Gar keine Frage, das war gestern Abend der beste Tatort aller Zeiten! Eigentlich kein Kompliment bei der Konkurrenz („Ich will Gegner, keine Opfer!“) und eigentlich erst recht kein tatsächlicher Tatort. Eher eine kongeniale Mischung aus Italo-Western, Tarantino, NCIS und Theater. Und als Sahnehäubchen untermalt das hr-Sinfonieorchester die Bilder mit extra angefertigten Einspielungen von klassischen Werken: surreal anmutend, augenzwinkernd und süffisant überspitzend.
https://www.youtube.com/watch?v=RQCN9g0gX6A
Und das keineswegs (nur) mit Kandidaten für Best of Klassik-Hits Vol. 17. Sondern mit sorgsam ausgewählten, stimmigen Perlen. Und die Flut an begeisterten Posts und Beiträgen in den Sozialen Netzwerken scheint den Erfolg dieses künstlerischen Gesamtexperiments zu bestätigen.
Was für ein #Tatort! Die tweets sprengen alle Dimensionen: http://t.co/IKyQ3ZNo5p pic.twitter.com/LCReNAXveU
— Tatorttweets (@tatortstats) October 12, 2014
Den Kulturauftrag als Prozess begreifen
Fest steht jetzt schon: Tatort, Theater und sinfonische Musik haben voneinander profitiert. Der Marketingcoup ist gelungen, die jeweiligen Marken konnten ihr Image entstauben und street credibility erzielen. Toll! Ich möchte die verdienterweise herrschende Euphorie nicht allzu sehr bremsen, daher stelle ich die Frage der Nachhaltigkeit nur sehr behutsam in den Raum. Wird diese Aktion eigentlich flankiert von Folgeprogrammen oder versandet der frische Schwung irgendwo zwischen Spielplankorsetten und Probenmarathons? Allein eine textliche Auflistung der Musiktitel scheint mir etwas mager in Sachen Serviceorientiertheit. Schaffen es die hr-Aufnahmen nochmals aus dem Archiv und als CD, LP oder Download zum nun angefixten Tatort-Publikum? Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk mehr zu bieten hat an Kulturvermittlung als scheinbar fette Brummer, die sich als Eintagsfliegen entpuppen wie zuvor schon das Dvorak-Experiment. Da fehlten die Jugendwellen fast vollständig und outeten sich dadurch als dritte Popwelle in den jeweiligen Landesrundfunkanstalten.
Musikvermittlung per Schneeballsystem!
Aber genug der Nörgelei, mir tut es ja fast schon leid. Ich will nicht warten, bis die Frage „Wie geht es weiter?“ beantwortet wird und habe daher als kleine Fleißaufgabe die 23 im Film erklungenen Werke in einer spotify-Playlist vereint. Seht es als mein kleines Scherflein zu einer kontinuierlichen Kulturvermittlung bei den Öffentlich-Rechtlichen. Bitte bedient euch: teilt diese Musik-Liste mit euren Freunden & Arbeitskollegen, wenn ihr euch das nächste Mal begeistert über die klasse Sonntagabendunterhaltung austauscht. Nutzt die entstandene Aufmerksamkeit für klassische Musik und befriedigt die Neugier der fast 10 Mio. Tatort-Zuschauer!
Zurück zum Film: Schlichtweg episch. Anders lässt sich der Tatort von gestern Abend nicht beschreiben. Und zum versöhnlichen Abschluss biete ich euch nun noch ein paar Bonmots vom Stakkato-Nachrichtendienst meines Vertrauens feil.
Wenn morgen in ganz Deutschland Theater-Abos reißenden Absatz finden werden, liegt das garantiert nicht am jeweiligen Spielplan. #Tatort
— Thomas Kohler (@Steinhoefel1) October 12, 2014
Ich hätte nie gedacht, dass Wagners Modell des Gesamtkunstwerks im #tatort vollendet würde. Drama Oper Western alles dabei
— Joan Bleicher (@JoanBleicher) October 12, 2014
Von wegen Theater funktioniert nicht im Fernsehen #Tatort
— Martina Frühwirth (@Fruehwirthfragt) October 12, 2014
Ihr denkt, ihr habt #Tatort geschaut? Falsch, ihr wart im Theater!Deswegen war es so toll. Das gibt es vielerorts jeden Abend, btw.
— Dieter Ebeling (@DieterEbeling) October 12, 2014
90 minuten vor der Glotze gesessen, keine Munute gelangweilt und den Vorsatz gefasst, mal wieder ins Theater zu gehen #tatort
— Heinz Nengelken (@HNengelken) October 12, 2014
Gibt es schon ein Reclam-Heftchen zu diesem #Tatort?
— neb68 (@neb68) October 12, 2014
13. Oktober 2014 um 23:56 Uhr
…maximaler Bullshit. Wirklich verletzend die Anfangs-Persiflage auf „Spiel mir das Lied vom Tod“. Das hatte damals und im Kontext noch ästhetischen, ja politisch-antikapitalistischen Sinn. Die Shakespeare- Möchtegern-Distanzierung vom superplatten Plot des „Schrottorts“ keine. Wohl ein Versuch, des Öffentlich-rechtlichen Fernsehens, irgendwie Kulturauftrag zu erfüllen. Jämmerlich. Abgenutzte Schauspieler-Fressen auf „Bulle von Tölz“-Niveau. Und das versammelte SPIEGEL-FAZ-BILD-Analphetismus-Schreiber-Korruptions-Potenzial lächelt glücklich…
14. Oktober 2014 um 3:29 Uhr
@theodissimus da ist aber jemand auf einem hohen Ross angefressen!
Schauspielerfressen? auf „Bulle von Tölz“-Niveau?
So diskreditierst Du Dich leider in erster Linie selbst.
14. Oktober 2014 um 18:55 Uhr
Den Händel vergessen! ;-)
14. Oktober 2014 um 18:57 Uhr
… sorry, hab ihn jetzt gefunden, räusper… Vielen Dank also für die Liste, tolle Arbeit!!!
14. Oktober 2014 um 19:14 Uhr
Hallo Alexandra,
freue mich sehr über Feedback. Daher danke sehr und schön, wenn ich behilflich sein konnte! :)