FEEDS. Hören TV

Am heutigen Samstag feiert im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier das Medientheater „FEEDS. Hören TV“ des vollkommen überbewerteten Komponisten Johannes Kreidler seine Premiere. Weil wir ihn in diesem Blog aus schwer nachvollziehbaren Gründen noch nie, nie erwähnt haben und uns auch ansonsten überhaupt gar nicht, wirklich nicht darum scheren, was er so treibt, kommen wir hiermit lediglich unserer Chronistenpflicht nach, wenn wir darauf hinweisen, dass die heutige Premiere live ins Netz gestreamt und auf diesem gesamten Planeten in Echtzeit verfolgt werden kann.

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http://www.kulturtechno.de/?p=3544

Eine Empfehlung, sich unbedingt darin einzuklinken, wird dennoch, wenn auch schweren Herzens, ausgesprochen, damit kundige Zuschauer uns, die wir zu unserer Freude das unsterbliche Unterhaltungsformat „Wetten dass…?“ in der De-Luxe-DVD-Ausstattung für die FAZ und Die Zeit rezensieren dürfen, berichten, was sie im TV gehört haben.

Und ein herzliches Toi-toi-toi nach Gelsenkirchen ! ;-)

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Musikjournalist, Dramaturg

37 Antworten

  1. eggy sagt:

    Na, wie war’s denn mit dem Klavierauszug auf Schalke? Du wolltest ja darüber berichten, Johannes, vielleicht erinnerst Du Dich an unsere Diskussion…
    Moritz Eggert

  2. Interessierter sagt:

    livestream funktioniert nicht!!! enttäuschend.

  3. querstand sagt:

    Rihm zerrissen – na toll, da wand’re ich an Rihms Händchen durch irgendwelche Innereien, unterscheide ihn von Lachenmann und werfe sie wieder in einen Topf, ich armer Tropf. Und dann wird vom guten Kreidler Rihms Quartett „Im Innersten“ zerrissen. Vom Tonhöhenstandpunkt allerdings durchaus nicht ungewöhnlich. Hat nicht Ligeti nicht nur verbal sondern höchstpersönlich bereits gedruckte Exemplare seiner Studenten entsorgt, besonders wenn die Tonhöhen und die Form nicht stimmten? Also Kreidler nicht mit Bücherverbrennern vergleichen, nein, das war eine angewandte nostalgische Kompositionsstunde vom Elbufer! Nicht mehr und nicht weniger. Habe dann zwar noch mehr gesehen, da aber der weitere Zusammenhang fehlt, kann ich nur was zur Rihmaktion sagen…

    Schönen Sonntag vor der Bräurosl, also von Stammtisch zu Stammtisch,

    Frl. Strauch

  4. eggy sagt:

    @Alexander:
    Ich konnte den Livestream nicht verfolgen, was und wie genau hat denn Johannes da zerrissen? Auf welche Weise?
    Perplex….
    Moritz

    (PS: Im Englischen Fernsehen zerriss Steve Martland vor vielen Jahren einmal eine Partitur von Boulez, trampelte darauf herum (mit Springerstiefeln!) und sagte „this is our problem“. Das fand ich zumindest bemerkenswert :-))

  5. Stefan sagt:

    Die Szene mit Rihm war lustig!

  6. querstand sagt:

    @ eggy Lieber Moritz, ich konnte den Abend bis ca. min. 38 verfolgen. Ich muss gestehen, dass dann ein Grossteil meiner Aufmerksamkeit vergeblichen Seitenaufrufversuchen galt und so mein Eindruck eher schemenhaft als klar zu nennen ist. So ist nicht mal 24 Stunden später meine Birne nicht sehr genau. Ein Problem für mich ist bei einem solchen Musiktheater wie Johannes‘, dass es wie eine Show formal aufgezogen worden ist, die Musik so nicht durchging, Interviews und sonstige musikfreie Einlagen den Fluss unterbrachen.

    Da ist MEINE Wahrnehmung doch so richtig musikakademisch übererzogen, ohne Musik fehlt mir einfach immer irgendwie der rote Faden oder es muss inhaltlich so langsam und mickymousefad wie in einem Tarkovskij-Film sein, damit ich mir was genau merken kann. Oder so kurz und schnell wie in einem Comicstrip. Das war es beides nicht, es war eine Folge von TV-Episoden zum Thema Musik und Wahrnehmung – bot aber als musikalischer Wahrnehmungsbogen nur schwere Kost, als Show war es allerdings bis zum Onlineabbruch doch unterhaltsam, leider mit der o.g. immanenten Macht des Vergessens.

    Es begann, soweit ich es ungenau sagen kann, mit dem Auftritt Johannes‘ als „Hörarbeiter“ in oranger Arbeitsweste. Nach einer TV-artigen Begrüssung ging es gleich um das Hören wohl Abhören. Einem Mann wurde der Gehörgang gefilmt, in Bezug auf Bunuel zerschnitt Johannes die Projektionsfläche wie dort ein Augapfel. Dazu oder kurz danach sang eine Sopranistin auf einen mir entfallenen Text auf das Liebestodmotiv einem „Nacktscanner“, d.h. ein Monitor vor der Sängerin zeigte eine halbnackte oder nackte, das entgeht mir immer an Frauen Desinteressierten, die Hüften wiegende Frau.

    Im Sinne des „Abgehörten“, „Ausgelutschten“, so meine Titulatur, griff er plötzlich eine Partitur, die als 3. Strauchquartett Rihms „Im Innersten“ bezeichnet worden ist, und zerriss sie in atemlos in ihre Einzelteile, als Abschied an eine Neue Musik, die sich nur auf sich selbst bezieht, weitere musikalische Einflüsse nicht zulässt – das Übliche eben. Vielleicht kann das noch jemand genauer schildern. Lustigerweise fehlt das in der o.g. ersten Kritik.

    Spannend an dem „Rihm-Sakrileg“ ist allerdings, das genau dieses Quartett Rihm bereits in den 70er Jahren Feinde machte. Das Stück beginnt expressionistisch zerfahren und endet dann in einem hypertonalen romantischen sich aushauchenden Schluss, wie die 9. Mahlers für Quartett eingedampft. Dieser Schluss brachte manche weniger wichtigen Kollegen in den 70ern dazu, das „Innere“ im Titel mit dem Enddarm gleichzusetzen. Erstaunlicherweise ist es aber genau diese Haltung anderer Stile gegenüber, die eigentlich ein so fröhliches Stileswitchen, wie es Kreidler sich heute erlauben darf, Rihm eigentlich damit erstmals im deutschen Raum etablierte. Allerdings weniger im hypertrophen-technischen Sinne, wie es B.A. Zimmermann messerscharf tat, Rihm mehr als Ausdruck puren extrovertierten Individualismus. Kreidler geht also mehr den Zimmermannschen technischen Weg, wenn er lange Stücke zu einem ultrakurzen Plopp-Sampel ballt und das Urheberrecht thematisiert, was Zimmermann mit „Ubu“ irgendwie ja auch schon unternahm.

    Dennoch setzte Rihm da eigentlich erst den befreienden Schritt. Seitdem ist der Streit durch, ist es egal, ob man die Geschmackskiste öffnet oder streng formal zitiert oder Allusionen verfasst. Warum traf es dann Rihm nun wirklich, ausser dass er Johannes vielleicht zu oft aufgeführt wird, als Beispiel lähmender Omnipräsenz der alten Neuen Musik Szene gesehen werden könnte? Vielleicht doch der oft sich aufdrängende Eindruck, dass bei aller Persönlichkeit, die vielleicht sogar faszinieren kann, der Musik Rihmy etwas Technisches mangelt, wie gesagt Tonhöhen immer wieder, oder sie zu schnell bzw. unüberlegt hingeworfen wird, gedeckt vom Anspruch des work in progress? Allerdings vernachlässigt solch ein Akt der Verbannung wiederum die guten Werke Rihms, die dann nicht explizit aufgezählt wurden. Oder gibt es die doch nicht? Ich habe da immer ein zwiespältiges Gefühl Rihm gegenüber, bewundere allerdings seinen Individualismus, finde Dis-Kontur, Bratschenkonzert, Lenz, Inschrift wirklich gut…

    Weiter sprach dann Kreidler mit Schauspielern als Stimmphysiologe und Beraterin Merkels, tatsächlich mit absurden Vermischungen von phonologischen Werbemassnahmen und Musikelektronik, wie der verstärkten „Basslinie“ der Merkelschen Diktion, damit man ihren Aussagen auch wirklich Glauben schenkt. Es gab auch einen Seitenhieb auf den law-and-order-Schäuble, ein weiterer Schauspieler gab dann den erzürnten CDU-Wähler, der protestierend den Saal verlässt. Das vorangekündigte Metzeln Tristans entging mir dann wie auch die Aufzählung all der Metal-Stile. Man wünscht sich auf alle Fälle ein Video im Netz.

    Aus dem Wenigen, was man sah, kann man nur sagen, dass es eine Abrechnung mit der jetzigen Neuen Musik sein soll, ermutigen will, viel fantasiereicher alle Hebel zu ziehen als es gelehrt oder besser gesagt gefördert wird. Dabei boxt Kreidler allerdings irgendwie auch einen Luftgitarrenkampf: eigentlich ist ja Alles möglich, gerade die verteufelten klassischen Streichquartette sind ja dafür ein Öffnungsfeld gewesen, wie es Rihm zeigte, wie es Nono für sich tat, wie die Killmayerschen Lieder zeigen.

    So wie die Wissenschaftler im 1. Teil und der CDU-Wähler simuliert wirkten so de-simuliert sich das Ganze ein wenig im Format TV-Show und kommt über kleine, wundersam schöne Nummern, nicht ins Ganze. Der Saum des Teppichs wird gehoben, es soll gelüftet werden, wo durchaus schon frische Luft weht, zumindest schreibt unsereins doch schon viel freier, allen Trash und Glanz der Elektronik nutzend, als man es vielleicht in manchen Gremien noch denkt. Gegen diese gerichtet ist der Abend ganz richtig, gegen die Freiheiten der Neuen Musik eigentlich nur eine Aufforderung, noch mehr Professoren der alten Garde schneller in Rente zu schicken und nicht zu schnell mit Nachfolgern aus dem eigenen Stall nachzubesetzen bzw. das Opernschreiben oder die Musiktheaterdramturgie wieder stärker zu fördern, jenseits alter Vorbilder. Da muss man leider Kreidler nochmals nachsitzen lassen. Allerdings hat er auf alle Fälle den Humor für weit Unterhaltsameres, wie jener Abend es schon andeutete.

    Gruss,

    A. Strauch

  7. @Moritz: Klar erinnere ich mich, und ich hab’s genau so gemacht wie damals angekündigt, mit Klangregisseur am Sampler für die Korrepetition! Ging nahezu perfekt.

    @Interessierter: Danke für’s Interesse, dem Datum Ihres Kommentars nach haben Sie zu früh eingeschaltet, es ging um 20h los. Allerdings gab es leider Serverüberlastungsprobleme, bei vielen kam es irgendwann zu Aussetzern. Sorry! Auf jeden Fall wird später ein Director’s Cut permanent im Netz stehen, die Postproduktion kann sich allerdings 2-6 Monate ziehen.

    @Alexander: Ich kann halt nicht Chinesen und Inder zum Komponieren anstellen und nachher non stop Musik spielen als wäre nichts gewesen! Dazu habe ich einiges in Essays zum Stück geschrieben (hier & hier).
    Der Rihm ist nur ein Seitenhieb, das Stück ist ein Stück zu den Themen Abhören / Klang und das Unbewusste / Liebe, Sex und Technik / Musikentwertung / Neues Musiktheater und Gesellschaft(in dieser Reihenfolge). Und übergeordnet: Über das Hören in multimedialen Situationen.

    Hier die Szene, die der Herr Kritiker vom Westen monierte. Ob er wirklich so schnell verstanden hat, dass es sich um einen kulturgeschichtlichen Exkurs handelt, der darstellt, wie der Tod mit den Mitteln der 80er-Jahre-Computer musikalisiert wurde? Zumindest scheinen die anderen die Szene goutiert zu haben.

    Grüsse
    Johannes

  8. @Moritz: Klar erinnere ich mich, und ich hab’s genau so gemacht wie damals angekündigt, mit Klangregisseur am Sampler für die Korrepetition! Ging nahezu perfekt.

    @Interessierter: Danke für’s Interesse, dem Datum Ihres Kommentars nach haben Sie zu früh eingeschaltet, es ging um 20h los. Allerdings gab es leider Serverüberlastungsprobleme, bei vielen kam es irgendwann zu Aussetzern. Sorry! Auf jeden Fall wird später ein Director’s Cut permanent im Netz stehen, die Postproduktion kann sich allerdings 2-6 Monate ziehen.

    @Alexander: Ich kann halt nicht Chinesen und Inder zum Komponieren anstellen und nachher non stop Musik spielen als wäre nichts gewesen! Dazu habe ich einiges in Essays zum Stück geschrieben (hier & hier).
    Der Rihm ist nur ein Seitenhieb, das Stück ist ein Stück zu den Themen Abhören / Klang und das Unbewusste / Liebe, Sex und Technik / Musikentwertung / Neues Musiktheater und Gesellschaft(in dieser Reihenfolge). Und übergeordnet: Über das Hören in multimedialen Situationen.

    Hier die Szene, die der Herr Kritiker vom Westen monierte. Ob er wirklich so schnell verstanden hat, dass es sich um einen kulturgeschichtlichen Exkurs handelt, der darstellt, wie der Tod mit den Mitteln der 80er-Jahre-Computer musikalisiert wurde? Zumindest scheinen die anderen die Szene goutiert zu haben.

    http://www.youtube.com/watch?v=JWJmBMBKZ8c

    Grüsse
    Johannes

  9. querstand sagt:

    @ Johannes

    Lieber Johannes,

    zuerst mal muss ich einen wahrlich „freudschen“ Verschreiber von mir hier anbringen: oben schrieb ich aus Versehen „Im Sinne des “Abgehörten”, “Ausgelutschten”, so meine Titulatur, griff er plötzlich eine Partitur, die als 3. Strauchquartett Rihms “Im Innersten” bezeichnet worden ist“ – „STRAUCH“ statt „STREICH“-Quartett! Also hast Du mich zerrissen?!? Wohl kaum, es war Rihm, aber soweit ist es mit mir und meiner Eigenwahrnehmung gekommen…

    Wie gesagt, ich konnte Deinen Abend nur so wiedergeben, wie ich ihn nicht verwischt, kurzzeitig vergessen, natürlich auch dem Serverabsturz verdanke, etc. habe, Alles, was mein böses Hirn mir an Streichen spielt. Deine Essays habe ich gelesen, im Moment der Aufführung allerdings auch eher verdrängt. Da bin ich ganz und gar ein direkter Wahrnehmer, interessieren mich eigentlich die Programmmanifeste, greife aber nicht nach ihnen, ganz und gar dem Bühnengeschehen „ausgeliefert“.

    In Essay #3 schreibst Du ganz am Ende:“WAS hören wir wirklich? Hören ist ein Filter und ein Synthesizer.“ Ich bin somit mein ganz eigener Filter, ein wenig mit meinen Vorlieben, vielmehr aber heteronom geprägt, so hinterfragt das mal sein kann oder eben auch bewusst oder unbewusst sehr oft auch nicht stattfindet oder – wie selbst in einer „Online-Aufführung“ – bei mir fast nicht stattfinden kann.

    Der ewigen Literaturleier und Durchkomposition des Musiktheaters setzt Du als Format die „Show“ und jene Kritik diesen beiden „Grundfehlern“ entgegen:“(…) Grundfehler im zeitgenössischen Musiktheater: -dass immer Musik laufen muss. Als ob die Gleichzeitigkeit von Theater und Musik definitorisch sei! So kommt es, dass Dokumentartheater und Theorie auf der Bühne dem Musiktheater noch fast unbekannt sind.“

    Da ist was dran, sogar sehr viel. Von meiner persönlichen Wahrnehmung her betrachtet bin ich tatsächlich auf weitestgehende Durchmusikalisierung im Theater mit Musik aus, so ungern ich sie im Film als Dauerscore mag. Ja, „Nummernoper“ las ich tatsächlich im Hinterkopf während der mir verfolgbaren Teilshow mit. Zudem lief oft genug im Hintergrund ein „Sound“. Ich hörte diese Schnipsel allerdings wie die Hintergrundsmusik einer Show, was wohl auch so sein sollte. Was mir dann persönlich allerdings fehlte, waren die Signale oder die „Spannungsgeber“ wie man sie z.B. in all den „Wer wird Millionär“-Sendungen ständig hört, wobei diese vielleicht das falsche Format sein mögen. Du hangeltest Dich ja zwischen „Club2“ und „Brit-am-Mittag“ durch. Trotzdem kann man sagen, dass zumindest klare oder – wenn ich es in meiner Vergessenheit überhört haben sollte – klarere Signale gewisse Wendungen im Showgeschehen hätten unterstützen können. Aber Du willst ja Hörarbeit, so bin ich vielleicht ein klammheimlicher Passivhörer?

    Allerdings verpflichtet „Bühne“ zu mehr Deutlichkeit als es Essay oder Gesprächskonzert hergeben können. Besonders wenn Du sagst:“Feeds. Hören TV ist Konzertsaal und Hörsaal, Studio und Umerziehungslager. Eine Show – es werden gezeigt: Medien.“ Dies deutet auf das Zusammenspiel all der Medien, die auf einen Einfluten. Da kann eine gewisse wiedererkennbare Durchformung a la Signale viel „Arbeit“ ersparen, mehr Konzentration auf die gesprochenen Thesen lenken, sie sogar besonders herausstreichen. Zugegebenermassen habe ich mich sofort neben der Rihm-Aktion mich an die Merkelsche Basslinie erinnern können, gerade weil hier Szene und Musik sehr, sehr eng zusammenspielten, die Musik durch ihre reine Anwesenheit hier ein „Signal“ setzte, eine Art „Aha“. So dumm man solche Sachen finden mag, mir reaktionären Hörer, oder besser Nur-Hörer, hilft so was ungemein.

    Du sagts:“Warum moderiert der Komponist, und nicht ein Schauspieler?“ Das ist tatsächlich sehr lebendig, bindet fast schon schlingensiefhaft durch Deine Person die Dinge, die ich oben auseinanderstreben sah. Natürlich „spielst“ Du Dich auch selbst, bist Dein erster Schauspieler. Dennoch kann man es als „echt“ empfinden. Mein Problem hatte ich da mit den Darstellern der Wissenschaft und des Protestierenden. Für mich war das deutlichst „gespielt“, wirkte am Besten bei der Beraterin Merkels. Das ist natürlich ein weites Feld. Haben diese Leute den Text auswendig lernen müssen? Oder war es eine Arbeit, dass sie die ihrer Rolle zugeordneten Thesen jederzeit abrufen sollten, nur kettenartig in Schlagworten memoriert, damit sie sie wie „gerade erfunden“ äussern konnten oder haben sie mit thematischer Vorgabe den Text selbst erarbeitet? Wenn die letzten Punkte nicht zutreffen: in meinen eigenen performativen Mitarbeiten habe ich diese Techniken erlebt, die von fachfremden Darstellern angewandt, das dann von ihnen Gesagte sehr echt wirken liess.

    Und nochmals zu Rihm: ganz zufällig wird dies nicht geschehen sein! Ist es der Kontext „Abhören / Klang und das Unbewusste / Liebe, Sex und Technik / Musikentwertung / Neues Musiktheater und Gesellschaft“, das waren ja die Überschriften Deiner Shows im Stück, den Rihms Stück komplett umreisst, war es eher zufällig? Also ganz konkret: warum dessen 3. Streichquartett, was ist an diesem Stück „falsch“? Ich vermute mal, dass Du die romantische Aufladung von Nostalgie meinst, das Benutzen quasi fremden Materials a la Mahler, a la Expressionismus, gleichzeitig Rihms Eintreten für ein rigider als jetzt schon gehandhabtes Urheberrecht. Oder liege ich ganz daneben?

    Gruss,

    A. Strauch

  10. erik janson sagt:

    Allerdings gab es leider Serverüberlastungsprobleme, bei vielen kam es irgendwann zu Aussetzern. Sorry! Auf jeden Fall wird später ein Director’s Cut permanent im Netz stehen, die Postproduktion kann sich allerdings 2-6 Monate ziehen.

    Jaja, die Technik …

  11. wechselstrom sagt:

    @ erik,

    Die Technik des Live-Stramings haben wir in Wien 2004 in der Produktion „Whispering Bones“ (das Stück ging damals der Frage nach, wo Hitlers Knochen geblieben sind) angewandt – es war fast nur so möglich, weil das Stück im (europaweit größten) Klima-Wind-Kanal aufgeführt wurde. Diese Anlage ist/war nicht für jedermann zugänglich, auch deshalb, weil wir dort extreme Wind- und Wetterverhältnisse in das Stück einbauen mussten.

    Das Live-Streaming erschien uns aber aus inhaltlichen Gründen zwingend. Es ging bei der Inszenierungskonzeption der Performance um die grundsätzliche Frage des Wahrheitsgehalts besser gesagt der Echttheitszumessung von Content bei einer Performance im realen Raum auf der einen Seite und im Raum der medialen Vermittlung auf der anderen Seite.

    Es haben sich hochinteressante Ergebnisse eingestellt, die man u.a. auch in diesem Blog (in abgeschwächter Form, aber dennoch) miterleben kann, wenn man die Wortbeiträge/ Themen/ Threads decodiert. Darüber vielleicht später.

    Der Experimental-Autor Bodo Hell, die wunderbare Lisa Spalt und der hochkomplexe Ulf Stoterfoht haben Texte dafür geschaffen. Musik war großteils Elektronik oder elektronisch verändertes Klangmaterial und war ausserhalb jeder Taktnatur oder Dirigierbarkeit nur mit den notwendigsten Synchronpunkten gesteuert.

    Eine Wiederaufnahme an einem ähnlichen Spielort (es war die Wiener U-Bahn) wurde leider von den Verantwortlichen (Wiener Verkehrsbetriebe) 2 Tage vor Vorstellung aus INHALTLICHEN (nicht technischen) Gründen untersagt, obwohl im Vorfeld die sicherheitstechnischen und sonstige technische Einzelheiten besprochen waren und diesbezügliche Auflagen als erfüllt galten.

    Ich habe in allen Konzepten immer die Technik als Anlass für Fingerübungen betrachtet und tue das noch heute.

    Will man das, was Heute und Jetzt gesellschaftlich relevant ist, bearbeiten, künstlerisch nutzten oder hinterfragen oder what ever, genügt eine technische Substitution a la „früher Geige, jetzt Sampler“, „früher Schauspieler, jetzt Performer“ allein nicht. Sie läuft im besten Fall in die farbenreiche Variation, im schlechten Fall in die Leere oder gar ins Lächerliche.
    Die Variation allgemein betont ja das rein technische, das Mittel. Sie kratzt noch nicht einmal an der Oberfläche dessen, was wir als Medium-Form-Relation bezeichnen können.

    Herzliche Grüße aus dem Labor

    – wechselstrom –

  12. Georg sagt:

    @wechselstrom: wen interessiert denn bitte, was ihr wann irgendwie mal in wien für ein tolles projekt gemacht habt? [Edit: letzter Satz gelöscht]

  13. wechselstrom sagt:

    @ erik,

    Was jetzt die Medium-Form-Relation betrifft – du hast ja mit deinem letzten Stück „Bhagavat Gita-Fantasie“ einen wirklich gelungenen Wurf in diese Richtung unternommen – ich höre Deine Musik gerade im „Hintergrund“ – hier in deinem Fall mit der schwersten/komplexesten aller Medien, dem Medium Sinn.

    Kommendes Wochenende findet in der Galerie wechselstrom ein weiterer Versuch in dieser Richtung statt, diesmal auf rein performativer Ebene:

    FÄLSCHERWERKSTATT

    Beglaubigungen, Zeugnisse, Urkunden, Genehmigungen sind die Grundlage einer zivilen Existenz.
    Wir verhelfen Ihnen zu garantiert einmaligen Originalen.
    Bitte bringen Sie Ihren Reisepass mit und halten Sie 10,– Euro bereit.

    Galerie wechselstrom
    Grundstaingasse 44
    1160 Wien

    Opening: Sa, 25. Sept. 2010, 17:00h
    Sa, 25. Sept. – Sa, 9. Okt. 2010
    Bürozeiten: Mi – Sa 16:00 – 20:00h

    herzliche Grüße aus dem Labor

    – wechselstrom –

  14. erik janson sagt:

    @“Georg“,
    dein Kommentar @ wechselstrom sieht mir ganz nach plumpem Neid aus so als hättest Du eine schlechte Phase. Wohnst Du zufällig …?

    @ Christoph, wie immer viel Erfolg für Eure Projekte.
    Ich denke, Du hast im Gegensatz zu vielen anderen oft genug bewiesen: Wenn man Technik und New Media mit substantiellen, kritischen Ideen dahinter benutzt und als autonomer Künsler dahinter erkennbar bleibt,
    dann klappt´s, auch mit dem Livestream.

    Schönen Tag,
    Erik

  15. eggy sagt:

    @Alexander: Danke für diese gut beschriebene Zusammenfassung!
    @Johannes: Wenn ich mir die Ausschnitte so anschaue, ist natürlich auch wirklich ein traditioneller KA nicht nötig, da es ja eher „Spielszenen“ (man möge dieses prosaische Wort für Aktionen verzeihen, die natürlich darüber hinausgehen) mit Musikeinlagen sind. KA braucht man dann, wenn es eine durchinszenierte, durchlaufende Musik gibt, zu der ständig Gesang bzw. Szene hinzukommt. Ich weiß, dass Dich eher weniger interessiert, grundsätzlich kann aber dabei auch etwas sehr Spannendes herauskommen. Und dafür braucht man auch heute noch den „klassischen“ KA.
    Auch wenn die Feuilleton-Kritiker höhnen – lass sie höhnen und mach weiter so!

  16. peh sagt:

    war denn feuilleton da? leider hat die waz-gruppe ja nichts, was man so nennen könnte…

  17. eggy sagt:

    Stimmt auch wieder…

  18. @Alexander: Lieber Alexander, ich denke es ist zu umständlich, wenn ich hier jetzt meine Show erkläre, wenn Du sie nur so fragmentiert gesehen hast (aber freilich gibt’s die üblichen Shownummern: Jingle (mit Anmoderation von einem der Blogger hier), Gast-Auftrittsmusik, Abspannmusik usw.). Lass uns später darüber weiterreden, wenn das Ganze im Netz steht.
    Nur zum Rihm: Im ersten Teil geht es ums Eindringen, mit der Gehörgangsspiegelung in den Kopf, mit dem Nacktscanner unter Isoldes Kostüm, mit winzigen Mikrofonen in die Instrumente, mit einer monströsen Mikrofonskulptur in den Zuschauerraum, mit einer Schallwellenanalyse in den Hals von Herrn Schäuble, usw. Und da ich am Anfang symbolisch das Trommelfell zerfetze, wird gleich der Herr Rihm, der ja schon „ins Innerste“ gegangen ist, auch noch auseinandergenommen. Hugh!

    @Moritz: Es gibt auch längere musikalische Nummern, bei denen zumindest die Spielbuchstaben ansteuerbar waren via Sample-Korrepetition. Mit etwas mehr Aufwand meinerseits wären auch einzelne Takte möglich gewesen, aber das ging hier auch gut in der gröberen Auflösung.

    @Peh: Das schreibt die Lokalpresse. Der Vorname passt zu der Kritik, so rein altersmäßig.

    Herzlich
    Johannes

  19. wechselstrom sagt:

    @ querstand

    Sie sollten sich nicht mit jeder im Internet abgelegten „Idee/Theorie“ zu sehr befassen. Es ehrt Sie, und wir alle lieben Sie dafür, dass Sie versuchen Allem den gleichen Teil an Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist richtig, nicht gleich alles wegzudrücken, was beim ersten Lesen irritiert, und nach näheren Informationen zu den einzelnen Gedankensplittern zu fragen. Seien Sie aber nicht zu sehr enttäuscht, wenn Sie sie nicht bekommen.
    Es ist oft nicht der Zeitmangel oder die Umständlichkeit der erwarteten Erklärung, die einen kommunikativen Anschluss verhindern, es ist oft die Dummheit des Urhebers, die weitere Gespräche unmöglich machen.

    Hier ein Beispiel, das ich kürzlich fand:
    „Die BILD ist ästhetischer, insofern komplexer als die FAZ und besser für die Kunst geeignet. “

    Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zeitung „Bild“ besser für Kunst geeignet ist als die FAZ. Ebenso sicher mag sein, dass die „Bild“ ästhetischer ist als die FAZ (sie hat ja auch immer schöne Bilder, bunt und nackt) Problematisch scheint mir, dass Ästhetik hier offensichtlich auf das rein visuelle reduziert wird.

    [… editiert PH]

    Beste Grüße aus dem Labor

    – wechselstrom –

  20. querstand sagt:

    @ johanneskreidler: Lieber Johannes, bin ganz d’accord, dass unbedingt auf nochmalige Sendung bzw.Video zu hoffen ist. Im Grossen und Ganzen ist mir Dein Ansatz hoffentlich schon klar geworden, schon in Vorfeld. Ich war eben von der „Rihm-Aktion“ im wahrsten Sinne be-eindruckt, be-dellt, dass dies meine Wahrnehmung, es geht bei Deinem Stück ja gerade um diese, im fragmentierten Umfeld dominierte. So entstehen dann Fragen, die vielleicht gar nicht zu beantworten sind, da sie nicht in den Rahmen gehören mögen, je nachdem, wie ich oder Du das siehst. Aber das ist ja das besondere an Wahrnehmung: man kann auf andere Sichtweisen aufmerksam machen, letztlich ist es erstmal eine starke Sache der Prägung im Zusammenhang. Dazu kommt, dass ich alle Künste auf meine Art wahrnehme, in einem Dir höchstwahrscheinlich viel zu emphatischen Sinne. Das geht so weit, dass Texte gerne anfangen Töne zu werden, dass ich deshalb heute viel seltener Literatur lese, da meine Birne leicht zwanghaft Alles vertont. Meist erstmal so, wie man ähnliche Phrasen schon mal gehört hat. So gilt es dann das „Eigentliche“ freizuschaufeln oder es bleiben zu lassen, mit der Konsequenz, dass man Literatur allgemein aus seinem Leben verbannt, es sein denn, man „gebraucht“ sie bewusst. Ähnlich geht es mir bei Theaterstücken, Filmen: da braust auch ein eigener Sound los, vielleicht auch erstmal fremdgefärbt. D.h., dass ich sogar bei Performances anderer Leute Musik in mir empfinde. Wenn dann mein ewiger Soundtrack und der Andere nicht übereinstimmen oder man das Alles ganz anders komponieren würde, dann gibt es eine so eigene Wahrnehmung, dass selbst Du sie nicht durchbrechen kannst. Ich versuche tatsächlich sie zu objektivieren, meinen Soundtrack auszublenden. Das gelingt mir eigentlich nur im Kino, wenn ich in den vorderen Reihen sitze und das Projektionsbild ohne Rand mein Sichtfeld ausfüllt. Dann bin ich so mit Sehen beschäftigt, dass sich selbst in musikfreien Filmen der innere, eigene Soundtrack abstellen lässt. Sollten demnach Komponisten überhaupt noch was über die Musik von Kollegen was sagen? Ich denke schon, denn selbst mein Ego-Soundtrack ändert sich, wird von mir entweder möglichst weit abstrahiert oder durch möglichst viel „Kompositionsarbeit ausserhalb der Zeit“ abgestellt. Aber wehe, es kommen mir Texte in den Weg, die ihn wieder anwerfen oder einfache, ich zusammenhängend empfindene Alltagsgeräusche, dann brummt er wie ein Aggregat nach einer neuen Ladung Diesel! Oder ich versuche es mal „abstrakter“, in einem schlechten Joke: Die Grossmutter Luhmanns sprach wohl immer auf seine kritischen Kleinkindfragen:“Das liegt immer im Auge des Beobachters“. Luhmann versucht also verschiedene Blickwinkel einzunehmen, das langweilt ihn aber bald. So meint er irgendwann, ganz altklug:“Der Beobachter… aber wer beobachtet ihn?“ Die Folgen sind bekannt…

    Gruss,

    A. Strauch

  21. querstand sagt:

    @ wechselstrom: da sind wir mal wieder bei der Frage der Verhältnismässigkeit! Was ich soll oder nicht soll, ich bevorzuge „ist“ oder „kann“. Da ich mich hier gerne in meiner Persönlichkeit frei entfalte, höchstens mit der Länge meiner Kommentare andere einschränke, was aber diesen ja nicht die Freiheit nimm, einfach das Gesumms zu überfliegen oder irgendwas Unnettes zu denken. Also ersetze ich Ihr „Soll“ mit „Kann“ und schliesse daraus, dass ich machen kann was ich will. Bzw., um meinerseits „verhältnismässig“ zu reagieren, muss ich mir ein einigermassen breites Bild verschaffen, kann dann gar nicht die eine Seite gegen die andere wirklich abwägen und flüchte mich lieber nach“ entweder/oder“ in ein rettendes „aber auch“. So bleibe ich auf meinen „Viewtrack“ durchs Netz und werde mich weiterhin in meiner Art mich hier dazu äussern, wenn es für mich irgendeine Anscheinsrelevanz hat, mein „aber auch“ wird die dann wohl bald zu Tode relativieren.

    Ich benötige auch nicht unbedingt von jedem Urheber Aufklärung. Was ich von wem oder was halten soll, das sagt mir mein „Bauchgefühl“, versucht der Kopf in Stromstoss/Emotion zu korrelieren. Das Gefühl liegt allerdings oft erstaunlich richtig, so dass ich mir tatsächlich viel Leid und Mühe ersparen könnte, wie ich es mir beim Lesen von Literatur als zu sedierender Komponist rausnehme. Ich kann die Leser und Sie übrigens beruhigen: weder meine Erfgüsse noch die Beiträge der Anderen werfen meinen inneren „Soundtrack“ hier an. Das erklärt warum ich mich hier wohlfühle, da sediert, das zeigt aber auch, wie oft es hier so ganz allgemein an Qualität mangelt, besonders bzgl. der alten Umgangsformen, die hier ja meist in dem von Ihnen mal eingebrachten Schopenhauerschen Sinne des Rein-Affirmativen gebrochen bzw. nicht angewandt werden. Das soll jetzt in ALLE Richtungen gehen…

    Ich muss gestehen, dass ich weder FAZ noch Bild allzu oft in Händen halte, wenn, dann beide in gleich grossen Browsern. Da gewinnt keine der Beiden, da gewinnt nur die Ästhetik der Browsereinstellungen, wenn man Ästhetik hier als „an den Reglern“ spielen – meist ein ödes Häkchenfeld – bezeichnet. Ob Sie es glauben oder nicht, so sehr mein eigener Soundtrack von Werken im Ruhrpott divergieren mag, finde ich die dortigen Reglerspielversuche durchaus anregend, bringt mich auf Fragen meiner altmeisterlichen Wahrnehmung, etc.

    Dass dies dann weder Ihnen noch Johannes in der Art gefallen mag, dass Sie glauben, mich mit „Liebe“ und „Ehre“ zu ködern, dass Kreidler mich für total ignorant seinen Essays gegenüber einschätzen mag, da kann vielleicht meine Grossmutter was dafür bzw. meine Bauchreagiererei auf nicht mal halblang zu sehende Musiktheaterexperimente im Netz. Nur lass ich mir das weder von Ihnen noch von sonst wem vorwerfen. Allgemein schallt es Euch entgegen: steigt herab von Euren Rössern, gebt Ihnen einen starken Klapps, damit Ihr Euch nicht gleich wieder in die gewohnten Sättel fliehen könnt. Höchstwahrscheinlich ist aber dieses Bild jetzt zu cowboyhaft, ich mag eben die Szenen ohne Reiterei und Rodeo in Brokeback Mountain besonders. Bei den Pferden tönt in mir immer so ein Bonanzatrack, den ich wohl wahrlich nicht kreiert haben kann, auch wenn selbst Rihm jetzt nach seinen 12 Streichquartetten, die er bis vor zuletzt ca. 9-10 Jahren schrieb und einigen kürzeren Stücken für vier Streicher, dank meiner freudschen Verschreiber nun bald sein „1. Strauchquartett“ auf echten in Baden heimischen Blättern von Buschgewächsen schreiben wird, sie wie einen Text H. Müllers (Hamletmaschine!) an einer Wäscheleine von Wind und Wetter auswaschen lässt und dann die UE dann doch das „13. Streichquartett“ sich daraus zurechtediert. Und schon wieder kein Soundtrack von mir…

    Ach, das bringt mich auf einen kleinen Exkurs: Erik, Du hoffst ja wie ich, dass das Geschreibsel hier jenseits von NMZ-Kunden-Entertainment für Veränderungen im Szenegebirge sorgt. Ich fand letzthin eine Ausschreibung, wo man „Altersgrenze 35“ mit einem „ca.“ versah. Da ich ja so fühlsam bin – damit brachte ich selbst Rihm mal ins Echauffieren, als ich mich simpel einen Nostalgiker nannte, was Alle eingeübten Neue-Musik-Ekel in ihm auslöste, er dann nach dem Hören dies eher nachzuvollziehen schien, in seiner Beschreibung all der ungeraden Wege, die das Stück nahm – wie meine „aber auch“-Dinge hier – , meine Tendenz zur barocken Girlande somit beschrieb, dies aber nicht als Nostalgie gelten lassen wollte, wo ich fast täglicher Asamkirchenvorbeiradler doch gar nicht anders kann, als mich angesichts der Kircheninnerei, an die ich dann denken muss und der Girlanden, die ich um die japanischen Touristen auf der Strasse schlenkern muss, mich selbst in den vertracktesten Methodengebäuden als Nostalgiker zu sehen – gab ich auf der Bewerbung an, mich gerade wegen den so diametral erscheinenden Technikerweiterungen besonders genau wie 35 zu sehen. Lag da unser Genörgel hier richtig oder einfach nur in der Luft oder fürchtet man überhandnehmende diplomierte Filmkomponisten, die es immer zahlreicher solitär oder zwitterhaft mit „Neuer Klassik“ in den nächsten Jahren zu geben scheint, so dass man doch die „Old-School“-Homogenen braucht, wie wir es sein mögen, sofern man uns überhaupt vergleichen kann?

    So schweife ich noch weiter ab, ganz gegen das „Soll“, Herr Wechselstrom, im Gleichklang meiner Netztuchfühlungen: ich las im KIZ, dass man tatsächlich „Metanoia“ Joneleits jetzt ohne einen dezidierten Regieersatz durchführt, als ob jemand mein Geplärre hier vernommen habe. Das glaube ich allerdings weniger: ein Probenprozess, der im Zusammenspiel der zentralen „Medien“ Musik und Szene stattfindet, das eine Zentrum aber ohne Kopf ist, führt ob aus künstlerischen oder betrieblichen Gründen, wobei die Lösung immer nur als „künstlerisch“ zu sehen sein wird – das ist ja gerade diese altbackene, jetzt werden die Performativen kotzen, aristotelische Einheit, die keine Theorie ist, sondern eine Beschreibung von Realität der Stätte „Bühne“, an der Zeit, Ort und Handlung – wie dekonstruiert auch immer – zu einer Einheit werden, die „glaub an mich“ ruft, selbst wenn auf ihr das Gegenteil behauptet wird und man die Worte „Zeit, Ort, Handlung“ durch „Musik, Szene; Text“ (mein Credo!) ersetzt – , zum Ergebnis, einen halbkonzertanten Rahmen zu finden, wenn man die Uraufführung der Musik retten möchte. Das erinnert an die Endrealisierung von Moritz‘ Freax, auch wenn das jetzt potentielle Ergebnis einen tragischeren Anlass als das Ältere haben mag, dies allein ist eine Performance wert. Wie sieht es eigentlich mit der Nachrufsendung aus, lieber Arno Lücker? Also Erik, ob wir was bewirken, bezweifle ich. Vielleicht geben wir aber naheliegenden Dingen einfach noch den Stups dazu, höchstwahrscheinlich wie ein Schlangenbeschwörer, der sie in die Richtung fallen lässt, an die wir alte Schneekoppen nur aus dem Jammertal heraus denken können…

    Gruss,

    Frl. Strauch, heute leider nicht in Rihm, äh, Riem, Ende der sedierenden Sendung aus Sendling, Ihr Hundlinge!

  22. querstand sagt:

    @ all: hier der vergessene KIZ-Link zu Metanoia!

  23. wechselstrom sagt:

    @ querstand,

    Sie zu „ködern“ würde mir schon deshalb nicht einfallen, weil es ja einen Nutzen für mich geben müsste.
    Geködert sind sie von anderen worden, ohne dass Sie es merken, oder Sie merken es vielleicht lassen es sich gefallen – das Bauchgefühl wird Ihre Entscheidung sicher in die für Sie richtige Bahn lenken. Ich darf Sie abschliessend zu Ihren Beiträgen beglückwünschen – Neben denen von Erik Janson habe ich die Ihren immer gerne gelesen und war von vielen Ihrer Überlegungen beeindruckt.

    @all,
    nachdem meine Mails zensiert (sinnentstellend „editiert“) werden verabschiede ich mich vom Blog.

    – wechselstrom –

    p.s: der gelöschte Satz in meinem letzten Posting enthielt keine wie immer geartete Beleidigung oder gar Unwahrheit.

  24. wechselstrom sagt:

    @ eggy

    „Glückwunsch!“ [editiert, da leider nicht auf den Beitrag bezogen, PH]

  25. erik janson sagt:

    @querstand, @all,

    jetzt in Hoffnungen aus zu brechen, dass nun ein „circa 35“ das man mal in Ausschreibungen liest, schon auf Auflockerungen bei der diskriminierenden Altersdeadline-Praxis hin deute. Das halte ich für etwas zu früh gehofft…

    @Abschweifen, weit schweifen, Sich-selbst mal in die Lederhos´n kneifen… etc.: Das kann ja jeder und auch aus dem Bauchgefühl wie er will; aber das wird mir hier gerade z.B. zu sehr zum „Kulturtechno-„Fanblock z.B; und wie hier Wechselstrom behandelt, verdreht wurde (s.o.) @Mailzensur, immer wieder als „Flegel“ stigmatisiert wird, darüber bin ich ebensowenig „amused“.

    Klinke mich also solidarisch auch aus(keineswegs aber, weil in allen Punkten so denkend wie wechselstrom, bitte dies zur Kenntnis nehmen -). Vielleicht können sich hier einzelne einfach entspannter darstellen und bloggen, auch gerne noch längere, weitschweifigere, (selbst) bejubilierende Beiträge schreiben, wenn es KEINEN Widerspruch oder kritische Stimmen oder Dissenz dazu gibt.
    Also: nur zu.

  26. eggy sagt:

    Deine Solidarität in allen Ehren, es sollte hier aber der Form halber darauf hingewiesen werden, dass hier nie „kritische Stimmen“ oder „Dissenz“ zensiert wurde und in Zukunft auch nicht wird, das ist nach wie vor alles nachzulesen. Es ging alleine um das, was unsachlich nur beleidigt oder verleumdet. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.
    wechselstrom wurde hinter den Kulissen sehr wohl freundlich gebeten, sich an normale Umgangsformen zu halten, er wurde auch vorgewarnt, dass wir uns ab sofort vorbehalten würden, jegliches unnötige Nachtreten in seinen Kommentaren zu löschen. Es ist seine Entscheidung, dies nicht zu respektieren. Es passt aber zum Verhalten eines „Trolls“, sich scheinheilig auf das Recht auf Meinungsfreiheit zu berufen, das tun die Koranverbrenner in den USA übrigens auch. Tatsächlich ist aber seine Meinung nach wie vor nachzulesen und keineswegs „zensiert“ – dieser Vorwurf ist also nicht haltbar.
    Echte Meinungsfreiheit heißt auch, die Freiheit des Anderen zu respektieren und diese nicht durch Diffamierung zu beschädigen. Lustigerweise war die erste Löschung, die wir vornahmen, ein beleidigender Kommentar gegen wechselstrom selber, auch dies sollte hier vielleicht zur Kenntnis genommen werden. Es ist keine Kampagne gegen Einzelpersonen sondern allein ein Versuch, die Diskussion für alle Beteiligten erfreulicher und einladender zu machen.
    Stigamtisiert wird und wurde hier niemand, wechselstrom ist weiterhin herzlich willkommen, auch mit kritischen Kommentaren, es wäre nicht wirklich schwer für ihn, die Beleidigungen wegzulassen und trotzdem dasselbe zu sagen.

    Wie von mir schon gesagt: man kann kritisch, sogar sehr kritisch sein und gleichzeitig normale menschliche Umgangsformen pflegen. Dann kommt die Kritik auch an. Bei Pöbelei eher nicht.

    Moritz Eggert

  27. wechselstrom sagt:

    @ eggy

    Wenn du, eggy mir sagen würdest, was bei meinen von „PH“ gelöschten Postings beleidigend oder unwahr ist, dann gibt es wenigstens die Basis, auf der deine eigenen Einlassungen Sinn machen.

    Der Form halber weise ich darauf hin, dass es sich nach meinem Kenntnisstand bei PH um Patrick Hahn handelt, [richtig] dieser beim WDR als freier Mitarbeiter tätig ist [richtig] und, [danach geht es leider falsch weiter, daher gelöscht. bitte stellen sie ihre vermutungen über menschen privat an und missbrauchen sie nicht diese internetseite dafür. PH]

    herzliche Grüße aus Wien an Erik und danke für seine Solidarität
    – wechselstrom –

  28. querstand sagt:

    @ janson, wechselstrom, eggy, bzw. all: Seufz, seufz, seufz… Erik, mein Guter, ich möchte nur klarstellen, dass ich mich weder als Kreidler-Groupie, Janson-Veräppler, wechselstrom-Ausschalter noch eggy-Teppichausroller hier sehe. Ich versuchte nur, da aktuell das Thema Wahrnehmung angerissen worden ist, rein persönlich, einfach aus meinem Tunnelblick, bewusst gewählt, die Sache zu betrachten, habe durchaus meine Einwände gefunden, betonte aber auch meine Inkompetenz in Bezug auf Gänze der Übertragung.

    Und jetzt an Alle: eigentlich könnte ich JEDEM hier irgendwie böse sein: Euer aller Problem ist, dass Ihr NEUE-MUSIK generell, also IMMER, wenn es ans EINGEMACHTE geht nur von der Wortseite, der Theorieseite her bedenkt und auch nur so argumentiert, wenn persönlich, dann meist, bis auf mir jetzt ungeläufige Ausnahmen, immer Berichte über Gedankenprozesse, NIE über die eigene, rein persönliche Wahrnehmung.

    Also VERBITTE ich es mir, mir meine vielleicht beschränkt erscheinende „Bauch“-erzählerei vor zu halten, gar LESEFAULHEIT zu unterstellen. Die Stärke ALLER Musik liegt sehr wohl im Komponieren ausserhalb der Zeit, ordnen und bedenken im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sollte aber auch in Bezug auf den BAUCH funktionieren, das zumindest thematisieren.

    Eins kann man also FEEDS NICHT vorwerfen: dass es brandheisse oder zumindest, wenn man einschränken möchte, wieder aktuelle Sachen anreisst. Wenn Kritik, dann am WIE bzw. möglichst eigen beschreiben, es versuchen, woran es mangelt. Das Johannes, musst Du auch ertragen, ohne ständige Subsumption Deiner Essays zu verlangen. Das muss aber auch ein WECHSELSTROM ertragen können.

    Ihr zieht Euch zu grossen Teilen immer wortgewaltig, süffisant, weitere Diskussion ablehnend aus der Affäre, das bezieht sich auch auf ALLE! Aber Jungs und Mädels, was ist mit Euren Wahrnehmungen? Oder macht man sich so zum Affen vor Euch? Allmählich geht mir mein Dauerhumor aus… Dass anderen auch der Geduldsfaden riss, sehe ich sehr wohl bzw. erschliesst es sich zu 100%. Aber „Dummheit“, „Blödigkeit“, „Troll“ in den Mund zu nehmen, o lala. Das mag in einem übertragenen oder selbstbezeichnenden Sinne ok sein, auch da schon o lala…

    So übernehme ich nun Vorschub für EURE Selbstbezeichnungsunterlassungsmängel: ICH BIN DUMM, ICH BIN DUMM, ICH BIN DUMM. Dumm, dass ich mich überhaupt auf dieses Niveau einlasse, dumm dass ich überhaupt mich mit den Sachen hier beschäftige.
    ICH BIN BLÖD, ICH BIN BLÖD, ICH BIN BLÖD, dass ich mir den Theoriekram überhaupt antue, wo ich andererseits am Besten auf meinen 7. Sinn vertraue.

    Wie gesagt, ich kann hier auch mit mir selbst bloggen! Dass befürchtete ja schon manches Seelchen, als es zeitweise hier nur noch Janson und Strauch gab, bevor es dann explodierte – wie DUMM und BLÖD war ich schon damals.

    Also Alter, mein Alter Ego, wie siehts aus? Gehen wir hier in die veröffentlichte „Innere Emigration“? Alter: Abwarten und Tee trinken.

    Noch ein Tipp: einfach an die Nutzungsbedingungen halten! Das vergesse ich manchmal im ellenlangen Getöse auch anzukreuzen und fürchte den Verlust meiner Labereien.

    Denkt mal ALLE nach, Jungs, besonders diese, und formhalber auch Mädels! Bevor sich hier wieder jemand über mich lustig macht oder: ja, dann kneift Euch mal in die „Hose“, tut es mal! Und: was ich an wen schätze und was weniger, gerade in puncto Kollegen, das versuche ich zu differenzieren. IHR seit mir die Antwort schuldig, jenseits irgendwelcher Worthülsen. Sprecht wahr, sprecht deutlich, denkt darüber nach, fühlt dem auch mal nach, denkt darüber nochmals, dann teilt aus, aber bitte mit Stil – äh, es gibt ja nur noch Methode und Technik… dann wenigstens in Color!!

    Bye, bye

  29. eggy sagt:

    Wie heißt es so schön: „quod erat demonstrandum“ (siehe Beitrag „wechselstrom“)

  30. erik janson sagt:

    @ eggy, @ all,

    als kleiner Nachklapp muss ich nun doch auch nochmal was schreiben aber keine Angst, ich komme nicht wieder: Dein Vergleich, den Du oben ziehst zwischen Wechselstrom und Koranverbrennern in den USA bzgl. Berufung auf Meinungsfreiheit(was kommt als nächstes?) der ist wirklich unter aller Kanone.

    Wenn Du das wirklich ernst meinen solltest, dann ist das sehr traurig. Dann haben wir hier im Blog nichts mehr verloren.

    Und ich verstehe nicht, warum hier überhaupt Dinge gelöscht wurden. Ich bekam die Hintergründe/Postings ja nicht mit, unterstelle aber mal, dass weder Wechselstrom noch Patrick Hahn so „unter der Gürtellinie“ oder beleidigend posten würden, dass dies jegliche Menschenrechte und Sitten verletzt.

    Und dann heißt es zuerst, es sei nichts weggelöscht worden, man könne alles nachlesen, dann aber in einem späteren Absatz wird die Löschung zu gegeben:

    Lustigerweise war die erste Löschung, die wir vornahmen, ein beleidigender Kommentar gegen wechselstrom selber, auch dies sollte hier vielleicht zur Kenntnis genommen werden. Es ist keine Kampagne gegen Einzelpersonen sondern allein ein Versuch, die Diskussion für alle Beteiligten erfreulicher und einladender zu machen.

    Und wiederum dann heißt es:

    Stigamtisiert wird und wurde hier niemand, wechselstrom ist weiterhin herzlich willkommen, auch mit kritischen Kommentaren, es wäre nicht wirklich schwer für ihn, die Beleidigungen wegzulassen und trotzdem dasselbe zu sagen.

    Tolle „Logik“: Da wird der Bloggercummunity vorenthalten, dass und wie Wechselstrom angegriffen wurde (bzw. dies selbst nach zu lesen, darauf zu reagieren), und dann wird dieser allein (s. letztes Zitat von eggy) mal wieder als pauschal Beleidigender hin gestellt, so als habe er hier nie auch konstruktive Beiträge geschrieben, um dann noch „eingeladen“, weiter zu bloggen.

    Ratlos und enttäuscht verabschiedet sich,
    Erik Janson

  31. erik janson sagt:

    querstand-Nachklapp:

    Und jetzt an Alle: eigentlich könnte ich JEDEM hier irgendwie böse sein: Euer aller Problem ist, dass Ihr NEUE-MUSIK generell, also IMMER, wenn es ans EINGEMACHTE geht nur von der Wortseite, der Theorieseite her bedenkt und auch nur so argumentiert, wenn persönlich, dann meist, bis auf mir jetzt ungeläufige Ausnahmen, immer Berichte über Gedankenprozesse, NIE über die eigene, rein persönliche Wahrnehmung.

    nun: das ist für mich nicht nachvollziehbar. Alle meine Erfahrungen, Äußerungen, die ich hier über Musik u.a. tat entspringen meiner Wahrnehmung und Erlebnissen und sind keinesfalls reine „Theorie“ oder Buchwissen etc.

    Anderen zu unterstellen, dass sie nur „theoretisieren“
    und nicht aus der „Wahrnehmung“ argumentieren würden, ist eine beliebte Taktik, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß und seiner eigenen Wahrnehmung offenbar nicht mehr trauen kann.

    Nun gut: wenn die Wahrnehmungen anderer, z.B. von mir, zur Musik, zur Szene, hier nicht interessieren: ich kann gut damit leben.

    Ich glaube, ob nun künftig mit oder ohne Janson oder Wechselstrom: eine längere Auszeit täte Dir, Alexander,
    in diesem Blog auch mal sehr gut, wenn man die letzten Postings so liest.

    Und was den „Bauch“ betrifft, Alexander, der meinige ist noch dicker als der Deinige und ich fühl mich wohl damit, hab ergo auch Bauchgefühle-…(oder wird das nun auch weg zensiert?)

    Buona notte,

  32. querstand sagt:

    @ janson: wenn Du mir Unreflektiertheit indirekt unterstellst, dass Versuche, Dinge nicht nur vom theoretischen, sondern durchaus von der eigenen Wahrnehmungsbeschreibung her zu betrachten, besonders mit dem Wissen um deren „Tunnelblick“, deren Eintrübung genauso kennend, zugleich aber auch die Kraft des Intentionalen schätzend, mit „@Abschweifen, weit schweifen, Sich-selbst mal in die Lederhos´n kneifen… etc.: Das kann ja jeder und auch aus dem Bauchgefühl wie er will“ bezeichnest, dann nehme ich Dir das einfach persönlich, zuallererst glaube ich dann aber, bei Menschen, die solches äussern wie Du, dass sie letztlich solche Wahrnehmung verdammen. Für mich ein allgemeines Zeichen des Neue-Musik-Rahmens: mit Theorien und verbalen Zitaten um sich schlagen, Musik aber nicht ein Quäntchen theoriefrei beschreiben wollend, nur um nicht als aus-dem-Rahmen-gefallen zu gelten.

    Dies stiess mir bei Feeds auf, ja das gebe ich zu, das beschrieb ich reichlich. wechselstrom und vielleicht auch Dir, was ich aber bezweifle, ging es dann irgendwie doch darum, mich zu dem Schritt zu bringen, Kreidler hier offen zu verdammen. Dazu sehe ich aber gar keinen Anlass! Dass ich nach wie vor an seinen Klangsinn glaube, dass aus seinen Nummern schon auch ein ganzer Musiktheaterabend jenseits der Performance werden könnte, das kann ich mir auch vorstellen, das kann er sich wohl jetzt nicht vorstellen. Da sehe ich einfach ein Zuviel Klarheit im Theoretischen, das in seiner Überbetonung auch wieder angreifbar ist, also eigentlich eine Theorietrübung. Das nehme ich so wahr, Johannes wird das garantiert nicht teilen. Dies ist aber, o Gott, für mich kein Problem, auch wenn es meine Fragen an ihn nicht beantwortet. Wobei ich ihn verstehe, denn Theiler würde ihn hier nur wieder total runtermachen, wie immer wieder, was dann die Gegenseite auch nicht netter macht.

    Ja, wie o.g., ich teile hier gerne zum x-ten Mal die Einseitigkeit meiner Wahrnehmung mit, falls Du es nur zw. den Zeilen gelesen haben solltest, wo es doch auch klar benannt worden ist. Dennoch weiss ich durchaus weiter: ich werde meiner Intention wieder mehr vertrauen, gerade im Komponieren. Und beim Schreiben hier! Haue dafür gab es ja nicht nur von Theiler und Dir.

    Und Du selbst meintest letzthin sinngemäss, dass hier bloggen nur weiterhin Sinn mache, wenn man einen Veränderungseindruck haben würde. Tja, o Zeichen und Wunder, haben wohl manche Stossgebete als Reissack in Fernost hier ein paar Dinge kippen lassen. Die allerdings habe ich für manchen zu undeutlich ironisiert. Also nochmals zum in Tontafeln einkeilen: ich würde nur zu gerne daran glauben, würde sogar eine Kerze anzünden, weiss aber, dass da die Theorie doch eher recht behält bzw. der Zufall, lieber nicht daran zu glauben.

    Wie schön, wie Du und Theiler sich Sorgen um meine Verfasstheit machen. Gut, die leidet tatsächlich unter all diesen Dauerstreitigkeiten hier, das zeigte ja meine letzte Niveaulosigkeit weiter oben. Sehe es doch einfach so: ich würde mich rein persönlich schon freuen, wenn der Austausch auf besseren Umgangsstand hier weitergehen würde, will auch gar nicht in das „Galama“ von damals verfallen. Nur scheint allmählich Allen hier die Puste für diese Reibereien auszugehen. Was interessiert es meine Bloglaune, schaffe ich mir mein eigenes Alter Ego. Ob meine Beiträge dann aber noch überhaupt interessant für den Rest sind – wohl kaum! Das betreibe ich dann eben wie ein aufführungsphober Komponist und schreibe so ganz für mich, möge es den Rest besonders nerven!! Ich reagiere eben nur noch mit Selbstbeschimpfungen, deren Richtung dennoch klar sein sollte, ich konstruiere hier ganz wach mein eigenes „Wonderland“, für den Rest hier wohl zu öde.

    Wenn Du nun gar nichts mit meinen letzten Ausbruch anfangen kannst, ist auch ok. Aber zuletzt hast Du ja meine nett gemeinten Abschweifungen ziemlich „in die Hose“ geschoben und mich zum Groupie degradiert. Nun, warum soll ich dann den ganzen von Dir durchaus auch oft mit Bedacht und Differenz beschriebenen Neue-Musik-Komplex noch ernstnehmen, wie Du ihn vertrittst? Wenn Du glaubst, mich in Deiner Tasche einfach so wegstecken zu können, dann soll ich mich dafür auch noch bedanken? Das hat fast schon Sektenzüge: den Abtrünnigen schlagen und schneiden, damit er wieder kommt. Wie verdreht! Lass mich das mal lieber nicht wieder als Rückschluss auf den Gesamtzustand der Neuen Musik umkehren, ginge wohl auch zu weit.

    Dennoch sehe ich mich als Rufer in der Blogwüste: seid netter zueinander, kann unglaublich helfen! Wie hast Du Dich mit Arno gestritten, was hat ein Treff Alles verändert. Auf den letzten Biertrinkhinweis wäre ich schon gerne noch eingegangen, ja, das sollte man mal nicht ganz ausschliessen. Im Moment komme ich mir aber mal fast wieder so vor, wie vor 9 Monaten, oder so: erst entspannte es sich ein wenig, dann ging es meinerseits auch ein wenig auf die andere Seite zu, mein ewiges aber-auch. Kurz danach getreten, weggelöscht, selbst niveaulos hier geworden. Aber das wollte ich ja gar nicht mehr bedenken. Irgendwie veräppelt und verkohlt man mich doch mal wieder? Aber so ist wohl die „Szene“: man geht sehr weit im Persönlichen, aber das interessiert gar nicht! Es wird mit einer Stromlinienförmigkeit zurückargumentiert, als ginge es nur um Gucci und Prada! Jawohl, irgendwie erinnert mich das ganze Spiel hier an den Umgang von fashion-victims untereinander. Wenn es mal interessant wird, schnell die Swatch zurückgedreht, das Calvin-Klein-Logo alias Adorno bis Luhmann über den Gürtel geklappt, nur um nicht aufzufallen. Und da, v.a. was dann als Solidarität, von links wie rechts, bezeichnet wird, ist das Zeichen, Euereins mal wieder zum Anhören des letzten Satzes der Zimmermannschen Ubu-Musik zu animieren: „Marche du decervellage“…

    Gruss und friedenssüchtig aber echt immer mehr genervt und bald in den Alter Ego Streik tretend,

    Oberdepp Strauch

  33. erik janson sagt:

    @ querstand (I hope the last „nachklapp“):

    hier muss wohl ein Missverständnis vorliegen,
    denn weder wollte ich Dich persönlich angreifen als GRoupie noch ist es so, dass ich Dich nicht ernst nähme.

    Habe nur aus meiner Sicht beschrieben (wie mehrmals) was mich subjektiv hier störte und stört und dass ich in vielen Dingen (nicht nur @ Johannes Kreidler) halt anderer ästhetischer und kulturpolitischer Auffassung bin. Das muss ja wohl noch erlaubt sein.

    Probier doch einfach mal aus, wie sich dieser Blog anfühlt, wenn Du nicht so viele – sei es „selbst- beschimpfende“, ironische, humoristische oder „versöhnungssüchtige“ Beiträge schreiben würdest.

    @Kreidler: er braucht sicherlich keine Verteidiger. Er selbst hält sich hier bedeckt und ist auch ausgewiesener (so schreibt er wenigstens von sich) u.a. Musiktheoretiker,legitimiert seine Ästhetik und das was er macht geradezu auch aus Anleihen der Gesellschaftstheorie.

    Dass ich ihn aber deswegen subjektiv schon für „klangsinnlich“ oder genial hielte, dazu bekommst Du mich – querstand – (du kannst ja deine Meinung behalten) genau so wenig wie Du vermutlich ihn dazu bekommen würdest, dass er sich meine Musik live anhören oder – ohne pauschal von „Janson-Quatsch“ zu bloggen (wie damals geschehen) mit mir und anderen (wie wechselstrom z.B.) in den Diskurs treten würde.

    @Entwicklung von „Blog“- oder Nichtblog u.a.- Freundschaften, lieber Alexander: ich denke,das ist meine Privatsache und muss hier ja nicht öffentlich ausgewalzt werden (z.B. @meines Live-Kennenlernens und Treffens mit Arno Lücker, das hoffentlich nicht das letzte war). Und wenn schon muss ich ein voyeuristisches Detail, das ebensowenig die Blog-Community interessiert noch dem Sachdiskurs nutzt – richtig stellen (aber in unserer freiwilligen Googleworld tu ich das gerne um dem zu vor zu kommen…): Es war ein Milchkaffee, den ich im Sophieneck bestellt hatte, kein Bier, als ich Arno traf. Und ja: das Treffen war überaus erfreulich. Aber es muss nicht so sein, dass ich mit jedem hier,mit dem ich mal aneinandergerasselt bin, dann eine Live-Freundschaft o.ä. an fange. Wobei – bisher virtuell – schon bald mal ein Bierchen (sorry: Milchkaffe) mit Theo Geißler sich sogar abzeichnen könnte. Wer weiß.

    Hängt alles von den weiteren Entwicklungen ab.
    Also bleibt mein Tipp als Rufer aus der Rheinischen und nun recht regnerisch trüb gewordenen Kommunikationschaos-Wüste an Dich, querstand: Lies einfach mal eine Zeit lang nur mit und warte doch mal ab, was hier dann passiert.

    So bleibt mein Fazit: VIELES WÄRE MÖGLICH, aber wenig ist „nötig“ (wie z.B. nachträgliche separate THemeneröffnungen zur Legitimation vermeinlicher „Troll“-Abwehr), wenn man auf Augenhöhe und ohne Hierarchien Diskurs betreiben möchte.

    Schönen Tag,
    Erik

  34. querstand sagt:

    @ janson: empfehle den o.g. „Tipp“ einfach zurück. Kann nur sagen, dass ich v.a. bestürzt bin, wie sich hier Alles wiederholt hat wie anno 2009. Bin v.a. nicht glücklich damit, wie kritische Einwände meinerseits benutzt worden sind, um dann richtig loszutreten. Was das allgemeine Problem hier ist, dass man in diesen Kommentaren mir meine „Mittelmeinung“ nicht lassen wollte. Wie wechselstrom, nicht immer allzu tief auf meine Weise in Dingen einzudringen, steigst Du aufs hohe Ross des Tippgebers. Verstehe, wohl als Replik auf meinen Nutzungskonditionentipp. Dies mag ein Ruf Deinerseits gegen Zensur sein, oder eine Spiegelvorhaltung mir gegenüber, dass ich zur Selbstzensur aufriefe. Das machte ich aber nicht. Ich empfinde ganz ehrlich Deinen Tipp als Aufruf zur Selbstzensur. So ähnlich herabwürdigend empfand ich übrigens den Kreidler-Tipp zum Essaylesen, als ob ich dies noch nicht getan hätte – da habt Ihr es nun also!

    Es ist und bleibt eine Frage der Wahrnehmung: ich lasse Dir gerne Deine, ich akzeptiere auch Deine Meinung zu Kreidler, ich versuche meine zu ihm zu differenzieren, das tat ich aber schon öfters, mal deutlicher, mal undeutlicher! Im Prinzip hänge ich meinen positiven Eindruck zu ihm an seinem letzten Ensemble-Modern-Stück (Kantate) auf, was den „Klangsinn“ betrifft. Desweiteren schwankt das dann ähnlich, so wie z.B. meine Meinung auch zu Rihm schwankt, in beiden Fällen immer stückabhängig. So würde ich weder Rihm, noch Kreidler, noch Janson oder sonst wen total verwerfen, einzelne Stücke allerdings schon, dies auch deutlich oder auch unter Einschränkungen, sofern die Wahrnehmung z.B. nicht durch Serverprobleme oder Mittelohrentzündung gestört wird.

    Das Problem im hiesigen Diskurs ist die wohl mitschwingende Aufforderung zum Entweder-Oder, die harte Thesen-Antithesensetzung. Mich interessiert allerdings grds. das Verbindende, nicht das Trennende. Wäre das nicht mal eine neuere Grundhaltung als das ewige Ablehnen-Müssen? Ist das nicht die heutige Grundhaltung, die man Erforschen sollte?

    Ach ja, das Bierangebot, so versteckt wie es sein mochte, sah ich von Dir ausgehend, die Story mit dem Milchkaffe, die wurde hier von Arno samt Bild schon mal reingestellt. Letzte Äusserungen Deinerseits „empfinde“ ich nun als, „Strauch, trink‘ Deine zwei Radler alleine“! Alkoholfrei werde ich dies heute gerne noch machen. Und es bleibt bei MEINEN Reaktionsschemata, wie bereits angekündigt gerne im Alter-Ego-Streik, wenn es hier leer bleibt. Und: den letzten beissen die Hunde, so lass ich mich gerne „selbstironisch“, fällt unter Selbstzensur, äh, also ganz „ernst“ in die Wade beissen, ohne dass mir die Hose rutscht!

    Zuletzt: eigentlich tut mir der ganze Quatsch hier leid, wie er jetzt gelaufen ist. Ich habe ihn nicht wirklich angefangen, werde wohl im Netz demnächst noch vielmehr von mir simulieren, es als mein „Eigentliches“ darstellen. Damit hat man wohl auf Deiner Seite wie Kreidlers Seite mehr Chancen, ernst genommen zu werden. Ich bitte einfach darum, diese meine Animosität einfach selbst zu akzeptieren! Es biss mich ja grad der Hund!!

    A.S.

  35. erik janson sagt:

    @querstand,

    wenn Du ein bissel den humorvoll gemeinten Schlusswink im vorletzten Absatz oben von mir noch paarmal liest, dann
    mögest Du nicht abschließend annehmen, so hoffe ich zumindest, dass ich denken würde: „trink doch Dein alkoholfreies Radler allein“.

    Also: spinnefeind, verbiestert oder nicht-Radlertrink-oder Michkaffeetrink-freudig möchte ich hier nicht ab- treten. Aber wenn mich einige so sehen, dann kann ich es nicht verhindern. Dann ist es halt so und juckt mich nicht. Bin halt jemand mit Ecken und Kanten, der gerne eben klare Positionen bezieht und finde: gerade das Trennende hat seinen Reiz, mehr als Verbindendes. Und auch, wenn Positionen scheinbar unversöhnlich nebeneinander, auch in Distanz zueinander, stehen bleiben macht dies durchaus auch Sinn. Denn nach dem Trennenden (und dennoch akzeptiert werden)ist in der Gesellschaft auch eine große Sehnsucht da, im Zeitalter neoliberaler Gleichmacherei, Pseudo-Demokratien, Identitäsverlusten, und Pseudo-Sich-auf-Toleranz-Berufungen. Der – wenn auch tw. auf niveaulos-populistische Art – medial aufgeputschte „Kopftuchstreit“, die Integrationsdebatten beispielsweise zeigen dies überdeutlich in der Art und (verdrängten) Hysterie wie sie geführt werden.

    UNd (apropos) „störrisch“- oder so ähnlich: Du bleibst ja auch bei Deinem Mittelweg bzw. Deinen Meinungen. Dann ist doch alles prima und das meiste gesagt.

  36. querstand sagt:

    Jetzt hat’s gestern endlich geklappt! Der KHM.TV Server hielt durch, ich auch, Rihm zerfetzt zu sehen, es trübte nicht den Blick. Eigentlich konsequent, Widmann bekam schon seine Dubai-Walzer-Schelte. Jetzt erwischte es Rihm, diesmal sogar weniger atemlos. Eine durchgehende Dauerbeschallungsdramaturgie wie bei lauen Gewinnsendungen gab es nicht. Dafür skurril tonale, in ihre Fanfarenteile zerbröselte „Welcome“-Jingles für die „Gäste“. Das Bühnen-„Design“ des Hören-TV sollte wie die musikalischen Elemente an die Neue-Musik-Jugend Johannes Kreidlers – die 1980er Jahre – erinnern, manchmal kam es mir aber wie in meiner Rosenthal-Jugend, den Siebzigern vor. Dies lag wohl am allgemeinen „Trash“-Charakter der vielfach gerundeten Bühnenform, an der einfachen zentralen Leinwand, an der weiss-schwarz gekleideten „Kapelle“, den farbigen Outfits des moderierenden Komponisten.
    Dies machte das ganze dann doch nicht so depressiv, wie einem die 1980er oft so vorkommen, wie mancher Inhalt des Hören-TV.

    Der Ernst der Sache beginnt bereits mit dieser in sich Widersprüche vereinenden Betitelung: „Hören-TV“. Was mag das sein? Man würde Joachim Bublath im ZDF mit netter Hausmannskost zum menschlichen Gehör erwarten. Gewisse hausmännische/-weibliche Kost bereitete der Statistenchor als „Lügendetektoren“ wie Gartenzwerge. Wie das erste Bejahen auf musikalische Rätsel immer zögerlicher wurde, je mehr es um Neue Musik ging, erinnerte an ZDF-Wissenschaft, genauso wie sie Pflänzchen als Härchen der Hörschnecke auftrugen. Die Fragen bzw. der zuerst rabiate Umgang mit den Pflänzchen Kreidlers machte dies zunichte. Zwischen den Fünf Blöcken (Abhören / Klang und das Unbewusste / Liebe, Sex und Technik / Musikentwertung / Neues Musiktheater und Gesellschaft) erklang eine von Pause zu Pause zerfleddertere Tonbandmusik, die an Bublaths „lustige“ Knoff-Hoff-Dixie-Band denken liess, die Kapelle spielte dazu so ratlos, wie man sich heute fühlt, wenn junge Pärchen mit beluftballonten Kindern in der Fussgängerzone oder dem Biergarten vor einer keck aufspielenden Dixie-Kapelle sieht, sich die Spieler dann als Staubsaugervertreter, Einzelhändler und Buchhalter vorstellt und diese Import-Freude aus den 1920er Jahren einem irgendwie älter als nur omahaft vorkommt.

    Wie Kreidler zum Thema Abhören eine Gehörgangprojektion, im Inneren seiend Rihms „Im Innersten“ zerriss, ist viel weiter oben schon gesagt worden. Beim Thema „Klang und das Unbewusste“ war der schönste Moment, wie Kreidler seinem Tinnitus nachhörte, die Beraterin Merkels der elektronischen Musik immer mehr Filter verpasste bis eine richtige musique d’ameublement entstand, eine immer lockerer werdende Umwandlung der Miditonsignale der monotonen Kanzlerinnenstimme. In Liebe, Sex und Technik erfreute Isoldes „Karaoke“ auf verschiendenste Diskorhythmen mehr als zuvor am Anfang im Nacktscanner. Manchem war wohl das Abrasieren der Pflänzchen als Tinnitusheilung zu platt, als Kreidler allerdings zu Beethoven eine Pflanze umtopfte, fragte man sich, was wäre gewesen, wäre der Bonner nicht gehörlos geworden. Hoffentlich bezieht Johannes seinen Tinnitus nicht zu direkt auf Beethoven und Smetana. Bevor Kreidler dies hätte tun können, endete der erste Teil zuvor mit all den Todesmelodien, die Atari, Nintendo sowie auf den C64 die Summergames hergaben, wenn der Held starb. So killte Bohlen, der auch auftrat, zuvor Isoldes Karaoke niedermachte, dazu fast schon unerträglich oft Tristan.

    Aber sind die numerischen Wiederholungen im Stück wirklich heftig? Die wahrlich heftigste Dauerwiederholung von Zahlen fand in der Musikalisierung der Millionen Euros des Deutsche Bank Vorsitzenden statt: das Material klang irgendwie nach Phil Glass, sehr tonal, leicht eingetrübt, wurde in komplexeren und einfacheren Mustern patternartig abgespult, erhielt im richtigen Moment die richtige kleine Störung, um nicht langweilig zu werden. Da vergass man fast, wie Johannes sich mit einer Flasche Bier nach der anderen die Zeit vertrieb. Man empfand dann nur irgendwie ein gewisses Unwohlsein, was ein massives Zuviel an Bier bereiten kann, man stellte sich den Schwaben Kreidler als Franke beim Rothenburger Meistertrunk vor…

    Das perverse daran war allerdings, wie Musik, die eigentlich „kritisch“ ist, es im heutigen Kontext ist, als gutkomponierte Musik dann wunderbar ästhetisch wirkt, man denke da an Beethovens Fünfte, deren Anfang wie Dauerfinalcoda damals geschockt haben dürfte, ein tiefstes Zerwürfnis Beethovens mit sich selbst vorführte. So aber war auch Feeds.Hören-TV eine Auseinandersetzung mit einem Zerwürfnis Kreidlers mit der Neuen-Musik. So sollte der letzte Ton, eine leere Kammerton-A-Saite, der Violine die Postmoderne beenden, ähnlich wie der leicht zu späte Druck Brandts damals auf den roten Knopf zur Einleitung des deutschen Farbfernsehens. Sieht man das Stück allerdings ein wenig im ortbaren Komponieren Kreidlers der letzten zwei Jahre, so ist das Stück ein Höhepunkt einer geäusserten wie vielleicht auch verborgenen Krise. So war neben dem Tinnitus-Nachhören im Teil „Musikentwertung“ das minutenlange Schweigen Kreidlers bei dem Gedanken an den vielleicht bald abgeschafften Beruf des Komponisten angesichts all der polystilistischen bald autochthon komponierenden Algorithmen wohl die Kernstelle des Stücks. Der angeblich im 19. Jhd von den Höfen befreite Komponist, der nur sich selbst verpflichtete Komponist der Avantgarde oder der nur dem Film verpflichtete Kollege, der eine immer zurückgezogener, der andere schon immer bald von seinen Zuarbeitern oder einfachen Bands wie jetzt Programmen abgelöste, der bald wieder aufgelöste, wenn er keine neuen, ihn benötigenden Abhängigkeiten finden wird.

    So sagte Kreidler auch das, was ich hier schon öfters meinte: warum nicht die alten Werke des musikalischen Kanons umkomponieren, als Komponist uminszenieren? Da kommt man irgendwie in die Nähe Moritz‘ Heiner-Goebbels-Artikel, der sich ja von den Theatermachern emanzipierte und nun selbst ein Theatermacher mit Musik ist, da denkt man wirklich an neu gestaltete Rezitative, Sprechstellen in Mozartopern, da kommen einen Barockopern als Revuechoropern in den Sinn. Wohin also will nun Kreidler? Im Prinzip verfolgt er erstmal den Schritt, den Klängen der Neuen Musik einen Namen zu geben, also sie zu de-emanzipieren! Warum nicht, denn wenn Klänge eine „Funktion“, jenseits von „Funktions“-harmonik haben wollen, also bühnentauglich jenseits unbestimmbarer reiner Expression sein sollen, muss man sie als Hörer auch Situationen zuordnen können. Gemeinhin kommt „Neue Musik“ im Film immer für „Mörder“, „Nebel“, „Grauen“ in Betracht. Ein Weg, der mir immer wieder einfällt, wäre der über die Zahl: einerseits fällt einem da sofort das 0/1 der Musikelektronik eine, Midi-zu-Frequenz und umgekehrt, womit sich eine unglaublich Vielfalt sehr schön eingrenzen lässt. Dazu kommt aber auch der nach wie vor serialisierte Umgang sowie der spektrale Umgang mit dem Material in Betracht, immer im Bezug zu den anderen Parametern wie Dauer, Intensität, Geschwindigkeit und heute stärker denn je „Stimmung“! Da hält die Neue Musik wahrlich ein riesiges Instrumentarium bereit, dass man nun abstrakt wie bei den „Merkel-Bassfiltern“ oder einfach feldbestimmend, komponierend intuitiv verteilt bzw. entsprechend algorithmisch verteilt bei den „Ackermann-Glassfiltern“. Dazu die informative Vielfalt des Internets, das einem verschiedenste Musiken schnell bekannt machen kann, ob man nun einfach nachkomponiert, das Material zur Unkenntlichkeit verändert oder einfacher und dazu rechtlich problematischer damit umgeht. Im Prinzip also eine Versöhnung der oft zu freien Postmoderne mit den strengen, subkutanen Mitteln der Neuen Musik, aufgeladen mit zeitgemäßen Inhalten oder wie Kreidler wohl nur ironisch meinte: Zurück zu den alten Griechen! Warum nicht? Wenn man den Duktus des alten Regietheaters sowie die Aktualisierung des Regietheaters weglässt, eine ganz eigene Übersetzung findet, vielleicht nur den Plot lässt, dann könnte wirklich etwas Neues entstehen. Allerdings braucht es dann andere Bühnen als „Fonds Experimentelles Musiktheater“, „Kleine Szene“ oder „Kinderoper“: es braucht wieder vielmehr Aufträge für die grossen Bühnen oder noch viel mehr Mut für die Komponisten, mit ihren Stücken auch mal durch die Vorstadtbühnen und Fussgängerzonen, Shopping-Malls und Volksfeste zu tingeln, mit einer höchstwahrscheinlich ganz anderen Musik als jetzt, mit dem Risiko, auch von einfacheren Menschen verstanden zu werden, was durchaus auch hochgebildete Akademiker sein könnten, die mehr als nur einen gestotterten Hauch erwarten, die was über das Verhältnis von innerer Welt des Komponisten zu seiner Aussenwelt wissen wollen. Für diese fragilen Innenwelten gibt es zwar Kammermusik oder noch viel besser: professionelle, medizinische Hilfe! Ich hoffe, das Kreidler nun bald mal eine „Volksoper“ schreiben wird, ganz im Sinne des Altonaer Theaters oder des Theaters an der Wieden…

    Jetzt starb so oft Tristan, die Postmoderne und die Neue Musik hat sich hier selbst im Blog zerfleischt! Jetzt muss einfach was Neues kommen! Also bitte keine Zerfleischung hierauf, schreibt lieber Musik, ich wieder ab Januar 2011…

    A. Strauch