Das vergangene Lachen (2)
Patrick hat es schon in einem Kommentar schon gesagt: der Text ist doch schon erschienen! Leider hat man mir vergessen, dies mitzuteilen, und da ich jetzt einmal damit angefangen habe, mache ich auch weiter.
(Teil 2)
Humor und Witz werden oft mit Oberflächlichkeit und mangelnder Tiefe verwechselt, auch wenn die gesammelte Kulturgeschichte der Menschheit den Humor selbst zu trübsten Zeiten – ja gerade oft erstaunlicherweise besonders dann – gepflegt und verstanden hat.
Zu Zeiten politischer Krisen und Unterdrückung ist Humor manchmal sogar die einzige Waffe, die verbleibt, wenn alle anderen Waffen schon stumpf geworden sind. Der Diktator fürchtet nichts mehr, als dass man ihn der Lächerlichkeit preisgibt.
Warum haben wir so Angst vor dem Lachen im Kontext eines Konzertes mit zeitgenössischer Musik, ja überhaupt in klassischen Konzerten? Manchmal mag man schon verzweifeln, wenn ein alter Papa Haydn kunstvoll Feuerwerke aus genialem Witz in seinen Symphonien versprüht, und das Publikum dem Treiben gewissenhaft würdig und vollkommen ohne Mucks lauscht. Man möchte aufspringen und die oft schon jugendlich oder real Vergreisten kräftig schütteln!
Warum die Angst vor dem Lachen? „Ich finde es toll, dass man bei Dir auch mal ein bisschen (sic!) lachen darf“ bekomme ich gelegentlich nach Aufführungen zu hören, als gäbe es ein geheimes, unausgesprochenes Verbot.
Hätte man zu Mozarts Zeiten das Essen, Rülpsen, Furzen, Brüllen, Johlen und Kopulieren aus dem Konzertsaal verbannt, wären es sehr erfolglose Konzerte gewesen. Das war nicht unbedingt besser, aber man sieht, dass es auch anders ging. Und von anderen Musikkulturen wie z.B. der Indischen können wir lernen, wie man (indische) klassische Musik lustvoll als Teil des allgemeinen Lebens zelebrieren kann, ohne dabei den Respekt vor der Sache an sich zu verlieren.
Woher also die Angst?
Vielleicht liegt es daran, dass Humor sehr oft aus der scheinbar banalen, alltäglichen Situation entsteht, sich über die Schwächen der Menschen lustig macht, anstatt deren Stärken zu betonen. Lieber fühlt man sich tragisch überhöht als lächerlich verhohnepiepelt.
Nun ist es mit dem Lachen und der Tragik wie mit dem Yin und Yang – man muss hier eigentlich nicht erklären, das beides untrennbar miteinander verbunden ist, ja ohne das jeweilige Gegenüber komplett unmöglich ist. Größte Tragik kippt um ins Komische, das Wahrhaft Komische wiederum enthält die größte Tragik. Man müsste also meinen, dass eine ideale Musik von beiden Prinzipien durchdrungen wird, dass beide Elemente sich ungefähr die Waage halten. Das Sublime und das Banale gehören zusammen, das Banale aus dem das Sublime herausbricht ist aber meistens ungemein interessanter als das Sublime, das sich als nur banal erweist. Das eine ist ein sich Erheben, eine Überraschung, Höhenflug, das andere ist ein Sturz von Stelzen, der im Matsch endet. Ganz besonders humorfeindlich ist natürlich Musik, die sich selber unerhört ernst nimmt, dagegen ist es quasi unmöglich, z.B. Musik von Mozart zu parodieren, da die Musik aus sich selbst heraus wirkt, ohne eine bestimmte großkotzige Pose einzunehmen. Wagner dagegen ist sehr leicht zu parodieren.
Wir können das Alltägliche, scheinbar Oberflächliche nicht aus unserem Leben verbannen, weil es einen Großteil unseres Lebens bestimmt. Zu diesem Schluss kommen letztlich alle großen Denker – jede Philosophie beißt sich am Ende an der Praxis, dem Alltag, die Zähne aus, denn nur an dieser/diesem kann sie sich beweisen.
Und vielleicht – nein, nicht nur vielleicht sondern ganz sicher braucht unsere Kultur eine stete offene Konfrontation mit dem so genannten „Banalen“, an der sich wirklich große Kunst stets abreiben und aufrichten kann. Nicht nur ein Wolfgang Rihm stellt manchmal das Radio bewusst auf dumpfsten Mainstream Pop, eben um dagegen zu komponieren.
Wir sollten also das Banale nicht fürchten, es vielmehr als etwas willkommen heißen, was in große Kunst verwandelt werden kann.
Ach, wie glücklich sind da andere Künste. Nie würde jemand auf die Idee kommen, das Lebendige und Alltägliche aus der Literatur oder von der Bühne zu verbannen, die größten Meisterwerke sind gerade aus der Betrachtung von scheinbar Nebensächlichem und Unwürdigen entstanden. Auch die bildenden Künste und die Architektur haben immer eine Art Zweckehe mit dem Zweckmässigen, Kunst ist nie weit weg von Alltäglichkeit, man umgibt sich damit. Schließlich ist sowohl ein Haus als auch ein Bild ein Gegenstand, der bewohnt oder an die Wand gehängt, gleichsam benutzt werden will.
Seltsam aber ist: Wenn ein Haus seine Bewohner glücklich macht, ein Bild seinen Betrachtern Schönheit vermittelt, ein Roman unterhält, wird es gelobt und geschätzt.
Wenn aber ein Stück Musik witzig war, mitreissend, ja vielleicht sogar – oh Schreck – ganz und gar unterhaltend, spritzig, schnell, mit gutem Gefühl für Timing, kommt gleich Hänschen Neu, der Musikkritiker, und erhebt seinen Zeigefinger ob solcher Unartigkeit.
Hinter manch ödem schnurgelndem Schmond vermutet man halt Welten der Einsicht, – schließlich hat man doch z.B. gerade 2 Stunden seines Lebens dafür gegeben, der leisen schabenden und unsagbar langweiligen Umkreisung eines einzigen Tones zu lauschen.
Das suggeriert Tiefe.
Wogegen etwas zu erkennen – was noch lange nicht heißt, dass man es kennt, ein kleiner aber entscheidender Unterschied – gleich verdächtig ist. Humor hat sehr viel mit Wiedererkennung und Verfremdung zu tun, das lässt sich nicht bestreiten. Was also gerne leichthin als „Versatzstück“ abgetan wird, kann notwendiges Mittel sein, dieses Erkennen beim Hörer hervorzurufen – um dann damit dramaturgisch arbeiten zu können. Warum haben wir dieses Mittel, das absolut allen Komponisten der Vergangenheit zur Verfügung stand und eifrig benutzt wurde, so komplett aus der Hand gegeben, es so eifrig als unwürdig deklariert?
Die Kategorisierung als Komponist von „unterhaltender Musik“ (damit meine ich nicht etwa U-Musik) würde die meisten sogenannten E-Komponisten zutiefst erschrecken und verängstigen, denn auf das Terrain der Unterhaltung und der Leichtigkeit wollen sie sich auf keinen Fall wagen, sie würden es sogar als Beleidigung empfinden. Lieber sind sie„interessant“ – da stecken Jahre des Studiums, der Entbehrungen und des Studiums langweiligster furztrockener analytischer Essays dahinter, das darf nicht etwa allzu „leicht“ daherkommen, sonst wäre ja alles vergebens gewesen.
Aus Schwere und Gravitas entsteht das vermeintlich Interessante, Tiefgründige. Wobei „interessant“ halt eben meistens doch in Wirklichkeit heißt: „es war eigentlich ziemlich langweilig, aber daher sicherlich auch bedeutend“. Das erinnert dann an des Kaisers Neue Kleider.
Hiermit einher geht z.B. die fragwürdige Stilisierung und Poetisierung von Begriffen wie „Stille“. Vielleicht die Schuld des guten John Cage, der eigentlich die ironische Nachfolge von Erik Satie angetreten hatte, in Deutschland aber als ernster Säulenheiliger verehrt wird, (und zwar auch nur dort).
Da wird den Klängen „nachgelauscht“ und ungeahnte Tiefen tun sich hinter vagem Gekruschtel auf. Der Kritiker Hänschen Neu hat seine wahre Freude an Titeln wie „…Fragmente…“ (wichtig sind die 3 Punkte, die Bedeutung suggerieren), „Schwebende Stille“, oder „Materialbefragung 3“. Dabei ist, wo Musik ist, keine wirkliche Stille möglich, und dass vor und nach der Musik (vielleicht) Stille herrscht, verstärkt nur den Gegensatz. Man kann Stille nicht „nachlauschen“, ebenso wenig wie sie „beredt“ sein kann, es ist einfach feuilletonistischer Quatsch. In der Literatur würde man sich über eine ähnliche Stilisierung von unbeschriebenen, leeren Buchseiten kaputtlachen.
In der Kunst ist ein Stilleben oft wirklich nur ein Stilleben und keine Anklage an die grundsätzliche Verruchtheit der Welt oder eine Beschwörung der Leere, das mindert aber nicht seinen Wert und verhindert auch nicht, dass es uns etwas über uns und unser Leben erzählt.
Das Alltägliche – und wir müssen begreifen dass ein Großteil von Humor aus der Überzeichnung des Alltäglichen entsteht – ist nicht etwas, dem wir entfliehen müssen, denn aus der Überhöhung des Alltäglichen entsteht oft die anrührendste Kunst. Das Wundersame, das in das Einerlei einbricht, ist spannender als die Behauptung von Erhabenheit, deswegen wird Lachen immer als etwas Befreiendes empfunden, und in den besten Momenten entsteht ein Gefühl des Staunens. Aus dem Widerspruch der schnöden Auftragserfüllung mit den ungeheuren eigenen Visionen entstand nicht nur in der Renaissance wunderschönste, staunenswerte Kunst.
(Ende Teil 2, Moritz Eggert)
Komponist
a propos Lachen:
„Wie viele Superlative kann ich in einem Satz einer Kritik unterbringen?“ – Wettbewerb 2011. Heute: Julia Spinola, FAZ
„Und er (Christian Thielemann) hätte für seine Wahl wie für seine phänomenalen Fähigkeiten kein überzeugenderes Plädoyer abgeben können, als mit der atemberaubend facettenreichen, in ihrer Balance von prägnant formulierten Details und souveräner Formdisposition geradezu perfekt anmutenden Aufführung, die ihm an diesem Premierenabend mit sich selbst übertreffenden Wiener Philharmoniker im Großen Haus der Salzburger Festspiele gelang.“
da stehen wohl die beiden faz-damen mal wieder in einsamem wettstreit miteinander…
FAS von gestern, 31. Juli 2011
Musik als Ritual! Wenn man Musik als Ritual oder Bestandteil einer wie auch immer gearteten heiligen oder öffentlichen Handlung auffasst, kann selbst der bestgemeinte, also ernst gemeinte Humor, Spass, Witz, wie fein oder platt auch immer, nur ernstgenommen werden. Zumal, wenn das Auditorium an die Direktheit des Dargebotenen glaubt. So kann man bei „Inori“ einerseits losprusten, spätestens wenn die beiden Gestenmacher die Klangschalen solistisch rühren oder man ist zutiefst erfüllt. Sich am Widerspruch von Ernst und unfreiwilliger Komik zu ergötzen, das ist IMMER, I M M E R, den Wenigsten vorbehalten. Ich lache und schaudere zugleich immer über die angebliche Bedeutung der ersten Takte der Beethovenschen „Fünften“, noch ernster „Schicksalssinfonie“:“Soooo kloPFt das S C H I C K S A L an die Türrre!“ Wie ulkig ist denn dies!! Viel lustiger als dieser plumpe, allgemeinverständliche Bernstein-Humor mit den verschiedenen Schlussvarianten des Finales… Höchstwahrscheinlich hat Bernstein auch ziemlich wenig Humor gehabt und gab sich gut-amerikanisch zu sehr mit dem öde augenscheinlich am direktesten Wahrnehmbaren zufrieden. Ich bevorzuge: die Doppelbödigkeit des Ta ta ta Taaaa zu erkennen oder es simpel als laut und deutlich vorgestelltes Hauptmotiv einer klassischen Moll-Sinfonie zu belassen. Ein wenig epikureische Stoik (ein Widerspruch!!) schadet nie. Und warum immer diese zwanghafte Spasssucht? Ich plädiere für Gelassenheit… Das meine ich ganz glühend, aufgeregt, ungelassen – wer lässt einen darauf?!?
Gruß,
A. Strauch