieren könnte man das moderne Gebaren, jedes von der EVS ungeförderte Projekt könnte dies, da nun öffentliche Mittel fehlen, die der Staat durch seine Drittmittelforderung verweigerte oder seine Vorbehalte, Kompositionshonorare aus seiner Förderung zu bezahlen, weshalb man eben zu den Privaten, der EVS MUSS, man nun doppelt schlechter gestellt ist. Aber der Adressat wäre letztlich hier eben der Staat…
Oder man bekrittelt das Gebaren des Kuratoriums? Wie den lustigen Rihm-Rücktritt, um dann den EVS-Preis zu bekommen? Oder all die geförderten Projekterln, in denen wiederum Kuratoriumsmitglieder auftreten? Das wären doch Punkte für Spahlinger, doch gegen Kollegen müsste er dann konkreter werden. Natürlich kann man seine Kollegen auch wieder exkulpieren: In ihrem Sog können wieder Jüngere ran, können sie ihre so zusätzlich geförderten Projekte in dem Rahmen durchziehen, der von der Neuen Musik-Öffentlichkeit verlangt wird, den die öffentliche Hand durch ihre Mittelverweigerung aber nicht setzt, obwohl sie mit ihrer Neue-Musik-Verwaltung ins gleiche Boxhorn stösst. Auch wieder der Staat.
Aber der wiederum SOLL ja Geld sparen, ist das sein AUFTRAG durch den WÄHLER, der einen sinnvollen Einsatz seiner Steuermittel verlangt. Dass wird dann im Bereich der wirklich abhängigen Kultur vorgeführt wie andererseits in viel grösseren öffentlichen Töpfen Geld unbesehen verschleudert wird. Kunst ist eben doch öffentlich sichtbarer, als man denkt, buhlen ja selbst bisher ungeförderte Kreativwirtschaftler inwzischen um die bestehenden, schrumpfenden Töpfe mit, da auch sie, die sonst kommerzieller wirtschaften, Kultursubvention gut gebrauchen könnten. Allgemein müsste die gesamte Kreativwirtschaft da den Staat in die Klammer nehmen. Was er momentan und mittelfristig aufgrund der Schuldendienste kaum erfüllen wird. So bleiben die Privaten.
Ich versuchte oben v.a. nach aktuell diskutierten Wegen aus dem möglichen Dilemma zu zeigen, siehe bedingungsloses Grundeinkommen. Dies könnte allerdings die gleichen bizarren Wirkungen haben, wie die vergangenen holländischen und DDR-Fördersysteme. Allerdings würde so ein Grundeinkommen manchen heute armen Poeten erstmal auffangen können, würde es die Situation aller Bezieher von Transferleistungen verbessern, so schwierig die Details wieder wären. Das würde weiterhin aber ein unglaublich stärkeres soziales, kulturelles Engagement der betroffenen Bürger freisetzen müssen! Das dann als Manpower in Konkurrenz treten könnte zu der Moneypower der Privatstiftungen treten könnte. Und wie honoriert man dann herausragende Arbeit – die muss dann zu den Privaten, wie heute auch schon. Vielleicht ist eine Gleichheit im Ungünstigeren doch sozialer als eine Gleichheit im total Gleichgestellten. Sinnvolle Anpassungen von Transferleistungen, Künstler allgemein und breiter von ihrer Arbeit leben lassen, da würde sich diese Grundeinkommensdiskussion schnell erledigen, genauso etliche DDR-Fantasien. Aber das ist Larmoyanz!
Wie gesagt, es lohnt sich über die Privaten nachzudenken, müsste man den Staat dahingehend wieder mehr in die Pflicht nehmen, wenn er denn die Privaten will, da auch noch mehr zu ermöglichen oder gewisse direkt zu nennende Probleme zu beheben. Reine Ideologie-Kritik erinnert sonst zu sehr an das Kondomverbot gewisser Kirchen. Und macht es z.B. all den antragstellenden Spahlingerschülern auch nicht einfacher, sich zu orientieren. Soll Spahlinger doch offen sagen, dass er das Kuratorium persönlich nicht mag, das wäre zwar ungünstig, aber viel ehrlicher. Oder mag er es doch, persönlich? Oder ganz alltagliche, sehr persönliche Probleme? Das wäre jetzt aber Blog-Regenbogenjournalismus… Also, uns zum Nachdenken bringen, ist schon gut, nur leitet das eins zu eins genommen, auf den falschen Adressaten, denn Logofragen, Historisches wie Kontrollfragen können ganz leicht ausgeräumt werden, so dass seine Kritik einfach verpufft. Dass es die EVS ist grds. gut, wie es Kulturreferate gibt. Kritik müsste man dann eher an jenen Referaten üben oder etwaige Probleme der EVS direkt bekritteln. Oder eben Antragskunst machen, die dann wieder zu Nabelschau tendiert. Spahlinger sofort ins Interview nach dem Motto „Was nun, Herr Spahlinger?“
A. Strauch
@ Moritz: Ich glaube nicht, dass das das Ansinnen von Spahlinger ist, Staatskunst zu erzeugen. Warum auch. Alexanders Hinweis auf bedingungsloses Grundeinkommen etc. weist doch in eine andere Richtung. Und, es hat nicht mit DDR und so zu tun.
Und: Schlimm genug, was für Dreck an manchem Gelde klebt. Aber es wird veredelt durch die Kunst. Na klar. Kunst ist eine prima Geldwäschemöglichkeit und ich fände es ehrlich gesagt längst überfällig, dass auch die Drogenkartelle da mit einsteigen. Ist doch nur ein gradueller Unterschied. Die Argumentation von Spahlinger ist doch nachvollziehbar und logisch einwandfrei. Wenn ich den Dreck am Geld sogar kleben sehe, dann wäre schon noch ein wenig schlimmer, als wenn es das Geld aus einer Mischfinanzierung ist, aus deiner, Alexanders und meiner Steuer und leider eben auch von Vattenfall und RWE (aber die haben ganz sicher bessere Berater als wir).
Mit dem Vorwurf gegen den Professor hast du dann schon eher einen Knackpunkt erwischt. Wer ganz ehrlich zu sich sein will im moralischen Sinn, der wird kein Professor werden können oder in den Staatsdienst gehen. Unterwanderung hin und her. Und der moralische Rigorismus hätte noch andere Konsequenzen. Ob es die Baumhütte sein müsste, ich weiß nicht.
Die Lobhudelei auf die EvS-Stiftung kann ich so nicht nachvollziehen. Ich denke schon, dass Kuratorium und anderes eigenartig besetzt sind und auch dass dort eine ganz bestimmte Art und Weise der Preisvergabe geübt wird, die ganz bestimmte Komponistengruppen prinzipiell ausschließt.
Mal abgesehen von der Sinnlosigkeit einem arrivierten „Meister“ die Kohle zuzuschanzen. Das ist selbst der GEMA-Musikautorenpreis vernünftiger, der nur Geld für den Nachwuchs vorsieht. Nobelpreis! Nobel, nobel.
Alle reden von couragiert, doch falls Einer es mal ist, wird er fertiggemacht. Auf die Kritik von Spahlinger wird wenig eingegangen, eher sinniert, wie kann er sich das leisten, darf er sich das leisten … um dann festzustellen, ein staatsdotierter Prof. soll doch bitte die Schnauze halten. Die typischen Spießer Argumente nicht erst seit 46. Vermieden wird dabei die viel wichtigere Diskussion über das inflationäre Sponsoring. Wobei ich bezweifle, dass es gesetzlich verankert ist, wann der Grundsatz gilt, „dass nicht-staatliche Träger dort einspringen müssen, wo sie es besser als der Staat können.“ Wer beweist, ob sie es besser können, gibt es eine Verpflichtung zum Einspringen ? – mir nicht bekannt, also bitte keine Märchen à la Bertelsmann – IsM erzählen. Ein Beispiel ist das Hamburger Tonali Projekt, 1000€ Fördergeld je schwerreichen Sponsor, das Projekt dient einigen Schülern für eine kurzen Karrieresprung, oder das Gegenteil, die Stadt Hamburg kann ihre vermurkste Kulturpolitik damit kaschieren und eine Marketingfirma vermarkten.
Und dann dieses giftige Nachtreten: „soll er doch sein kleines Honorar … an andere weiterreichen.. und dann: „Aber der (Staat) wiederum SOLL ja Geld sparen, ist das sein AUFTRAG durch den WÄHLER, der einen sinnvollen Einsatz seiner Steuermittel verlangt.“ Jetzt verstehe ich auch den wirkungsvollen Einsatz von klein und GROSSSCHRIFT. Was wir noch kapieren sollen WIRD GROSS GESCHRIEBEN. Also auch EVS statt EvS oder gar evs.
Wenn die Argumente ausgehen, wir Volkes Stimme- der „Wähler“ zur Hilfe genommen. Daß der Staat Geld sparen soll, haben Parteien in allerlei charmanten Pakete den Wählern unterstellt, „den Wähler“ gibt’s allerdings nicht. Und daß der Staat sparen soll, könnte auch heißen, eine höhere Einkommenssteuer sorgt für mehr Geld in den Staatskassen, und die 0, X Prozent an Kulturförderung könnten ohne Schulden machen um 400 % erhöht werden.
@ frappant: Dann lesen Sie mal die Gemeindeordnungen der Länder: Fast überall ist die Rede von „Dritten“, die doch bitte sehr lieber Dinge ausführen sollen als die Kommune. Im Sozialwesen sind das dann die Träger von AWO bis Caritas, in der Kultur noch-kommunale Gmbh’s bis hin zu privaten Vereinen. Diese Träger decken allerdings meist nur die Infrastruktur ab. Geht’s ans Konzertmachen, wird der Veranstalter gefördert, durchaus im grossen Stil, wenn es sich um Orchester handelt – dann wird sogar üppig das Dirigentenhonorar bedacht. Kommt es zu Sonderprojekten, zur Neuen Musik, zur Honorierung von Kompositionsaufträgen, zieht sich die öffentliche Hand weitgehend zurück.
Tja, und setzt man Sparabsichten in die Welt, findet gar heraus, dass exotische Künste „teuer“ sind, da „wenig“ Leute davon was hätten, verspricht einen neuen Tunnel oder einen neuen Konzertsaal, so wird für den neuen Tunnel votiert oder was an Beispielen auch immer. Sie sehen ja, wie in den letzten Jahren z.B. Theater und ihr künstlerisches Personal nicht an den Tariferhöhungen des TVÖD automatisch beteiligt worden sind, wie das erkämpft werden musste, wie Theater aus dem Tarifverbund versuchten auszusteigen, wie die Häuser in ihren Mitteln eingefroren worden sind, bei der nächsten Runde wieder runtergekürzt wurden, wie Honorare in den letzten Jahre stagnierten, auch schrumpften, etc. Aller Verweigerungen durch die Gremien der öffentlichen Hand, was dann als sparsam bzw., wenn Stadtteilkultur billiger zu fördern wäre, als bürgernah ausgegeben wird und je nach Couleur dann an der Urne honoriert wird. Also bleibt der Weg zu den Privaten, dass es da sehr mächtige gibt, wirft wieder weitere Fragen auf, denn neben dem Monopolist Staat gibt es dann fördernde De-Facto-Monopolisten, die dann schalten und walten können wie sie wollen, selbst in bester Absicht durchaus problematisch…
Ich bezweifle zudem, ob ihre höhere Einkommenssteueridee grds. so gut ist. Eher die Firmen direkter in die Pflicht nehmen. Ich nehme an, Sie wollen die Firmeninhaber aber als Personen direkt in die Mangel nehmen? Gut, dann einen erhöhten Prozentsatz für jene, ob dies aber wirklich soviel Geld bringen wird… Eher macht es Sinn, bürgerschaftliches Engagement im unteren und mittleren Einkommensbereich zu stärken, so dass nochmal eine ganz andere Art von Stiftungen entstehen könnten. Nach der derzeitigen Sozialpolitik des schleichenden Mangels wird man sich aber eher für soziale als kulturelle Massnahmen organisieren. Ich sehe in nächster Zeit eher noch stärker den Gang zu privaten Förderern, wenn es um Kultur geht.
Und Nachtreten: Wie stark und wie wenig ich mich ärgerte und freute, habe ich ja dargelegt. Wobei ich durchaus dran dachte, dass er sein Honorar einfach weiterreichen sollte, wie es mancher Siemenspreisträger ja machte, wenn sich die Beispiele auch an wenigen Fingern abzählen lassen dürften. Immerhin stünde er dann, mit viel weniger Geld, in einer guten Riege, jenseits der Selbstbedienungstendenzen jenes Kuratoriums.
Was mich letztlich aufregte an Spahlingers Kritik, war die Breite der historischen Frage, die wichtig ist, aber keine tiefere Analyse des heutigen Macht-Problems EVS und der anderen grossen Stiftungen (Sparkassen, Bertelsmann, Allianz, Deutsche Bank, etc.) darstellt: Sie springen ein, wo der Staat Ade sagte, sie sind aber nur wenige, machen wiederum neue Abhängigkeiten auf, die letzten Endes genauso aussehen, wie die zuständige Seite des Staats: wenn man der gar nichts mehr bekommt, in Förderrunden leer ausgeht, geht wirklich nichts mehr. Bekommt man von den Privaten den fehlenden Betrag oder gar die Grundsumme ebenfalls nicht, ist man doppelt schlecht gestellt. Ausserdem sollten Sie Eggert und Strauch nicht zu einer Sosse verquirlen… Das ist wirklich frappant… Wenn sie weitere Aufreger jenseits von Gross- und Kleinschreibung haben, bitte sehr. Antwort gibt’s aber erst in einer Woche.