Beobachtungen eines erfolgreichen Orchideenzüchters

Zu behaupten, ich hätte einen grünen Daumen, wäre gelogen. Im Gegenteil. So sehr ich mich am satten Grün eines Farns, der drallen Fleischigkeit einer Sukkulente oder der exuberanten Blüte eines Hibiskus erfreuen kann, so ist diese meist bloß von kurzer Dauer, denn selten gelingt es mir, die richtige Dosierung von Wasser, Ansprache und Licht zu finden. Und so geschieht es regelmäßig, dass ein morgendlicher Blick auf die Fensterbank erste Anzeichen des Verfalls offenbart, den aufzuhalten ich nicht in der Lage sein werde. Mit wachsender Melancholie bleibt nichts, als den weiteren Verfall zu beobachten und irgendwann die organischen Reste in die Hände meiner Nachbarin zu geben, die sicherlich hervorragenden Humus aus meiner misslungenen Fensterbankbotanik gewinnen wird und die Geranien und Tomaten auf ihrem Schwarzwaldmädl-Balkon noch ein bisschen besser zum Blühen und Reifen bringen wird.

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Triebe, Knospen, Blüten

Vor einigen Monaten erhielt ich eine Orchidee geschenkt. Es war, so glaube ich noch immer, die erste Orchidee, die meiner Obhut anvertraut wurde. Sie stand in voller Blüte und war so schön, dass die Melancholie mich bereits bei diesem Anblick befiel, ahnend, dass auch diese exotische Pracht in nicht allzu ferner Zukunft meine Pflegeversuche mit Welken beantworten würde. Länger als gedacht begrüßten mich die weit aufgerissenen Mäuler der Orchidee, bevor, während ich sie ansah, die erste Blüte ausließ und sich ungebremst aufs Parkett fallen ließ. Nach und nach folgten ihr die Übrigen. Kahl staken zwei Lithophytenstengel aus dem Übertopf. Ein Jammer.

Noch eine ganze Weile lang gab ich meiner Zimmerorchidee Wasser. Ich hoffte, Sie würde sich durch meine Fürsorge zu neuem Leben verleiten lassen, doch sie zeigte keine Reaktion. Irgendwann hörte ich auf, sie zu gießen. Trotzdem brachte ich es nicht übers Herz, sie auf das Kompostgrab meiner Nachbarin zu betten. Nackt stand sie da. Und ich versuchte, sie zu vergessen.

Vor einigen Wochen bemerkte ich dann einige neue Triebe, just an der Stelle, an der ein ungeschickter Fensteröffnungsversuch einen kleinen Riss im Chlorophyll hinterlassen hatte. Ohne mein Zutun, ganz aus sich selbst, begann meine verlorene Orchidee wieder zu sprießen.

Zuchterfolg

Zuchterfolg

Inzwischen haben zwei Blüten ihre Labelli wieder wollüstig geschürzt und verströmen auf meiner Fensterbank ihre Aura von Unnahbarkeit und Fremde, von augenblicklicher Schönheit und kommendem Verderben. Zum ersten Mal habe ich Erfolg. Als Orchideenzüchter. Man darf sich nicht um sie kümmern.

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Musikjournalist, Dramaturg

Eine Antwort

  1. t00nfish sagt:

    very cool, vielleicht funktioniert das auch mit seltnen zuchtfischen ^^