Der Synthesizer der aus der Kälte kam

Ihr alle kennt den Moog-Synthesizer, das Theremin, das Onde Martenot oder das Mixtur-Trautonium. Aber wer kennt das Subharchord?

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Dieses merkwürdige Instrument, dessen eigener Charme  durch die erzeugten „Subharmonien“ zustande kommt ist vor allem aus einem Grund nicht bekannt: es entstand nämlich in der ehemaligen DDR. Dort war man zwar sehr wohl an elektronischer Klangforschung interessiert und erzielte hierbei auch einige große Erfolge, aber letztlich war die Szene der elektronischen Musik in der DDR zu isoliert, um international Anschluss oder gar Beachtung zu finden.

Daher sahnte letztlich Robert Moog den großen Erfolg ab, als er den vorher schon von Morton Subotnick und Don Buchla entwickelten analogen Synthesizer weiterentwickelte in die populäre Musik brachte, zum genau richtigen Zeitpunkt. Keith Emerson spielte das erste Moog-Solo der Rock-Musik in der Hit-Single „Lucky Man“ von Emerson, Lake & Palmer (bis zu seinem zu frühen Tod behauptete Emerson stets, er hätte nur ein bisschen auf der Maschine „rumgenudelt“ und hätte gar nicht gewusst, dass das aufgenommen und verwendet werden würde). Schon zwei Jahre vorher hatte es allerdings die erfolgreiche Platte „Switched-on-Bach“ gegeben, die damals noch Walter Carlos Weltruhm brachte (später hieß er Wendy Carlos und schrieb Filmmusiken für Stanley Kubrick).

Vom Moog-Synthesizer ausgehend, zog die analoge und später digitale elektronische Klangerzeugung den Siegeszug um die Welt an, wobei spätestens seit der Digitalisierung die analogen Geräte auf der Strecke blieben.

Das Subharchord hätte das Zeug dazu gehabt, ebenfalls diesen Trend anzustoßen, denn es war ein wahres Wunderding, das für unterschiedlichste Verwendungen konzipiert worden war. So sollte es sowohl „Unterhaltungsmusik“ als auch „anspruchsvolle Musik“ produzieren können, zudem auch experimentelle Musik ermöglichen, an deren bedingungslosen Siegeszug (inklusive der imaginierten kompletten Verdrängung akustischer Instrumente) man in den 60er Jahren auf jeden Fall glaubte.

Der Titel dieses Artikels ist natürlich falsch: streng genommen ist das Subharchord eben kein Synthesizer, sondern eine Art Mischung aus Orgel und Trautonium. Einige Staatsgelder flossen in seine Entwicklung, und es war eine geniale Ingenieursleistung eines Teams um Ernst Schreiber, das den Bau ermöglichte. Gerade die enge Bindung an das Fördersystem der DDR verhinderte aber dann auch die kapitalistische Vermarktung des Instrumentes, das durchaus das Zeug dazu gehabt hätte, so populär wie der Synthesizer zu werden.

Der Berliner Klangkünstler Manfred Miersch begann im Jahr 2000 mit der Recherche nach subharmonischen elektronischen Instrumenten und stieß dabei auf das schon vergessene DDR-Instrument. 2003 entdeckte er gleich zwei Subharchords, die vergessen herumstanden, eines im Funkhaus in der Napalstraße und das andere in der Akademie der Künste (Berlin). Seitdem ist das Instrument wieder auf der Landkarte der elektronischen Musik aufgetaucht – viele Komponisten schwören auf die besonderen Fähigkeiten dieses besonderen Instrumentes, dessen Klang ein wenig an 8-Bit-Musik früherer Computerspiele erinnert.

In diesem Video wird die Geschichte zusammengefasst:

Ein schönes Beispiel für die zeitgenössische vielseitige Verwendung des Subharchords ist die Filmmusik des Science-Fiction-Films „Signale“ aus dem Jahr 1970.

Und hier eine Art Demo-Reel der Möglichkeiten des Subharchords (mit einer hübschen Erzählerstimme, die alles erklärt):

Wurde das Subharchord zu Unrecht vergessen? Ähnlich wie bei den anderen Instrumenten aus der Anfangszeit der elektronischen Musik fasziniert heute der Zauber, der von den unschuldigen Anfängen ausgeht, als noch nicht alles mit dem Handy gesampelt werden konnte (die Vielfalt der digitalen Welt ist oft nur eine scheinbare Vielfalt).

Eines hatte das Subharchord auf jeden Fall: Charakter. Und das ist selten heutzutage.

Moritz Eggert

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