Mario Barth, das Alter und der Tod: Bad-Blog-Of-Musick-Wochenrückblick KW 48
Da hat es aber mächtig gerumpelt in der Woche. Top-Aufreger war der unter Musikern nicht so sehr bekannte Zotenkauz Mario Barth, der bei RTL am Mittwoch in seiner Sendung „Barth deckt auf“ mit versteckter Kamera die Staatsoper Hannover aufsuchte. In seinem Beitrag soll er mehr oder minder deutlich die Tätigkeit dieser Institution, als Teil fürs Ganze, der Steuerverschwendung gebarthet haben. Das hat sogar den Deutschen Musikrat herausgefordert, dessen Generalsekretär, Christian Höppner sich nicht erfreut zeigte.
Der Unfall Mario Barth / Deutscher Musikrat
„Transparenz und das Aufzeigen von möglichen Missständen ist ein Treibstoff unserer Demokratie. Mario Barth hat mit seiner gestrigen Sendung zur Staatsoper Hannover genau das Gegenteil gezeigt. Anstatt auf den lausigen Zustand der Kulturellen Bildung und die bedrohte Kulturelle Vielfalt aufmerksam zu machen, befeuert er mit seinen dümmlichen Sprüchen, die jeder Sachkenntnis entbehren, eine vollkommen sinnfreie Neiddebatte. Quote hin, Quote her – dieser Kulturbanause tut dem Image von RTL nicht gut.“ [Quelle: nmz-online]
Christian Höppner, der zugleich auch Vorsitzender des Medienbeirats der RTL Gruppe ist (und Präsident des Deutschen Kulturrates) wäre jetzt in dieser Position gefragt. Die Quote ist ja bei dieser Sendung, die der Autor leider verpasst hat und die auch in keiner Mediathek oder sonstwo zugänglich ist, übrigens schon mal gefallen. Mehr zum Fall Barth beim Kollegen Alexander Strauch.
In Kommentaren streitet man sich dagegen, wo denn das Image von RTL tatsächlich gefährdet sei – denn dazu müsste man ja erst ein Gutes attestieren. Auf der anderen Seite wird gesagt, man solle die Sache nicht so hoch hängen und dem Barth auch noch ein Forum bieten. Man werte das Ganze damit nur sinnlos auf. Der Autor kann das einerseits nachvollziehen, der Vorwurf stammt ja aus der Logik der französischen Philosophie der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, wonach Kritik letztlich zur Bestätigung des Kritisierten diene. Freilich hätte man damit Kritik an Ihr Ende überhaupt gebracht.
Erinnert sei daher an ganz ähnliche Vorwürfe, die vor ein paar Jahren die Runde machten und für viel Wirbel sorgten. Ein Buch mit dem Titel „Der Kulturinfarkt“ ging durch die Gazetten. „Immer mehr Ausgaben für die Kultur! Dabei haben wir schon von allem viel zu viel und überall das Gleiche,“ las man da auf dem Klappentext. Gleichwohl zielte ihr Ansinnen, methodisch etwas durchtriebener, auf eine Stärkung der Kunst. Die nmz hatte 2012 das Thema auf der Musikmesse Frankfurt diskutiert, nmzMedia hatte das aufgezeichnet.
Womit wir nebenbei dabei sind, bei der nächsten Musikmesse wird die nmz nicht mehr in dieser Form dabei sein. Schade. Aber so viel kann man vielleicht verraten: Leipzigs Buchmesse lockt!
mmauvs: „Die Alten sind das Problem“
Der zweiter Aufreger steht mit der Barth-Sache in einem heimlichen Zusammenhang. Bei unseren Kollegen von Musik – mit allem und viel scharf hat sich Laura Wikert zu Wort gemeldet: Die Alten sind das Problem.
Darin beschreibt die Autorin ein Erlebnis mit ihrem Sitznachbarn beim Besuch einer Oper in einer ungenannten Stadt. Was ihr da widerfahren ist, kennen einige (vielleicht viele). Der Beitrag von Laura Wikert löste zahlreiche Reaktionen aus. Diskrimierung von „Alten“ in der Gesamtheit sei nicht statthaft, umgekehrt kenne man das auch … Der Text geht auf den Effekt und ist überspitzt, duch Überschrift, durch Hervorhebungen wie: „Nur weil euer Ticket teurer war, beinhaltet es keinerlei Narrenfreiheit.“
Es tönt ein bisschen wie auch bei Barth. Aber der Unterschied ist einer, der ums Ganze geht und natürlich die Frage nach sich zieht, kann und darf Kritik überhaupt noch sein, wenn ähnliche Formen in anderem Zusammenhang missbräuchlich genutzt werden können. Wäre Rücksichtnahme auf mögliche Wiedernutzungen nicht das Ende aller Kritik? Oder wie Jean Cocteau einmal gesagt hat über Takt in der Kühnheit, das wäre, zu wissen, wie weit man zu weit gehen darf.
Gisela May und Pauline Oliveros gestorben – Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Abschied von Gisela May. Mit 92 Jahren hat sie diese Welt verlassen. Sie wird vielen fehlen. Wir hatten sie einmal zur ersten Sendung von „++ contrapunkt ++ westöstlicher Dialog“ zu Gast. Übrigens eine Sendereihe, die wie „taktlos – das musikmagazin“, ebenfalls anscheinend nicht mehr vom Bayerischen Rundfunk weitergeführt wird.
Gisela May war in der ersten Sendung neben Peter Gülke und anderen in einer aufregenden Diskussion beteiligt. Interessant nicht zuletzt das Thema selbst in einer Zeit, wo sich die Politik darum bemühte, möglichst die „Mitte“ zu besetzen, wo es heute vor allem an den Rändern britzelt. Die komplette Sendung mit etwa 85 Minuten.
Und damit zum Punkt Leistungsschutzrecht für Presseverlage, wonach es nur gestattet sei, dann kostenfrei Informationen von so geschützten Webseiten auszulesen, wenn diese kurz genug sind. Das führt, wie man hier sehen kann, so irrwitzigen Ergebnissen.
Ebenso heißt es Abschiednehmen von der Komponistin und Akkordeonistin Pauline Oliveros, die hier mit ihrem Vortrag über den Unterschied zwischen „Hearing and Listening“ dokumentiert sein soll. Und in der Playlist auftaucht.
Vor 50 Jahren
erschien die erste Ausgabeder legendären Zeitschrift „Sounds“, was an mir damals ziemlich vorbei gegangen ist. Auch später eher. Vor allem der Start war von besonderer Art: Nämlich als Organ für Free Jazz.
„Zur Wahl des Namens Sounds wurde Blome durch eine Bemerkung des Jazz-Saxophonisten Albert Ayler angeregt, die denn auch als programmatisches Motto im ersten Heft zu lesen ist: »Our music is no longer about notes, it’s about sounds«. „
So steht es in der Wikipedia. Und da wird die gerade aktuelle nmz auf ihre Weise anschließen, wenn mal wieder die „N(n)eue Musik“ ins Begriffschlachtfeld geführt wird. Kürzlich hat sich erst Moritz Eggert im Bad Blog dieser Problematik gestellt. Demnächst also Claus-Steffen Mahnkopf, Harry Lehmann und Anna Schürmer in dem Schwerpunkt der nmz.
Die Playlist
seit 1997 chefökonom der kritischen masse und netzbabysitter der nmz.