glänzendes erwachen
als inzwischen erprobter KLANG-Hörer gibt es gewisse dinge, auf die man wartet: den moment beispielsweise, wenn die musiker sich mit ihrer kreiselnden figur zu drehen beginnen. ein sicheres zeichen, dass der erlösende dur-akkord naht. man ist gespannt, in welcher formulierung die musiker diesmal das lob gottes aussprechen. und man fragt sich, was man sonst noch so wieder erkennt.
aber halt: in glanz ist vieles anders.
ein pyramidales, grünleuchtendes gebilde – beinahe hätte ich gesagt: die spitze des eisbergs – steht auf der bühne und strahlt fagott, bratsche und klarinette an. eine aparte besetzung, die im laufe des stücks von einer oboe, einer trompete und einer posaune heimgesucht wird. eine tuba schleicht sich auch einmal durchs KLANGbild. von diesen „dramatischen“ kontaktaufnahmen abgesehen erweitert die trio-komposition das spektrum des zyklus nicht sonderlich – mit der ausnahme, dass man hier natürlich zahlreiche musiker, die man tagsüber schon andernorts gehört hat, wieder hört, anders hört und begeistert ist über die vielzahl von tollen interpreten, die auf einladung der musikFabrik in die stadt gekommen sind um gemeinsam mit den ensemblemitgliedern diesen marathon zu gestalten. darunter sind musiker des ensemble recherche, ein fantastischer solist wie marcus weiss und zahlreiche junge musiker, die man in zukunft sicher regelmäßig an exponierter stelle hören wird, wie bspw. der klarinettist richard haynes. (der hier stellvertretend genannt sei, die vollständige liste der mitwirkenden findet man auf den seiten der musikTriennale.
einen würdigen abschluss dieses KLANG-Tages bildete – für den autor dieser zeilen – das ERWACHEN in St. Andreas, der Kirche neben dem Bahnhof mit den neuen Lüpertz-Fenstern. ERWACHEN beruht auf der aparten Kombination von Violoncello, Trompete und Sopransaxophon, die als eines der wenigen Trio-Stücke in meinen ohren eine größere eigenständigkeit gewann: hier kam alles zusammen, was den späten stockhausen offenbar ausmacht. ein wunsch nach einfachheit, klarheit, eine sehnsucht nach linien, melodien, ein raffiniertes wissen um klangfarben – und ein glaube. wie schon bei nebadion in der christuskirche mit dem der klangtang für mich begonnen hat, scheint der sakrale raum für diese musik doch der richtige rahmen zu sein. nicht bloß, weil die trillerfiguren hier so schön zu schweben beginnen. sondern weil es hier villeicht weniger deplatziert wirkt, wenn musiker ihren kommunikativen akt mit einem „deo gratias“ garnieren. auch bach schrieb dies ans ende seiner partituren. sagen musste das niemand. und fordert diese formel nicht auch eine haltung gegenüber der musik, von der wir froh sind, dass wir sie losgeworden sind? wer dankbar gegenüber einem gott ist, muss nicht an jemanden glauben, der sich selbst als „kleinen assistenten des größten komponisten“ begreift. vielleicht genießt er dann den dur-akkord am ende um so mehr. FREUDE, HAVONA, ORVONTON und PARADIES warten noch auf ihn.
Morgen ab 12 Uhr noch einmal KLANG im Rahmen der musikTriennale Köln.
Musikjournalist, Dramaturg