Neulich unterzog ich ein CD-Cover der Deutschen Grammophon einer Kritik. Auf Twitter bekam ich bald einen Hinweis, dass gerade auch bei Neuer Musik einige CD-Cover einigermaßen eigenartig, fragwürdig, beziehungsweise misslungen seien. Nun komme ich selbst selten in den Genuss Neue Musik von der CD zu hören. Ich finde, da gehört live einfach dazu. Sehen, wie Notenberge oder Klebewunder vor den Musikern stehen, fragil und schützend zugleich. Und wie die Musik dann auch ganz unmittelbar wirkt. Es ist jetzt schon ein bisschen her und alte Musik wahrscheinlich: Weberns Orchesterstücke op.6 von der CD sind doch wie Analogkäse. Das muss durch Mark und Bein gehen und das geht nur im leibaftigen Hören im Konzert.
Aber lassen wir uns nicht zu sehr von solchen dürftigen Erlebnissen ablenken. Gerade ist er von den Autoren der GEMA mit dem GEMA-Autorenpreis für seine Lebenswerk ausgezeichnet worden: Helmut Lachemann, der Robinson Crusoe der aktuellen Musik schlechthin. Der Hohepriester der Musique concrète instrumentale. Ich weiß noch genau … damals in Metz, Gran Torso im Kino … ähja, interessiert jetzt nicht.
Also der mit dem:
Man muss hier gleich zwei CDs im Zusammenhang sehen, denn die erste CD (links) bekommt durch die zweite erst eine gewisse Sinnhaftigkeit. Auch wenn man wegen des Schriftzugs „mode“ denken könnte, es handle sich um eine Foto-CD mit Bekleidungsempfehlungen und sonstigem Schnickschnack für die Lebens- und Raumgestaltung, muss man die Enttäuschung hinnehmen, dass es sich doch um ein Produkt der Musikindustrie handelt: eine Musik-CD.
Zwei Gefühle (was sonst)
Es geht nämlich um zwei Gefühle. Und zwei Gefühle sehen wir in dem Model ausgedrückt, das sich prominent in den Vordergrund aus dem Dunkeln rückt. Es ist die gleiche Fotosession des Models, nicht einmal ein Visagist wurden zwischengeschaltet. Ein bisschen dichter ran, die gleichen Klamotten, die gleiche Frisur. Nichts mit Rom, London, Paris, Madrid – die Frisur sitzt. Aber wie viel Unterschied in der emotionalen Ausstrahlung:
- Links: Links vorbei am Betrachter schauend (jedes Mal schaue ich mich immer um, was der sieht, was ich nicht sehe). Doch ist da nicht auch ein bisschen Leere im Blick, so fest er auch wirkt, der Blick?
- Rechts: Ein Blick direkt in des Betrachters Auge. Ich meine es ernst, ich mache ernst. Gleichwohl bedeutet die Kopfdrehung auch ein bisschen etwas wie eine Einladung an die Hörenden.
Ernsthaft beide Ausdrucksformen, aber doch um wie vieles lebendiger der Ausdruck rechts. Auf dem linken Cover schon ganz zum Denkmal erstarrt: Zum Gran Torso. (Das gibt es aber auf der CD rechts … – schade, dass man die Motive vertauscht hat). Wie radikal delikat sind zwei Gefühle dargestellt.
DerDas WDR-Logo (dumm gelaufen)
Was auch unangenehm auffällt, das Logo des WDR passt sich da in keiner Weise ein. Die haben sicher ihre Richtlinien, wie klein oder groß das Logo sein muss, ob und wie es freizustellen ist, welchen Abstand die anderen Element haben müssen und so. Alles total wichtig zur Kommunikation der Marke, klar. Das Ergebnis sieht man ja. Der WDR fällt negativ auf – und das war wohl das Ziel. Das WDR-Blau stört den Aufbau nicht minder wie das kantige Weiß im dunklen Fond.
Falschfarben (nichts ist noch ächt)
Man sieht ferner, der Fotograf hat Wert darauf gelegt, durch die Beleuchtung etwaige Tränensäcke des Models herauszuarbeiten. Das ist ihm wunderbar gelungen. Nicht gelungen und etwas Übung bedarf es noch, um zu einem korrekten Weißabgleich zu kommen. Denn dass die Klamotten etwa zwischen den Fotos umgefärbt wurden, scheint einigermaßen unwahrscheinlich, ist aber nicht zur Gänze auszuschließen. Es gibt ja Models, die eine ungeheure Ruhe bei so etwas haben.
Ein Blick in die Website von Moderecords macht es nicht wirklich besser, aber zeigt an, dass man im Netz niemandem trauen sollte, weder bei Farben noch bei Tönen – oder Texten wie diesem hier.
Schon besser. Man kann fast meinen, die Abbildungen, die bei Amazon genutzt werden, sind absichtlich so scheußliche Digitalisate.
Henzes Rache
Wer weiß, vielleicht stimmt es ja uns sein alter Widersacher und Vorgänger als Musikautor, Hans-Werner Henze, hat seinen Zorn walten lassen. genau wie der für Lachenmann den Shop eingerichtet hat. Alter Kapitalistenbonzensack! Wusstes Henze eben doch.
Wo wir schon mal Komplimente am Verteilen sind, gleich eines noch an die Kollegen von VioWorld. Mit dem Interview mit Lachenmann habt ihr einen echten Kultur-Beitrag abgeliefert, der so ziemlich alle Vorurteile, die man gegen Werk und Person und Szene hegen kann, bestätigt: Eine Stunde Poesie concrète verbale.