Nach Spiegel-Online und dem Chefkommentator der WELT hat sich nun auch der Aufklärungsjournalist der ZEIT Josef Joffe des Themas TTIP und Kultur unter dem Titel „Die TTIPhoben“ angenommen und einen Angriffsversuch gegen die Protestler gegen TTIP gestartet. Waren die ersten beiden Gegenworte nur entweder dämlich oder argumentativ irrwitzig, so wirkt dieser Beitrag von Joffe eher unseriös und gibt einem Anlass, darüber nachzudenken, wie derlei Argumentationsfolklore es in den Kopf des Autors und dann noch in die ZEITung schafft.

Reden ist Schweigen, Silber ist Gold

Auch durch die Wiederholung von schlechten Argumenten werden diese ja nicht besser. Joffe sagt: Die Kultur ist sicher, auch wenn sie es eigentlich nicht verdient habe. Und er begründet es damit, dass der Schutz der Unesco-Konvention zum Erhalt der kulturellen Vielfalt wie ein Bollwerk einer Verhandlung schlichtweg entgegenstehe.

„Gegen TTIP stünden zudem die Prätorianergarden der Unesco-Konventionen von 2005, die „ausdrücklich“ die Förderung des europäischen Filmes gewährleisteten.“ (Quelle)

Das hat schon vor Monaten der Rechtwissenschaftler Hans-Georg Dederer (der nichts gegen TTIP hat) beim Tag gegen TTIP als Illusion gedeutet. Dieses Abkommen ist von den USA nicht ratifiziert worden und für die USA nicht bindend. Ich wiederhole das, weil es ja noch so viele (wie Joffe auch) nicht begriffen haben. Dass die EU-Seite das Unesco-Abkommen hochhält ist zwar fein. Kann aber nicht beruhigen, denn auch sie muss das Abkommen nur „berücksichtigen“ – auch für sie ist es nicht bindend. Am Ende ist die Unesco-Konvention gegenüber den TTIP-Verhandlungen nachrangig – mindestens aus Sicht der USA und für die EU nur zu berücksichtigen. Darüber zu spekulieren, dass die USA das einfach akzeptieren, ist müßig – ich halte das für unwahrscheinlich, Herr Joffe weiß es sicher besser, weil das verfahren ja so transparent geführt wird. Joffe verschweigt uns diese völlig unwesentlichen Details natürlich. Würde ja nur beunruhigen.

Joffe kennt auch die wahren Feinde des Freihandels, er schreibt:

„Zölle sind kaum mehr Hindernisse; sie sinken seit Jahrzehnten. Die wahren Feinde des Freihandels sind die Verfügungen und Gesetze, die im Namen von Gesundheit, Umwelt oder heiligen nationalen Bräuchen den Nahrungsmittel- oder Buchhandel vor der globalen Konkurrenz schützen. Logisch, dass aus solchen gepflegten Reservaten das lauteste Geschrei gegen die Liberalisierung kommt.“ (Quelle)

Genau! Wozu diese ganzen Gesetze zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und Bräuchen – oder die Buchpreisbindung. Das sind olle Kamellen. Was brauchen wir so etwas, reine Bürokratiemonster. Sie sind im Weg. Und zwar, was Joffe auch nicht sagt, auf beiden Seiten des Atlantiks. VW hätte Null Probleme. Aber die USA sind uns da ein bisschen voraus. Da müssen wir hinterher. Schließlich, und darum geht dann der Rest seines Textes, zeige die fortschrittliche Entwicklung der „Kulturindustrie“ in den USA, was an der ZEIT sei.

Recht absurd wird Joffes Argumentationslinie, wenn er darauf hinweist, wie stark der Kulturbereich durch die globalen Märkte mit internationalem Material durchtränkt sei.

„Da kann kein Kulturbewahrer die Brücken hochziehen, um die Zöglinge von Juilliard oder der Royal Academy abzuwehren. Da heißt der Dirigent Simon Rattle, die Violinisten tragen Namen wie Almási, Avramovic, Carruzzo oder Machida. Und immer so weiter, von den Streichern zu den Bläsern, wo nicht die Herkunft zählt, sondern die gnadenlose Auslese auf einem globalen Markt. Gewiss doch, die Orchester sind hoch subventioniert. Entscheidend aber ist: Es gibt keine Abschottung vom weltweiten Wettbewerb um Talent und, horribile dictu, Marktanteile.“ (Quelle)

Haben wir nun Freihandel oder nicht

Ja wie denn nun: Haben wir schon den globalen Freihandel; wozu brauchen wir dann TTIP oder haben wir den doch nicht? Schotten wir uns nun ab, aber doch nicht. Was denn nun, Herr Joffe. Und dann mal „Butter bei die Fische“. TTIP wird immer so gerne als Bollwerk gegen die fernöstliche Gefahr gesehen. Nur wenn USA und Europa zusammenhalten, könne man der chinesischen Gefahr begegnen. Hallo?! Hier Freihandel, da Abschottung! Wo bleibt denn da der Ruf nach den globalen Märkten, die alles so schön für sich allein regeln könnten. So gesehen, sollte man doch konsequent genug sein und die Gefahr aus Fernost als Chance begreifen. Lang Lang ist Chinese, nicht Amerikaner. Der Zukunftsmarkt von VW liegt in China, nicht in den USA. Überhaupt, warum USA?

Oder ist es so simpel, dass Sie den Chinesen vorwerfen wollen, die machten eben nicht so tolle Fernsehserien wie die Amerikaner, nicht so tolle Popmusik wie die Amerikaner, keine iPhones, kein Spotify, etc.

Was ist eine audiovisuelle Dienstleistung?

Wie wenig Joffe tatsächlich in die Materie eingedrungen ist, zeigt sein Satz:

„Die „audiovisuellen Dienstleistungen“ wie Film und TV seien nicht „Teil des Verhandlungsmandats“.“ (Quelle)

Korrekt. AlleinJoffe unterschlägt dabei die schwierige und problematische Auslegung dessen, was „audiovisuelle Dienstleitungen“ denn sind. Denn ob der ganze Bereich, der audiovisuell über das Internet abgewickelt wird, dazuzählt, ist längst nicht geklärt. Den Amerikanern, denen ja das Internet nach ihrem Dafürhalten gehört, haben da eine andere Sicht auf die Dinge als diejenige, die Herr Joffe uns glauben machen will. Da hat der „Alarmist“ Olaf Zimmermann, den Joffe den Chef des Deutschen Kulturrats  nennt, vor einem Jahr (Mai 2014) darauf hingewiesen:

„Immer öfter ist von der amerikanischen Seite von der Änderung der UN-Handelsklassifikation zu hören, sollte speziell die Ausnahme für den audiovisuellen Sektor durch die EU aufrechterhalten bleiben. Gedroht wird damit, dass durch die Änderung der Handelsklassifikation aus audiovisuellen Medien Telekommunikationsdienstleistungen werden könnten. Die vereinbarte Ausnahme würde dann nicht mehr greifen und der audiovisuelle Sektor wäre von der Liberalisierung durch das TTIP voll erfasst.“ (Quelle)

Es ist schon irre, wie Joffe und zu beruhigen versucht. Da ist die Karawane vielleicht schon weitergereist und er erzählt noch die Mär von der Sicherheit der „ausdiovisuellen Dienstleistungen“. Warum, Herr Joffe, sagen Sie das nicht auch ihrem beunruhigten Leserinnenkreis?

Deshalb darf Joffe herumorakeln und die glückliche neue Welt ausmalen; so wie auch Politiker, die uns versichern wollen, wir könnten ja auf diesem Wege auch mal europäische Kultur- und Wertvorstellungen gegen die USA in Stellung bringen. Ja nee, ist klar. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und spätestens aber dann, wenn aus dem Geheimen etwas Öffentliches wird. Aber wozu die Geheimniskrämerei: Weil man uns mit einem tollen Geschenk überraschen will. Und eigentlich hat da Joffe schon viel zu viel ausgeplaudert sozusagen. Wohldosierte Beruhigungspillen eines Kenners wirft er in die Öffentlichkeit. Solche Täuschung, Herr Joffe, bringt es nicht.

Beruhigen können Sie nur mit Informationen, nicht mit Geschwafel. Aber eigentlich können das auch Sie nicht, sondern nur die Texte der ausgehandelten Verträge. Solange die nicht bekannt sind, wird man doch wohl noch beunruhigt sein dürfen. Ihr Text trägt ob seiner Argumentationsschwäche und Faktenunsicherheit leider nur dazu bei, die Angst vor den Verhandlungsergebnissen bei TTIP zu erhöhen.

Joffes Pille wird geschluckt.

Aber nicht von allen:

Da darf man Olaf Zimmermann zustimmen. Im Nachhinein wird sich herausstellen, dass man den Text von Joffe als Polemik zu verschlagworten hat. Und damit als journalistische Nebelkerze. Leider trägt er wohl mehr zu Beunruhigung bei, als er wollte. Denn, angenommen, TTIP wäre für die Kultur eine supertolle Angelegenheit, so hätte Joffe mit der Wahl der falschen Argumente der Sache einen Bärendienst erwiesen. Vielleicht war das ja seine wirkliche Absicht, die man nur nicht so deutlich bemerken sollte. Also Ironie im besten Sinne. Vielleicht wäre das das Beste, was man von seinem Text sagen kann.