the future of ON

Eindrücke von einer Arbeitstagung zum Zentrum für Neue Musik und Medienkunst Köln, am 11./12. Februar im Belgischen Haus, Köln.
www.on-cologne.de

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[update 13.02. Der Aritkel wurde in Teilen überarbeitet, einige Fehler verbessert, Formulierungen auch.]

„Ich bin relativ für Musik, aber schonungslos.“ Mit diesen enigmatischen Worten schloss Prof. Dr. Martin Tröndle die Fragerunde zu seinem Vortrag über „neue Aufführungspraxis“ und „das Konzert der Zukunft“, kurz nachdem er angekündigt hatte, nun kurz davor zu stehen, wirklich ehrlich zu sein. Tröndle hat genau zur richtigen Zeit ein Buch zur Thematik „Zukunft des Konzerts“ herausgegeben und darf nun überall, wo verzweifelte Dramaturgen und ratlose Politiker darüber nachdenken, was Sie in Zukunft mit ihren verwaisten Konzertsälen anstellen sollen, ein bisschen Musikgeschichte erzählen und das Ganze mit ein paar furchteinflößenden „soziologischen Zahlen“ garnieren. Der prätentiöse Titel seines Kölner Vortrags lautete: „Evolutionstheoretische Überlegungen zur Perspektivierung soziologischer und ästhetischer Determinanten des Konzerts“. Auf deutsch so ungefähr: „Jetzt guckt doch mal, welche gesellschaftlichen und künstlerischen Faktoren dazu geführt haben, dass das Konzert geworden ist, was es geworden ist.“ (Mist, immer noch zu lang der Titel.) Dann lieber auf englisch, das ist prägnanter: „Every Art has once been contemporary“. Jede Kunst war einmal zeitgenössisch. Wobei, das geht ja auch ganz gut auf deutsch. Aber denn wäre es ja am Ende ein Vortrag und keine Keynote. Weiter im Denglisch: „Every presentation form has once been contemporary“. Jede Präsentationsform war einmal zeitgenössisch. Oha. Täusche ich mich, oder geht ein Strahl der Erleuchtung durch den Raum?

So ganz richtig war er mit seinem Vortrag in Köln nicht. Denn hier sorgt man sich gerade nicht um die Zukunft des Konzerts, sondern einzig und allein um die Zukunft der Musikszene – und hier will man Mutiges anpacken.
Ein internes Arbeitspapier der Stadt Köln skizziert die Umrisse eines „Zentrum für Neue Musik und Medienkunst Köln“, das nach dem Willen der Autoren zugleich Produktionsstätte wie Aufführungsort für alle Arten von neuer intermedial verdrahteter Kunst sein könnte. IRCAM und Radialsystem, Kunst(Musik)Labor und sozialer Raum in einem. Denn so etwas fehlt in Köln.
Mit einer Arbeitstagung unter dem Titel „Musik prospektiv“ denkt die Kölner Musikszene nun für zwei Tage über Präsentationsformate und nicht zuletzt über Ideelle und immobile/Immobilien-Strukturen nach, innerhalb derer ein solches Zentrum Form annehmen könnte. Wissenschaftler und Architekten, Komponisten und Manager sind eingeladen, um ihre Sicht auf die Kölner Situation zu entwerfen.
Nachdem Prof. Dr. Martin Tröndle sein „self enclosed event“ – Professorendeutsch für „Feuerwerk“ – abgefeiert hatte und soziologisch untermauert die Entwicklung musikalischer Vorlieben auf die Zeitspanne zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr festgelegt hatte – die armen Soziologen, machen die denn keine Entwicklung mehr im Erwachsenenalter durch? – präsentierte Peter van Bergen anhand seiner persönlichen Biographie das Werden und Vergehen von Institutionen: wie aus dem Probekeller und den musikalischen Aktivitäten im coffee shop allmählich ein Ensemble entstand, unterschiedliche Formationen sich dem Universum wie Planeten angliederten, Fördergelder flossen, zu unbrauchbaren Strukturen führten und nun, am Ende einer dreissig Jahre währenden Entwicklung ein technisch super ausgestatteter Möglichkeitsraum steht, der mit einer jährlichen Subvention von 40.000 Euro – die größtenteils als Miete an die Stadt zurückgezahlt wird – 200 Abende im Jahr Programm macht. Natürlich mehr oder weniger auf Selbstausbeutungsbasis der Künstler, die den Ort jedoch aufgrund seiner technischen Ausstattung und seines Künstlernetzwerkes gern frequentieren.

„Los gaan“, das „Abgehen“ also, die Impro-Maxime der Loos-Foundation von Peter van Bergen, erhoffen sich dieser Tage zahlreiche Veranstalter und Kulturpolitiker in erster Linie durch spektakuläre Architektur. Arjan Dingste, Associate Director des Architekturbüros UNStudio, hat inzwischen einige Erfahrung mit den Anforderungen, die der Bau von Theatern und Musikproduktionsstätten mit sich bringt. Vor allem durch den Bau des MUMUTH – „Haus für Musik und Musiktheater der Kunstuniversität Graz“ – war das Architekturbüro zu einem Beitrag innerhalb der Tagung prädestiniert, auch wenn der Vortrag doch etwas zu sehr zu einer „Leistungsschau“ geriet. Interessant war es dennoch, aus berufenem Munde zu erfahren, dass sich die Nutzung eines Gebäudes eben nicht planen lässt, ja, dass es eben die ungeahnten Nutzungen seien, die eben oft den Reiz ausmachten. Nichtsdestotrotz besteht die Aufgabe darin, eine Atmosphäre und Möglichkeiten herzustellen. Übrigens unterscheiden sich aus Architektensicht Shopping Malls und Musentempel gar nicht so sehr voneinander. In beiden Fällen gehe es darum, eine spektakuläre Hülle zu kreieren, die Menschen hinein zieht – drinnen ginge es darum, die Menschen auf elegante Weise zu lenken und sie „drinnen zu behalten“ und die Konzentration herzustellen auf das, was innen „ausgestellt“ wird. Im Falle von Konzertsälen sind dies natürlich nicht zuletzt Menschen im Foyer und daher müssten bei einem St Petersburger Theater auch vor allem die Garderoben ausreichend groß sein, damit Platz für Pelzmäntel und Winterstiefel ist.

Bedenkenswert auch der Hinweis, dass die Nutzungsperspektive der heute gebauten Kunstinstitutionen meist auf eine Dauer von maximal 50 Jahren angelegt ist. Die Folgen dieser Baupolitik erleben wir jetzt gerade, wo zahlreiche Nachkriegsopernhäuser dringend saniert werden müssen. Ist es weitsichtig, nicht auf Marmor zu bauen, weil man nicht weiß, wie das Publikum in 30 Jahren aussehen wird? Provisorien halten ohnehin am längsten und so plädierte Johannes Göbel, der mit dem ZKM in Karlsruhe und dem EMPAC am Rensselaer Polytechnic Institute im Staate New York bereits zwei Produktionsstätten für Intermedia Art aufgebaut hat, in einem Einwurf auch dafür, vor die Wahl gestellt, Geld für Menschen oder das Geld für eine Institution zu bekommen, in jedem Fall die Menschen zu wählen.

Soweit ist man in Köln noch nicht. Doch ist es erfreulich, dass das Versprechen, aufbauend auf dem von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Netzwerk Neue Musik ON-Cologne ein Zentrum für Neue Musik und Medienkunst zu gründen, nun erstmals in einer öffentlichen Debatte thematisiert wird. Ganz so leicht wie bei der Gründung der Stadt Theben, auf die Bojan Budisavljevic, künstlerischer Leiter des Netzwerks Neue Musik in seinen einleitenden Worten anspielte, wird es wohl nicht werden. Aber wie sagte der Kölner Kulturdezernent Georg Quander so schön: „Hoffen wir, dass wir im Rahmen dieser Tagung einige Antworten finden.“ Die richtigen Fragen zu stellen, wäre für den Anfang vielleicht richtiger gewesen. Aber wir sind ja in Köln am Rhein.

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Musikjournalist, Dramaturg

3 Antworten

  1. eggy sagt:

    Heute spielt man in München (musica viva) Sven-Ingo Kochs Klarinettenkonzert „Doppelgänger“ – vielleicht deswegen derselbe (aber hochinteressante) Artikel 2x reingestellt, Patrick?

  2. peh sagt:

    danke für den hinweis. allein die schlechte internetverbindung war schuld. der ariktel ist nun nur noch einmal vorhanden, wie es sich gehört und ein paar fehler verbessert, nun, da die wut, der ärger, der zorn „verraucht“ sind.