Kulturkrise – Demokratiekrise

Man hört und liest ja in diesen Tagen lustige Sachen. Da sprechen Vertreter einer Stadtverwaltung tatsächlich öffentlich davon, dass sie ein Theater schließen müssten, um die Bildung in ihrer Stadt zu retten. Ohne rot zu werden! Und weil sie ihre Hausaufgaben gemacht haben und in den vergangenen Jahren die Häuser so klein gespart haben, dass künstlerische Qualität heute nur noch bedingt möglich ist, erringen sie damit auch noch einen populären Erfolg. Wo lernt man diese perfiden Strategien eigentlich?

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Gestern Abend fand im Kölner Funkhaus des WDR ein Gespräch in der Reihe Funkhausgespräche statt. Thema „Kultur für lau. Ist unsere Theaterlandschaft noch zu retten?“. Auf dem Podium: Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Dr. Christian Esch, Direktor des NRW Kultursekretariats und Rolf C. Hemke, Marketingmensch des Theater an der Ruhr. Warum ausgerechnet letzter geladen war, erfuhr man nicht so recht, wahrscheinlich hatte den Programmverantwortlichen imponiert, dass Roberto Ciulli mit nur 1,6 Millionen Euro Subvention auskommt. Leider verglich der Moderator dann auch fröhlich Drei-Spartenhäuser wie Krefeld-Mönchengladbach oder die Oper am Rhein Düsseldorf-Duisburg mit Ciullis öffentlich gefördertem Off-Theater, in dem er sich seit 1980 nach Herzenslust und als Alleinherrscher austobt. Zum Ärgernis von Herrn Bolwin ist das Mühlheimer Kurhaus auch immer noch nicht Mitglied des Deutschen Bühnenvereins.

Rolf Bolwin gibt in solchen Diskussionen – no jokes with names – in jüngster Zeit gern das Bollwerk, und wenn man ihn so sprechen hört, könnte statt Theater auch manchmal „Opel“ genannt werden oder was auch immer. Die Wagenburgmentalität ist dieselbe. Mit dieser Haltung qualifiziert man sich als Gewerkschaftsführer, die smarte Variante im Umgang mit den derzeitigen Sparzwängen saß jedoch einen Platz weiter.

„Wenn wir wollen, dass unsere Theater bleiben, wie sie sind, dann müssen wir sie verändern“, sagte Christian Esch beispielsweise gegen Ende des Gesprächs und skizzierte zahlreichen Möglichkeiten, die von den Theatern in NRW bereits in der Praxis entwickelt und getestet werden, Ressourcen zusammen zu führen und die künstlerische Planung enger zu koordinieren. Esch betrachtet die akute Kulturkrise als ein Symptom, das auf eine noch viel schwerwiegendere Systemkrise hinweise, die sich dahinter verberge. Und er hatte schreckliche Beispiele.

Die in diesen Tagen – vor allem in den Städten NRWs – zum Allgemeingut verkommene Vokabel Haushaltssperre deutet eben nicht nur darauf hin, dass etwas in der Finanzierung der Kommunen nicht mehr stimmt. (Viele können nicht einmal mehr die Zinsen bedienen, die auf ihrem Schuldenberg wachsen.) Es ist eine Krise der Demokratie. Denn mit der Haushaltssperre wird der Stadt auch die kommunale Selbstverantwortung entzogen: Bis zur Aufhebung derselben hat die Bezirksregierung das Sagen, also mittelbar das Land.

In vielen Städten NRWs regieren nicht mehr die gesetzlich gewählten Vertreter einer Stadt, sondern ein Regierungspräsident, der vom Ministerpräsidenten ernannt wird, wie beispielsweise Helmut Diegel. (Ein CDU-Mann, der für viele Facetten des Kulturlebens keinerlei Verständnis aufbringt. So hört man jedenfalls aus Kommunen, für die er zuständig ist, darunter Bochum, Witten und Hagen.) Damit geht nicht „nur“ ein Verlust der Autonomie einher. Dieser Verlust stellt die Grundlage unserer demokratischen Verfassung in Frage.

An diesem Punkt genügt es in der Tat nicht mehr, als Arbeitnehmervertreter neues Geld zu fordern. Hier braucht man: neues Denken.

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Musikjournalist, Dramaturg