endlich frei! – das sommerloch

endlich schreibt mal jemand drüber: das ard-radiofestival steht vor der tür. das heißt, endlich mal so richtig pause für alle menschen, die sich in deutschlands öffentlich-rechtlichem rundfunk den literarischen oder musikalischen bezirken jenseits von klassik, romantik und arrivierter moderne widmen.

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endlich keine neue musik mehr im radio! juchhu! endlich stört nichts mehr die lauen sommernächte! und die stimme von gert westphal wird sich bestimmt wunderbar mit dem gläserklirren aus dem nahegelegenen biergarten mischen. und dann weiss man wenigstens zu unterscheiden was jetzt draussen und was drinnen war und überhaupt wird alles besser so, hoffentlich machen die bald das sommerloch ein bisschen grösser, dann haben wir alle endlich, endlich richtig frei.

Hier der Artikel aus der faz von heute, 24. Juni 2009. Leider bin ich nicht der Ansicht, dass der gute Herr Deutschmann, der hier schreibt, die Ausmaße richtig einzuschätzen weiss. Aber vielleicht hört der ja auch lieber Archiv-Jazz. So wie wir alle, alle, alle. Endlich vereint. Im Sommerloch.

Ein Programm für alle
Im Sommer treten fast alle ARD-Kulturradios kürzer

Dem Kulturradio in Deutschland geht es gut. Zehn Wellen senden rund um die Uhr: Wort- und Musikbeiträge, Hörspiele, Features, Lesungen, Essays, Konzerte, Neues aus Kunst und Politik. Man lässt es sich etwas kosten, gibt sich Mühe in kompetenten, gutbesetzten Redaktionen und Studios, wo gedacht, gearbeitet und gefeilt wird. Auch belebt die Konkurrenz im Zeichen des Föderalismus das Geschäft. Handschriften und Anmutungen werden entwickelt, durch die sich der eine Sender vom anderen abhebt, Manuskripte angekauft, bevor sie einem der andere wegschnappt. Vielfalt blüht, vom Plaudertaschen- und Häppchenprogramm bis zu den tiefschürfenden Wortstrecken und den Klangexperimenten. Kein Land in der Welt macht es in dieser Hinsicht den Deutschen nach.

Nun gibt es auch hier einen Sommer, in dem weniger gearbeitet und gehört wird. Doch während Theater und Konzertveranstalter pausieren, muss das Radio weiter senden. Bereits seit langem hat man sich da beholfen. Mit Wiederholungen, Retrospektiven und einer allabendlichen Festspielwelle der Konzert- und Opernübertragungen, die seit vielen Jahren von einigen Sendern gemeinsam betrieben wird und aus deren Programmen nicht mehr wegzudenken ist. Dies nun brachte die ARD auf die Idee, mit einem „ARD-Radiofestival“ deutschlandweit die Abendprogramme einen Sommer lang unter gemeinsame (vom MDR koordinierte) Regie zu stellen. So werden alle Kulturradiohörer vom 12. Juli an abends das Gleiche hören: von Beethovens Neunter als Auftakt des Schleswig-Holstein Musik Festivals bis zur beschließenden Londoner „Last Night of the Proms“ am 12. September. Alles fast wie gehabt, nur dass jetzt auch der Rest gemeinsam betrieben wird. So liest allüberall Gert Westphal 61 Abende lang die „Buddenbrooks“, gefolgt von einer halben Stunde Jazz, einer weiteren halben Stunde der Rückgriffe auf die Radioarchive, die unter dem Titel „Echtzeit“ sechzig Jahre Deutschland Revue passieren lassen, und schließlich den Gedichtlesungen des „Hör-Conrady“, die sich als ARD-Gemeinschaftsproduktion längst etabliert haben.

Befürchtungen, hier öffne sich ein Schleichweg zum Abbau föderaler Radio-Vielfalt, begegnet der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission, Bernd Hermann, wenn er sich zu „starken Landesrundfunkanstalten“ bekennt, die kooperieren sollten, „wo sie nicht regional aufgehängt sind“. Und er ließ wissen: „Wir sind keinesfalls auf dem Weg zu einem bundesweiten Kulturprogramm, sondern bleiben regional verwurzelte Rundfunkanstalten, die gelegentlich gemeinsame Akzente setzen.“ Das beruhigt, und in der Tat haben nicht nur die Festspielwelle, sondern auch Produktionen wie der „Radio-Tatort“ gezeigt, wie fruchtbar Kooperationen sein können. Und wenn so bewährte Leute wie Dorothee Meyer-Kahrweg (HR) oder Walter Filz (SWR) nicht nur in ihren eigenen Sendern, sondern ARD-weit auspacken dürfen, was sie auf ihren Reisen durch die Radioarchive der Nachkriegszeit finden, dürfte das jeden Radioliebhaber froh stimmen.

Wenn aber der Bayerische Rundfunk einen Sonderweg findet, die Wortstrecken des „ARD-Radiofestivals“ in seinem wenig gehörten Digitalradio „Bayern 2 plus“ unterbringt und das Hauptprogramm Bayern 2 weiter mit eigenen Programmen bestückt, deutet schon das darauf hin, dass die Freude über ein zentral gelenktes ARD-Sommerradio nicht überall geteilt wird. Allein beim worthaltigen SWR 2 entfallen in dieser Zeit zwanzig Sendungen, darunter fünf Hörspielproduktionen, während man etwa beim RBB, dessen Kulturradio zu Sommerzeiten schon immer mit Wiederholungen operierte, keinen großen Vorteil in einer kostensparenden Gemeinschaftsaktion à la „ARD-Radiofestival“ sieht. Dass die „Buddenbrooks“Lesung, die aus dem Jahr 1980 stammt, der Rubrik „spannende Wortsendungen“ zugeteilt wird, zeugt zudem von wenig programmatischem Geschick. Man darf neugierig sein auf das Neuland, das mit dem „ARD-Radiofestival“ betreten wird. Föderalismus und Kulturvielfalt geraten hier sicherlich nicht in Gefahr. Gespart werden – das zeigen die sommerlichen Retrospektiven, wie sie einige Sender in der Vergangenheit ausstrahlten – kann auch intelligent. Doch den gedämpften Kräften des Sommers im Zusammenlegen von Ressourcen das Beste abzugewinnen, bleibt für die Radiomacher eine Herausforderung. CHRISTIAN DEUTSCHMANN

Text: F.A.Z., 24.06.2009, Nr. 143 / Seite 33

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Musikjournalist, Dramaturg

2 Antworten

  1. Gedanken hierzu hatte sich in der Juni-nmz auch Wolf Loeckle gemacht:
    http://www.nmz.de/artikel/zwischen-rundfunkfreiheit-und-quote

  2. peh sagt:

    danke! hatte ich noch nicht entdeckt.