Dürfen Kritiker Komponisten prügeln?
Nun, sie tun es ja oft, zumindest verbal, aber gestern bei der „Amazonas“-Premiere, die querstand (Alexander Strauch) so wortreich in den Kommentaren beschrieben hat, kam es doch zu einer (fast) physischen Realisierung eines solchen Vorhabens.
Klaus Schedl (Komponist „TILT“) wurde nämlich nach seiner bescheidenen Frage an den Münchener AZ-Kritiker R. B., ob es ihm denn gefallen hätte, dermaßen verbal angegangen, dass er sich zuerst einmal auf die Toilette flüchten musste. Der geifernde Kritiker verfolgte ihn dann allerdings dorthin und setzte seine Attacken fort, woraufhin Schedl sich, der auch nicht gerade auf den Mund gefallen ist, ebenfalls zu Wehr setzte.
Es kam wohl zu folgendem, hier wahrscheinlich nicht 100% originalgetreu rekonstruierten Dialog:
„Schedl, Du verstehst nichts von Musik! Du schreibst Rockmusik mit Dirigenten! Das ist doch Sch…!“
„B., das sagt gerade der Richtige, der noch nicht einmal Mezzosoprane von Sopranen unterscheiden kann““
„Ach du, mit Deinem eitlen Komponistenhemd! Du mit Deinem Hemd!“
„Pass auf, B., jetzt gehst Du einfach!“
„Nein, Schedl, ich will nicht!“
„Ach, Du bist immer noch nicht fort? Geh, B., da ist die Tür!“
Dies tat B. dann auch, bevor es zu Handgreiflichkeiten kam.
Da kann man nur sagen: „Tilt“! Und sich auf die Kritik in der AZ freuen….
Als Komponist lebt man immer gefährlicher heutzutage.
Moritz Eggert
Komponist
@ All,
bei dieser Frage ist es angebracht, den Ahnherrn aller Benimmregeln incl. Netiquette, Freiherr von Knigge zu Rathe zu ziehen.
Im dritten Band seiner berühmten Schrift „Vom Umgang mit Menschen“ findet sich hierzu folgendes:
Grüße aus dem Labor
– wechselstrom –
@ eggy, wechselstrom
Im Prinzip sagt Theilers Zitat schon Alles… Es gibt leider immer wieder Kritiker, die in Konzepten und Begrifflichkeiten denken. Wenn diese lehrmeinungsgerecht noch nicht verbunden worden sind, sondern rein künstlerisch, da sogar ggf. mit Erklärung, dann aber emotional direkt in der Aufführung wirken, dann wird mancher Kritiker ganz unruhig.
Schedl hätte halt die Kritiker nach der UA direkt meiden sollen. Ein Gespräch später ist auch besser. Dann kann der Kritiker unmittelbar via Medien seine Meinung herausschiessen, nachdem er schon vom neuen Stück beschossen worden ist. Musik also als Duell Kritik/Künstler?
Da tun sich dann die Künstler wieder als Verbohrte hervor, wenn sie nur auf die Presse eindreschen…
Aber zugegeben: ich möchte auch nur ungern persönlich oder via Presse von R.B. – sei es AZ oder SZ – angegriffen werden. Die zweifelhafte Ehre wurde mir schon ein paar mal zuteil. Wobei: in gewisser Art und Weise hatten sie dann auch ein gewisses Quäntchen nicht unrecht.
Der von der AZ hat übrigens bei meiner Boxoper ob der elektronischen Verstärkung ziemlich abgekotzt – ggf. war das gestern ja auch v.a. Klaus‘ Schaden, weniger der Dirigent vor einer Band. Den brauchts halt bei gewissen Metren. Soll doch der unruhige, nervöse R.B. mal dirigieren, Klaus tut dies weise schon lange nimmer…
Die Quelle – von Lin Wang, eine nette chinesische Komponistin, die sich nett verneigt, gar nicht in Erscheinung treten will, wie bescheiden – ach wie, süß! Am Ende führt Uwe Kramer ein Mädchen, die die junge Protagonistin mimte, mit Premierenblume in des perspektivischen Hintergrund des Holzguckkastens. Einfach nur süß. Man nimmt Musik, Stoff und Regie zur Kenntnis, ist ob der chinesischen Originalinstrumente, die mal kurz auch einen Chinojazz als Interludium improvisieren durften (Wu Wei, Sheng und Xu Fengxia, Sanxian und Guzheng – wirkliche tolle Musiker, die sogar in Deutschland leben, wer also diese Instrumente einsetzen will, wende sich an das Münchener Kammerorchester!). Ach, und wenn man dem Programmheft glauben schenkt, leisteten die „Bratschen“ und „Violoncelli“ je mit einer Person besetzt Überirdisches, was sonst nur das ZKM mit seiner Klonelektronik könnte… Es waren nur Einzelspieler, aber auch das verzeiht man, da man vollkommen gelöst und immer noch mild grinsend aus dem Saal kommt. Ein kleiner Biennaleerfolg?
Die Suche des Denkens im heutigen China als Motto. Es geht um eine „Künstlerin“, die allerdings Chefsekretärin bei einem chinesischen Global Player sein soll (also die inszenierende Vorzimmerkraft von Peter Weibel aus der Amazonasoper beim Pekinger „ZKM?!?). Sie wohnt am Stadtrand zur Miete bei einem älteren Ehepaar, Künstler der alten Art. Die moderne Künstlerin soll fleissiger werden oder doch bitte, noch besser, endlich ausziehen. Das tut sie nicht! Im weiteren Verlauf erlebt man relativ undefiniert, wie sie ihre Identität aufspaltet, so sind die Alten, der Frosch, der Holzfäller, das Kind, der Boss des Global Players und der Fleischer auch immer die „Künstlerin“. Diese Figuren täuschen sie immer wieder, wollen verhindern, dass sie die Quelle unter dem Haus der Alten findet, die Quelle, die früher an der Oberfläche allen Kraft gab. Als Künstlerin muß sie immer wieder von vorne beginnen:“Heute fragen und suchen nur wenige Individuen, sie sensibel, ausdauernd, gut in Selbstanalyse und Selbstkritik sind, nach dem schönen Traum, der unter den Ablagerungen tausender Jahre liegt“ – so das Programmheft.
Also mal wieder der Weg als das Ziel, na ja, wie man eben immer wieder gerne asiatische Stücke hier betrachten möchte – das ist ja immer so schnief-traurig und eben auch süss…
Die Musik war es bis auf den mehr oder minder improvisierten Chinojazz aber nicht. Es war ein polypentatonischer Dauerklang von Holzbläsern, Streichern, Zupfinstrumenten und Schlagzeug, eigentlich immer sehr unspezifisch, da mehr oder minder fast immer Alles gleichzeitig tönte. Soli v.a. von den beiden Chinojazzern, und wenn komponiert, dann immer zu lang, obwohl da schon extrem gekürzt worden sein soll – so eine der beiden Personen nachher beim Thaicurry (ist ja egal ob Sushi, Curry oder Glasnudeln – asiatisch gleich asiatisch gleich asiatisch…). Zuerst traten die beiden Alten auf, sangen leicht stotternd, sprachen mehr – das auch stotternd, waren ganz lustig wackelnd inszeniert, wie eben so Alte ohne Krücken wirken. Dann trat die „Künstlerin“ auf, die Sängerin Steffi Lehmann mimte nur, es sang vom Bühnenrand Nadine Lehner. Auch sie sang weniger und sprach mehr, auch schön verhackstückt. So dann auch alle Anderen, so daß man Uwe Kramers Rede dann für Gesang nahm. Immerhin quackte der Frosch schön auf englisch-chinesisch mit „Gua-gua“ – das war doch eine interkulturelle Erfahrung.
So traten die Leute auf und ab, man verstand mal wieder nichts genauer, da ständig nur Allgemeinplätze, wie „besser arbeiten“, „die tote Mutter, die lebt“ und mehr dergleichen ausgesprochen wurde, die Rollen ständig sie selbst oder mal kurz die Künstlerin waren. Nach all dem Gekünstel erhielt dann die Künstlerin sogar das Haus als Lohn – eine Biennalelotterie? Die Alten, all des Gekünstels überdrüssig, liessen es ihr freiwillig. Kann man nur hoffen, dass die Politik demnächst die Biennale nicht einfach allein weiterkünsteln lässt…
Das Alles tat nun nicht weh, amüsierte aber wehleidig. Dann trat eben ein Kind als junge Künstlerin auf, es piepste – so auch eine der Chinojazzer – wohl die Komponistin höchstselbst wunderjämmerlich vom Tonband, dann eben diese ewige Bescheidenheitsgeste der chinesischen Komponistin beim Applaus. So war man grinsend sediert und kam zu der Erkenntnis: die ewige bescheindene Gubaidulina hat nun endgültig millionenfache Bescheidenheitskonkurrentinnen aus Fernost erhalten.
Immerhin war das Wasser der Quelle hier nur virtuell erfahrbar, also keine Köpfe im Wasser wie in den ersten beiden Produktionen, kein grosser Urwaldstrom Brasiliens, nur ein kleiner Froschdamm samt Quelle irgendwo in China. Wie war das aber mit dem Schmetterling in Bejing, der zum Hurrikan über Haiti wird? So wohl doch ein Strom, also statt „Der Blick des Anderen“ als Fazit doch „ins Wasser gefallen“ oder „Baden gehen“. Bleibt die Hoffnung, dass morgen meine Dusche schön vorgewärmt ist. Bis wieder in zwei Jahren von der Biennale,
Euer querstand
@querstand,
@ all
hier tippt euer Spin-Doctor.
Lektion 1:
„Die agile Powerfrau aus dem Reich der Mitte verwebt kunstvoll europäische und chinesische Einflüsse zu einem ganz eigenen Individualstil, der immer mehr Erfolge zeitigt.“
So jedenfalls auf
http://www.ramesch.de/index.php?option=com_content&task=view&id=164&Itemid=116
Tja, das sind Lebensläufe, die sich flüssig lesen lassen – ganz anders als die furz-trockenen Tatsachen-Tabellen, die man sonst in manchen Künstler-Biografien vorfindet.
Lektion 2
Die Verwendung von Pentatonik ist, und das zeigt das Werk von Lin Wang exemplarisch, erstes Gebot, will man völkerverbindende Aspekte deutlich zum Ausdruck bringen und dadurch den Großteil der Publikumsmassen auf seine Seite ziehen. Schließlich ist Pentatonik in fast allen Kulturen (incl Jazz (!)) als Grundelement der musikalischen Tradition nachweisbar.
Lektion 3
Für alle übrigen im Publikum mag das Bühnenbild zuständig sein:
Alle erfolgreichen Theater- und Musiktheaterwerke der neueren Zeit arbeiten hier mit folgenden Gestaltungsmitteln:
a. offene Bühne – kein Vorhang – dafür
b. viele Perspektiven im Bühnenbild selbst am besten mit
c. Papier (raschelt gut, hat was mit Gedanken zu tun – – – Partitur, Libretto etc. …) – dann muss
d. irgend ein Granulat auf der Bühne sein (Sinnbild für Zerbrochenes, Zerbröselndes, damit lassen sich auch gut Schnee oder Staubwolken unseres Eyafjallajökull simulieren ) – – des weiteren natürlich
e. Flüssigkeit (GANZ WICHTIG!) Wasser (Verbindet auf geniale Weise Reinheit – Sex UND Unschuld!) oder, wenn das Libretto nicht die „Zwei Kraniche unter einer Kiefer“ sondern eher „Meine Landschaften – SCHMERZEN!“ beschreibt, und man in die Hardcore-Kiste greifen muss: Speichel, Schweiß und Sperma
f. Nach der Premiere überhaupt niemanden fragen (vor allem nicht den Kritiker des örtlichen Bums- und Tittenblattes), wie es gefallen hat, schließlich fragt auch niemand, der einen Witz erzählt die Leute, ob dieser lustig ist.
Sondern:
g. Bescheiden durch die Publikumsmassen schweben, niemanden offen widersprechen, jeden Blödsinn, der daherkommt ablächeln.
h. Vor und bei Pressekonferenzen, vor allem wenn Kameras surren, aber auch allgemein im öffentlichen Raum, denkt mal, ihr seid zu einem Darmstadt-Workshop eingeladen, immer stilles Wasser trinken (!) – weg mit dem CO2 (!) sonst passiert es euch, dass ihr mitten in euerem Gedankengebäude, das ihr ins Mikrofon sprecht, ein Bäuerchen machen müsst – das schaut nicht gut aus und schwächt die Schlagkraft eurer philosophischen Ausführungen.
Grüße aus dem Labor
– wechselstrom –
@ all Hier der Link nun zum Artikel R.B.’s in der AZ. Anscheinend trat er dann Sloterdijk auf die Füsse, während der Bühnenwanderung im 2. Teil. Ansonsten muss der Groll ja richtig nachgewirkt haben, der letzte Absatz erinnert doch so richtig an die Bedeutung der AZ als Bussi-Bussi-Schickeria-Boulevard-Blatt a la Kir Royal in München… Da überlegt man sich’s besser nochmals gut, ob man hiesige Aufrufe zur Errettung der Kulturredaktion der AZ unterstützen sollte… Ach ja, auch mir warf R.B. schon 2005 zu laute Technik vor, in seiner Kritik zu Joe&Max… Da hatte er mit Marcus Hank, der auch das Libretto zu meiner zweiten Oper Narrow Rooms schrieb, und mir noch eine Rechnung offen, als wir 1996 einen Termin mit ihm zwecks Programmheft hatten, als das Prinzregententheater samt Akademietheater für die Theaterakademie von Everding mit einem Festival eröffnet wurden. Er war zuständig für das Design des Programmhefts und verwies stolz auf die Ähnlichkeiten mit dem er damaligen Salzburger Festspiele – auch Kritiker dürfen im Nebenjob plagiieren… Wir fanden seine Bildvorschläge etwas zu zart, da wurde er ganz hart. Die letzte Kommunikation fand dann ein Jahr später statt, wo er stolz über ein Premierenstehplatzabo an der Staatsoper berichtete. Kurz darauf durfte er dann wohl dies gegen Pressesitzplätze eintauschen. Ein Glücksfall war übrigens der Klaus Kalchschmid, der für Opernwelt und SZ schrieb/schreibt. Der ging mit meiner damaligen Produktion hart ins Gericht, auch sind wir oft immer noch konträrer Meinung, ich ganz Komponist, er ganz Geisteswissenschaftler. Dennoch kann man mit ihm immer wieder gute Gespräche führen, als das totale Gegenteil von R.B.! Wenn man Kalchis Kritik zu Amazonas liest, geht er da mal mit mir fast zu 99% d’accord.
Hier Klaus Kalchschmids Amazonas-Kritik in den Stuttgarter Nachrichten.
mal ganz abstrakt, wie es ja auch die Titelfrage sehr sachlich empfiehlt: Wenn unter „prügeln“ nicht mixaeske Sadismen, sondern das „sich der Komposition aussetzen“ gemeint ist und dann ein auf hoffentlich bester Kompetenzgrundlage ein begründetes Urteil samt Umfeldbeschreibung folgt, eine Wertung, stattfindet, ist gröbstes verbales oder schriftliches „Prügeln“ ausgesprochen wünschenswert…
meint
Theo
geissler@nmz.de
@ geissler
Je kompetenter Kritiker und Komponist um so besser das Prügeln, als Schachboxen: eine Runde dreschen, eine Runde Läufer schlägt Bauern.
Allerdings ärgerlich, wenn jemand wie R.B. von der AZ nur das für Musikkunst hält, was im ehrwürdigen Musentempel (doch was mixaeskes?) erzeugt wird. Dann folgt man als Kritiker weniger seinen eigenen Prämissen als viel mehr den Vorgaben der Staatsopernmuseen.
Aber wie wunderschön museal klingt die Schedl-R.B.-Story. Eigentlich herzerwärmend, daß ein Kritiker sich mal zu körperlichen Regungen hinreissen läßt und nicht mit seinesgleichen hübsche Gedankenexperimentkonversation betreibt a la „was wäre gewesen, wenn…“. Die Kritik im Blätterwald ist so brav und ausgeglichen geworden, verpackt physische Reaktionen in wortspielerischen Psychogrammen, als sei’s eine Webern Bagatelle. Wieviel mehr komprimierte Muskelmasse steckt dann wieder in einem unkritischen Webern-Sforzato! Das ist ein glatter rechter Haken auf’s Kinn.
Und bleiben wir beim Anekdotischen: sich mit Klaus Schedl zu prügeln ist ab und zu auch mir ein Bedürfnis gewesen. Nächste Runde!
…wer spannt Gielen den Mercedes aus – oder Lachenmann das Siemens-Handy – rätselt immer wieder: Theo
geissler@nmz.de
…wider Verwirrung: Beethovens Kutsche hat man wohl mal die „Pferde“ ausgespannt, weil man seine „Composition“ nicht verstand, geschehen im Wiener Exil…
informiert: geissler@nmz.de
@Theo Geissler
Linkempfehlung für Recherche in alten Tageszeitungen in Österreich:
http://anno.onb.ac.at
Beim Herumklicken gerade gefunden: ein Zettel vom 30. Juni 1811 mit derAnkündigung einer Entführung
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&datum=18110630&zoom=2
Beste Grüße aus dem Labor
– wechselstrom –
hier noch der Link zum Ableben unseres geliebten Meisters in der Wiener Zeitung vom 28. März 1827
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=wrz&datum=18270328&seite=2&zoom=2
SOME WORK heißt die neue Installation von Christoph Reiserer. Gesehen habe ich sie noch nicht, werde es noch nachholen. Dies ist das ultimativ letzte Stück der Biennale 2010, gefolgt noch von zwei Klangspuren. Nach „Amazonas“ hängt dies quasi im festivalfreien Luftraum alleine, als letztes Zeichen. Im Moment sieht man Menschenmassen durch die Stadt laufen – ob sie zu Christoph wollen? Die Silbe „Chri-“ stimmt zwar, aber gemeint sind Leute, die zu Christus wollen. Eine rekonstruierte Fassung der letzten geplanten Wagner-Oper? Eine Vereinigung von Biennale und Festspielen? Nein – man hört nur laut getunte E-Gitarren evangelikaler Softsongs von der Theresienwiese nach Sendling herüberdröhnen. Da war doch was mit evangelikalen Klängen bei Tato Taborda in der Amazonas-Oper, Klänge von US-Fernsehpredigern, die die Ureinwohner des brasilianischen Regenwalds vor der Grünen Hölle retten wollen, Seelenfänger! Da wünscht man sich zum Sendlinger Yanomami zu werden und mit Mordweihnachtsradau den „Jesus kommt, klatscht in die Hände“-Fönfrisuren eine auszuwischen, einen derben bajuwarischen Fluch auf den Lippen. Selbst das „damische“ Oktoberfest lärmt leiser als dieser Jesuskitsch, Jessasna. Wie leise waren doch Klaus Schedls E-Gitarren dagegen. Und wie ist es jetzt mit der Interkulturalität? Anfang der Woche war mir die freundliche Chinesin Lin Wang mit ihrer Verneigungsbescheidenheit noch ein Dorn im Auge. Nicht einmal Japaner lächeln momentan freundlich am Marienplatz, wenn man ihnen auf die Füsse tritt, nicht mal Sloterdijk wird dann zum Seeelefanten! Nein, etliche Nordlichter aus deutschen Landen rüpeln hier sich familienfreundlich aufführend durch die City, so daß man vor den orangenen Schals des Christentreffs hier Reißausnimmt, selbst der Köhler-Horst, unser Gruß-August, war damit die Tage zu sichten. Tja, die Polypentatonik – bitte nicht Polypen-tatonik lesen, der freundlichen Chinesin fehlt mir schon. Wobei 5 evangelikale Kirchenlieder übereinander mit falschen Mitbrummern und offenen Enden verlieren sich – etwas lauter allerdings – im Diffusen wie die Klänge Lin Wangs, die sich auch immer in Stottern und Stammeln eines Pekingoperenglisch auflösten… Das erinnert mich an die Erzählungen meiner Mutter, einer alten Chorsängerin, die sich bei einem Japangastspiel des Nationaltheaters in eine Kaibuki-Aufführung wagte, nichts verstand, aber lachend unterhalten wurde. Lachen konnte man bei Lin Wang nur bedingt, mehr zwar, als beim Rest der diesjährigen Biennale, aber nicht mal im komischsten Momenten wie Muttern in der 70ern beim Kaibuki. Und dieser Ökumenische Kirchentag, besonders seine Gäste, lassen einem doch das Lachen von ganz allein im Halse stecken. Sie geben sich gelöst, sie wollen Toleranz und Frieden mit jedem und Allem. Wenn man dies aber wirklich total akzeptieren wollte, dann wird es mir mulmig zumute. Wenn also diese Leute nun ihren Frieden mit der Neuen Musik schliessen würden und nach jedem 20. Halleluja ein stilles Geräuschklanspekralzitatdingens erklänge, Alle danach Amen jubeln. Mir fehlte doch ein schönes Feld der elitären Verquasung, auf das man sich freuen kann und manchmal noch mehr eindreschen möchte. Da kennt man ja jetzt noch seine Opfer, aber wenn unsere Musik Kirchentagsqualität bekäme, würden wir doch Alle zu Amokläufern! Also muß die Neue Musik Avantgarde für Wenige bleiben, dann weiß man wen und was man hat!
Nun aber denke ich mal so langsam ans Schlumachen, SOME WORK Reiserers ruft. Dort werden den Musiker wohl allmählich die Instrumente aus den Händen genommen, zerlegt und von Robotern oder selbst als Roboter in seinen Einzelteilen weiterbetrieben, die Neue Musik wohl nach Biennale und Kirchentag. Und so steht nu auch schon eine Riesenrobocop vor meiner Türe, klopft. droht megaphonal, ich solle aufhören hier zu radebrechen sonst….sonst… SONST!!!
P.S.: War noch nicht bei SOME WORK! Und der Robocop war einer vom Erzbischof im Namen Ruzickas. Ich wurde bis zum 2000. Oberton ohrengefoltert, musste dreissigmal in drei Minuten den Geräuschkatalog Lachenmanns beten, auf eine besonders laute MAX/MSP-Schiefertafel schreiben „Ich liebe das ZKM und esse kein brasilianisches Rindvieh mehr“ sowie schlug mich ein vermummter Stadtpfarrer, der seine Wohnung mit Bart Simpson-Poster zugkleistert hatte (auf denen Bart Lisa das Saxofon mit Elektrostössen versieht…). Man zwang mich zum Lesen jener Pressemitteilung über das Programm der nächsten Biennale 2012. „Der ferne Klang“ als Motto? Gab es da nicht eine gleichnamige Schrekeroper? Oder wird die GEMA-freie Schrekermusik zu einem theatralen Variationszyklus umfunktioniert werden? Immerhin ist die Oper „L’Absence“ von Sarah Nemtsov dann schon vier Jahre alt!! Das musß ja dann richtig gut werden, wenn die Komponistin nicht zu spät fertig sein wird. Dann eine freundliche Südkoreanerin namens Eunyoung Kim, die ja wirklich sehr nett zu sein scheint – an der Kleinen Szene in Dresden wurde vor 2 Jahren wohl ein Öperchen gespielt. Auch Matthias Ockert mit Achim Heidenreich (solch ein Name am Kirchentag!)wagen sich an Jorge Luis Borges Die Bibliothek von Babel. Das soll in der Lukaskirche stattfinden – also doch Biennale und Kirchentag vereint? Nein, dieser Ort diente sogar schon mal unserem lyrischen Schedl-Klaus als Bühne. Und zuletzt ein Stück von Arnulf Herrmann irgendwas mit Wasser / Republik der Träume – also eine heimliche Remeniszenz an diese „Ins Wasser gefallen“ Biennale 2010? Autsch – der Robocop Ruzickas und Bischof Marx‘ bohrt schon wieder in meiner Nase! Nun droht mir wohl schon wieder Folter? Ja!?! Zwei Jahre lang?!? Ich habe wohl jetzt schon wieder zu böse gelästert? Ich soll die zwei Jahre nur Maldoror hören dürfen, was den Profi-Kritikern der Mehrheit am Besten gefiel? Oder eben doch die vertröstende Quellen-Trostlosigkeit Lin Wangs, die dann zum lauen Erfolg gekürt wurde, nach all den anderen Ärgernissen und Verschwendungen…Autsch, ja Ruzirobo, ich mässige mich…Du glaubst mir nicht?… Ich muß jetzt dazu auch noch den Celancleaner am eigenen Leib testen? Bitte nicht, Aua…. Da bleibt mir nur ein flehender Blick zu Eunyoung Kim’s „Mama dolorosa“…
EPITAPH: Hier sehen sie die Hirnströme eines komponierenden postmodernen Lästermauls. Sie sind gerade so noch meßbar, so daß es aber leider nicht für eine Klangbarmachung ausreicht. Seine letzten Sätze werden nun von Eggerts Kompositionsklasse als neues Gemeinschaftswerk auf Eggerts erster kuratierter Biennale gegeben… Euer Ruzirobo
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