wettbewerb? – workshop!

Was mir beim Lesen des letzten Eintrags von Alexander noch einmal aufgefallen ist. Die Theaterleute spinnen ja. Die schreiben da oft Wettbewerbe aus und dergleichen, suchen junge Komponisten fürs Musiktheater und die jungen Komponisten wollen auch alle fürs Musiktheater schreiben, weil sie wissen, „abopern oder sterben“, denn klar, was ist noch so ungefähr das einzige, wo man noch ne rezension erhoffen darf? was ist noch so ungefähr das einzige, wo man hoffen darf, dass die chose mehr als zweimal läuft? eben. oper. musiktheater. multimediakunst. you name it.

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aber warum soll man eigentlich oper machen. und wenn ja, wie? was für eigengesetzlichkeiten hat eine bühne? oder, wenn keine bühne, eine szenische musik? wie lässt sich heute noch etwas erzählen? und: wie tickt eigentlich ein sänger? und wie ein regisseur? welches unausgeschöpfte potential schlummert noch im leeren raum, der vom singenden menschen bevölkert wird? und zu wem singt der eigentlich? zu sich? zu seinem gegenüber? zum publikum? ans universum?

fragen gibt es viele. erstmals machen die internationalen ferienkurse sie zum thema. ich bin auch mit von der partie. und darum freue ich mich, wenn sich viele von euch melden. die einreichfrist endet am 1. dezember. also haut rein.

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Musikjournalist, Dramaturg

3 Antworten

  1. Kreidler sagt:

    Auch wenn ich an dem Projekt nicht teilnehme, möchte ich doch eine kritisch-konstruktive Bemerkung hier äußern (dem ging eine Austausch auf Twitter mit @ptrickhahn voraus), da mir als Autor von „Institutionen komponieren“ einfach daran liegt, dass sich manche (m.E.) Mißstände in dieser Hinsicht ändern:

    Die Ausschreibung richtet sich an junge Komponisten und es geht um die Frage nach „zeitgenössischer“ Oper. In der Ausschreibung heißt es dann: „Die Szene, an der im Rahmen der Ferienkurse gearbeitet werden kann, sollte keine Live-Elektronik oder Video enthalten“.
    Nicht dass ich es für zwingend halte, dass diese Mittel heute in der Oper vorkommen müssen – aber zumindest die Möglichkeit, sie einzusetzen, das dürfte eine Institution doch bereitstellen, im Jahr 2014. Castorf setzt bei Wagner Video ein, Mitchell Video bei Nono, Pollesch sampelt Popmusik in seine Diskurse rein, von all den Performern in der Volksbühne, im HAU, in den Sophiensälen, im Mousonturm oder auf Kampnagel und viele weitere kleinere Off-Bühnen zu schweigen. Klar ist hier keine 64Kanal-Ircam-Technik möglich, aber eine Anlage und ein Beamer und vielleicht auch ein paar Mikros, die man an seinen Laptop anschließen kann, vielleicht auch noch ein Techniker dazu, das erscheint mir im Jahr 2014 nicht zu viel verlangt und vielleicht doch Teil des technischen Repertoires von „Zeitgenössischer Oper“. Institutionen sollten den Rahmen für innovative Ansätze bieten, darüber muss man dann auch immer wieder neu überlegen, was heute den Rahmen für Innovation ausmacht.

    Auf Twitter hat Patrick erklärt, dass man sich mit dem Setup an den Möglichkeiten der Orangerie in Darmstadt nach dem Zweiten Weltkrieg orientiert, als das die Spielstätte des Landestheaters war. (Der Workshop findet aber gar nicht in dem Orangerie, sondern im „West Side Theatre“ statt!) Was ist das für eine „Idee“, zeitgenössische Oper medial rückzubinden an die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg? Warum nicht gleich nach dem Krieg 1871? Gibt es irgendeinen junger Künstler, der sich auch für just dieses Setting entscheiden würde heute, so aus expressivem inneren Drang heraus? Ich fände wünschenswert, wenn sich Institutionen bei ihren Vorgaben diese Frage stellen würden.

    Herzlich
    Johannes

  2. hannes seidl sagt:

    Da muss ich Johannes Recht geben. Das ein Workshop, der neues im Bereich des Musiktheaters finden will, elektronische Medien ausschließen will, ist schon schräg. Nicht, weil man nicht begrenzen können soll, sondern weil nach hinten geschaut wird. Musiktheater ist doch eine Kombination verschiedener Medien, einige davon willkürlich auszuschließen, macht keinen Sinn. Dann doch lieber gleich andersrum vorgehen und sagen: Text, Gesang und Handlung sind grundsätzlich nicht vorgesehen und bedürfen einer besonderen Begründung.

  3. Hans Thomalla sagt:

    Thomas Schäfer, Patrick Hahn und ich haben diese Frage im Vorfeld lange diskutiert. Hier ein paar Überlegungen, die ich in einer email heute früh an Johannes geschickt hatte.

    Im Gegensatz zu Patrick, interessiert mich der historische Anknüpfungspunkt nicht so sehr. Die Begrenzung hat für mich einen pragmatischen Grund und einen ästhetisch-pädagogischen.

    Die Ferienkurse sind ja auch immer noch „Kurse“, nicht nur Festival/Konferenz. D.h. es geht darum, etwas zu lernen. Ich habe in den Jahren, die ich Schauspielmusik gemacht habe, als Dramaturg an der Oper Stuttgart war, in vielen Einzelstunden hier in Chicago und in Darmstadt (wo mir Studenten Opernprojekte gezeigt haben) und als ich selber Oper/Musiktheater komponiert und mitproduziert habe, die Erfahrung gemacht, dass die grösste Herausforderung und Schwierigkeit für jüngere Komponisten in der Arbeit mit Sängern oder Darstellern liegt. (Und ich will mit der Beschreibung meiner „Karriere“ im Metier keine Pseudo-Autorität in die Diskussion bringen – es geht nur um meine Erfahrung, und in einem so „flüssigen“ Metier muss ich mich, anders als etwas in Mathematik-Kursen, auf meine eigene Erfahrung verlassen). Für Stimme im Zusammenhang mit Instrumenten auf der Theaterbühne zu schreiben, ist in meiner Beobachtung die zentrale Schwierigkeit im Musiktheater, und zugleich noch immer interessant, i.e. wichtig, bedeutsam. In meiner Erfahrung gibt es dann oft die Ausweichbewegung in komplexe Instrumentalmusik (mit obligaten Stimmen), oder in applizierte Technologie – und damit meine ich weiss Gott nicht die spannende Kunst mit neuen Medien von Hannes Seidl, Dir, Stefan Prins etc., – diese sind für mich eine ganz anderes „Genre“, Performance Art.
    Es geht um Versuche von Oper, die der radikalen Auseinandersetzung mit dem Sänger/Darsteller aus dem Wege gehen – Instrumentalstücke mit etwas Stimme, oder Konzertstücke, in denen Videos oder Klangaufnahmen die Konkretion übernehmen sollen, für die mit den Live-Darstellern keine Lösung gewagt wurde.

    Einige der spannendsten Entwürfe der zeitgenössichen Oper finden in meiner Meinung eine individuelle Lösung für diese Herausforderung ohne Video oder Live-elektronik (zumindest nicht im Vordergrund): Lachenmanns Mädchen, Czernowins Pnima, einige Stücke Sciarrinos etc.

    Dass es daneben ein unglaublich fruchtbares Feld der multimedialen „Performance Art“, oder auch des Musiktheaters mit Video und anderen Medien gibt, ist völlig unbestritten – nur geht es darum nicht bei unserem Workshop.

    Und damit kommen wir zum 2. Punkt – der Pragmatik: wir können mit so einem kleinen Projekt nicht alle zeitgenössischen Theaterkünste ansprechen. Ich hätte gerne auch eine grössere Bühne, ein Orchester, einen Bühnen- und Kostüm Etat mit dem man „Achtitektur“ machen kann, 8 Lautsprecher, 3 Sound-Engineers, mit denen an schnell zwischen verschiedenen Elektronik-Setups wechseln kann, HD-Projektion etc. – haben wir alles nicht, daher fokussieren wir uns auf den Bereich, den ich künstlerisch und pädagogisch wichtig finde, und zugleich in dem Kontext machbar.
    Wenn man mir irgendwann ein Max Plank Institut für neues Musiktheater gibt, bekommen ich hoffentlich all das andere auch, und dann können wir auch andere Medien integrieren. Oder ganz pragmatisch: Vielleicht macht Thomas Schäfer ja nächstes mal ein Workshop Angebot nur mit neuen Medien (und spart das Geld fürs Ensemble).
    Also: „verantwortlich“ waren wir alle drei, Patrick, Thomas, und ich, und ich hoffe, meine Ausführung erklärt auch, warum wir uns dafür entschieden haben. Sowas ist natürlich immer ein Experiment – wenn wir nur Stücke eingereicht bekommen, in denen der Tenor „Oh, was ist geschehen?“ singt, und die Flöte im Tritonus höher antwortet, ist das natürlich furchtbar. Aber warten wir es ab …
    Viele Grüsse,
    Hans