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Grabbeltisch – oder wie ich meine Musik nach Richard Strauss hörte

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Der Vorgang ist schnell erzählt. Ich bekam die Aufnahme eines Orchesterstücks von mir zugeschickt, ganz altmodisch als CD. Ungeduldig legte ich sie in den CD-Player, um das erste Mal hinein zu hören. Ich schaltete die Anlage an. Sie war noch auf Radio eingestellt. Aus dem Klassik-Sender drangen einige Takte einer unzweifelhaft von Richard Strauss stammenden Musik an mein Ohr. Ein Sopran sang, fließend schön und transparent, eingebettet in die luxuriös glänzenden Klänge eines First Class-Orchesters.

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Aber das wollte ich ja überhaupt nicht hören. Ich schaltete auf die CD-Funktion um. Meine eigene Musik begann, und ich war schockiert und entsetzt. Sie klang topfig, murmelig, unrein und dilettantisch – wie, als ob sie in allem den unbeholfenen Gegenpart zu dem Können von Richard Strauss darstellt. Die Erkenntnis war schlagartig und unangenehm.

Das ist eigentlich die ganze Geschichte.

Ich denke, vielleicht haben irgendwo viele Komponisten sie irgendwann mit mir geteilt. Nicht umsonst galt und gilt Richard Strauss als einer der größten Meister des Orchesters und der Instrumentation. Nicht umsonst gilt er auch als eines der besten Beispiele für ein seit der Jugend unzweifelhaft und sofort sich beweisendes musikalisches Höchsttalent. Metier und Können müssen schon bei jedem vorhanden sein, der sich überhaupt mit dieser Spitzenmusik einlässt. So mancher hat sich bei ihm bereits als Dilettant fühlen müssen.

Aber da geht jetzt mein Trotz los. Was habe ich denn persönlich jemals von diesen Richard Strauss-Klängen gehabt? Was haben sie mir denn jemals gesagt? Fast nichts. Gelegentlich falsche Vorspiegelungen eines durch und durch harmonischen Alpenlebens. Gelegentlich Einblicke in diese typische Wehleidigkeit der konservativen Weltsicht. Gelegentlich, und das vielleicht am ehesten, etwas Spaß an einem relativ derben Humor. Oder gelegentlich Freude an schönen diatonischen Harmonien, angereichert und angepfeffert auf vielfältig raffinierte Weise.

Wie sagte es damals mein Cellolehrer, der alte bayrische Professor Adolf Schmidt in München zu mir: „Sie, Herr Liebrecht, Sie passen hier einfach ned her!“ Damit traf er es auf den Punkt, und ich habe die Stadt dann ja auch verlassen. Und deshalb, so geht mein Trotz weiter, sei`s drum, deshalb muss meine Musik ja auch in allem wie ein Gegenpol zu Richard Strauss-Klängen klingen.

Im Gegensatz zu ihm, so klopft mir mein Trotz aufmunternd auf die Schulter, beschäftigst du dich nämlich nicht mit elitärer Höchstleistung , sondern möchtest, so banal das klingt, irgendwo eine Musik für alle schreiben. Deine Mittel sind in allem viel bescheidener. Und vielleicht könnte dieser Hinsicht dieser kurze Artikel also auch „Wie ich ein Stück von mir nach Pierre Boulez hörte“ heißen. Statt Kenzo-Jäckchen oder Loden-Janker gibt´s bei mir mehr etwas wie aus der Grabbelkiste bei Woolworth.

Im Gegensatz zu seiner überall hervor strotzenden Selbstgefälligkeit, die Strauss auch selbst als „bourgeois“ bezeichnet hat, geht es mir in der Kunst um Notwendigkeit, Entbehrung, Armseligkeit und Ehrlichkeit. Jeden dieser Begriffe hätte der Münchner Großmeister indigniert zurückgewiesen. Und es geht mir auch immer um  Zuspitzung einer Aussage, um Konzentration auf das Wesentliche.

Ich meine, sie haben ihn ja irgendwo alle bewundert: Anton von Webern, Alban Berg, auch Debussy und Schönberg, vielleicht sogar Ravel. Trotzdem haben sie ihre so viel präziseren Gegenwelten aufgerichtet. Denen aber allesamt die Nervenschwäche eingeschrieben ist, die Nervosität, die sogenannte Überreizheit der Moderne, die nach konservativem oder sollte ich sagen halbfaschistischem Weltbild überall  fehlende Kraft, Rundheit und Monumentalität.

„Spielen´s  g´sund!“ war ein anderer Ausspruch meines bayrischen Cellolehrers, immer wenn es bei mir brüchig, zitterig oder huschig wurde. Seine Vorstellung eines schönen Tons war tief im Barock verwurzelt.  Anders als Richard Strauss war er kein Bourgeois, sondern musste als einfacher Fusssoldat im zweiten Weltkrieg in viele Abgründe blicken, aus denen er sich nach dem Krieg mit einem verbissenen Selbstübeprogramm am Cello allein heraus kämpfte.

Das Strauss-Anwesen, ich war mal dort, liegt immer noch am Rande von Garmisch-Partenkirchen, wo die Straßen in Wanderwege auf die Berge übergehen. Es ist immer noch perfekt gepflegt. Mehrere Gärtner müssen da am Werke sein und ein ganzer Fuhrpark an Hilfsmaschinen. Von einem Garten sollte man da nur im Sinne von einem Park sprechen. Das hochherrschaftliche Haus geht in seiner Größe an den Rand dessen, was man noch Haus nennt – ist es bereits eine Burg oder eine Festung? Es erstrahlt in glänzendem Weiß, als hätte es außen eine weiße Weste angezogen. Lieber Trotz, leg dich schlafen , da kommst du nicht gegen an.

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