Wenn man Werbung betreibt, will man eigentlich auch, dass sie irgendwo ankommt; also sicht- oder hörbar ist, oder irgendwie sonst fühlbar. Ansonsten kann man es auch sein lassen. Nun haben die Opern in Berlin so eine Werbeaktion gestartet, die man kaum bemerkt. Fast hat es den Anschein, als ob den Auftraggebern, hier die Opernstiftung Berlin, die Sache ein bisschen peinlich ist. Denn diese Werbung versteckt sich. Was war, was ist los; beziehungsweise, was nicht?

Die Berliner Opernhäuser wollen auf sich aufmerksam machen. Gut. Aber sie wollen dies an anderen Orten machen wie zum Beispiel Frankfurt am Main, München oder Baden-Baden. Man will die dortigen Bewohner nach Berlin ziehen. Wie? Mit Plakaten. 300 davon sollen jetzt oder bald irgendwo in den Städten hängen.

Was haben die Plakate zum Inhalt: Sprüche von Berliner Prominenten, vorzugsweise nicht lebend, wie Harald Juhnke oder Hildegard Knef. „Ich brauch‘ Tapetenwechsel“ kann man da lesen, wenn man die Teile denn sehen würde. Das einzige Foto von so einem Plakat, was ich im Netz finden konnte, findet sich auf der Website von „Musik heute“, einem Online-Magazin unter dem Titel: „Berliner Opernhäuser starten bundesweite Plakataktion“. Bundesweit? Naja, wie oben erwähnt, auf 300 Tafeln irgendwo verteilt.

Verantwortlich für die Gestaltung ist die Agentur Boros, deren Chef „Musik heute“ so zitiert. Eigentümlich selbstkritisch fast:

„Eigentlich muss man für den Opernstandort Berlin gar nicht werben“, sagte Christian Boros von der beauftragten Agentur Boros. [Quelle: Musik heute]

Auf die naheliegende Reaktion: Dann lasst es halt und gebt das Geld denen, die es nötiger hätten. Man kann sich ohnehin fragen, ob es so sinnvoll ist, an anderen Städten für Berliner Opernhäuser mit Texten von Berliner Promis zu werben. Und Boros legitimiert die Aktion dann schlicht mit:

„Wir zeigen mit unserer Kampagne lediglich souverän und frech Selbstbewusstsein und Haltung.“ [Quelle: Musik heute]

Wer‘s glaubt. Die Agentur zeigt in jedem Fall, dass sie geschäftstüchtig ist. Denn laut „Musik heute“ ist das Ziel ein anderes:

Stiftungs-Generaldirektor Georg Vierthaler äußerte sich überzeugt davon, mit der Plakatkampagne „noch mehr Menschen für die Opernhauptstadt Berlin zu gewinnen“. [Quelle: Musik heute]

Das Schöne an solchen Aktionen ist ja, dass der Erfolg nur in bescheidenem Maße wirklich messbar ist. Wieviele Sichtkontakte führen dazu, dass jetzt jemand sich für einen Besuch eines Berliner Opernhauses interessiert? Wird schwer. Ist eben doch vor allem eine reine Imagekampagne, von der man gerne wüsste, was sie kostet. Gut, Geld ist ja nicht alles, man muss nicht immer mit Gegenrechnungen kommen. Einfach raus damit, es wird ja auch für anderes Geld herausgeschmissen, warum nicht für einen guten Zweck. Wir vom Sperrsitz der nmz würden das Geld auch gerne annehmen und dann gar nichts machen. Das scheint mir sogar noch besser, weil dann die Aktion garantiert sinnlos versickern wird.

Ergänzung: Man kann sich auch mal den wunderbaren Text der Werbeagentur Boros von deren Website vergnüglich betrachten, die sich als „radical-thinking and good-looking“ beschreibt.

„Geisteswissenschaftler entwickeln Vermittlungskonzepte und Trend-Formate.“

Das klingt nach universitärer Qualifikation. „Trend-Formate!“ Was für ein lecker Wort.

„Designer gestalten mit höchstem Anspruch on- und offline Produkte.“

Oh, das überrascht einen jetzt doch. Normalerweise suchen Werbekunden doch eher Agenturen, die in diesem Punkt Versager sind.

„Webentwickler programmieren neue Solutions.“

Solutions? Example gefällig: Sätze wie der vorstehende, die als ein neues Trend-Format developed worden sind. Greatartig. Da löst sich das Netz gleich off.

„Wir verleihen Haltungen und Inhalten Relevanz.“

Firma dankt! Denn das versteht sich ja nicht von selbst. Rasch die Relevanzmaschine angeschmissen und Plop! Ja, nee. Siehe Plakataktion im Auftrag der Opernstiftung Berlin.

Wir wandeln das Plakat und die Aktion ein bisschen ab und schlagen folgendes Motiv vor.

Plakataktion des Speersitz. Agentur: Speersitz

Plakataktion des Speersitz. Agentur: Speersitz

Und schon bald ist das alles wieder vergessen …

Bzw.

Dazu höre man sich das Orignal von Hildegard Knef an. Von der Birke, die als Kommode endet: Was will uns das sagen. „Du da in der Provinz, Birke Du, mache Dich auf den Weg nach Berlin, dann endest du als nützliches Teil der Einrichtung …“

Sorry

Denn es ist so schade: In den Opernhäusern in Berlin sitzen so kluge Leute, in PR und Marketing, in Dramaturgie und Intendanz, von den Künstlern, die dort agieren mal ganz abgesehen. Hat man so einen Quatsch wirklich nötig? Nicht mal die Opernhäuser sebst weisen auf die Aktion hin.