furchtlos weiter 7 – duefte, zeichen
„leute, heut gibts was zu schnueffeln.“ lecker weihrauch
nun, ich bin euch einiges schuldig geblieben bislang. wir befinden und schon am zweiten tag des kölner stockhausenmarathons. der sonntag aus licht besteht aus sieben szenen, die an zwei tagen aufgeführt werden. am ersten abend haben wir drei davon hinter uns gebracht. die kölner oper auf reisen hat für diese produktion im staatenhaus, einem messegebäude aus den 1920er jahren am rechtsrheinisch gelegenen rheinpark ihre zelte aufgeschlagen. zwei spielorte hat man in den hallen geschaffen. einen kreisrunden, das weibliche verkörpernden raum, sowie einen rechteckigen raum. der erste integriert den zuschauer bislang in die szenische aktion, der zweite funktioniert in der herkömmlichen frontalsituation.
der erste teil, lichter-wasser, handelt im wesentlichen von eva und michael, den beiden hauptprotagonisten des lichtzyklus, neben dem teuflischen luzifer. der sonntag ist ihr tag, er schildert ihre mystische vereinigung. lichter-wasser ist der am größten besetzte teil, den es in den bisherigen drei szenen zu hören gab. ein orchester befindet sich im raum verteilt. michael wird vom typischen la fura-kran durch die gegend gehievt. eva hat einen prunkwagen zur verfügung, der von ein paar damen manövriert wird. als zuschauer liegt man zwischen den musikern bequem in liegestühlen, auf die mitte des raumes orientiert, wo der lange arm eines satelliten sich im kreis dreht – es könnte auch ein uhrzeiger sein. die ganze anordnung erinnert an ein planetarium, und jupiter und all die anderen himmelsgenossen werden auch an die wand projiziert, gekrönt durch den herzförmigen planeten micheva, wo michael und eva wohl endgültig zueinander finden.
hanna palimina, die sängerin der eva ist phänomenal. spitzensport, den sie da mühelos bewältigt. und das, obwohl sie wie alle anderen eine von diesen weissen einmannsaunas tragen muss, vollplastikanzüge bis zum hals mit grünen oder blauen schläuchlein auf dem rücken, als wären die orakel aus minority report aus ihrer nährlösung ausgebüchst.
teil zwei – die engels-prozession – wird von chorgruppen bestritten, die gewandet in bunt bedruckte tücher mit merkwürdig kubistisch gebrochenen lämpchen auf dem rücken in allen möglichen sprachen das lob gottes verkünden. bedruckt sind die tücher, die in ihrer farbigkeit an werder bremen, borussia dortmund, schalke oder den 1. fc köln erinnern mit den worten: karlheinz stockhausen. sonntag aus licht. und sehen aus als wollte eine skatmannschaft den preis für das beste gruppenkostüm beim vereinskarneval gewinnen. wenn sie singen, knipsen sie das lichtlein an und james wood saust wie ein wild gewordener ben hur auf seinem rollwägelchen mit leuchtarmbändchen zwischen den gruppen hin und her.
der inszenatorische tiefpunkt anschließend bei der ersten frontalsituation: licht-bilder. wiederum vier sensationelle solisten mühten sich – nein, sie mühten sich nicht mehr, dazu konnten sie es bereits zu gut, sie performten ihre sackschwere musik und dazu wurden ziemlich sinnfrei im mickeymousing-verfahren 3D-bilder projiziert, die einer swarovski-werbung entstammen könnten.
sehr ärgerlich. gerade nun, wiederum frontal: düfte-zeichen. weihrachschwenker wandeln durch den saal, höllenknechte entfachen feuerzeichen, die elemente geraten in bewegung: wind, wasser, erde, feuer. großer jubel, stehende ovationen: kürten und darum auch köln ist glücklich mit diesem teil, der wiederum kammermusik vom feinsten ist. Ein riesen-recitativo accmopagnato, begleitet nur vom synthesizer. Und hier kommt es auch zum ersten mal zu so etwas wie einer begegnung zwischen zwei menschen: ein knabe, der sich als michael zu erkennen gibt „ein musicus bin ich!“ trifft die himmelsmama. („himmelsmama, himmelsmama, himmelsmama“).
anschließend reitet er auf einem fliegenden rappen davon. ja, so hatte man sich das gedacht, wenn die durch straßentheater und auch multimedia gleichermaßen geschulte theatermaschinerie von la fura del baus sich stockhausens opus magnum bemächtigt. später mehr.
Musikjournalist, Dramaturg