Schade, Shutter Island…

Wie schon in der neuen NMZ richtig bemerkt wurde: Bei der Filmmusik zu Scorceses neuem Film „Shutter Island“ handelt es sich wirklich um eine äußerst erfreuliche Sache.
Von Robbie Robertson erstaunlich gut und stilsicher ausgewählt, ist hier viel neue Musik versammelt, nicht nur große Namen, sondern tatsächlich auch Qualität. „Rothko Chapel“ von Feldman, das gute alte „Lontano“ von Ligeti, aber auch Cage und der hierzulande wenig bekannte Ingram Marshall sind nur einige der Highlights des Soundtracks. Und man mag sogar ausnahmsweise mal Penderecki, denn die bohrenden Takte aus seiner „Symphonie 3: Passacaglia“ passen tatsächlich sehr gut zum kotzenden Leonardo di Caprio.

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Shutter Island

Diese Filmmusik reiht sich ein unter die großen Filmmusiken wie zu „2001“, „Uhrwerk Orange“, „Shining“ oder auch „Der Exorzist“ – Filme, die sich zwar an ein Massenpublikum richten, es dennoch aber wagen, dieses nicht mit der üblichen Sosse einzulullen, sondern auch akustisch herauszufordern. Dass zeitgenössische Musik meistens in Horrorfilmen, Thrillern oder phantastischen Filmen zum Einsatz kommt, ist noch einmal ein anderes Thema, aber immerhin: „Shutter Island“ war entgegen der Erwartung seiner Verleiher, die das Ganze als zu „arty“ empfanden, ein auch kommerziell erfolgreicher Film. Das zeigt, dass Qualität wagemutig sein kann, und dass dem Publikum wesentlich mehr Subtilität zuzumuten ist, als ihm normalerweise zugetraut wird.

Ich sah „Shutter Island“ in Karlsruhe – während der Zeit beim ZKM – und bestellte mir gleich begeistert die Soundtrack CD bei Amazon.
Nun ist der Inhalt dieser CD wirklich absolut in Ordnung – es sind sogar zwei CDs, und man hat darauf geachtet, dass die Tracks (ohnehin meist Ausschnitte aus längeren Werken) nicht nur „wie im Film“, sondern in voller Länge vorkommen. Lobenswert!
Nur eines zeigt wieder gleich die Doofheit der Macher einer solchen CD: Die Rückseite!
Hier sind alle Tracks aufgelistet, wie es sich gehört, mit nur einem entscheidenden Manko: DIE KOMPONISTENNAMEN FEHLEN!

So erfährt man zwar, dass die „Music for Marcel Duchamp“ von Philipp Vandré „performt“ wurde, nicht aber, dass es sich um ein Stück von keinem anderen als John Cage handelt. „Rothko Chapel 2“ ist nur „performed by UC Berkeley Chamber Chorus“, aber dass es von Morton Feldman ist, schien nicht erwähnenswert. Am dämlichsten ist es bei dem Stück von Scelsi: Hier hat man sich tatsächlich die Mühe gemacht, den vollen (doofen) Titel „Uaxuctum: The Legend of the Mayan City Which They Themselves Destroyed For Religious Reasons“ zu nennen, es aber dann geschafft, den Komponistennamen zu unterschlagen.
Hier der Beweis:

Shutter Track List

Im Booklet ist es nicht viel besser – hier werden zwar die Komponistennamen genannt, aber nur ganz klein, nach den „Performern“.

„Shutter Island“ ist in gewisser Weise ein altmodischer, fast nostalgischer Film, der durchaus offen seine Nähe zu Klassikern wie „Shining“ bekennt, auch musikästhetisch. Der Unterschied ist nur: Auf dem Soundtrack von „Shining“ standen die Komponisten noch groß drauf.
Zeichen der Zeit?

Kleine Anekdote am Rande: Der mir persönlich gut bekannte Pianist Philipp Vandré (siehe oben) erfuhr erst durch mich, dass seine Aufnahme in diesem Film verwendet wurde – sein Label schien es nicht für nötig zu halten, ihn über diese Tatsache zu informieren.
Auch doof….

Euer
Moritz Eggert

PS: Auch auf youtube setzt sich die Ignoranz fort: hier hat sich jemand die Mühe gemacht, einzelne Tracks des Films hochzuladen. So zum Beispiel diesen:

Und ja, der Kommentar hat recht – dieses Stück ist nicht von Philipp Vandré…

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